Archiv für den Monat: November 2020

Fall Assange: Aufdecker ohne Chance

Julian Assange hat mit seinen Enthüllungen Meilensteine für den investigativen Journalismus gesetzt. So die Einschätzung seiner Unterstützer. Diese befürchten, dass er nun endgültig zum Schweigen gebracht werden soll. Er hatte Belege für Kriegsverbrechen der USA publiziert.

Udo Bachmair

Echte Demokratie und echter Journalismus lassen sich nicht trennen. Die Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Der Journalist versorgt sie mit relevanten Informationen und zwar so ungefiltert wie möglich.

Diesem Ansatz fühlt sich Julian Assange verpflichtet. Die Quelle ist für ihn sozusagen die Information, Denken könne der Bürger, die Bürgerin selbst. Diese Transparenz würde Korruption verhindern, niemand wäre mehr sicher vor Entdeckung.

Doch Julian Assange ist seit längerem bereits mundtot gemacht. Der Gründer der Enthüllungsplattform Wikileaks schmachtet nach wie vor in einem Londoner Hochsicherheitsgefängnis. Er soll in die USA ausgeliefert werden. Dort drohen ihm 175 Jahre Gefängnis wegen Veröffentlichung von Informationen über US-Kriegsverbrechen. Washington sieht darin keinen investigativen Journalismus, sondern „Spionage“.

Amnesty International, offiziell als unabhängig geltende Gefangenenhilfeorganisation, wird unterdessen zunehmend zum Ziel von Kritik. Amnesty würde sich weigern, für Julian Assange einzustehen, bemängeln andere Menschenrechtsorganisationen. Assange wegen seiner Enthüllungen endgültig zum Schweigen zu bringen, wobei auch Medien nicht unterstützend für ihn einspringen, verstoße massiv gegen Meinungs- und Pressefreiheit.

In einem offenen Brief an Amnesty International Deutschland ( AID ) fordert nun die Initiative „Freiheit für Julian Assange“, den missliebigen Aufdecker endlich als politischen Gefangenen anzuerkennen :

Offener Brief und Appell an Amnesty International Deutschland

Die Initiative fordert von AID u.a. Antworten auf folgende Fragen:

>>Aus welchem Grund bleibt AID im Falle der bestehenden Menschenrechtsverletzungen von Julian Assange untätig ?

>>Aus welchem Grund ignoriert eine öffentlich hoch angesehene Institution für Menschenrechte wie AID sowohl das Rechtsgutachten des UNO-Menschenrechtsrates wie auch die Untersuchungsergebnisse des UN-Sonderberichterstatters über Folter?

>>Aus welchem Grund erweckt AID den Eindruck, es gäbe im Falle von Julian Assange keine bereits bestehende Verletzung der Menschenrechte, sondern projiziert diese lediglich in die Zukunft auf den eventuellen Fall seiner Auslieferung?

>>Aus welchem Grund lässt AID ausgerechnet den jeder Rechtsstaatlichkeit spottenden und skandalösen gegenwärtigen Auslieferungsprozess in London bewusst aus seiner Öffentlichkeitsarbeit aus?

Es ist keineswegs so, dass nicht auch Assange selbst Zielscheibe von Kritik war und ist. So wurde ihm Vergewaltigung vorgeworfen, doch mangels Beweisen musste das Strafverfahren eingestellt werden.

Besonders eingeschossen auf Assange hat sich die konservative Neue Zürcher Zeitung. Sie hält den WikiLeaks-Gründer für ein nur „wenig glaubwürdiges Opfer einer großen Verschwörung“ (NZZ-Journalistin Tatjana Hörnle). Demnach würden etwa die schweren Anschuldigungen gegen die Ermittlungsbehörden einer kritischen Überprüfung nicht standhalten. Insbesondere seien die Vorwürfe des Uno-Sonderberichterstatters Nils Melzer fragwürdig. Er hatte im Zusammenhang mit strafrechtlichen Untersuchungen gegen Assange unter anderem von „Folter“ gesprochen.

Höchste Zeit für „Informationsfreiheit“

Transparenz ist neben Bildung eines der Hauptthemen, das sich NEOS auf die Fahnen geschrieben hat. Es besteht Grund zur Hoffnung, dass dieses Thema nun in der „sozialliberalen“ Wiener Koalition entsprechende Beachtung findet.

