Archiv für den Monat: Dezember 2019

Solidarität statt Spaltung

Spätestens seit der Finanzkrise 2008 und den Flüchtlingsströmen 2015 erscheint unsere Gesellschaft so gespalten wie schon lange nicht mehr. Ist das tatsächlich so ? Wenn ja, wie groß ist die Chance, miteinander wieder ins Gespräch zu kommen, über politische und ideologische Grenzen hinweg ? Fragen, mit denen sich zwei empfehlenswerte Bücher beschäftigen.

Udo Bachmair

Als Folge der Finanzkrise ab 2008 haben Zukunftsängste immer weitere Kreise der Bevölkerung erfasst. In dieser Phase war die politische Auseinandersetzung zunehmend von nationalistischen Tönen dominiert. Rechte und rechtsextreme Parteien konnten erfolgreich politisches Kleingeld aus den Sorgen der Menschen schlagen. Das funktionierte besonders auch 2015, jenem Jahr, in dem die Migration und die „Zuwanderung ins Sozialsystem“ ( unisono Ex-Kanzler Kurz und die FPÖ ) als Wurzel allen Übels gebrandmarkt wurden.

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben zweifellos zu einer Polarisierung beigetragen. Aber ist der Graben so tief, dass es keine Brücken mehr gibt zwischen den als „Anständige“ Definierten und als „Sozialschmarotzer“ Diffamierten, zwischen dem linken und dem rechten Lager ? Die Autoren des im Promedia-Verlag erschienen Buches „Umkämpfte Solidaritäten“ versuchen dieses politisch und medial oft bemühte Bild differenziert zu betrachten. Sie meinen, dass wir uns nicht dem Fatalismus hingeben sollten, der in dem Bild einer Spaltung tendenziell enthalten sei.

Grundthese der Autoren ist daher: Die Spaltungslinien in der Gesellschaft sind vielfältig und weniger polar als man annehmen würde. Im Zentrum steht der Begriff Solidarität, der sowohl Spaltungen bzw. Ausgrenzungen als auch Einschlüsse und Zusammenhalt in den Blick bekommt, sozusagen als die zwei Seiten derselben Medaille. Dadurch würde sich zeigen, dass Trennlinien zwischen „uns“ und den „anderen“, zwischen drinnen und draußen, nicht immer eindeutig verlaufen und durchaus mit Ambivalenzen und Widersprüchen verbunden sind.

„Umkämpfte Solidaritäten – Spaltungslinien in der Gegenwartsgesellschaft“
( Altreiter / Flecker u.a., erschienen im Promedia-Verlag )

Wie sind denn nun Spaltung und Polarisierung zu überwinden ? Diese Thematik ist Gegenstand auch eines weiteren jüngst erschienenen Werks, in dem gleich 51 prominente Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien ihre Argumente zum Besten geben. Gespeist worden ist dieser vom Monatsmagazin „Datum“ herausgegeben Sammelband von einem mehrstündigen „Debatten-Happening“ aus Anlass des 15. Gründungsjubiläums der renommierten Monatszeitung.

Eine bunte Mischung aus Debattenbeiträgen von Barbara Coudenhove-Calergi, Hannes Androsch, Heinz Fischer, Annelise Rohrer bis zu Barbara Blaha und Niko Alm machen das komplexe Werk interessant und attraktiv.

„Wo sind wir hier eigentlich ? – Österreich im Gespräch“
( Apfl / Loudon / Zach, erschienen im Verlag Brandstätter )

Maria Theresia: Kritik am Historienfilm

Hans Högl

ORF- Größen feiern in orf-news das Millionen-Publikum der Filme über Maria Theresia- wieder ausgestrahlt am 27. u. 28. Dez. 2019. Wer diese Filme sah, hat dafür ein vielfaches Zeitbudget mit der großen österreichischen Herrscherin aufgewendet, als dies je ein anspruchsvoller Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe (z.B. am Gymnasium) bietet.

Die Film über Maria Theresia bringen höchst ungewöhnliche Passagen, die selbst Personen, die sich intensiv mit Maria Theresia befasst haben, so Fremdenführer in ihrer soliden Ausbildung, völlig unbekannt sind. Ich will dies nur andeuten, so das angeblich uneheliche Kind von Maria Theresia. Das Drehbuch stammt von Miroslava Zlatniková, der Regisseur ist Robert Dornhelm. Wie steht es um die Historizität der Rolle von Pater Johannes?

Müsste die Programmleitung des ORF nicht nach einem Historienfilm in einer kurzen Extrasendung erläutern und klären, was an dem Film oder der Saga historisch ist und was nicht. Das sollte doch öffentlich-rechtlicher Rundfunk aufgrund seines Bildungsauftrages leisten! Auch das tele- Fernsehmagazin befasst sich höchst oberflächlich nur mit Kostümen und den Schauspielern.

