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Corona-Krise und Sprache der Angst

Sprache in Zeiten von Corona“ war das Thema einer von der Universität Wien und der Tageszeitung Der Standard veranstalteten Online-Diskussion. Deren Teilnehmer sparten dabei nicht mit Kritik an der Regierungskommunikation.

Udo Bachmair

Die Macht der Sprache aus Politiker- und Expertenmund sei so stark gewesen wie selten zuvor, fasste Jörg Matthes, Vorstand des Publizistikinstitutes der Universität Wien, das kommunikativ Besondere der ersten Corona-Wochen zusammen. Dies gelte für Warnungen und Entwarnungen, ebenso wie für Versprechungen und Drohungen.

In der Lockdown-Phase habe die Sprache von Regierenden und Virologen Angst ausgelöst, diagnostizierte die Sprachwissenschafterin Ruth Wodak. Viele Menschen hätten es trotz stark gesunkener Erkrankungszahlen nicht gewagt, Bekannte zu treffen – aus Furcht, sich mit dem Corona-Virus anzustecken. Das Mittel der Angst sei bewusst eingesetzt worden.

Der Politikberater Thomas Hofer warf ein, dass das Spiel mit der Angst für Politiker höchst verlockend sei. Es eröffne ihnen die Möglichkeit, sich als Retter in der Not darzustellen. „Wir reiten von Angstwelle zu Angstwelle“, fügte Jörg Matthes hinzu. Dabei seien Krisenphänomene höchst komplex und stellten auch die Wissenschaftercommunity vor große Herausforderungen.

Message-Control: Kritischer Journalismus nötiger denn je

Barbara Coudenhove-Kalergi ist die neue Trägerin des Bruno-Kreisky-Preises. Sie wird damit für ihr publizistisches Gesamtwerk geehrt. Die Wichtigkeit von kritischem Journalismus ist ihr ein besonderes Anliegen, gerade in Zeiten von Message-Control.

Udo Bachmair

Der Bruno-Kreisky-Preis für Politische Publizistik wird seit 1993 jährlich vom Karl-Renner-Institut verliehen. Mit diesem Preis wird im Sinne des Lebenswerks Bruno Kreiskys politische Literatur ausgezeichnet, die für Freiheit, Gleichheit, Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz einsteht.

Die diesjährige Preisträgerin Barbara Coudenhove-Kalergi entstammt einer 1945 aus der Tschechoslowakei vertriebenen Prager Intellektuellenfamilie. Als Schriftstellerin und Journalistin hat sie für verschiedene Tageszeitungen sowie für den ORF gearbeitet. Bis heute ist sie gefragte Kolumnistin, im Besonderen für die Tageszeitung Der Standard.

Die Verleihung des Kreisky-Preises hat Coudenhove-Calergi zum Anlass für einen Appell an die Journalisten genommen, kritikfähig zu sein bzw. zu bleiben. Es sei Aufgabe des Journalismus, ein Bild von Politik an die Öffentlichkeit zu transportieren, das faktengestützt und objektiv ist.

Zum Umgang von Medien mit der vor allem von der Kurz-ÖVP konsequent und professionell betriebenen Message-Control meint die Preisträgerin : „Dazu gehören immer zwei. Es liegt an den Journalisten, ob sie sich von der Message-Control kontrollieren lassen oder selbst kontrollieren“.

Casual Dating: Wiener Qualitätszeitung sucht Neben-Einkünfte

Hans Högl
Die Qualitätszeitung „Der Standard“ verschafft sich querliegenden Verdienst durch Werbung für Casual Dating (je auf Seite 1).

Text: „Frauen tummeln sich immer weniger auf Tinder. Sie setzen bei der Suche nach Erotik-Partnern lieber auf etablierte Portale – und dort gibt es viel zu wenige Männer!
Während Apps wie Tinder über eine Testosteron-Überdosis klagen, jubelt die Erotik-Plattform TheCasualLounge über einen Frauenanteil von 65 Prozent. Wie hat sich das Portal in den vergangenen Jahren gegen andere Anbieter durchgesetzt?“

Coronafälle schon im Oktober 2019 in Wuhan bei Militärwettspielen?

