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Das Ende der Menschenrechte?

Die ORF-Sendereihe PUNKT EINS des renommierten Radiosenders Ö1 ist zum Fixpunkt interessanten und spannenden Hörerlebnisses geworden. Thema der jüngsten Sendung waren die Menschenrechte.

*Ilse Kleinschuster

Nun, der Zeitpunkt für eine Suche nach den Menschenrechten war schon besser – aber, die Hoffnung stirbt zuletzt! Nach einer „Gemeinsamen Sicherheit“ wird immerhin noch gesucht!
Ist es denn wirklich nicht möglich, aus den UNO-Berichten der 1980-er Jahre, insbesondere dem Bericht der Palme-Kommission, auch für die gegenwärtige Lage Anhaltspunkte für das angemessene Herangehen an die existentiellen Menschheitsprobleme des 21.Jhts. zu finden? Wenn nun die Politik der Weltmächte zunehmend versagt, dann muss heute doch der Druck zur Umsteuerung von unten, aus den Völkern bzw. den Zivilgesellschaften kommen.

Auch wenn der Palme-Bericht II aus dem Jahr 2022 einen konkret formulierten Appell an die Weltgemeinschaft enthält, „die internationale Ordnung in den Griff zu bekommen, um Kriege zu verhindern, die globale Erwärmung aufzuhalten, Pandemien zu bekämpfen und globale Herausforderungen zu bewältigen“, so ist das zwar löblich, aber ohne einen sanktionsfähigen Internationalen Gerichtshof offensichtlich nicht möglich.

Wie wäre es die UNO zu stärken (finanziell z.B. durch Abgaben der großen Konzerne auf die Gemeingüter an die Staaten (Staatendividende) – oder, eine UN-Sonderversammlung zu den Themen Abrüstung, Entspannung und Sicherheit damit zu beauftragen, eine jährliche Senkung der Militärausgaben verbindlich festzulegen, um die freiwerdenden Mittel für die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung des Übergangs zu klimafreundlicherem Wirtschaften und der generellen Friedenskonsolidierung zu verwenden?

Ich finde, Europa als Wiege der Aufklärung und der „UN-Menschenrechtserklärung“ käme dabei eine besondere Rolle zu, ich höre aber zumeist nur Kriegsgeschrei, umso mehr möchte ich hier und jetzt auf die Rolle einer starken Friedensallianz aufmerksam machen, der Sie auch beitreten können: www.abfang.org

*Gastautorin Ilse Kleinschuster ist aktives Mitglied der Zivilgesellschaft. Die von ihr erwähnte Ö1-Sendung zum Thema Menschenrechte können Sie unter folgendem Link nachhören:

www.oe1.orf.at/programm/20231103#739105/Das-Ende-der-Menschenrechte

„Andere Wahrheiten“

Das neue Buch von Konrad Paul Lissmann „Lauter Lügen und andere Wahrheiten“ bot den ideellen Hintergrund für das Philosophicum Lech, das 2023 dem Thema „Alles wird gut. Zur Dialektik der Hoffnung“ gewidmet war. Im Folgenden einige von unserem Autor ausgewählte Zitate.

Hans Högl

Konrad P. Lissmann zum öffentlichen Diskurs und medialer Einseitigkeit:
„Wer übertreibt, kennt nur eine Sache. Das führt dazu, dass jede Saison ihr Thema hat, bei dem es um Sein und Nichtsein geht.“ „Jede Unterbindung einer Erörterung ist eine Anmaßung von Unfehlbarkeit „(p. 54). Lissmann bezieht sich darin auf John Stuart Mills Buch „Über die Freiheit“.

Lissmann fragt: „Warum werden alle Debatten, ob über den Rassismus oder das Klima, über das Virus oder den politischen Auftrag der Kunst, sofort hysterisch zu einem Entweder-oder stilisiert, das keine Zwischentöne mehr kennen darf“(p. 181). In der Gender Debatte werden Verweise auf biologische Fakten ignoriert (p. 18). Und es fällt das Wort „Lückenpresse„.

Sehr interessant ist sein Hinweis auf das Wort „Mohr“. Mohr wurden im Mittelalter Apotheken genannt -anerkennend die Überlegenheit der arabischen Heilkunst (p. 86). Darum erscheint die Ablehnung fragwürdig.