Europa – in Vielfalt geeint

Der österreichische Ex-Bundespräsident Heinz Fischer zitiert in seinem Buch „Überzeugungen“ (2006) eine Aussage von Viktor Hugo. Und in Differenz zu Autoren wie Robert Menasse werden auch die Individualitäten und Nationen in den europäischen Staaten gesehen. Darum wählten wir folgendes Zitat.

Hans Högl

Ein Tag wird kommen, wo ihr, Frankreich, Russland, Italien, England und Deutschland, all ihr Nationen des Kontinents ohne die besonderen Eigenheiten Eurer ruhmreichen Individualität einzubüßen, euch eng zu einer höheren Gemeinschaft zusammenschließen … werdet.

Viktor Hugo, 1849 (!)

Deutsche Wochenzeitung: Entschuldigung für Fehler

Hans Högl

Es ist bemerkenswert, dass die angesehene deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT in einem Jahresrückblick auf zwei großen Seiten Fehler im Detail aufzeigt, wo und wann ihr Fehler passierten. Ich zählte 33.

So schrieb sie z.B..: Die 80 Hektar große Fläche des Roskildefestivals (in Dänemark) entspreche 350 Fußballfeldern. Doch ein Fußballfeld hat keine fixe Größe -das kleinste, das der Deutsche Fußballverband erlaubt, misst 90 mal 45 Meter. Sogar von diesen Feldern würden nur 197 auf das Festivalgelände passen.

Andere Fehler: Es wird ein falscher Vorname genannt oder Harnsäure und Harnstoff verwechselt. Manchmal sind es fehlerhafte Zahlen oder Jahresangaben oder ein Familienname wird falsch geschrieben.

Wie auch immer:
Ich möchte der Redaktion der ZEIT zur Richtigstellung und Entschuldigung gratulieren, die sie in riesigen Lettern zum Ausdruck bringt (Nr. 50 im Dossier Jahresrückblick).

Wenn schon Fehler Wochenzeitungen passieren, um wieviel mehr kann dies in der extrem raschen Produktion von Tageszeitungen der Fall sein oder bei der Aussprache bisher wenig bekannter geografischer Namen. Manchmal werden aus finanziellen Gründen zu wenig oder keine Lektoren angestellt. Auch in Büchern finden sich Fehler.
Es ist nicht alles absichtliche Manipulation, wie manchmal vermutet wird. Sondern gewisse Fehler entstehen im extrem raschen Produktionsprozess. Dies ist auch in anderen Lebensbereichen der Fall.

US-Evangelikale fordern Absetzung von R. Trump

Frappierender Text zur Relation Religion-Politik anlässlich des Weihnachtsfestes

Hans Högl

Evangelikale Christen zählen zu Trumps wichtigen Wählern- dies beginnt zu bröckeln. Das Magazin „Christianity Today“ gründete der legendäre Prediger Billy Graham, der ein Hundert-Millionen-TV-Publikum faszinierte. Kürzlich evaluierte der Leitartikel des Magazins Donald Trump als „verwirrt und moralisch verloren“ – so wegen dubioser Geschäfte, Lügen und seiner fragwürdigen Haltung zu Frauen. Das stößt dem Verfasser des Artikels Mark Galli sauer auf, und er tritt für die Amtsenthebung von Trump ein.

Dies ist Impuls, die religiöse Haltung von Ronald Trump zu eruieren. Der Autor M. d`Antonio gibt uns Antworten: Vater Fred und Sohn Ronald Trump schätzten in New York Reverend Norman V. Peale, den Verfasser des Buches die „Kraft des positiven Denkens“, der in Predigten sehr erfolgs- und nutzenorientiert argumentierte, quasi wie: Denke nach und werde reich. Nur selten kam er auf Sünde, Leid oder Erlösung zu sprechen. Er predigte, seine Zuhörer sollen wegen Missetaten „frei von Schuldgefühl“ sein. Diese „Saccharin“-Predigt fanden die Immobilienmenschen Vater Fred und Sohn Ronald Trump recht passend.

Michael d`Antonio: Die Wahrheit über Trump, Berlin 2106.

Hausgemachte Probleme Afrikas?

Europäer haben historisch in Afrika viel Unheil angerichtet. Selten drücken Afrikaner ihre eigene Schuld für das Afrika von Heute aus.

Hans Högl

Der ghanaische Erzbischof Gilbert Justice Yaw Anokye hat kritisiert, dass in einigen Ländern Afrikas Diktatoren und Despoten immer noch „starken Rückhalt genießen“. „Wir haben uns für Anführer entschieden, die Afrika seit der Unabhängigkeit bis heute nicht vorangebracht haben.“ Afrikaner wählen korrupte Politiker, nur weil sie vom eigenen Stamm sind.

Christliche Kirche im Irak wiedereröffnet

Seltene Berichte über Christen im Nahen Osten (Irak)

Hans Högl

Die islamische Terrormiliz (IS) vertrieb 2014 Christen aus der irakischen Stadt Karakosch und zerstörte ihre Kirche. Hier waren die Christen in der Mehrheit. Die Muslime konnten bleiben.
Vor ein paar Monaten wurde die Kirche wiedereröffnet. 800 christliche Familien haben sich wieder in Karakosch niedergelassen.