Hans Högl:

Im Qualitätsblatt des Wiener „Standard“ fand sich in der Rubrik Etat am 9. Mai 2020, 07:00  online eine äußerst bemerkenswerte Nachricht. Da diese Information sonst- wie es scheint- kaum beachtet wurde, bringen wir diese auf dem Blog der Medienkultur. Der Verfasser: Sigi Lützow. Der Titel:  Coronapandemie: Ein militärischer Anfangsverdacht.

Jannis Bonek neigt nicht zum Dramatisieren. Der 20-jährige Wiener würde niemals behaupten, einer der ersten Österreicher gewesen zu sein, die mit dem Coronavirus in Berührung gekommen sind. Es spricht einiges dafür, dass Jannis Bonek schon Ende Oktober des Vorjahres an Covid-19 erkrankt war, „es spricht aber auch einiges dagegen“, sagt der Orientierungsläufer.

Jannis Bonek in Wuhan bei seinem wegen Corona idealen Sport: „Im Orientierungslauf ist ja jeder Kontakt mit anderen verboten.“Foto: Mike Gottlieber

 

Sportlerkollegen, die wie Bonek vor einem halben Jahr an den Militärweltspielen in Wuhan teilgenommen haben, sind da weniger zurückhaltend. „Als wir in Wuhan eingetroffen sind, sind wir alle erkrankt. Auch viele Athleten anderer Delegationen“, sagte der italienische Fechter Matteo Tagliariol dem Corriere della Sera. Der 37-jährige Degenolympiasieger von 2008 fieberte nach seiner Heimkehr aus China hoch, konnte kaum atmen. Schließlich habe sich sein zweijähriger Sohn infiziert, dann seine Freundin. Als die Pandemie im Entstehen war, lag für Tagliariol der Schluss nahe: „Das war Covid-19.“

Corona-Krise: Bewährungsprobe auch für die Pressefreiheit

Österreich ist in der Liste der Pressefreiheit um zwei weitere Plätze abgerutscht. Die Gefahr verstärkter Medienkontrolle auch nach der Corona-Krise erscheint nicht ausgeschlossen.

Udo Bachmair

Österreich ist also im internationalen Pressefreiheits-Ranking weiter abgesackt. Grundlage dafür waren laut „Reporter ohne Grenzen“ in erster Linie Versuche der abgedankten türkis-blauen Koalition, unliebsame Medien zu schwächen und zu bedrohen, ORF-Journalisten einzuschüchtern sowie auch den Boulevard zu instrumentalisieren. Fortgesetzte Message Control reicht aber offensichtlich auch bis in die Zeit der aktuellen Regierungskoalition. Dazu in der Tageszeitung Der Standard Rubina Möhring, die Sprecherin der renommierten Journalistenorganisation:

„Die Angriffe auf die Pressefreiheit, die unter Schwarz-Blau vermehrt in Österreich zu beobachten waren, haben weder seit Ende der schwarz-blauen noch mit Antreten der schwarz-grünen Regierung ein Ende genommen“.

Diese Analyse trifft im Besonderen auf die message-control-gesteuerte Berichterstattung der ZIB 1 zu. Angesichts des Einflusses von Gerald Fleischmann, des Medienbeauftragten von Kanzler Kurz, auf die ZIB1-Redaktion konnte sich der Kanzler über Wochen hinweg nahezu täglich in der ZIB 1 ausgiebig inszenieren, auch wenn das journalistisch nur selten zu rechtfertigen war. Oppositionsstimmen sowie unterschiedliche Expertenpositionen waren nur marginal zu vernehmen. Stattdessen mitunter substanzlose und regierungsanbiedernde Kommentare innenpolitischer ZIB 1-Redakteure.

Positive Gegenbeispiele im ORF sind die ZIB 2 und die hervorragenden Ö1-Journale. Dort fallen trotz der schwierigen Corona-Zeit journalistische Kriterien, wie neue Inhalte, Differenzierung, kritische Annäherung und Fragestellungen, größtenteils nicht unter den Tisch. Auch Vorschläge von Nichtregierungsparteien sowie unterschiedliche Meinungen aus dem Wissenschaftsbereich zur Corona-Causa werden gemäß den Ausgewogenheitskriterien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entsprechend wahr- und ernstgenommen.

