Archiv für den Monat: August 2016

Neue Hetze gegen Flüchtlinge

Boulevard erzeugt weiteren Aufwind für Rechtspopulisten

Udo Bachmair

Das ist sogar für die „Krone“ selbst rekordverdächtig: In der heutigen Sonntagsausgabe des Massenblattes sind ausnahmslos Leserbriefe mit Hetze gegen Flüchtlinge und Asylwerber abgedruckt. Animiert von Sätzen wie „Für die ist Geld da, und wir werden mit einem Bettel abgespeist..“ Autor dieser und ähnlicher Erkenntnisse ist Peter Gnam, bekannt als konsequent rechtspopulistischer Chef-Kommentator der Kronenzeitung.

Auf ihn berufen sich denn auch zahlreiche Leserbriefschreiber, die all ihren Frust auf Ausländer, Flüchtlinge und sonstige Minderheiten abladen. Da ist allein in der heutigen Ausgabe die Rede von einer „sicher in den Ruin treibenden Invasion“, einer „Regierung, die ihnen alles nur so nachschmeißt“, von Menschen, „die bei uns hofiert und verhätschelt werden“ bis hin zum Klischee „nur in unserem von Naiv-Gutmenschen diktierten Land beugen wir uns und kriechen zu Kreuze…“

Bekräftigt wird der politisch rechtslastige Stammtischkurs der „Krone“ in derselben Ausgabe mit einer erneuten Wahlempfehlung für den FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer durch Grünen- und Linkenfresser Michael Jeanne. Peter Gnam, ebenfalls FPÖ-Sympathisant, steuert dann noch eine „Analyse“ bei, in der er seiner unverhohlenen Freude über den klaren Vorsprung der Strache-Partei Ausdruck verleiht: „Bei so einem Vorsprung stellt Strache natürlich den Anspruch auf den Kanzler, und die ÖVP wird das akzeptieren müssen…

Eine Blatt wie die „Krone“ mit großer Dichte an rechtspopulistischen Glossisten, die jede andere Position als linkslinks brandmarken, kann sich über mehr als 22 Millionen Euro pro Jahr allein aus dem Inseratenbudget der öffentlichen Hand freuen.

Die SPÖ-geführte Regierung finanziert damit auf Kosten der Steuerzahler eine Zeitung mit, die über weite Strecken das Geschäft der FPÖ besorgt..

Österreich ist geprägt von einer ziemlich ausgedünnten Medienlandschaft. Die Schweiz hingegen kann stolz sein auf noch rund 100(!) Tageszeitungen, in Schweden sogar mehr als 170 (!). Der Großraum Wien erweist sich mit seiner hohen Konzentration an Boulevardmedien überhaupt als einzigartig. Boulevardmedien, wie auch „Österreich“, die mit Halbwahrheiten, Übertreibungen und Hetze den Rechtspopulisten in die Hände spielen, existieren so in keinem anderen vergleichbaren Rechtsstaat. Ein medienpolitischer und demokratiepolitischer Notstand.

 

Hannes Svoboda: „Beschämender Wettlauf“

Zitat zum Tag

(ausgesucht von Adalbert Krims und Udo Bachmair)

„Ich mag die Burqua und ähnliche Kleidungsstücke absolut nicht. Aber man kann doch nicht alles verbieten was einem nicht gefällt! Wo endet es dann, beim Kopftuch? Aber bei allen Kopftüchern oder nur bei den „islamischen“? Wieder sehen wir einen beschämenden Wettlauf in der österreichischen Politik. Und als Sozialdemokrat bin ich traurig, dass da auch einige aus der SPÖ mitmachen. Mehr Nachdenken und eigene Ideen sind gefragt.“

Ex-SPÖ-und EU-Spitzenpolitiker Hannes Swoboda auf Facebook

Politik ohne kritische Medien ?