Udo Bachmair

Die neue Stadtregierung (SPÖ/NEOS) lässt im längst überfälligen Bereich „Informationsfreiheit“ aufhorchen. Was auf Bundesebene trotz vollmundiger Ankündigungen nicht und nicht gelingt, soll auf Wiener Ebene alsbald realisiert werden. Deklariertes Ziel ist größtmögliche Transparenz in Bezug auf Handlungen und Entscheidungen in Politik und Verwaltung.

Das Recht auf Antworten der Behörden sowie Einsicht in Unterlagen der Verwaltung sieht die „Fortschrittskoalition“ als Grundrecht. Konkret heißt das, dass behördliche Informationen „proaktiv und maschinenlesbar“ bereitgestellt werden. Zudem soll eine Ombudsstelle für Informationsfreiheit zu weiterer Transparenz beitragen, indem Interessen zwischen interessierten Bürger*innen und Behörden abgewogen werden.

Wie man mit den – mangelhaften – bestehenden Regeln am besten an behördliche Informationen gelangt, weiß kaum jemand besser als der Journalist Markus „fin“ Hametner. Dieses Wissen teilt er mit Teilnehmer*innen des Seminars „Frag’ den Staat. Wirkungsvoll Anfragen an Behörden stellen” am 12. Dezember 2020 (ab 14 Uhr) im Presseclub Concordia, Bankgasse 8, A-1010 Wien.

Coronatote in der Schweiz. Italiens Autoindustrie

Ein Blick über den österr. Tellerrand in die Schweiz u.nach Italien.

Hans Högl

(Quellen: Der Schweizer „Tagesanzeiger“ u. „Neue Zürcher“)

„Vor Wochen haben wir uns daran gewöhnt, dass die täglichen Neuinfektionen in die Tausende gehen. Seit diesem Monat scheinen wir auch die Zahl jener, die täglich an Corona sterben, nüchtern zur Kenntnis zu nehmen: Gestern waren es 111 Menschen, die in der Schweiz wegen des Virus gestorben sind. Bis Ende Dezember könnten insgesamt gegen 5000 Personen in der Pandemie ihr Leben verloren haben. Das sind im Verhältnis zur Bevölkerung mehr als in vergleichbaren, ebenfalls schwer betroffenen westlichen Ländern wie Grossbritannien oder den USA. Diese Zahlen werden hingenommen, einfach so.“

In Turin: Einst war Turin der Motor des italienischen Wirtschaftswunders. Früher waren dort die «Grandi Motori» und andere bedeutende Fabriken. Mit der Finanzkrise 2008 setzte jedoch der Niedergang der Stadt ein. Viele Fabrikarbeiter verloren mit ihrer Stelle auch ihren Lebensinhalt. Dann kam die Corona-Krise – und alles wurde noch viel schlimmer.(Neue Zürcher)

Gesinnung unter Strafe stellen ?

Das sogenannte Antiterrorpaket als Spontanreaktion der Regierung auf den Wiener Terroranschlag ist in Medien und Politik durchaus umstritten. Im Visier der Kritik vor allem der geplante Straftatbestand in Bezug auf den schwammigen Begriff „Politischer Islam“.

Udo Bachmair

Das abscheuliche Attentat von Wien hat verständliche hochemotionale Debatten ausgelöst. In der ersten Emotion sind überschießende Reaktionen menschlich nachvollziehbar. In weiterer Folge jedoch wäre von besonnenen Politikern zu erwarten, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen. Es ginge darum, nicht populistisch zu reagieren, sondern zu einem vernünftigen und sachlichen Diskurs beizutragen. Generell den nicht näher definierten „politischen Islam“ für Gewalttaten und Attentate verantwortlich zu machen, trägt wohl kaum zu einem zielführenden Diskurs bei.

Eine Debatte, die in heimischen Medien nur in Ansätzen geführt wird. Sowohl der Boulevard, als auch die meisten Qualitätszeitungen sowie die ZiB 1 des ORF stehen der Bundesregierung nahe. Sie beflügeln daher kaum eine kritische Diskussion über den Vorstoß von Kanzler Kurz, einen Straftatbestand „Politischer Islam“ einzuführen. Eine seriöse Aufbereitung von Ursachen sowie Vermeidung von „islamistisch motivierten“ Attentaten kommen dabei zu kurz. Diese Aufgabe haben deutsche Medien übernommen, für die der Plan Österreichs höchst kontraproduktiv ist.

