Schlagwort-Archive: Medienkritik

Gruß zum Jahreswechsel 2022/2023

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde der Vereinigung für Medienkultur !

Auf diesem Wege Ihnen / Dir viel Glück, Gesundheit und Erfolg für 2023 ! !

Besuchen Sie uns auch 2023 auf unserer Website www.medienkultur.at , wo Sie wieder zahlreiche Kommentare und Analysen zum Themenfeld Politik und Medien unter besonderer Berücksichtigung von Medienkritik und Medienpolitik finden können.

Es ist gelungen, auch weitere Gastautoren zu gewinnen, die eine gute Ergänzung zu den Stammautoren Hans Högl und Udo Bachmair darstellen. Wir planen, 2023 den Stab an AutorInnen weiter auszubauen, der vermehrt auch Studierende vorwiegend aus den Bereichen Publizistik/Kommunikationstheorie und Politikwissenschaft umfassen soll.

In unserer Hauptversammlung am 13. Dezember 2022 ist ein bemerkenswerter personeller Zugang beschlossen worden. Dabei ist Univ. Prof. Dr. Fritz Hausjell einstimmig ins Präsidium der Vereinigung für Medienkultur gewählt worden. Der renommierte Publizistik- und Kommunikationswissenschafter übt damit die Funktion eines der beiden Vizepräsidenten der Vereinigung aus.

Die nächste größere Veranstaltung unserer Vereinigung ist eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung :

Wo: Presseclub Concordia, Bankgasse 8, A-1010 Wien

Wann: 24. Jänner 2023 Beginn: 18.30 Uhr

Thema: Westliche Medien und der Ukraine-Krieg.

Als Diskussionsteilnehmer bereits fix sind der journalistisch vorbildliche ORF-Korrespondent Mag. Christian Wehrschütz, der renommierte Politikwissenschaftler Prof. Dr. Heinz Gärtner sowie der engagierte Friedensforscher Prof.Dr. Werner Wintersteiner.

Anmeldung unter stifter@medienkultur.at Herzlich willkommen !

2023 werden uns zusätzliche Kosten dadurch erwachsen, dass der Presseclub für Veranstaltungen seine Räumlichkeiten nicht mehr gratis zur Verfügung stellt. Auch in diesem Zusammenhang möchten wir Sie / Euch an den Mitgliedsbeitrag erinnern.*Sollte dessen Begleichung schon erfolgt sein, ein herzliches Dankeschön! Wenn nicht, bitte untenstehende Daten beachten:

*Erste Bank IBAN AT 31 2011 1300 0310 1325 ( Vereinigung für Medienkultur )

Mit Dank und einem PROSIT NEUJAHR

Udo Bachmair (namens der Vereinigung für Medienkultur)

Medien und die Klimakrise

Die Folgen des Klimawandels beschäftigt zunehmend auch die Medienwelt. Reizthemen wie Migration oder Corona werden damit teilweise bereits überlagert.

Udo Bachmair

Die spannende Thematik „Medien und die Klimakrise“ war jüngst Gegenstand einer Podiumsdiskussion, veranstaltet vom renommierten Presseclub Concordia. Der engagierte Club wollte damit aufzeigen, dass die Klimaproblematik uns auch medial eingeholt hat. Dabei stellen sich u.a. folgende Fragen: Wie berichtet man verantwortungsvoll über Folgen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Betroffene, Verantwortliche und Lösungen für die Klimakrise? Welche Verantwortung tragen Medien dabei? Wie stellen sich Redaktionen darauf ein?

Petra Stuiber, stv. Chefredakteurin des „Standard“ beteuerte, dass ihre Zeitung dem Klimathema großen Raum einräume. Sie hält jedoch ein eigenes Klimaressort für nicht zwingend notwendig. Die komplexe Causa sei nämlich ressortübergreifend. Sie habe etwa sowohl europapolitische als auch wirtschaftspolitisch starke Tangenten. Mit ähnlicher Argumentation outete sich auch ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom als Gegner eines eigenen Klima-Ressorts.