Wenn Politiker nicht mehr kontrolliert werden, wird alles noch schlimmer

Helmut Brandstätter

Jetzt wird also das Wirtschaftsblatt geschlossen, eine spezialisierte Tageszeitung, die ökonomische Zusammenhänge gut erklärt hat. Gleichzeitig überweisen Politiker im Bund und in Wien jährlich zig Millionen an das Gratisblatt Österreich, das man laut Gerichtsurteil „Fälscherwerkstatt“ nennen darf. Es soll niemand sagen, die Politiker wüssten nicht, was sie tun: Sie bezahlen einen Verlag dafür, dass sie sich nicht vor allzu kritischen Geschichten fürchten müssen, jedenfalls bis zur nächste Überweisung von Steuergeld. Wobei man in Wien gerade beobachten kann, dass das Gratisblatt besonders wilde Geschichten, etwa über „Türkenkriege“, schreibt. Das Rathaus zahlt offenbar zu wenig ein. Aber die Angst in der Wiener Politik ist groß, „niedergeschrieben“ zu werden, wie es kürzlich ein Pressesprecher mit ängstlicher Stimme formulierte.

Bundeskanzler Kern und sein Medienminister Drozda haben angekündigt, dass sie die irrsinnigen Inseratenausgaben für die Verblödungspresse reduzieren und dafür eine sinnvolle Presseförderung für Qualitätsmedien einführen wollen. Dafür kann man ihnen nur sehr viel Mut und Durchhaltevermögen wünschen. Jeder weiß, dass man sie mit „Niederschreiben“ bedrohen wird. Wir werden das gerne dokumentieren.

Gerade heute, in Zeiten ständig verfügbarer, aber unüberprüfbarer Informationen, ist unsere Demokratie auf seriöse Medien angewiesen. Und auf bestens ausgebildete, unabhängige Journalisten, die ihre Geschichten nicht nach dem Inseratentarif verkaufen. Das kostet Geld. Ein transparentes System der Medienförderung ist gerade in einem kleinen Land dringend notwendig, wie es übrigens die gerne als Vorbild zitierte Schweiz hat.

(KURIER 18.8.2016)

Ukraine und Syrien : Propagandaschlacht verstärkt

Westliche Medien: Die Bösen sind meistens die Russen

Udo Bachmair

Sowohl der Ukraine-Konflikt als auch der Krieg um die Vorherrschaft in Syrien hat erneut an Schärfe zugenommen. Und wer trägt die Hauptschuld an dieser Entwicklung ? Dem Mainstream der westlichen Berichterstattung zufolge natürlich „die Russen“. Demnach sind sie es, die im Falle Syriens ebenso eine Friedenslösung „verweigern“ wie sie die „Aggression“ in der Ostukraine unbeirrt fortsetzen. Höchst nötige journalistische Differenzierung in beiden so komplexen Konflikten bleibt auf der Strecke.

Warum eigentlich, fragt der kritische außenpolitische Beobachter, erscheinen auch für Qualitätsmedien, unter ihnen auch der ORF, russische Informationsquellen weniger seriös als jene seitens des Regimes in Kiew ? Und warum werden Stellungnahmen der syrischen Führung keineswegs ernstgenommen, hingegen die Statements der nicht minder propagandistischen oppositionsnahen „syrischen Beobachtungsstelle“ mit Sitz in London als glaubwürdig dargestellt ? Einem seriösen Journalismus entspricht das sicher nicht.

An der Bewertung der außenpolitischen Rolle Russlands wird Schwarz-Weiß-Malerei und Freund-Feind-Denken besonders deutlich. Schon zu Zeiten des Kalten Krieges lauerte der „böse Russe“ überall, während der Westen stolz auf die humanitäre Einzigartigkeit seiner Werte verwies. Gut und böse waren und sind auch heute noch sauber verteilt. Propaganda machen immer jeweils die anderen.

Die renommierte deutsche Russland- und Medienexpertin Prof. Gabriele Krone-Schmalz schreibt dazu in ihrem jüngsten Kommentar :

Warum wird ohne genauere Prüfung alles, was nicht in die Mainstreamargumentation passt, mit dem Etikett Propaganda versehen? Weil man sich dann nicht inhaltlich damit auseinandersetzen muss? Sobald jemand westlichen Mediennutzern Vorgänge aus russischer Perspektive schildert, gerät er in den Verdacht „im Auftrag“ zu handeln oder bestenfalls ein nützlicher Idiot einer Propagandamaschinerie zu sein, die er in seiner Naivität nicht durchschaut. Informationskrieg, hybride Kriegsführung und ähnliche martialische Begriffe bestimmen den Diskurs statt einer ernsthaften Auseinandersetzung um Inhalte.