Zur Pandemie und Zumutungen der Demokratie: In der Moderne war Krankheit nur noch als individuelles Problem präsent, nicht als kollektives Ereignis. „Die Krise offenbarte, dass viele ihre individuelle Freiheit ohne jenen politischen und sozialen Rahmen denken wollen, der diese überhaupt erst ermöglicht.“ Was im Falle einer Krankheit für den Einzelnen gilt u. fraglos akzeptiert wird, gilt in einer Pandemie für die Gemeinschaft. Gewohnte Lebensvollzüge werden unterbrochen, das Konsum- und Freizeitverhalten kann nicht bruchlos fortgesetzt werden (p. 172-176). Laut Thomas Hobbes hat im Ernstfall Sicherheit immer den Vorrang vor Freiheit.

Krisen, Sorge und Klimafrage: Auf den Grund zur Sorge verwies Heidegger in „Sein und Zeit“. Sorge wurde zur Grundstimmung unserer Epoche, und Liessmann nennt: Schmelzen der Polkappen, Hunger, Terror, Kriege, Bildungswesen, die EU, Flüchtlinge, Rechtspopulismus, Krise der Demokratie und Verletzung der Menschenrechte. Alles Gegenstände der Besorgnis. Und Lissmann schließt: „Angesichts des Lebens aber sollte es hin und wieder vielleicht doch heißen dürfen: „Nicht alles ist ein Grund zur Sorge“. Zur Bildung erwähnt er: Bis zu 40 % der Erwachsenen sind des Lesens und Schreibens so entwöhnt, dass sie normalen schriftlichen Kommunikationen nicht mehr folgen können (p. 137).

Zur Klimafrage: Es gilt „alles zu unternehmen, um die globale Erwärmung zu verlangsamen, ist das eine; alles zu tun, um die sozialen Folgekosten dieser Anstrengung abzufedern, das andere; alles zu versuchen, um die nicht mehr abzuwendenden Folgen des Klimawandels durch Technologie, Innovationskraft und Verhaltensänderung gering zu halten, ein Drittes.“ (p.183).
„Die radikalen Klimaschützer wie die Extinction Rebellion oder Letzte Generation wollen uns in Angst und Schrecken versetzen, um ein unmittelbares Handeln zu provozieren“…“In manchem erinnern diese Beschwörungen der Angst an die apokalyptische Rhetorik des Kampfes gegen die atomare Bedrohung im vorigen Jahrhundert. Lissmann bezieht sich damit auf Günther Anders. Solche Drastik wird auch für die Klimakrise insinuiert (p. 188 f.).

„Die neue Lust an der Apokalypse und das Beschwören endzeitlicher Katastrophen sind kontraproduktiv.“ „Die Vorstellung, dass es so schlimm um uns bestellt sei, dass bei Protesten auf Rechtsstaat und Demokratie, auf eine funktionierende Infrastruktur sowie auf die Bedürfnisse von Menschen keine Rücksicht mehr genommen werden muss, enthält ein totalitäres Moment. Auch eine Ökodiktatur bliebe eine Diktatur.“ (p. 192).

Stichworte: Ökodiktor, öffentlicher Diskurs, Letzte Generation, Klimafrage, Pandemie, Sorge und Angst, Lissmann Konrad Paul, „Lauter Lügen“ (Buch)

Klein, klein in Medien…….

KLEIN KLEIN – aber 2,5 Millionen Tonnen Getreide aus Ukraine

Hans Högl

Wir erfahren eine Flut von Infos, wie nun kleine Schritte zum Energiesparen aussehen könnten. Gut so.

Dass 100 Schiffe mit 2.5 MILLIONEN TONNEN AGRARPRODUKTEN AN BORD DIE UKRAINE VERLASSEN, das berichtet die deutsche Presseagentur. Ich fand dies in einer angesehenen Schweizer Zeitung am 7.9. Ansonsten las ich immer nur von Problemen und Blockaden des Getreidetransportes.

Ich denke, dass dies kaum irgendwo eine Schlagzeile war, oder irre ich mich? Wenn ich mich nicht irre, ist dies ein Beweis, welchen Schmarren wir täglich erfahren, aber dass unglaublich wichtige Ereignisse für Völker, die hungern, kaum eine Beachtung finden.