Michael Jungwirth, Leiter der Wien-Redaktion der Kleinen Zeitung berichtete stolz über die Gründung einer Klima-Taskforce in seiner Zeitung. Jedes Ressort verfüge über einen speziellen Klima-Experten, eingebunden in ein innerredaktionelles Netzwerk. Größte Herausforderung sei es, diejenigen an Bord zu holen, die anderer Meinung sind. Es gelte, Klimawandelleugner oder -skeptiker ernst zu nehmen und sie ohne erhobenen Zeigefinger faktenorientiert ans Thema heranzuführen. Dies sei auch in der Corona-Debatte der richtige Weg.

Ähnlich Petra Stuiber: Sie betrachtet es als wichtigen Aspekt, den Diskurs mit UserInnen und LeserInnen zu verstärken. Menschen auch mit ganz anderen Ansichten sollten auf Augenhöhe miteinander reden können. Ein frommer Wunsch, so ein Kommentar aus dem Publikum.

Medienkritik in Sachen Klimaberichterstattung hielt sich in der Publikumsdiskussion insgesamt in Grenzen, trotz der Teilnahme mehrerer vor allem junger engagierter Frauen. Dass im Speziellen der ORF zu wenig berichten würde und Klimathemen oft weit nach hinten gereiht werden, wies ORF-Sprecher Schrom zurück.

Die Diskussionsveranstaltung war eine Kooperation von Presseclub Concordia, fjum und dem Netzwerk Klimajournalismus Österreich – letzteres vernetzt Klimajournalist:innen und befördert den Austausch über adäquate Klimaberichterstattung.

ORF als Spielball der Politik

Angesichts der Wahl der neuen ORF-Spitze durch den Stiftungsrat stellt sich mehr denn je die Frage nach der Unabhängigkeit der Berichterstattung des für Österreichs Medienlandschaft wohl wichtigsten Unternehmens.

Udo Bachmair

Im ORF-Stiftungsrat, dem oberstes Entscheidungsgremium des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, kann erstmals eine klare Mehrheit der größeren Regierungspartei einen ORF-Generaldirektor allein bestimmen. Das Gremium ist offiziell unabhängig, gemäß österreichischer Realpolitik jedoch parteipolitisch besetzt.

Dass nun die Regierung ohne Rücksicht auf Oppositionsparteien einen nur ihr genehmen Kandidaten in den ORF-Chefsessel hieven kann, erscheint Medienbeobachtern demokratiepolitisch höchst bedenklich. Es liegt nun an den ORF-Journalisten, trotz aller Einflussversuche unabhängige Berichterstattung zu garantieren.

Zur Causa ORF im Folgenden ein Auszug aus einer Rede, die ich aus Anlass einer alternativen Medienenquete gehalten habe :

Ein unabhängiger Rundfunk ist unverzichtbarer denn je.

Natürlich kann und soll der Wert des Öffentlich-Rechtlichen neu diskutiert, teils auch neu definiert werden.

Das erscheint umso notwendiger im Umfeld einer Medienlandschaft, die geprägt ist von einem beispiellosen Konzentration an Boulevardmedien speziell im Osten unseres Landes.

Dem ORF und den Qualitätszeitungen kommt in dem Zusammenhang eine besondere Rolle zu. Auch als Gegengewicht zu all dem, was sich an höchst bedenklichen Inhalten in den sogenannten „Sozialen“ Medien abspielt. Hass und Hetze gegen Minderheiten, insbesondere gegen Flüchtlinge und Asylwerber.

Der ORF dagegen muss ein Hort sein für seriösen differenzierenden Qualitäts-Journalismus

Er kann die Rolle aber nur dann erfüllen, wenn von ihm und seinen Programmitarbeitern Druck genommen wird.

