Archiv der Kategorie: Gastbeiträge

König der Ukraine

Der Link des Tages, heute gestiftet von

Adalbert Krims

www.topos.orf.at/der-koenig-der-ukraine100

Jetzt weiß ich, warum Karl Habsburg den größten Privatsender der Ukraine betreibt! 😊 Bisher war mir Erzherzog Wilhelm Franz von Habsburg-Lothringen als „König der Ukraine“ nämlich nicht bekannt… Das erinnert mich an das Zitat von Karl Marx: „Hegel bemerkte irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce“.

Chinesischer „Friedensplan“ ignoriert

Medien der westlichen „Wertegemeinschaft“ ist es offenbar nicht wert, über die Punkte des chinesischen Friedensplans zur Beendigung des Ukrainekriegs zu berichten.

Fritz Edlinger *

Während die kriegsführenden Parteien fast ausschließlich damit beschäftigt sind, diesen schrecklichen Ukrainekrieg fortzuführen, gibt es trotz aller Verunglimpfungen auch solche, welche ihn möglichst rasch beenden möchten. Ob es einem passt oder nicht, China ist hier dem „wertegeleiteten“ Rest der Welt zweifellos um einen Schritt voraus. Und dies trotz, möglicherweise sogar wegen, seiner bestehenden Beziehungen zum Aggressor Russland.

Der chinesische „Friedensplan“ enthält, auch wenn dies von westlichen Staaten und auch deren Medien negiert wird, Vorschläge, welche – wenn man es möchte – durchaus als Ausgangspunkt ernsthafter Vermittlungs- und Friedensgespräche betrachtet werden können. Im Gegensatz zu den aktuellen Kommentaren zu diesen zwölf Punkten enthält der „Friedensplan“ sehr wohl konkrete Vorschläge, und durchaus solche, welche auch als Kritik am russischen Vorgehen betrachtet werden können, nochmals, wenn man es möchte.

Allein schon der Punkt „Respektierung der Souveränität aller Länder“ und die darin enthaltene Forderung nach gleichmäßiger und einheitlicher Anwendung des Völkerrechtes sind doch klare Positionen, welche auch eine Kritik an der russischen Aggression gegen die Ukraine bedeuten. Auch „Verurteilung von Angriffen auf Kernkraftwerke“ (Punkt 7), die Ablehnung der Drohung eines möglichen Einsatzes von Atomwaffen (Punkt 8) oder die Forderung nach Erleichterung der Getreideexporte (Punkt 9) sowie nach Aufrechterhaltung der Industrie- und Lieferketten (Punkt 11) sind durchaus konkret, im Gegensatz zu allem, was aus westlicher Seite gesagt, besser, nicht gesagt wird.

Dieser Zwölfpunkteplan ist jedenfalls bei weitem das Konkreteste, was vorliegt. Jedenfalls ist es nicht nur konkreter sondern auch humaner und politisch vernünftiger als die von der Ukraine und von den meisten europäischen Aliierten formulierten Kriegsziele wie totaler Sieg bis hin zu regime change in Moskau. Um sich ein persönliches Urteil bilden zu können, verweise ich auf den Link der Schweizerischen Plattform infosperber, der auch den genauen Wortlaut des Planes enthält.

Der chinesische «Friedensplan» für die Ukraine im Wortlaut

*Gastautor Fritz Edlinger ist Herausgeber und Chefredakteur der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL

Willkommen

Soziale Medien und ihre Gefahren

Bei allen Vorteilen, die die sogenannten sozialen Medien mit sich bringen können, treten andererseits immer krassere Fehlentwicklungen zutage.

Wolfgang Koppler *

Auf den ersten Blick erscheinen soziale Medien als millionenfach erweiterter Bassenatratsch. Gerüchte, Geschimpfe, aber auch Hass, Ängste, Vorurteile und Parolen verbreiten sich in Windeseile. Obwohl Bassena und Dorfbrunnen längst verschwunden sind und sich Hausbewohner meist nicht einmal mehr vom Sehen her kennen, haben Tratsch, Vorurteile, Hassorgien und diffuse Ängste über Stadt- und Landesgrenzen hinweg auf diese Weise Hochkonjunktur.