Auch in der Schweizer Zeitung ist dies eine Randnotiz mit 15 Zeilen (ohne Titel) auf der wenig beachteten rechten Seite und wiederum ganz rechts und fast ganz unten, immerhin auf S.2.

Haben wir immer noch nicht gelernt ?

Berichterstattung in vielen Medien, aber auch Äußerungen von Experten und Politikern zum Ukrainekrieg, sind derzeit von Phrasen und Parolen geprägt.

Wolfgang Koppler*

Putins „Militäroperation zur Entmilitarisierung und Denazifizierung“ oder auch die Drohung mit dem „Dritten Weltkrieg“ auf der einen Seite, „Kampf bis zum Ende, bis zur Vertreibung aller russischen Soldaten aus der Ukraine“ oder gar „bis zur Schwächung der russischen Armee, sodass sie niemand mehr angreifen kann“. Auch vom „totalen Krieg“ war schon die Rede. Selbst Experten reden von einem „Kampf der Werte“ oder fordern „noch mehr Waffen“. Das Wort „Vernunft“ hat man in dieser Debatte schon lange nicht mehr gehört. Putins Wahnsinn scheint so ansteckend zu sein wie das Coronavirus.

Sehen wir uns daher die Fakten hier und nun, soweit sie eruierbar sind, einmal an. Der gegenständliche Krieg wird nach der überwiegenden Mehrheit der Experten jedenfalls noch Monate dauern. Jeden Tag sterben hunderte Menschen, werden andere ihr Leben lang gezeichnet. Mehr als 20 Millionen Tonnen Getreide drohen zu verrotten. Die Infrastruktur eines ganzen Landes wird mehr und mehr zerstört. Von vielen anderen Folgen und Gefahren eines immer länger dauernden Kriegs ganz zu schweigen. Ein EU-Beitritt der Ukraine binnen kurzer Zeit ist nicht machbar. Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine stehen seit Monat still.

Man kann sich natürlich einfach dem Mainstream anschließen und sagen: Der Aggressor muss bestraft werden, das Gute muss siegen. Keine Verhandlungen mit Aggressoren. Dann soll man aber auch ehrlich sein und dazu sagen: Das kostet weitere zigtausende Tote und noch mehr Verletzte (was auch Selenski inzwischen eingestehen musste). Und Millionen Hungernde in zahlreichen Ländern. Und wahrscheinlich Unruhen und politische Verwerfungen, was ebenfalls Tote, Verletzte und weiteres Leid zur Folge hat.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass es auf westlicher Seite nur um Werte geht (was in der Politik ein Novum wäre und angesichts der geopolitischen Lage der Ukraine eher unwahrscheinlich ist), wurde bis jetzt nur nebulos mit „Menschenrechten“, „Freiheit“ und gar mit westlichen Werten operiert. Im Wesentlichen bedeutet dies im konkreten Fall „Gerechtigkeit um (fast) jeden Preis“. Nur den Weltkrieg wollen wir nicht, da die Verteidigung der Menschenrechte um den Preis einen Atomkriegs doch keinen Sinn mehr ergibt. Denn wenn alle tot sind, nützt uns die Gerechtigkeit nichts mehr.

Damit wären wir auf einmal bei den altmodischen Grundtugenden, insbesondere bei jenen, die meist und erst recht in Kriegszeiten unter den Teppich gekehrt werden: Weisheit und vor allem Mäßigung. Die eher langweilige Dame mit dem Krüglein hat – völlig unbemerkt und nolens volens – durch die Atombombe plötzlich wieder Bedeutung erlangt. Nennen wir es schlicht Verhältnismäßigkeit. Sonst wird aus Tapferkeit Verwegenheit und aus Gerechtigkeit Selbstgerechtigkeit. Und letztlich Wahnwitz, wie bei Michael Kohlhaas. Weil der Mensch, ob religiös oder nicht, kein Gott ist.

Bei der Opferung von zigtausenden oder hunderttausenden Menschen sind wir großzügiger als beim Risiko eines Atomkriegs. Das sind uns die Menschenrechte wert. Aber überlegen wir einmal, wie wir bei der Ahndung eines Verbrechens vorgehen: Riskieren wir etwa bei der Verfolgung eines Verbrechers hunderte Menschenleben ? Und was die Politik betrifft: Ist sie nicht die Kunst des Möglichen ? Liegt der Internationale Strafgerichtshof plötzlich in Brüssel und Washington ?