Und: Wenn auch seine Finanzierung gesichert ist.

Aus meiner Sicht sollte das bisherige Finanzierungsmodell erhalten bleiben, teils Werbeeinnahmen, teils Einnahmen über die Gebühren. Diese jedenfalls sollten von den jeweiligen Landesabgaben entschlackt werden.

Keinesfalls zu begrüßen wäre der Vorschlag, den ORF aus dem Bundesbudget zu finanzieren. Denn dann müsste die ORF-Führung jährlich zum Finanzminister pilgern, um demütig die Sicherstellung der weiteren Finanzierung zu erbitten.

Erwartetes Wohlverhalten seitens des ORF verstünde sich in diesem Fall wohl von selbst. Auf der anderen Seite ein noch effektivere Zugriffsversuche der großen Regierungspartei auf das Unternehmen.

Der ORF muss allerdings die finanzielle Unterstützung im wahrsten Sinn des Wortes auch verdienen:

In erster Linie mit Qualität seiner Programme und journalistischer Glaubwürdigkeit.

Diese kann und sollte etwa auch in der außenpolitischen Berichterstattung gestärkt werden. Durch weniger Schlagseite bei so komplexen Causen wie etwa dem Ukraine-, Nahost oder Syrien-Konflikt.

Oder in der innenpolitischen Berichterstattung darauf zu achten, nicht der gespenstisch gut inszenierten Regierungspropaganda auf den Leim zu gehen.

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk sollte bestrebt sein, seinen Kultur-und Informationsauftrag auch mit einer besseren Durchmischung auf die einzelnen Kanäle zu erfüllen. So wären sicher weitere Programmkorrekturen von ORF 1 vonnöten. Damit kann der Kritik begegnet werden, dieser Kanal sei programmiert wie ein kommerzieller Privatsender.

Das heißt: Der ORF muss sich klar unterscheidbar machen.

Das gelingt zum überwiegenden Teil bei ORF 3 sowie bei Ö 1.

Und das soll so bleiben. Das soll nicht durch neue Zugriffsversuche auf den ORF gefährdet werden.

Medien: USA = Amerika ? Amerika = USA ?

Die Tageszeitung Der Standard hat wie auch andere Qualitätsmedien meist auch eine gute außenpolitische Berichterstattung. Dennoch bedarf es fallweise auch einer medienkritischen Betrachtung.

Udo Bachmair

Gleich drei Schlagzeilen allein in einer Standard-Ausgabe (vom 21.1.2021):

„Ein neuer Morgen in Amerika“, „Biden beschwört Amerikas Einheit“ sowie „Botschafterin eines neuen Amerika“.

Von welchem Amerika ist da genau genommen die Rede ? Von Nord- oder Südamerika, von Kanada, Bolivien oder Kuba oder..? Alle Genannten gehören ebenfalls zu Amerika. Wollen die alle in einen Topf geworfen werden? Wollen die gar in einem „neuen Amerika“ (unter Führung der USA) leben ?

Wäre es nicht viel korrekter, von den USA zu sprechen und diese nicht gleich mit Amerika gleichzusetzen? In dem Sinne ist auch die oft verwendete Formulierung „amerikanischer Präsident“ störend und irreführend, der damit gleich für einen ganzen Kontinent verantwortlich gemacht zu werden scheint..

Eine ähnliche journalistische Unart begegnet einem auch im Zusammenhang mit „Europa“. Europa wird in der Regel (auch in Qualitätsmedien) immer wieder mit der EU identifiziert. Doch Europa umfasst deutlich mehr als die EU, beispielsweise auch den bevölkerungsstärksten Teil Russlands..

Die generalisierende Verwendung von „Amerika“ und „Europa“ spiegelt zudem eine gewisse (meist nicht bewusste journalistische) Überheblichkeit gegenüber Ländern und Bereichen außerhalb der USA und außerhalb der EU wider.

Medien: Coronakrise. Rückblende auf Rinderseuche, Schweinegrippe. 