Was weniger bekannt ist, man kann Stimmungen und Meinungen auf diese Weise automatisiert und gezielt steuern. Nicht nur, aber besonders in Kriegszeiten. Man lässt einfach Millionen automatisierter Meldungen aus nicht identifizierbarer Quelle im richtigen Moment vom Stapel und überschwemmt damit die sozialen Medien. Damit lassen sich sehr schnell Emotionen, insbesondere diffuse Ängste erzeugen. Diese Methode wird durch das altbekannte Prinzip „Haltet den Dieb“ ergänzt und ausschließlich die Meinungsmanipulation seitens des politischen oder militärischen Gegners zum Thema gemacht. Vom Mainstream abweichende oder auch nur kritische Stimmen werden zudem in den herkömmlichen Medien als links – oder rechtsradikal oder auch nur als verschwörungstheoretisch gebrandmarkt und sind damit im wahrsten Sinne des Wortes indiskutabel, also außerhalb des gesellschaftlichen Rahmens.

Eine brisante Studie der Universität von Adelaide und ein diesbezüglicher Artikel des australischen Journalisten Peter Cronau lässt in Sachen Ukrainekrieg und soziale Medien – aber auch weit darüber hinaus – die Alarmglocken schrillen: Da wurden mit Beginn des Ukrainekriegs automatisiert Millionen antirussischer Meldungen, also Tweets aus gefälschten Konten abgesetzt. Und merkwürdiger Weise lange Zeit nicht gelöscht. Prorussische Meldungen folgten erst mit etlichen Tagen Verspätung. Und in einem viel geringeren Ausmaß. Und es ging nicht um Information oder Richtigstellung von Falschmeldungen, sondern primär um die Erzeugung von Ängsten. Die Herkunft solcher „bots“ (Kurzwort für Roboter) ist natürlich nicht feststellbar. Aber die Stoßrichtung ist klar.

Die unabhängig erstellte Studie der Universität von Adelaide wurde von den westlichen Medien schlichtweg ignoriert. Gleichzeitig beschäftigten sich westliche Medien nahezu ausschließlich mit russischen Trollfabriken, sodass der Eindruck entstand, der Informationskrieg werde nur von Seiten des Gegners betrieben. Das ist keine Aufklärung mehr, keine Bekämpfung von Fakenews, sondern bloße Manipulation. Die Quelle ist übrigens absolut seriös – Peter Cronaus ist einer der arriviertesten und preisgekrönten Investigativjournalisten Australiens und auch für den öffentlich-rechtlichen Sender ABC tätig:

https://declassifiedaus.org/2022/11/03/strongmassive-anti-russian-bot-army-exposed-by-australian-researchers-strong/

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

Medial aufgeheizte Kriegsstimmung

Der Angriff Russlands auf die Ukraine jährt sich nun das erste Mal. Anlass für militärische Durchhalteparolen nahezu aller Medien zugunsten eines ukrainischen Sieges auf dem Schlachtfeld. Befürworter von Verhandlungslösungen kommen hingegen nur eingeschränkt zu Wort, wie etwa in der jüngsten ORF-Sendung Im Zentrum.

Wolfgang Koppler *

Jahrestage sind manchmal schon gefährlich, wenn sie an Vergangenes erinnern. Emotionen werden aufgewühlt, Positionen verhärten sich und statt ehrlicher und sachlicher Aufarbeitung kommt es nur zur großen Keilerei – zumindest verbal. Lernprozesse bleiben dabei regelmäßig auf der Strecke.

Gerade deshalb wollte ich mir die Diskussion zu diesem traurigen „Jubiläum“ bei „ORF-Im Zentrum“ eigentlich nicht mehr ansehen. Noch dazu, wenn drei eindeutig festgelegte Diskussionsteilnehmer (der ukrainische Botschafter in Wien, eine polnische EU-Abgeordnete, Oberst Reisner vom Bundesheer) – von der Moderatorin meist noch mit entsprechenden Fragen unterstützt – nur zwei Verhandlungsbefürwortern (der linken Abgeordneten Demirel und dem Journalisten Seipel) gegenüberstanden, die man des Öfteren nicht einmal ausreden ließ.