Es geht nicht um naiven Pazifismus. Aber wären nicht Verhandlungen etwa im Rahmen der zuletzt von Italien gemachten Vorschläge – unter Einsatz eines Gasembargos (um beiden Seiten die Ernsthaftigkeit des Westens vor Augen zu führen) – vernünftiger ? Ein solches Gasembargo bereitet uns doch deshalb solche Probleme, weil wir keine realistischen Ziele haben und deshalb davon ausgehen, dass es ad infinitum dauern müsste. Mit realistischen Verhandlungszielen könnte man aber wohl auch die Wirtschaft ins Boot holen.

Das Argument der Hardliner gegen Verhandlungen und Kompromisse ist immer das gleiche: Man müsse von weiteren Aggressionen abschrecken. Erstens sind Militärexperten durchwegs der Ansicht, dass die russische Armee an ihren Grenzen angelangt sei und weitere militärische Abenteuer eher unwahrscheinlich sind. Aber vor allem dürfte die so genannte „Dominotheorie“ durch die Ergebnisse der Kriege in Vietnam und Korea weitgehend widerlegt sein. Haben wir immer noch nicht gelernt ?

* Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Publizist und lebt in Wien

Rückt der Frieden näher? Konflikt wo?

Katastrophale humanitäre Situation: 90 % von 6 Millionen Menschen brauchen Nahrungshilfe. Es gibt keinen Hilfskonvoi. Frage – wovon ist hier die Rede?

Hans H ö g l

Es ist ein Mangel an Qualität, wenn Medien fast nur über ein einziges Thema wochen- oder gar monatelang primär berichten und gravierende Konflikte anderswo aussparen. Ob das der oft gepriesenen allgemeinen Menschen-Liebe entspricht?

So war zu lesen: „Rückt der Friede in Äthiopien näher?“ Eine Waffenruhe soll Hilfe für Notleidende ermöglichen. Es ist das erste Mal in dem Krieg, der eine der weltweit schwersten humanitären Katastrophen verursacht hat, dass beide Konfliktparteien in eine Waffenruhe einwilligten- nämlich die äthiopische Regierung und die Aufständischen in der nördlichen Provinz Tigray.

Die vorsichtige Formulierung, so die „Neue Zürcher“ vom 26. März 2022 p. 5, dürfte der Tatsache geschuldet sein, „dass die äthiopische Regierung in der Vergangenheit immer wieder besseren Zugang zu humanitärer Hilfe versprochen hat, sie aber dann in der Praxis mit administrativen Hürden faktisch blockiert hat.“ Seit Mitte Dezember 2021 ist keine Hilfe von außen eingetroffen.

Gedenken an Opfer Stalins unerwünscht

Menschenrechte gelten universell – sowohl für Westmächte, die dagegen verstoßen (vgl.Geo Epoche Nr.67,S. 162-181), wie für die frühere Sowjetunion. Das Verbot der NGO „Memorial“ in Russland ist äußerst bedenklich.

Hans Högl

Auch Radio Oe1 berichtete heute im Morgenjournal, dass „Memorial“ in Moskau aufgelöst wurde: Die älteste Bürgerrechtsorganisation des Landes befasst sich mit der Aufarbeitung der sowjetischen Geschichte und gibt M i l l i o n e n Opfern, auch in der Ukraine, eine Stimme. Jetzt wird sie faktisch verboten – unter einem Vorwand, weil ihre Gesinnung den heutigen Mächtigen widerstrebt. Es ist ein schwerer Schlag für die russische Zivilgesellschaft.

Wer erinnert sich nicht an die früher so mächtige französische Linke und die kommunistische Partei? Wenn etwas in Frankreich ein Umdenken brachte, war dies das „Schwarzbuch des Kommunismus“, herausgegeben von Stéphane Courtois 1997 (Piper 1998, 987 Seiten mit Personregister). „Die Linke will nicht trauern“, hat Jorge Semprún erklärt. Das gilt auch für Österreich. Das Buch liefert eine wissenschaftlich fundierte, grausliche Bilanz des Kommunismus.

Darin zeigt sich die Gefahr von Tunnelblick-Menschen, von dogmatisch fixierten und auch oft von ursprünglichen Idealisten, denen Toleranz für andere Weltbilder fehlt. Das gilt für die Inquisition wie für Robespierre wie für Stalin und für Öko-Terroristen. Dass es darin nie Vereins-, Meinungs- oder gar Pressefreiheit geben konnte, also Prämissen für die „Medienkultur“, ist evident.