Trend im Wiener „Standard“ an Feiertagen

Hans Högl

Es vergeht kein christlicher Feiertag, weder Weihnachten noch Ostern, ich beobachte dies seit Jahren, an dem der „Wiener Standard“ nicht die Christen und deren Feiertage kritisiert. So heißt der Titel des „Standards“ in der Werbeeinpackung der Wochenend-Ausgabe (21.Dezember) in riesiger Extra- Aufmachung: „MERRY KITSCHMAS!“

Zweifellos dieser kommerzielle Zirkus um Weihnachten ist kritikwürdig. Aber der „Standard“ nützt dies in ambivalenter Weise.

Ich stelle diese angeführte Tendenz im „Standard“ regelmäßig fest, und halte dies nun einmal fest, während zum Beispiel Ö1 heute in der morgendlichen Sendung „Lebenskunst“ überaus ausführlich und würdig vom jüdischen Chanukka-Fest spricht.

FILMTIPPS: Blick auf den Süden der Welt

Während übliche Magazine für Weihnachten massentaugliche Unterhaltung empfehlen, greife ich humanitäre Film-Tipps auf- von Baobab, einer entwicklungspolitischen Wiener NGO (H.Högl):

DIE JURTENKINDER – EINE SCHWEIZERIN HILFT DEN ÄRMSTEN DER MONGOLEI

Schweiz, 2017:Wer das urbane Zentrum von Ulan Bator verlässt, entdeckt zahllose Jurten und einfache Holzhäuser, die sich ringartig um die Stadt legen. Hier wohnen die Ärmsten. Alkohol, Gewalt und Missbrauch sind alltäglich. Christine Jäggi kämpft dagegen an.
Mo, 23.12., 15:10, SRF 1

ZERISSENE FAMILIEN – GEFLÜCHTETE KÄMPFEN UM IHRE KINDER

Deutschland:2015 flüchtete die Syrerin Fteim Almousa nach Deutschland, vier Jahren später dürfen ihr Mann und drei Kinder nachkommen. Doch die älteste Tochter erhält kein Visum. Die erneute Trennung belastet, das Einleben in Deutschland ist herausfordernd.Vermag die Mutter, ihre enge Beziehung zu ihren Kindern wiederzubeleben?
Mo, 23.12., 19.40, ARTE

STERNSTUNDE KUNST: MAGNUM-FOTOGRAF RAGHU RAI: FOTOGRAFIE UND SPIRITUALITÄT

Österreich, 2019:Seit 50 Jahren fotografiert Raghu Rai Indien, dokumentiert und kommentiert die politischen Konflikte, Völkermorde, Flüchtlingsgeschichten wie auch die Alltagsrealität der Menschen in seinem Land. Seine Fotos von der Giftgaskatastrophe von Bhopal, seine Arbeiten über Aufstieg und Fall von Indira Gandhi und die Fotoserien mit Mutter Theresa oder mit dem Dalai Lama machten ihn weltberühmt.
Di, 24.12., 13:00, SRF INFO

KLEINE GLÄSER – GROSSE WIRKUNG

Info/Dok, 2016:Eine Brille für nur einen Dollar – es gibt sie wirklich. Martin Aufmuth im deutschen Erlangen hat sie erfunden. Weltweit ist er mit seinem Brillenprojekt unterwegs, nun warten neue Herausforderungen in Brasilien auf ihn. Dokumentarfilmerin Antje Christ begleitet den Brillenerfinder von São Paolo und bis in den Dschungel Amazoniens.
Di, 24.12., 23:35, SRF INFO

SYRIEN OHNE CHRISTEN? – DER MUT DER VERZWEIFELTEN

Deutschland, 2019:Seit dem Bürgerkrieg 2011 sind hunderttausende syrische Christen nach Europa geflohen. Viele weitere wollen das Land verlassen. Einer der ältesten christlichen Gemeinschaften der Welt droht der Untergang. Eine kleine, deutsche Hilfsorganisation versucht vor Ort in Syrien zu helfen und die Menschen zum Bleiben zu bewegen.
Do, 16.12., 19:40, ARTE

Europas Herkunft und neue Gestalt

Jacques Le Goff -Französischer Historiker:

„Europa wird gebaut. Getragen von großen Hoffnungen. Doch erfüllen werden sie sich nur, wenn sie der Geschichte Rechnung tragen.Ein geschichtsloses Europa wäre ohne Herkunft und ohne Zukunft.

Denn das Heute entstammt dem Gestern, und das Morgen entsteht aus dem Vergangenen. Dieses Vergangene soll die Gegenwart jedoch nicht lähmen, sondern sie befähigen, bei allem Bewahren eine andere und im Fortschritt eine neue Gestalt zu gewinnen.“

Folgender brillanter Kurztext hat mich fasziniert. Darum habe ich ihn als stilistisches und inhaltliches Medienschmankerl aufgegriffen.(Hans Högl)