An Argumenten zunächst nicht allzu viel Neues. Botschafter Khymynets vertrat natürlich die Position der ukrainischen Führung: Verhandlungen erst bei vollständigem Abzug der russischen Armee. Schadensersatz durch Russland und Verfolgung der russischen Kriegsverbrechen. Das Land, das sich verteidige, habe Recht auf jede Hilfe. Würde die Ukraine mehr Hilfe bekommen, könnten weitere Gebiete befreit werden. Ähnlich die polnische EU-Abgeordnete Thun. Sie sprach im Wesentlichen davon, dass man auf die Ukrainer hören und sie bedingungslos unterstützen müsse.

Die linke EU-Mandatarin Demirel bestritt natürlich nicht, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handle, verwies aber auch auf völkerrechtswidrige Angriffe der NATO und vor allem auf die Auswirkungen des Krieges, die weit über die Ukraine hinausgingen. Im Übrigen hätte selbst die Ukraine in den ersten Kriegsmonaten verhandelt. Sie verglich – durchaus treffend – die Stimmungslage mit jener vor dem ersten Weltkriegs. Auch damals glaubten alle an den gerechten Krieg. Wer`s nicht glaubt, möge bei Stefan Zweig und Karl Kraus nachlesen.

Der Journalist und Dokumentarfilmer Seipel meinte, man sollte sich trotz des Krieges immer noch die Gründe auch der anderen Partei ansehen. Im Übrigen würde man derzeit Notlieferungen statt Verhandlungen betreiben, sodass wohl Letztere sinnvoller seien.

Oberst Reisner vertrat natürlich die Position des Westens bzw. jene von NATO und EU, aber einige Äußerungen ließen doch aufhorchen: So schimmerte durch, dass die Positionen Russlands vor dem Krieg (auf die Seipel Bezug nahm) nicht völlig unverständlich waren, wenn er meinte, dass „Russland auch anders als mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg hätte reagieren können“. Russland hätte der Ukraine nun einen Abnützungskrieg aufgezwungen und es bestehe die Gefahr, dass die Unterstützungsbereitschaft des Westens nachlasse. Was Verhandlungen betrifft, so wolle Russland jetzt nicht verhandeln, das sei „vielleicht im März noch so gewesen, aber jetzt nicht mehr“ (Seltsam: Major Feichtinger hat die damaligen Verhandlungsergebnisse vor einigen Tagen in der ZiB2 noch als Friedensdiktat bezeichnet).

Die Moderatorin Claudia Reiterer sprach schließlich von einer verminten Diskussion (was angesichts der Forderung nach Streuminen und deren fürchterlichen Auswirkungen etwas deplatziert wirkte), verwies aber dann doch auf die Politologin Ursula Schröder: Weg von der Dichotomie. Entkoppelung der Diskussion über Waffenlieferungen von jener über Verhandlungen. Waffenlieferungen ohne Verhandlungen machen wenig Sinn.

Es muss ja kein entweder oder sein. Hat wirklich jemand in den letzten Monaten ernsthaft mit den Russen verhandelt? Mit Putin und Selenskyj Tacheles geredet? Wenigstens im Hintergrund? Glaubt jemand ernsthaft angesichts des militärischen und wirtschaftlichen Potentials des Westens und der in den Medien genügend aufgeheizten Kriegsstimmung an ein „Im Stich-Lassen“ der Ukraine? Ist nicht eine Eskalation viel wahrscheinlicher?

Vielleicht doch ein Ansatz zu einem Lernprozess. Statt Churchill gegen Peter den Großen antreten zu lassen. Im 21.Jahrhundert.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

Ein Videotipp :

Aufzeichnung einer differenzierenden Debatte zum Thema „Ukrainekrieg und die Berichterstattung westlicher Medien“ im Presseclub Concordia in Wien.
Eine Veranstaltung der Vereinigung für Medienkultur :

Mediale Giftmischung

Einen Krieg beginnen – immer –so genannte „Eliten“, nicht die kleinen Leute. Diese „Eliten“ haben Interessen an Ressourcen, streben nach Macht, Übermacht, Hegemonie. Bezeichnend ist, daß diese grundlegende Betrachtungsweise weitgehend außer Acht gelassen wird beim Thema Ukraine.

Peter Stribl *

Es wird verfahren, als hätte der Krieg vor einem Jahr aus heiterem Himmel begonnen. Ohne Vorgeschichte, ohne die Strategien Zbigniew Brzezińskis und die nachfolgenden Fakten. NATO-Osterweiterungen z.B., Victoria Nulands „fuck the EU“ oder Hunter Bidens Geschäfte in der Ukraine.