Die Medienlandschaft insgesamt und mit ihr die Freiheit der Rede und der Presse werden angesichts der Corona-Krise auf eine harte Probe gestellt. In Ländern mit bereits deutlich eingeschränkter Pressefreiheit, wie etwa in Ungarn, wird das Thema Covid-19 erst recht als Rechtfertigung für autoritäre Maßnahmen auch gegenüber Medien genommen. Auch wenn sich die Lage in Österreich noch vergleichsweise gut darstellt, bleibt auch hier die bange Frage, nicht zuletzt bezogen auf die ZIB 1 : Wird die vom Kanzler beschworene „neue Normalität“ von Dauer sein, auch nach Corona ?

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund kommt der Appell der „Reporter ohne Grenzen“ zum richtigen Zeitpunkt:

„Die Verschlechterung Österreichs in der Rangliste der Pressefreiheit zeigt uns vor allem, dass wir wachsam bleiben und Presse- und Informationsfreiheit aktiv verteidigen müssen.“

Europa ist mehr ! Es steht auch für Humanität

Die deutsche Bundesregierung hat beschlossen, eine begrenzte Zahl an Kindern und Frauen aufzunehmen, die unter unfassbar unmenschlichen Umständen in griechischen Lagern teils um ihr Überleben kämpfen.
Die österreichische Regierung verschließt sich dieser humanitären Forderung.

Udo Bachmair

Für viele ist die Weigerung der Bundesregierung, zumindest eine kleine Zahl an besonders betroffenen Frauen und Minderjährigen aufzunehmen, eine Schande. Der “kalte Kanzler“ (der Standard) tue mit seiner harten (christlich-sozialen?) Position auch Österreich insgesamt nichts Gutes, so der Kern der Kritik.

Sorge um den Verlust an Menschlichkeit sowie um das Image Österreichs, das sich früher immer wieder durch internationale Dialogfähigkeit, Humanität und Solidarität ausgezeichnet hat, machen sich zunehmend auch Vertreter der römisch-katholischen und der evangelischen Kirche. Es sei nötiger denn je, dass sich die Bundesregierung kompromisslos zu den Werten der Menschenrechte und Menschenwürde bekenne.

Vertreter unterschiedlicher Konfessionen, darunter auch der islamischen Glaubensgemeinschaft, haben nun einen offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz veröffentlicht. Dieses Schreiben wird wohl kaum in einem Medium Platz finden. Daher sei es Ihnen ungekürzt zur Kenntnis gebracht :

Offener Brief an Herrn Bundeskanzler Sebastian Kurz

Europa ist mehr!

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Sebastian Kurz,

mit diesem Schreiben beziehen wir Position, um mit vereinter Stimme für Solidarität und die Wahrung der Menschenrechte bei uns und in Europa einzutreten. Hierbei geht es nicht nur um die erneut drängende Frage nach tragfähigen Lösungen im Umgang mit Menschen an den Außengrenzen der EU. Die aktuelle Situation veranschaulicht einmal mehr, wie wichtig es ist, nationale und transnationale Herausforderungen im Themenkomplex Asyl, Migration und Integration aktiv zu bearbeiten, konstruktive Lösungen zu finden und solidarisch umzusetzen. Hierzu können wir alle einen Beitrag leisten, denn das Friedens- und Einheitsprojekt Europa ist mehr, als es die Schlagzeilen vieler Medien und die Aussagen einiger Politiker der letzten Zeit erwarten lassen.

Wir begreifen uns als Teil der Gesellschaft, der sich bewusst ist, dass wir unserer humanitären Verantwortung im In- und Ausland mit einem fairen Beitrag gerecht werden müssen, unabhängig von dem, was gerade opportun erscheint. Denn auch nicht zu handeln, oder sich vor Elend und Leid einfach zu verschließen, hat einen Preis – auch wenn dieser vielleicht nicht sofort für jede und jeden spürbar ist – zahlen wir wohl langfristig mit einem Beitrag zu einer schleichenden Entsolidarisierung.

So sollten wir allein schon um unserer selbst Willen hinsehen, hinterfragen und helfen, denn die Wahrung der eigenen Rechte hat historisch gesehen schon oftmals mit dem Eintreten für die Rechte anderer begonnen. Wir appellieren somit an Sie, sich für eine Politik einzusetzen, die Mut macht, differenzierte Lösungen findet und zulässt, sowie grundsätzlich von einem Interessensausgleich und der Unteilbarkeit der Menschenrechte geleitet ist.

Europa ist mehr!