Hans Högl

Ein Rückblick in die Medienwelt ist wertvoll, Misstrauen eine Königstugend. Zur  Rinderseuche (BSE) im Jahr 2001 traf der Medienexperte Wolf Schneider eine sehr kritische Medienbeurteilung. Sicherlich: die Corona-Krise existiert und bisher starben daran hunderttausende. (Laut NZZ online waren es am 14. Mai 2020 es 292.000 Menschen). Die tödliche Gefahr durch den Corona-Virus besteht. Aber es gilt die Dimension einer Krise abzuschätzen und etwas über die mediale Präsentation zu reflektieren.

Wer traf folgende Aussage? Es war Wolf Schneider, der 16 Jahre die renommierte Hamburger Journalistenschule leitete. Er war jahrzehntelang journalistisch tätig: für die „Süddeutsche“ war er Korrespondent in Washington, Chef vom Dienst beim „Stern“, Chefredakteur bei der „Welt“ und „Geo“-Reporter. Seine Evaluation ist zu lesen in  Schneider/Paul-Josef Raue: Das neue Handbuch des Journalismus und des Online-Journalismus, Hamburg 2012 (rororo) in der überarbeiteten Neuausgabe. Die Zitate finden sich auf Seite 17.

Nun zu  bestürzenden Aussage: Millionen Deutsche lebten wegen der Rinderseuche in großer Angst. Im Januar 2001 galt den Deutschen der Rinderwahnsinn als ihre größte Sorge, vor der Arbeitslosigkeit. „Der bereits angesprochene Rinderwahnsinn von 2001 wie auch die Schweinegrippe von 2010 waren Seuchen, die nicht nur durch Viren und Bazillen, sondern durch Journalisten verbreitet wurden.“ (Ebenda).

An BSE (Rinderwahnsinn) starb in Deutschland nicht ein Mensch, aber Millionen leben in Angst“….„An der Schweinegrippe starben damals weit weniger Deutsche als an der einheimischen Wintergrippe, und frühzeitig tauchten Indizien auf, dass die Pharmaindustrie hier eine Hysterie anzettelte, um sich Milliarden in die Taschen zu schaufeln. Niemals gab es einen seriösen Grund, eine der beiden Nachrichten aufzumachen; ins Vermischte hätten sie gehört.“. „Aufmachen“ meint etwas zu Schlagzeilen zu machen, um größte Aufmerksamkeit zu erreichen.

Zur Schweinegrippe liest man in Wikipedia in einem ellenlangen Artikel schließlich den Satz: Bis zum 25. Oktober 2009 waren der WHO weltweit mehr als 440.000 laborbestätigte Infektionen mit dem H1N1-2009-Virus („Schweine-Grippe) gemeldet worden, von denen mindestens 5.700 tödlich verliefen. Lassen wir diese Zahl auf der Zunge „zergehen“: Weltweit 5.700 Todesfälle! Das ist die Einwohnerzahl einer mitteleuropäischen Kleinstadt oder Marktgemeinde. Und da wird von weltweiter Pandemie gesprochen.

 

Handke und Serbien : Debatte prolongiert

Zwischen zutreffender Medienkritik und umstrittenen Balkan-Ansichten: Warum Peter Handke auch nach der Verleihung des Literaturnobelpreises weiter die Öffentlichkeit bewegt.

Gastbeitrag von Kurt Gritsch*

Udo Bachmair, der Präsident der Vereinigung für Medienkultur, ruft in seinem Kommentar „Handke und Serbien: Außerhalb der Norm“ in Erinnerung, dass sich der Streit um Peter Handke und Jugoslawien nicht nur an den politischen Positionen des Autors entzündet, sondern auch an seiner Medienkritik. Im Reisebericht „Gerechtigkeit für Serbien“, im Januar 1996 erstmals erschienen, erhebt Handke in Prolog und Epilog nämlich schwere Vorwürfe gegen die Jugoslawien-Berichterstattung westlicher Medien.