Die Berichterstattung der „Qualitätsmedien“ ordnet sich diesen planvoll projizierten Bildern in vorauseilendem Gehorsam bereitwillig unter. So hat tagesschau.de das Zitat Baerbocks, „wir führen einen Krieg gegen Russland“, erst mit zwei Tagen Verspätung vermeldet. Dafür aber mit Vorwürfen gespickt, interessierte Kreise würden versuchen, daraus Vorteile zu ziehen – als wenn Baerbock diese Äußerung nicht getätigt hätte. „Das wird Russland ruinieren“ wird ebenso gerne in der Vergessenheit versenkt. Russland soll ruiniert werden, nicht Putin, Lawrow oder Russlands Oligarchen. Ein ganzes Land ist gemeint und auch dessen Bevölkerung.

Seymour Hersh wird für seine Veröffentlichung zu Nordstream 2 mit Sätzen kommentiert, die direkt aus Langley stammen könnten. Sicherlich, eine anonyme Quelle ist journalistisch dünnes Eis. Aber waren da nicht auch Äußerungen Joe Bidens, die eindeutig die Annahme zuließen, Nordstream 2 werde verhindert, mit allen Mitteln?

Eine weitere mediale Baustelle: Die Tagesschau kritisiert, Assad instrumentalisiere das Erdbeben für seine Zwecke. Die Sanktionen der EU werden dabei manipulativ verwendet, wie auch unterschlagen wird, welche Vorgeschichte Idlib zugrunde liegt. Al Kaida, IS, alles zusammengefasst unter „Rebellen“. Kommt ja auch viel besser an.

Am 13.2. brachte die ARD einen Film über die Ukraine und danach „Hart aber fair“ zum selben Thema. Die Auswahl der Gäste hat unter Gewissheit den einen oder anderen Zuseher bewogen, besser ein gutes Buch zu lesen als die Sendung zu verfolgen. Ein Pazifist wird sich nicht Andrij Melnyk antun, wenn warme Milch und eingerührter Senf zur Verfügung stehen.

Die mediale Giftmischung wird abgerundet mit dem Versuch, alles den runterprasselnden Einseitigkeiten Widerstrebenden in die politisch rechte Ecke zu verfrachten. Populisten, Punkt, fertig. Wenn jemand als Putin- oder Russland-Versteher beschimpft wird, lässt das tief blicken. Etwas zu verstehen hat nichts damit zu tun, für etwas Verständnis aufzubringen. Etwas zu verstehen ist unerlässlich für eine korrekte Analyse, nicht mehr und nicht weniger.

Es sollte die Bemühung vorherrschen, den Konflikt in der Ukraine umfassend zu verstehen. Wie aus dem Einheitsbrei der „Qualitätsmedien“ zu urteilen ist, braucht es dazu mehr als einseitige Quellen, Geheimdienstdossiers oder staatliche Stellungnahmen. Nützlich dabei kann nicht zuletzt die Betrachtung des Begriffs Demokratie sein. Kein Volk dieser Erde strebt aus eigenem Interesse einen Krieg an, es sind immer nur Eliten, Oligarchen, Mächtige. Deren Interessen an Bodenschätzen etc. führen zu Konflikten und eben schlimmstenfalls zu Kriegen. Dem entsprechend sind diese Eliten, Oligarchen und Mächtigen ihrer undemokratischen Mittel zu entledigen. Weltweit. Denn wahre Demokratie bedeutet Frieden.

* Peter Stribl ist Politik- und Medienanalyst und lebt in Deutschland

Ein Videotipp :

Aufzeichnung einer differenzierenden Debatte zum Thema „Ukrainekrieg und die Berichterstattung westlicher Medien“ im Presseclub Concordia in Wien.
Eine Veranstaltung der Vereinigung für Medienkultur :

Ukrainekrieg: Eskalation stoppen

Der Politologe Hans Joachim Funke hat es gewagt, eine Petition von Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht zu unterzeichnen, die zur Intensivierung von Verhandlungen statt Ausweitung der Waffenlieferungen aufruft.