( Gezeichnet von Dr. Josef Marketz, Bischof Diözese Gurk-Klagenfurt
Mag. Manfred Sauer, evang. Superintendent Kärnten-Osttirol
Adnan Gobeljic, BA, Vorsitzender Islamische Religionsgemeinde Kärnten
Mag. Ernst Sandriesser, Direktor Caritas Kärnten
Dr. Hubert Stotter, Rektor Diakonie de La Tour )

Für eine aktive und initiative Zivilgesellschaft

Ilse Kleinschuster, langjähriges aktives Mitglied der Vereinigung für Medienkultur, macht sich profunde Gedanken über Ziele und Chancen einer initiativen Zivilgesellschaft.
Hier ihr Gastbeitrag :

Ilse Kleinschuster, im Jänner 2020

Mit dem Anbruch des zweiten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts würden Fragen virulent, wie sie sich bisher in der Geschichte der Menschheit nicht gestellt haben. „Das 20. Jahrhundert war geteilt in eine Zeit der Dunkelheit und in eine Ära der Hoffnung“, so beginnt Eric Frey seinen Essay „Kommen wir noch einmal davon?“ (im ALBUM vom DerStandard vom 28.Dezember 2019) und er meint dann, die ersten zwei Jahrzehnte dieses Jahrhunderts böten Pessimisten und Optimisten gleichermaßen Stoff – mit Folgen für die Klimapolitik. Gegen Ende seines politik-/ökonomiegeschichtlichen Exkurses wird er sehr nachdenklich: „Die Weltuntergangsuhr, die Mitte der 1990er Jahre bei drei viertel zwölf stand, stehe jetzt seit dem vergangenen Jahr wieder auf zwei vor zwölf. Die Prognosen der Klimaforscher lesen sich immer öfter wie apokalyptische Visionen, die selbst ehrgeizige Klimapläne als sinnlos erscheinen lassen.“ Und er meint, unter Hinweis auf die enttäuschende Weltklimakonferenz in Madrid 2019, es stünden die politischen Realitäten sinnvollen Klima- und Umweltplänen im Wege.

Nicht gerade optimistische Stimmung lässt Frey aufkommen, wenn er zwei Autoren zitiert: den US-Autor Jonathan Franzen, der den Kampf gegen den Klimawandel für verloren erklärt und der die Menschheit aufruft, alles zu tun, damit die Menschheit die Folgen überlebt, sowie den Dänen Björn Lomborg, der erklärt, dass eine wirkungsvolle Eindämmung der Treibhausgasemissionen viel zu teuer sei und man – neben der Lösung anderer sozialer und gesundheitlicher Probleme – stattdessen in die Anpassung investieren müsste.

Und zur Krönung seines zum Pessimismus aufmunternden Essays erzählt Fry von dem von ihm für paradox gehaltenen, Phänomen: „Die radikalsten Klimaaktivisten mit ihren düsteren Warnungen sind heute die größten Optimisten. Sie sind überzeugt, dass die Katastrophe doch noch abgewendet werden kann.“ Im Unterschied zu den „Bremsern“, die in den Hauptstädten der Welt mit ihrem Pragmatismus den Ton angeben, wollten diese sich jedoch nicht darauf verlassen, dass wir schon irgendwie davonkommen würden. Denn, – so Eric Frey abschließend – der Lauf der Geschichte ließe sich zwar nicht steuern, aber er ließe sich beeinflussen.

Lässt sich der Lauf der Geschichte beeinflussen? – und von wem?

Dieser Essay stimmt nachdenklich. Ich frage mich, was kann ich jetzt tun als einfache Bürgerin, die seit vielen Jahren zivilgesellschaftlich aktiv ist – in einer Allianz von Utopisten und Weltverbesserern, der „Initiative Zivilgesellschaft“ -, wo das wiederholte Scheitern des Finanzsystems mit immer dramatischeren Folgen – nicht nur für die Menschen, sondern zunehmend auch für die Lebensgrundlagen unseres Planeten – schon seit vielen Jahren als ein Indiz dafür erkannt worden ist, dass grundlegende Mängel im Systemverhalten existieren müssen, die zu diesem immer dramatischeren periodischen Zusammenbrüchen führen.