Mit einem solchen Straftatbestand würde eine Gesinnung zum Delikt erklärt, lautet der Tenor der Kritik. So schreibt die Süddeutsche Zeitung:
„Österreichs Regierung will nicht ein Handeln unter Strafe stellen, sondern bloßes Denken. Dem stehen zu Recht nicht nur die österreichischen, sondern mit großer Klarheit auch insgesamt die europäischen Rechtstaatsprinzipien entgegen. Ein Staat, der Menschen allein wegen vermeintlicher Gedanken einsperrt, das ist eine Horrorvorstellung. Zumal es auch nicht wenige Befürworter von ‚politischem Islam‘ gibt, die auf gewaltfreie Mittel setzen, die Muslimbrüder zum Beispiel oder auch die meisten der sogenannten Salafisten.“

Der Autor des Kommentars, Ronen Steinke, fragt sich, warum denn mit dem Tatbestand „Politischer Islam“ nur ein „Sonderrecht gegen Muslime“ geschaffen werde. Da wäre doch ein Tatbestand „rechtsextreme Ansichten“ oder „frauenverachtende Ansichten“, ebenso konsequent.

Der Kommentator sieht im Plan von Sebastian Kurz zudem ein Geschenk: „Es ist ein Geschenk an die islamistischen Hassprediger selbst, die sich jetzt nicht nur gute Chancen auf eine Solidarisierung aller Muslime ausrechnen dürfen, die gemeinsam mit ihnen derart diskriminiert werden sollen. Sondern die außerdem dabei zusehen können, wie sich Österreichs offene Gesellschaft selbst beschädigt.“

Ähnlich sieht das Waslat Hasrat-Nazim von der Deutschen Welle. Sie meint, dass Österreichs Regierungschef mit seinem Vorhaben auch all jene Muslime verdächtige, die weder gewaltbereit noch radikal sind. Der Islamismus lasse sich eher bekämpfen, wenn man mit Muslimen auf Augenhöhe zusammenarbeitet.

Die Gesetzespläne für einen Tatbestand „Politischer Islam“ sind laut Ralf Leonhard von der deutschen Zeitung TAZ ein „Ablenkungsspiel“. „Selbst wenn das Gesetzespaket durchkommen sollte, der islamistische Attentäter von Anfang November hätte damit nicht aufgehalten werden können, wohl aber durch Ausschöpfen der bereits vorhandenen Mittel. Es liegt also nahe, dass die Regierung mit ihrem Aktionismus in erster Linie vom Behördenversagen ablenken will.“

Weihnachtswunsch an Medien ?

Ein „Medien-Schmankerl“ – ausgesucht von Hans Högl

Ein Leser der Kleinen Zeitung wünscht am 19. Nov.:

Heute gab es endlich einmal die Ausgabe der „Kleinen Zeitung“, wo das Wort Trump nicht vorkam. Jetzt wünsche ich mir noch eine „Kleine“, wo die Worte „Corona“, „Lockdown“ und „Wirtschaftskrise“ fehlen.

Corona-Skeptiker- kein Recht auf Intensivbett ?

Die folgende außerordentliche Meldung verdient meiner Meinung nach eine Diskussion. Quelle: Der Tagesanzeiger (Zürich)

Hans Högl

Aus einem Interview mit einem Gesundheitsökonomen.

«Corona-Skeptiker verwirken ihr Recht auf einen Intensivplatz bei Engpässen». Willy Oggier gehört zu den profiliertesten Gesundheitsökonomen der Schweiz. Im Gespräch lobt er die Corona-Politik Österreichs – und wartet mit radikalen Vorschlägen auf.

Ein Vorschlag eines Lesers für Coronaleugner oder Verharmloser von einem Leser der Kleinen Zeitung (19.Nov.): Macht doch Gebrauch von einer Patientenverfügung und verzichtet im Fall einer Coviderkrankung auf ein Intensivbett.

Sollen Konzerne für Öko-Schäden haften?

Die Schweizer „Konzerninitiative“ ist bei uns kaum bekannt. Darum greife ich sie für die folgende Analyse auf.