EU: Hetze gegen Russland?

Russland-Bashing hat in westlichen Medien Tradition. Aber auch im EU-Parlament nutzen Mandatare die Gelegenheit für „Hetze gegen Russland“, wie Medienvertreter beobachtet haben wollen.

Udo Bachmair

Im EU-Parlament in Brüssel hat der Hohe Vertreter der EU für die Außenpolitik, Josep Borrell, von seinem missglückten Besuch in Moskau berichtet. Russlands Außenminister Lawrow hatte Borrell, bekannt u.a. für antirussische Äußerungen, in Moskau kalt abblitzen lassen. Das entspricht freilich nicht guten diplomatischen Umgangsformen. Andererseits ist die russische Reaktion insofern verständlich, als feindliche Töne jüngst auch aus der EU immer lauter geworden sind. Zudem ist die Union in den letzten Jahren nicht gerade mit besonderer Dialogbereitschaft gegenüber Russland aufgefallen.

Die meisten Medien stehen in der Auseinandersetzung EU/Russland nahezu ausnahmslos auf Seiten des Westens und der NATO. Russische Positionen haben weitgehend das Nachsehen. Antirussische Emotionen sind offenbar auch im EU-Parlament spürbar, wie der Redaktionsleiter der deutschen Medienplattform Snanews, Andreas Peter, berichtet.

Im Sinne von Medienkultur und Ausgewogenheit sozusagen als Gegengewicht zu antirussischen Kalte-Kriegs-Kommentaren hat Udo Bachmair folgenden Ausschnitt aus dem Beitrag von Andreas Peter ausgewählt :

„Wer die Rednerliste der EU-Debatte nach der Rückkehr Borrells studierte, konnte schon vorher und auch ohne sie verfolgt zu haben voraussagen, mit welchen Versatzstücken von antirussischer Propaganda der Eindruck erweckt werden sollte, der Westen, die EU, das EU-Parlament wären in der moralischen Position, um anderen Staaten Belehrungen in Sachen Menschenrechte zu erteilen oder sich zum unparteiischen Richter aufzuschwingen.

Tatsächlich verlief die ziemlich genau zwei Stunden dauernde Debatte zum überwiegenden Teil in genau jener aggressiven und arroganten Tonalität, die problemlos auch als Synchronisationsspur einer beliebigen Parlamentsdebatte eines westeuropäischen Staates der Zeit vor dem Berliner Mauerfall dienen könnte, die sich mit der Sowjetunion befasste.

„Menschenrechte“ – schon immer das Alibi des Westens für Einmischung in andere Länder

Es ist immer wieder atemberaubend zu erleben, wie viele Abgeordnete im Brüsseler EU-Parlament ihre Masken angeblicher Demokraten abzunehmen bereit sind, wenn es gegen Russland geht. Auch wenn die Namen dieser Damen und Herren regelmäßig auf den Rednerlisten von Debatten auftauchen, in denen angeblich über Menschenrechte und Demokratie in Russland diskutiert werden soll, in Wahrheit aber nur beklagt wird, dass Russland partout nicht nach der Pfeife des Westens tanzen will, überrascht dann doch die brutale Ehrlichkeit, mit der diese „Demokraten“ offenbaren, dass „Menschenrechte“ für sie eigentlich nur ein Vehikel sind, um einen Machtwechsel in Russland zu erzwingen, der dem transatlantischen Verständnis von Demokratie entspricht, was de facto bedeutet, Russland als geopolitischen Akteur auszuschalten, damit der Westen erneut seine selbsternannte Rolle als Hegemon der Welt spielen kann, was als „Export von Demokratie, Rechtsstaat und Freiheit“ verbrämt wird.“

( Kommentar von Andreas Peter, snanews )

Was ist Europa?

Zur Identität Europas – aus Sicht des Politologen Anton Pelinka

Hans H ö g l

Im Sinne der Medienkultur ist es wichtig, Positionen zu klären, exakte Diktionen zu verwenden. So nimmt in einem Beitrag Univ. Prof. Anton Pelinka Stellung zu Europa:

Europa ist nicht eine lose Konföderation von Staaten, die Aspekte ihrer Souveränität aufgegeben haben. Die Union ist keinesfalls ein voll entwickelter Bundesstaat – und es ist zweifelhaft, ob sie je zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ wird.