Erstaunlich wie lange es gebraucht hat bis sich die Kurzschlüssigkeit aus den vielen wissenschaftlichen Berichten dazu (Club of Rome u) herumgesprochen hat: Symptome wurden zwar erkannt und ihre scheinbaren Ursachen beschrieben, aber die daraus abzuleitenden Therapien wurden kaum (nicht) ergriffen. Kleine Erfolge im Rahmen von großen, internationalen Klimakonferenzen wurden zwar erzielt. Jedoch, erst die seit einigen Monaten aktuellen globalen Protestbewegungen, wo Jugendliche bei den „Fridays for Future“-Demonstrationen Maßnahmen zum Klimaschutz fordern, sind erfolgreich – werden immer stärker in der breiten Öffentlichkeit gehört. Kann das jetzt jene Politisierung bedeuten, von der Herr Frey meint, sie könnte den Lauf der Geschichte beeinflussen?!? Wenn nun immer mehr junge Demonstranten bemerken, dass sie gehört werden, ja dass ihnen teilweise recht gegeben wird, dann könnte dies so manche von ihnen anspornen, weiterzumachen – sei es nun indem sie sich in Parteipolitik engagieren oder auch in Nichtregierungsorganisationen oder in den „Medien“ – wo auch immer, sie werden allemal zur aktiven Bürgerschaft – gesamtheitlich zu einer initiativen Zivilgesellschaft, die den „Lauf der Geschichte beeinflussen kann“.

Für mich wird dieses Jahr 2020 jedenfalls nicht durch dunkle Orakel-Wahrsagungen getrübt, sondern erhellt von der bunten Vielfalt jener Menschen, die für Werte eintreten: menschliche Würde, Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaat, soziale Gerechtigkeit, kulturelle und ökologische Vielfalt und Anti-Diskriminierung. Ich sehe am Horizont eine sich von-unten-aufbauende Demokratie, die sich populistischen Trends gegenüber zu wehren versteht. Natürlich braucht es dazu die Stärkung der rechtsstaatlichen Institutionen, und das nicht nur innerhalb unseres Landes. Um diese Institutionen zu erhalten und zu stärken sollte es in den nächsten Jahren der aktiven und initiativen Zivilgesellschaft gehen.

Klimaprotest sollte über 2020 hinaus nicht mehr so sehr Protest gegen diese Politik sein, sondern sollte Fürsprache für die Wiedervereinigung von Ökologie und Ökonomie bedeuten!

Gastkommentar von Ilse Kleinschuster

Vernünftiger öffentlicher Diskurs über Politik

Hans Högl
Mein Leserbrief mit folgendem Inhalt wurde in der „Wiener Zeitung“ publiziert:

Der Titel des Gastbeitrages von Gerfried Sperl „Weg in eine autoritäre Demokratie“ lässt einen erschrecken. Unbekümmert um parteiliche Empfindlichkeit diverser Art argumentiert der Autor und dies mit Rückgriff auf die Zeitgeschichte. Hier bietet der frühere Chefredakteur des „Standards“ einen Versuch und brisanten Beleg dafür, dass ein nüchterner, öffentlicher Diskurs über Österreichs Politik möglich und not-wendig ist.
Zuletzt war wiederholt zu hören, über unsere Innenpolitik lasse sich kaum mit anderen vernünftig reden, da alles gleich parteipolitisch punziert würde. Eben diese Polarisierung stellte auch der Chefredakteur der „Wiener Zeitung“ fest. Aber diese Woche überstürzen sich die Ereignisse derart, dass Gespräche unvermeidlich sind, aber es gibt auch ein verstörtes Verstummen.

Österreich bald Orbanistan ?

Die Diskussion um die Zukunft des ORF nimmt an Heftigkeit zu. Anlass ist das nun offiziell bekräftigte Beharren der FPÖ auf Abschaffung der ORF-Gebühren.

Udo Bachmair

Die ÖVP/FPÖ-Regierung, vor allem der kleinere Regierungspartner, verschärfen den Druck auf den ORF. Mit der Absicht, den ORF aus dem Bundesbudget zu finanzieren, versucht die Regierung, das öffentlich-rechtliche Unternehmen an die Kandare zu nehmen. Statt Resten kritischer Berichterstattung künftig also ein message-control-gesteuerter Türkis/Blau-Funk ?