Hans Högl

Wenn auch steigende Corona-Daten in Schweizer Medien dominieren, steht doch die Konzern-(Verantwortungs)-Initiative im Blick. Sie verlangt von Unternehmen, dass ihre ausländischen Tochterfirmen dafür haften, wenn sie Menschenrechte verletzen oder die Umwelt zerstören. Nicht selten schaden Unternehmen besonders in „Entwicklungsländern“, wo geholfen werden soll.

Das Anliegen ist umstritten. Die Reformierte und Katholische Kirche befürworten die Initiative. Die „Freisinnigen“ und andere Parteien sind dagegen, auch die Schweizer Regierung hat Vorbehalte. Medien schalten sich ein: die „Neue Zürcher“, bekannt als neoliberal, berichtet davon, aber äußert Bedenken. Laut Gegnern schaffe dies ein Einfallstor für PR-Klagen durch ausländische Anwaltskanzleien und NGOs. Eher auf Pro-Position ist der eher linke „Tagesanzeiger“. Eine Schweizer Grün-Liberale, die im Sudan Entwicklungsarbeit leistete, befürchtet, dass durch die Initiative Arbeitsplätze im Süden verloren gingen.

Trends lassen vermuten, dass die Initiative des Schweizer Volkes am 29. November die Mehrheit erreicht.Die Konzern-Initiative ist ein Signal für globale Unternehmen.

Investigativer Journalismus: Positiver Trend für Österreich

In vielen Ländern sind finanzielle Mittel für investigativen Journalismus weitgehend erschöpft. Ein Trend, den die Coronakrise beschleunigt. Allerdings nicht in Österreich: Laut einer Studie arbeiten mehr Journalist*innen als noch vor 10 Jahren investigativ.

Udo Bachmair

Die Überraschung Österreich betreffend ist perfekt. Während weltweit, abgesehen von den skandinavischen Staaten, investigativer Journalismus ums Überleben kämpft, ergeben sich hierzulande positive Zahlen. Das erfreuliche Ergebnis hat jüngst die Euro Media Research Group veröffentlicht. Für Österreich nimmt an diesem Forschungsverbund die Universität Salzburg teil.

Projektleiter Univ. Prof. Josef Trappel sieht Österreich in dieser Causa „ein Stück vorangekommen“. Im Vergleich zu 2009 seien 2019 mehr finanzielle Ressourcen in den investigativen Journalismus geflossen. „Die Sensibilität in Österreich ist gestiegen. Auch der Stellenwert von investigativer Arbeit. Heute sind Zusammenschlüsse zu diesem Zweck zwischen Medien möglich, die vor zehn Jahren noch undenkbar waren“, so Trappel.

In anderen Ländern hingegen fallen ganze Investigativteams Sparmaßnahmen zum Opfer, heißt es in einer Aussendung des Forschungsverbunds. So würden investigative Recherchen oft nur noch von freien Journalistinnen und Journalisten zugekauft oder bei spezialisierten Redaktionsbüros in Auftrag gegeben.

Allerdings setzt die Krise auch die österreichischen Medien unter Druck. Sie behelfen sich laut Prof. Trappel mit Ad-hoc Teams, bündeln Ressourcen gemeinsam mit anderen Medien oder decken die Kosten aus dem laufenden Budget. Die gesamte Studie soll im Frühjahr 2021 öffentlich präsentiert werden.

( Quellen: Universität Salzburg, Der Standard )

Sind die Schlagzeilen immer das Wichtigste?

Reflexion über die Relevanz von Ereignissen am Beispiel der Einigung auf das EU-Budget.

Hans Högl

Gestern kam es im EU-Parlament zu einer Einigung über das EU-Budget für die Jahre 2021 bis 2027 in der Höhe von über 1 Billion Euro. Dies ist eine unvorstellbar hohe Summe. Und der Kompromiss ist von sehr großer Tragweite.

Berichte darüber „reißen nicht vom Hocker“, der Sachverhalt ist aber langfristig von größtem Gewicht. Und in der Information darüber zeigt sich auch Qualität von Medien. Ich stellte eine kleine Untersuchung an, welche Medien darüber berichteten. Dieser kleine Test erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und wissenschaftliche Exaktheit. Dafür müsste man einen halben Tag recherchieren, um nur die wichtigsten Printmedien Österreichs zu untersuchen.