Europa ist nicht – definiert durch Charles de Gaulles Diktum – ein Kontinent begrenzt durch den Ural und den Atlantik. Nicht alle Regime in diesen Grenzen haben Anspruch auf Mitgliedschaft in dieser Union – keine Diktaturen wie Belarus; keine Systeme, die nicht voll funktionsfähige Demokratien sind; keine Länder mit einer eindeutig negativen Bilanz in Sachen Menschenrechte; keine Wirtschaftsräume mit großen Schwierigkeiten, mit Regeln der Marktwirtschaft umzugehen. Nicht jede und jeder kann Europa sein – nur weil die geografische Lage dafür spricht.

Europa ist laut Pelinka und in seiner Reihung das Konzept der gemäßigten Linken (Sozialdemokraten, Grüne) und der gemäßigten Rechten (Konservative, Christdemokraten, Liberale). Europa ist nicht vereinbar mit den Interessen von Nationalisten und Rassisten und Antisemiten und Xenophoben – aber auch nicht mit den Interessen und Vorstellungen von Leninisten oder von Anarchisten.

Die Aufgabe Europas ist die Sicherung des Friedens: Friede durch Demokratie, Friede durch Überwindung der Vergangenheit – der nationalsozialistischen wie der faschistischen, aber auch der kommunistischen; auch der Vergangenheit, die durch den unbeschränkten Vorrang nationaler Interessen bestimmt war.

Reflexionen zur Einseitigkeit

Selten, aber doch, erreichen uns Stimmen, die mir als Hauptverantwortlichem der Vereinigung für Medienkultur (linke) Einseitigkeit vorwerfen. Es sind dies vorwiegend Stimmen aus dem rechten politischen Spektrum, das meist auch jede liberale und menschenrechtsorientierte Position links verortet.

Udo Bachmair

Dem Vorwurf, nicht objektiv zu sein, sehen sich besonders ORF-Journalisten immer wieder ausgesetzt. Auch ich war in meiner langjährigen ORF-Laufbahn vereinzelt mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert. Dass in der Berichterstattung keine der politischen Parteien bevorzugt behandelt werden sollte, versteht sich für einen seriösen Journalisten von selbst. Außerdem ist dieser Grundsatz zumindest für den ORF gesetzlich verankert. Eigentlich auch für den außenpolitischen Bereich. Doch dort scheinen Objektivitätskriterien in der journalistischen Praxis weniger ausgeprägt. Ausgewogen hieße, dass auch globale Positionen nicht durch eine bestimmte Brille, in dem Fall durch die westliche, gesehen und beurteilt werden dürften. Auch im Sport- oder im Kulturbereich gilt einseitige Berichterstattung trotz der Vorgaben des ORF-Gesetzes als de facto „legitim“. So werden heimische Sportler im Gegensatz zu ausländischen gleichsam in den Sporthimmel gehoben. Kulturkritik ist in ihrem Selbstverständnis ebenfalls überwiegend parteiisch.

Doch was heißt objektiv und unparteiisch in Grundsatzfragen ? Heißt ausgewogen, in ethischen Fragen „halbe halbe“ zu berichten, also etwa zu 50 Prozent für die Todesstrafe einzutreten und 50 Prozent dagegen ? Oder darf bzw. sollte etwa – wie kürzlich nach einem bedrückenden TV-Film neu diskutiert – zur Hälfte für Folter zur Erlangung eines Geständnisses geschrieben werden, und zur anderen Hälfte dagegen ? Oder wenn es um weitere heikle und sensible Bereiche von Menschenwürde und Menschenrechten geht : Ist es um der Objektivität und Ausgewogenheit willen ethisch und moralisch vertretbar, Menschen in Not (halb) nicht zu helfen ? Konkret etwa den in Nässe und Dreck dahinvegetierenden Flüchtlingskindern von Moria jede Hilfe zu verweigern ? Als einzig effektive Hilfe aus der Not wäre die Aufnahme von zumindest ein paar Notleidenden hier im reichen Österreich. Das als Journalist, als NGOs, als Parteien etc. festzustellen ist als (parteipolitisch) einseitig kritisierbar und kalt abzutun ? Nur weil einige Parteien, wie Teile der SPÖ, die Grünen und vor allem NEOS ebenfalls für eine humanitäre Aktion plädieren ?