Meines Erachtens kommt man der Wahrheit am nächsten, wenn man erstens die Aussage von John Stuart Mill akzeptiert, dass niemand die Wahrheit besitzt und wenn man zweitens versucht Interessen auf den Grund zu gehen. Wem nützt das, was da passiert? Warum wird diese Information gerade jetzt verbreitet? Und es gilt noch einen Punkt zu beachten: sich und andere dafür zu sensibilisieren, nicht mit zweierlei Maß zu messen. Ob das absichtsvoll oder gedankenlos geschieht, macht für die Wirkung keinen Unterschied.

Natürlich gibt es Propaganda! Natürlich können gezielt gestreute Informationen als Waffe dienen. Natürlich funktioniert es, latent vorhandene Feindbilder zu beleben. Aber doch nicht nur von russischer Seite. Ukraine und Syrien : Propagandaschlacht verstärkt weiterlesen

Essay zur Nuklearrüstung. Hiroshima-Tag

Gabriele Prohaska-Marchried,

Friedensaktivistin, Drehbuchautorin. Ihr Roman: „Das schöne Lied der Marie Anne Mozart“

Tagaus, tagein kein Medium ohne das Flüchtlingsthema: als Flüchtling von Seite 1 mitunter fremdländisch suspekt, nicht selten als furchterregendes Phantom durchs Netz geisternd. Der wirklich große Schrecken hingegen bleibt zumeist ausgeblendet: das verschärfte Risiko eines unbeabsichtigten oder beabsichtigten Atomschlags, zu dessen Herbeiführung Atom-U-Boote, strategische Bomber und Raketensprengköpfe „modernisiert“ werden. (So erhalten etwa Interkontinentalraketen nunmehr statt bisher je einen Atomsprengkopf atomare Mehrfachsprengkörper mit unterschiedlichen Zielkoordinaten.)

Die USA, Russland und China rittern um militärische Dominanz zu Wasser, Luft und Erde und im Weltraum. Welche Atommacht denkt da noch an die Umsetzung von Artikel VI des Atomwaffensperrvertrages mit der Verpflichtung zur raschen und vollständigen Abrüstung von Nuklearwaffen? (Bemerkung am Rande: Ist es in Anbetracht der Militarisierung des Weltraums nicht an der Zeit, auch „Weißt Du, wie viel Sternlein stehen…?“ zu modernisieren?) Essay zur Nuklearrüstung. Hiroshima-Tag weiterlesen

Russland- und Moskaubild eines Experten

Prof. Karl Schlögel – Historiker und Russland-Experte

Hans Högl

Kürzlich kam ich von der Reise nach Moskau und St. Petersburg zurück und erlebte dieses Land in vielen Punkten sehr überraschend,  jedenfalls anders als in der üblichen Mediendarstellung.  Da meine Eigenerfahrung  punktuell ist, folge ich sinngemäß einer anschaulichen Darstellung von Karl Schlögl, mit der ich mich identifiziere.

Es gibt einen soliden Fundus von Russlandbildern jenseits der tagespolitischen Meldungen. Sie besagen: „Russland besteht nicht nur aus Katastrophen, Havarien, Streiks, Auftragsmorden, demographischem Niedergang. Es gibt ein Russland der großen Ströme, der unermesslichen Weite.“ (p. 182.). Russland, das unermessliche Land,  ist das Land der Ungleichzeitigkeit, des Nebeneinanders, Zusammenbrüche stehen neben Boomstädten. Arbeitsmigranten kommen aus Nachbarländern.

Moskau ist die Stadt der 3,4 Millionen Autos. Es gibt einen tosenden, dröhnenden Lärm, der über die Ringe und Boulevards jagenden Autos.  Der Automarkt und Autoverkehr explodiert, Supermärkte wachsen in amerikanischem Stil. Das Land hat den Kommunismus längst hinter sich gelassen und ist übergangslos im letzten Stadium des Konsumismus gelandet. (Und es besteht eine ansehnliche Mittelschicht und kleinbürgerliche Mittelständer, auf welche die Oligarchen verächtlich blicken.  In den Medien wird die soziale Welt auf Oligarchen und Arme verkürzt. Die Mittelschicht kommt nicht vor. „Mehr als eine Million zur Mittelschicht gehörenden, meist hochqualifizierten Bürgern sind ausgewandert (p. 241 f.). Russland- und Moskaubild eines Experten weiterlesen