Auffällig ist jedenfalls, dass der ORF davon berichtete, ferner Qualitätszeitungen wie der „Standard“ (in 12 Absätzen in der Rubrik Wirtschaft), die „Wiener Zeitung“ und die „Presse“. Auch der „Kurier“ berichtete davon in 6 Absätzen. Dem Gratisblatt „heute“ war es immerhin einen (1) Absatz wert mit 8 Zeilen (inklusive Titel) auf Seite 6. Das Boulevardblatt „oe24 Österreich“ habe ich zweimal auf allen Seiten gelesen und keinerlei Hinweis zum EU-Budget gefunden.

155 Tote, und niemand ist schuld ?

Dieser Tage jährt sich zum 20. Mal die Brandkatastrophe von Kaprun, bei der im Tunnel der Bahn auf das Kitzsteinhorn im November 2000 155 Menschen qualvoll ums Leben gekommen sind. Die engagierte Journalistin Iris Rahlek hat ein akribisch recherchiertes Buch über Hintergründe, Ungereimtheiten und Spätfolgen der Katastrophe geschrieben.

Udo Bachmair

Todesfahrt auf das Kitzsteinhorn“ – so der Titel des jüngst erschienen Werks von Iris Rahlek. Es ist an Dichte und Spannung kaum zu überbieten. Es deckt teils himmelschreiende Ungereimtheiten und Vertuschungen auf, die sich im Spannungsfeld von Politik, Justiz, Wirtschaft und Medien mit erschreckender Deutlichkeit gezeigt haben. Auch wenn Fakten und Fiktion zu einem Roman verwoben sind, ist der dokumentarische Wert von Rahleks nicht zu unterschätzen. Penible Recherchen und neue Erkenntnisse zeichnen Rahleks Werk aus.

Die Opfer der Brandkatastrophe von Kaprun stammten aus 8 Nationen, die meisten aus Deutschland und Österreich. Die Autorin des Buchs stellt unter anderem die Schuldfrage. Kann und darf es denn tatsächlich sein, dass niemand für die „Fahrt in den Tod“ mit 155 verbrannten und an Rauchgasvergiftung verstorbenen Menschen und zahlreichen Verletzten verantwortlich sein soll ? Alle Angeklagten im Kaprun-Prozess, vor allem der Gletscherbahnen-AG wurden damals freigesprochen.

Dabei war menschliches Versagen als Ursache für die Katastrophe für die meisten Experten bald klar : Ein defekter Heizlüfter im Führerstand der Standseilbahngarnitur „Kitzsteingams“ hatte den Brand ausgelöst. Doch keinem der Beschuldigten der Gletscherbahnen Kaprun konnte eine direkte Schuld an der größten zivilen Katastrophe der Zweiten Republik nachgewiesen werden. Man verwies auf die damalige Rechtslage, die einen Schuldspruch für die gesamte Aktiengesellschaft nicht vorgesehen hätte.

Der Freispruch ist auch von den Medien nicht unwidersprochen geblieben. Vor allem deutsche Zeitungen haben wiederholt auf Ungereimtheiten bei den Ermittlungen hingewiesen. So sei beispielsweise das Hauptbeweisstück, der erwähnte Heizlüfter, auf dem Weg vom Innenministerium zum Landeskriminalamt Salzburg und zu den Gerichtsgutachtern monatelang nicht nachvollziehbar gewesen.

Aus den vielen Pannen im Kaprun-Prozess, die Iris Rahlek auflistet, und dem für viele unverständlichen Freispruch ziehen auch andere Journalist*innen den Schluss, dass starke wirtschaftliche Interessen eine wesentliche Rolle gespielt haben könnten. So meint etwa Hannes Uhl in der jüngsten Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit: „Der Freispruch ist erfolgt, weil man um das Image des Tourismus fürchtete – wie heute in Ischgl“.

Exklusiv in Iris Rahleks Buch kommt u.a. zur Sprache, dass laut dem deutschen Sachverständigen Hans-Jürgen Gold beim Kaprun-Prozess gelogen, vertuscht und manipuliert worden sei. Gold erstattete daraufhin -zig Anzeigen und untermauerte diese mit hunderten Seiten von Gutachten. Der Wiener Opferanwalt Mario Grabovsnig ging sogar bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

„Alles wurde von der Justiz niedergeschmettert – trotz unzähliger Beweise. Wirklich eine unglaubliche Geschichte!“ resumiert die Autorin.

„Todesfahrt auf das Kitzsteinhorn“ – Roman von Iris Rahlek

Herausgegeben von Books on Demand