Conclusio: In Fragen von Menschen- und Grundrechten erscheint mir „Einseitigkeit“ legitim, nicht nur aus ethischen und moralischen Gründen, sondern auch aus rationell gut begründbaren sachlichen Erwägungen. Daher bin ich einseitig unabdingbar gegen Todesstrafe und Folter, einseitig unabdingbar für Menschenrechte und einseitig unabdingbar für effektive Hilfe Notleidender. Ja, da bekenne ich mich voll zur Einseitigkeit, zur Nicht-Neutralität.

Hingegen klar gegen Einseitigkeit aufzutreten, sollte in der innen- und außenpolitischen Berichterstattung gleichsam Pflicht sein. Da sollte nicht undifferenziert zwischen gut und böse unterschieden werden, zwischen schwarz und weiß, nein, Differenzierung als wesentliches Merkmal von Qualitätsjournalismus müsste das Ziel sein. Das heißt jedoch nicht, dass Kommentare automatisch objektiv und ausgewogen sein müssen, vor allem dann, wenn es um ethische Grundsatzfragen geht. Vor diesem Hintergrund sehe ich auch meine Analysen und Kommentare für die Website der Vereinigung für Medienkultur.

Appell zum Jahreswechsel: Menschenrechte zum Blühen bringen !

Meine Barbarazweige blühen! Es sind nur zwei Zweige von vieren, aber muss man nicht bescheiden werden in Zeiten wie diesen, wo Menschenrechte nicht mehr viel gelten? Ich nehm’s als gutes Zeichen für das neue Jahr!

Ilse Kleinschuster*

Zum einen sind es die Knospen, die Barbara Blaha mit ihren – Gedanken für eine gerechtere Gesellschaft – zum Blühen bringt – https://oe1.orf.at/player/20201227/621928

„MOMENTUM zeigt, was ist und was alles möglich wäre.“ Das von Barbara Blaha gegründete Momentum-Institut ist eine progressive Denkfabrik, die den Anspruch stellt, konkrete und realistische Vorschläge für eine nachhaltigere und gerechtere Gesellschaft zu erarbeiten.

Trotz gern geäußerter gegenteiliger Behauptungen ist unsere Gesellschaft geprägt und zerfurcht von Chancenungleichheiten und Ungerechtigkeiten: Einkommensscheren, Klassenjustiz, Diskriminierungen und Standesdünkel verhindern die Gleichberechtigung und gefährden dadurch auch den sozialen Frieden …

Unabhängig von parteipolitischen Erwägungen – aus der SPÖ ist die ehemalige stellvertretende Vorsitzende der Österreichischen Hochschülerschaft 2007 aus Protest gegen das Festhalten an Studiengebühren ausgetreten – will Barbara Blaha eine Stimme für jene „Vielen“ sein, von denen sonst höchstens abstrakt die Rede ist? Ihre Aufgabe an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik sieht sie nicht nur darin, konkrete Schwachstellen unseres gesellschaftlichen Gefüges aufzuzeigen, sondern auch Lösungen, von denen am Ende alle profitieren.

In ihren heutigen Gedanken geht es Blaha ganz konkret u.a. um Klassenkampf und Reichenhass, leichte Zugänge zum Seeufer und schwere Klettersteige am Bildungsberg – und um den offenen Umgang mit geschlossenen sozialen Grenzen.

Zum anderen ist es ein Beitrag zu politischem Engagement im Krisenjahr 2020, auch von einer Barbara, Barbara Prainsack. Sie hat heuer ein sehr lesenswertes Buch zum Thema Bedingungslosen Grundeinkommen herausgebracht, dass seither schon viele öffentliche Diskussionen bereichert hat! Tja, und was wäre bedeutender im Verfolgen von moralischen Forderungen, die sich auf wichtige und sozial beeinflussbare Freiheiten beziehen, wenn wir die MENSCHENRECHTE zum Blühen bringen wollen!?! („VOM WERT DES MENSCHEN – Warum wir ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen“ – erschienen im Verlag Brandstätter)

• Ilse Kleinschuster im Dezember 2020. Die Autorin dieses Beitrags ist in der Zivilgesellschaft engagiert und aktives Mitglied der Vereinigung für Medienkultur.