Journalisten der FAZ bezeichnete er als „Tendenzkartätschen“ und die Zeitung als das „zentrale europäische Serbenfressblatt“. Anderen Printmedien wie dem Spiegel, der Zeit, Le Monde, Liberation, Le Nouvel Observateur und der New York Times warf er vor, sie hätten über Jahre „immer in dieselbe Wort- und Bildkerbe“ gedroschen und seien deshalb „auf ihre Weise genauso arge Kriegshunde […] wie jene im Kampfgebiet“. Dem Typus des aus der Ferne urteilenden Leitartiklers, dem „Fernfuchtler“, stellte er den entdeckenden Kriegsberichterstatter als „Feldforscher“ gegenüber:

„Nichts gegen so manchen – mehr als aufdeckerischen – entdeckerischen Journalisten, vor Ort (oder besser noch: in den Ort und die Menschen des Ortes verwickelt), hoch diese und andere Feldforscher! Aber doch einiges gegen die Rotten der Fernfuchtler, welche ihren Schreiberberuf mit dem eines Richters oder gar mit der Rolle eines Demagogen verwechseln und, über die Jahre immer in dieselbe Wort- und Bildkerbe dreschend, von ihrem Auslandshochsitz aus auf ihre Weise genauso arge Kriegshunde sind wie jene im Kampfgebiet.“

Während dieser medienkritische Aspekt, den Handke auch in späteren Äußerungen wiederholte, vom Journalismus entweder ignoriert oder zurückgewiesen wurde, zeichnet die wissenschaftliche Literatur ein differenzierteres Bild. So belegte Gabriele Vollmer in ihrer Dissertation 1994, dass in den deutschen Zeitungen Frankfurter Allgemeine, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau und taz tatsächlich „durch eine Einseitigkeit der Berichterstattung zugunsten der Slowenen und Kroaten“ ein serbisches Feindbild aufgebaut worden war, indem Serben in den untersuchten Printmedien mit den meisten Stereotypen belegt worden waren. Doch universitäre Forschungsergebnisse von Doktoranden und Professoren wurden und werden in der Handke-Jugoslawien-Debatte in den Leitmedien kaum wahrgenommen.

Während Handke in Bezug auf seine Kritik an der Jugoslawien-Berichterstattung im Wesentlichen zuzustimmen ist, sieht es mit einigen seiner politischen Anschauungen anders aus. So verstörte der Autor schon in „Gerechtigkeit für Serbien“ mit fragwürdigen Positionen, die in ihrem Gehalt dem serbischen Nationalismus nahestehen:

„Wie sollte, war gleich mein Gedanke gewesen, das nur wieder gut ausgehen, wieder so eine eigenmächtige Staatserhebung durch ein einzelnes Volk – wenn die serbokroatisch sprechenden, serbischstämmigen Muselmanen Bosniens denn nun ein Volk sein sollten – auf einem Gebiet, wo noch zwei andere Völker ihr Recht, und das gleiche Recht!, hatten“.

Die Muslime Bosniens als islamisierte Serben für sich zu beanspruchen, war und ist Bestandteil der großserbischen Ideologie. Eine ähnliche Position existiert auch unter großkroatischen Propagandisten, die in den Muslimen „rassisch besonders reine Kroaten“ zu erkennen glauben.