Vorausgegangen waren seitens der FPÖ Angriffe auf unabhängige ORF-Journalisten wie ZIB 2-Anchorman Armin Wolf oder Ernst Gelegs, der zu kritisch über Orban berichtet hat. Dem ORF-Aufsichtsratsratsvorsitzenden sind engagierte Journalisten dieser Art zu „unbotmäßig“. Man stelle sich vor, der ARD-Aufsichtsratschef würde so gegen das eigene Unternehmen agieren. Er wäre rücktrittsreif.

Noch ist demokratiepolitisch nicht alles verloren. Ein paar kritische Medien gibt es ja noch in diesem Land. Sie sind umso wichtiger, als das Gegengewicht millionen-gefütterter regierungstreuer Boulevardmedien immer erdrückender wird. Zuletzt ist auch der KURIER, früher als eher liberal eingestuft, in Richtung eines konservativen Kanzler-Verehrungs-Vereins abgedriftet.

Erwartet uns bald eine total regierungsabhängige Medienlandschaft a la Ungarn ?

Hans Rauschers Befund zur Causa heute in der Tageszeitung DER STANDARD :

„ In Ungarn haben mit Orban verbündete Milliardäre beinahe alle Zeitungen übernommen. Bei uns kauft sich unter wohlwollender Beobachtung von Kanzler Kurz ein Immobilientycoon in KRONE und KURIER ein.
Es wird eines Aufwachens der SPÖ und einer Bündelung der Kräfte der Zivilgesellschaft bedürfen, eventuell auch einer solidarischen Aktion der seriösen Medien, damit Österreich nicht zu Orbanistan wird“

Zur Causa ein Hinweis auf die Sendung CONTENT von RADIO KLASSIK am 23.3. 17 Uhr ( Wh 27.4. 21 Uhr) :

Thema einer Podiumsdiskussion mit Walter Famler und Udo Bachmair ist der „Wert des Öffentlich-Rechtlichen“.

Medien an der kurzen Leine ?

Das deutsche „Handelsblatt“ – nicht im Verdacht, ein linkes Medium zu sein – übt scharfe Kritik an Österreichs rechtskonservativer Regierung

Udo Bachmair

Seit der Übernahme der Regierungsgeschäfte durch das mediale Naturtalent Sebastian Kurz im Dezember 2017 sieht „Handelsblatt“-Kommentator Hans-Peter Siebenhaar für die österreichischen Medien den Beginn einer neuen Zeitrechnung. An allen Schaltzellen der politischen Macht gelte das System der „message control“.

„Für die österreichischen Medien wird seitdem ein minuziöses Drehbuch mit ausgewählten Inhalten geschrieben. Kein Wort wird dem Zufall überlassen. Selbst Provokationen werden sorgsam gesetzt, um entweder von Problemen abzulenken oder Gegner zu verunsichern.“

Kurz und seine „Prätorianergarde im Kanzleramt“ hätten es geschafft, die rot-weiß-roten Medien in rasanter Geschwindigkeit fast ausnahmslos auf Regierungslinie zu bringen.

„Zum einen wird journalistisches Wohlverhalten mit exklusiven Zugängen belohnt und Fehlverhalten bestraft, zum anderen wird eine raffinierte Personal- und Anzeigenpolitik betrieben. Durch die Umbesetzung der Chefredaktion der Tageszeitung „Kurier“ verschwand eine bisweilen regierungskritische Stimme. Ohnehin ist der Kurz-Freund und Immobilienmilliardär Rene Benko beim Kurier und der Kronen Zeitung als Gesellschafter eingestiegen. Das verbindet.“

Da die bisher einzige oppositionsnahe Tageszeitung „Der Standard“ ihre Hauptenergie in die Digitalisierung investiere, bleibt für Siebenhaar als einziges konsequentes Oppositionsblatt das Wochenmagazin Falter. Zum ORF meint der Kommentator:

„Das größte Medienhaus des Landes mit seinem sozialdemokratischen Chef Alexander Wrabetz wehrt sich noch gegen allzu dreiste Eingriffe durch die Regierungskoalition. Doch der Führungsmannschaft und weiten Teilen der Redaktion ist klar, dass mit dem geplanten Komplettumbau des ORF nichts mehr sein wird wie es einmal war“.

Jedenfalls nehme der journalistische Pluralismus in Österreich insgesamt kontinuierlich ab, so das Handelsblatt. Im Hinblick auf die Medien würde Österreich immer näher an Osteuropa heranrücken, befindet der Autor. „Zum Nachteil einer lebendigen und pluralistischen Demokratie..“