Wolfgang Koppler*

Immerhin haben sich auch Stimmen aus SPD und CSU dem Aufruf angeschlossen. Dieser wird vom Politologen Herfried Münker – fast schon erwartungsgemäß – als „gewissenlose Unterstützung Putins“ bezeichnet. Henryk Broder unterstellt Schwarzer und Wagenknecht „toxische Männlichkeit“ und Zynismus. So in den Medien überhaupt argumentiert wird, beschränkt es sich auf angeblich mangelndes Interesse Russlands oder einfach auf „Man muss den Aggressor stoppen“. Sogar die gewiss nicht als Friedenstaube geltende österreichische Ex-Außenministerin Ursula Plassnik sprach in einem Streitgespräch mit Schwarzer (in der ZiB 2) schon vor etlichen Monaten von einer Eskalationsspirale in den Medien. Kein Ruhmesblatt für den Journalismus.

Interessant in diesem Zusammenhang war da das jüngste ZiB 2-Interview mit dem „gewissenlosen“ Hajo Funke und seinem Widerpart Major Feichtinger, ehemaliger Brigadier des Bundesheeres. Zu Beginn wird natürlich Münkers Vorwurf ins Spiel gebracht, dem Funke sein eigenes Gewissen entgegensetzte. Er gestand der Ukraine das Recht auf Verteidigung zu und sprach davon, dass der Krieg zu einem Patt geführt hätte und sich dies angesichts der Waffenlieferungen des Westens auf absehbare Zeit nicht ändern werde. Ob man jetzt oder später verhandle, würde am Frontverlauf nichts Wesentliches ändern. Nur würde es wahrscheinlich nochmals 250.000 Tote kosten. Aus Russland gäbe es durchaus Verhandlungssignale. Eine Unterbrechung des Krieges im Sinne eines Waffenstillstands wäre das einzig Sinnvolle. Im Übrigen hätte die ukrainische Führung ja selbst bis April verhandelt (Anm.: bis zur Befreiung Kiews).

Feichtinger bezeichnete die Verhandlungsergebnisse vom April zunächst als „Friedensdiktat“ (ein anderes Wort für den schon etwas abgelutschten und historisch peinlichen Diktatfrieden). Auf den deren Inhalt der damaligen Verhandlungen ging er gar nicht ein, obwohl die Neutralität der Ukraine mit Sicherheitsgarantien bereits sehr weit verhandelt war und die ukrainische Führung selbst erklärt hatte: Jeder Krieg endet durch eine Vereinbarung (erinnert an Stellungnahmen von Politikern: Nicht ins Konzept Passendes übergeht man mit Schweigen). Ein Waffenstillstand zementiere nur den Status quo.

Und dann die Überraschung (auch für Armin Wolf, Anchorman der ZiB 2: Feichtinger musste zugeben, dass bei objektiver Betrachtung der Kriegslage auf absehbare Zeit tatsächlich keine großen Veränderungen des Frontverlaufs zu erwarten seien. Weder die Rückeroberung der Krim noch jene der Separatistengebiete sei ein realistisches Ziel. Auch einen Jahre langen opferreichen Krieg schloss er nicht aus. Wesentlich jedoch sei, was die Kriegsparteien glaubten. Jede Seite erwarte sich noch Vorteile aus der Weiterführung des Krieges. Außerdem würden in der Ukraine 85 – 90 % der Bevölkerung den Kurs der Regierung stützen.

Populismus als Strategie des Westens ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

Ein Krieg gegen Russland ?

„Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander“. Deutlicher als beim Europarat jüngst in Straßburg hätte die deutsche Außenministerin es nicht aussprechen können.

Wolfgang Koppler *

Auch wenn meist nur von der Unterstützung der Ukraine die Rede ist, so sieht sich der Westen längst im Krieg gegen Russland. Zur „Verteidigung der Demokratie“. Und sogar die deutschen Grünen sind von einer extrem pazifistischen Partei zu einer fast schon fanatischen Kriegspartei geworden. Putin sieht es natürlich spiegelverkehrt – Russland oder vielmehr er selbst – gegen den Westen. Beide Seiten benötigen Feindbilder, um die Bevölkerung auf eine Fortsetzung des Krieges und diesbezügliche Opfer einzuschwören. Und innenpolitische Spannungen vergessen zu machen.

Wobei Russland angesichts seiner wirtschaftlichen und militärischen Schwierigkeiten eher verhandlungsbereit scheint als der Westen, wie man auch an einigen diesbezüglichen Aufforderungen von Seiten Russlands aus der letzten Zeit sieht. Dass solche von Politik und Medien Im Westen unter Hinweis auf „Maximalforderungen“ beider Seiten (hier Verzicht auf Donbass, Cherson und Saporischschja – dort Verhandlungen erst bei völligem Abzug der Russen) als unrealistisch abgetan oder gar nicht in Betracht gezogen werden, ist pure Heuchelei. Jede Lohnverhandlung zwischen den Sozialpartnern wird vom selben Zeremoniell eingeleitet und kein Mensch käme auf den Gedanken, solche Verhandlungen deshalb als aussichtslos einzustufen. Und sie durch Streik, Aussperrungen und Straßenkämpfe zu ersetzen.

Jetzt kommt natürlich der Einwand, das „wir“ uns seit zehn Monaten im Krieg befinden. Und dass sich die souveräne Ukraine gegen den Angreifer verteidigen muss. Diese gebetsmühlenartige Formel (die viele Journalisten wahrscheinlich schon als Textbaustein im Computer haben) verdeckt nur das, was sich bei einem Krieg zwangsläufig immer auf beiden Seiten abspielt: Hass – Feindschaft – Gewalttätigkeit, jene Eskalation, die Heinz Gärtner bei der vielbeachteten Podiumsdiskussion der Vereinigung für Medienkultur kürzlich im Presseclub Concordia so treffend beschrieben hat. Jeder Krieg treibt zum Äußersten. Und immer sehen sich beide Seiten (zumindest was deren politische und militärische Führung betrifft) im Recht. Oder warum ist das Wort Angriffskrieg im Fall des Irakkriegs niemandem eingefallen ? Auch dann nicht, als sich die Massenvernichtungswaffen nicht und nicht finden ließen ? Und warum hat die ukrainische Führung in den ersten Kriegsmonaten selbst ernsthaft verhandelt und jetzt nicht mehr ?

Putin ist schuld. Die Zauberformel gegen Hunger in Afrika, Schuldenberge, Frackinggas, Kohlereaktivierung und Hunderttausende Tote. Verhältnismäßigkeit ? Dieser Begriff ist zu kompliziert für unseren politischen und medialen Kindergarten.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Gastautor und Jurist und lebt in Wien.

Ukrainekrieg und westliche Medien

Seitens Experten und MedienkonsumentInnen wird einseitige westliche Berichterstattung zur komplexen Causa Ukraine-Krieg zunehmend beklagt.

Udo Bachmair

Schauplatz Presseclub Concordia in der Bankgasse 8, 1010 Wien :

Großer Ansturm auf die von der Vereinigung für Medienkultur veranstaltete Podiumsdiskussion zum Reizthema „Krieg gegen die Ukraine und die Berichterstattung westlicher Medien“.
Es gab doppelt so viele Anmeldungen als Plätze in der Concordia frei waren.

Bei allen, die angesichts des großen Interesses an diesem Thema keinen Platz mehr im Saal bekommen haben, möchten wir uns entschuldigen. Als vielleicht kleinen Trost bieten wir Ihnen eine Aufzeichnung der erwähnten Veranstaltung an, die unter folgendem Link abrufbar ist :

https://we.tl/t-FItDNG5lGw

Indische Stimme der Vernunft

Das Interview jüngst in der ORF-Sendung ZiB-2 mit dem indischen Außenminister zeigt, dass es auch besonnene Stimmen rund um den russischen Krieg gegen die Ukraine gibt.

Wolfgang Koppler *

Eine Stimme der Vernunft nannte ihn Außenminister Schallenberg. Zu Recht, wie das gestrige ZiB2-Interview mit dem indischen Außenminister Vaishankar zeigte. Leider ging diese Stimme fast völlig unter und beschäftigten sich vor allem die Qualitätsmedien mehr mit dem Migrationspakt als mit Vaishankars Äußerungen zum Ukrainekrieg. Und das obwohl Indien seit kurzem den Vorsitz der G20 innehat und dessen Vermittlerrolle sogar von Selenskyj anerkannt wurde.

Zu Beginn des Interviews wurde Vaishankar gefragt, weshalb Indien den russischen Angriffskrieg nicht verurteilt und eine neutrale Position eingenommen hätte. Vaishankar verwies darauf, dass er genauso gut nach der Haltung des Westens in anderen Kriegen fragen könnte und darauf wohl ein langes Schweigen als Antwort erhielte (er nannte zwar etwa den Irakkrieg nicht konkret, aber unwillkürlich musste ich an eine Kriegsreporterin denken, die sich im Irakkrieg über die Friedensaktivisten lustig machte, die vor dem Bombenhagel Bagdad verließen. Zur Völkerrechtswidrigkeit des Irakkriegs mit seinen erfundenen Kriegsgründen hat man später nicht sehr viel von ihr gehört).

In der Folge betonte Vaishankar die Wichtigkeit einer von Interessen gelenkten Außenpolitik und vor allem die Bedeutung der Diplomatie. Und erwähnte in einem Nebensatz, dass ja auch die ukrainische Führung selbst in den ersten Kriegsmonaten intensiv verhandelt hätte. Kein Journalist traut sich das heute zu erwähnen. Dabei konnte man das damalige Motto der ukrainischen Führung überall nachlesen: Jeder Krieg endet durch eine Vereinbarung. Nach der Befreiung von Kiew war davon nicht mehr die Rede.

Und am Ende des Interviews dann einige Wirtschaftsdaten: Das Pro-Kopf-Einkommen in Europa: 60.000 Dollar. Jenes in Indien 2.000 Dollar. Energiepreise, die sich während des Kriegs auch durch die verstärkte europäische Nachfrage im Nahen Osten vervielfachten. Aber ein Land mit einem beachtlichen Potential. Dessen Stimme wohl auch in der UNO einmal mehr Gewicht erhalten wird. Hoffentlich.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Mit Kopf und Bauch

Eine Fülle an Krisen hält uns in Atem – von der Klimakrise bis zum Krieg in der Ukraine. Genug Stoff auch für Diskussionssendungen, wie jüngst auch wieder in der ORF-Talkshow „Im Zentrum“. Mit dabei u.a. der Philosoph Konrad Paul Liessmann, Ex-Bundespräsident Heinz Fischer und die Klimaaktivistin Lena Schilling.

Wolfgang Koppler *

Gestern Abend bei ORF-Im Zentrum einmal eine – bis auf einzelne Ausrutscher von Conrad Paul Liessmann – wohltuend sachliche Diskussion zu den aktuellen Krisen und deren Auswirkungen auf Demokratie und Gesellschaft. Dazu trugen vor allem Lena Schilling und Heinz Fischer bei, die durch ihre kluge Argumentation Liessmann in gemäßigte Bahnen lenkten. Dieser benutzte zu Beginn – wie man es schon von anderen Diskutanten gewohnt ist – wieder einmal Ukraine- und sogar Vietnamkrieg, um die aktuellen Feindbilder zu beschwören und andere Themen, wie die Klimakrise, klein zu reden. Im Verlauf der Diskussion sprach er sich dann aber zusammen mit den anderen – wenn auch eher allgemein – für Toleranz und Meinungsfreiheit aus.

Er meinte allerdings, Werturteile und Emotionen von Gedanken und Meinungen trennen zu können. Hier irrt er wohl: Wir bestehen alle aus Kopf und Bauch. Auch Intellektuelle haben Emotionen. Und sind von sozialem Umfeld, Werthaltungen und menschlichen Schwächen geprägt. Selbst wenn dies nicht immer so deutlich sichtbar wird wie im Ukrainekrieg und in anderen Krisen. Es wird Zeit, dass wir uns dessen bewusst werden. Dann würde es uns auch leichter fallen, unsere Fehlbarkeit einzugestehen.

Auch die größten Genies sind keine sprechenden Köpfe, keine Bio-Computer. Bildung, so sehr sie unseren Horizont erweitern kann, ersetzt keine Erfahrungen, nicht den Austausch mit anderen. Vor allem nicht die Konfrontation mit uns selbst. Sonst verführt sie allzu leicht zu Arroganz und unreifem Narzissmus. Paul Lendvai zitiert im Vorwort zu „Mein Österreich“ sehr treffend Goethe: „Aufrichtig zu sein kann ich versprechen – unparteiisch zu sein aber nicht.“ Allein dies ist schon ein hohes Ziel.

* Wolfgang Koppler ist Jurist und Autor und lebt in Wien