Peter Handke hat seine viel kritisierte einseitige literarische Annäherung an den Jugoslawien-Krieg damit begründet, er habe eben nicht wie zahlreiche andere Intellektuelle nach Bosnien, sondern ins isolierte Serbien fahren wollen. Dass er das in der deutschen Berichterstattung tatsächlich benachteiligte Serbien allerdings unkritisch mit dessen nationalistischer Staatsführung gleichgesetzt hatte, wurde ihm wiederholt von zahlreichen serbischen Intellektuellen vorgeworfen. Daneben bleibt ein zentraler Stein des Anstoßes bis heute seine Wahrnehmung des Genozids in Srebrenica. In „Gerechtigkeit für Serbien“ heißt es dazu:

„‘Du willst doch nicht auch noch das Massaker von Srebrenica in Frage stellen?‘ sagte dazu S. nach meiner Rückkehr. ‚Nein‘, sagte ich. ‚Aber ich möchte dazu fragen, wie ein solches Massaker denn zu erklären ist, begangen, so heißt es, unter den Augen der Weltöffentlichkeit, und dazu nach über drei Jahren Krieg, wo, sagt man, inzwischen sämtliche Parteien, selbst die Hunde des Krieges, tötensmüde geworden waren, und noch dazu, wie es heißt, als ein organisiertes, systematisches, lang vorgeplantes Hinrichten.‘ Warum solch ein Tausendfachschlachten? Was war der Beweggrund? Wozu? Und warum statt einer Ursachen-Ausforschung (‚Psychopathen‘ genügt nicht) wieder nichts als der nackte, geile, marktbestimmte Fakten- und Scheinfakten-Verkauf?“

Diese Art des Fragens wurde bereits unmittelbar nach Erscheinen der „Winterlichen Reise“ als revisionistisch kritisiert. Da auch Rechtsradikale dadurch vorgehen, dass sie Interpretationen infrage stellen und Erkenntnisse relativieren, fand sich Peter Handke sehr schnell in der Ecke der Fakten leugnenden Revisionisten. 1999 warf ihm Hans Rauscher im Standard vor, das Niveau von Holocaust-Verharmlosern erreicht zu haben. Bis heute liegt diese Wahrnehmung den Vorwürfen, Handke sei ein Genozid-Leugner, zugrunde.

In den Folgejahren von „Gerechtigkeit für Serbien“ verfestigten sich die Positionen – hier zahlreiche Leitmedien, dort der immer zorniger agierende und in seinen Interviews häufig polemisch auftretende Dichter. Inzwischen gewinnt man den Eindruck, dass es nur noch ein Für oder Wider Handke zu geben scheint. Dabei böte die Nobelpreis-Verleihung Anlass, sich mit dem über 100 Werke umfassenden Oeuvre des Schriftstellers mit Bedacht auseinanderzusetzen.

Doch die Literatur ist längst von Politik und bisweilen von Populismus abgelöst worden. Das hat auch mit einer Berichterstattung zu tun, die anstelle der Lektüre von Handkes Primärtexten nur noch ungeprüft Stellungnahmen anderer Medien übernimmt. Mitverantwortlich ist aber auch Peter Handke. Denn einige seiner Äußerungen und Positionen sind und bleiben vor dem Hintergrund der Fakten fragwürdig.

*Kurt Gritsch ist promovierter Zeithistoriker. Er ist Autor des Buches „Peter Handke und Gerechtigkeit für Serbien. Eine Rezeptionsgeschichte“ (Studienverlag 2009).

Ist die deutsche Wochenzeitung DIE ZEIT aus einem Guss?

Zur Evaluation eines Mediums ist es sinnvoll, vergangene Äußerungen dazu von maßgeblichen Medien – Persönlichkeiten aufzugreifen und diese Worte mit dem Ist-Zustand des Mediums zu vergleichen. Wir ersuchen unser Publikum um Kommentare dazu.

Hans Högl

Marion Gräfin Dönhoff war Chefredakteurin und Mitherausgeberin der deutschen Wochenzeitung Die ZEIT. Sie hinterließ ein Buch, eigentlich einen Sammelband von Artikeln, mit dem Titel „Zivilisiert den Kapitalismus“, Stuttgart 1997. Nun – das ist lange her, dennoch scheint Ihre Stellungsnahme auch heute bedenkenswert. Marion Dönhoff starb 2002.

M. Gräfin Dönhoff: „Wenn Leser sich hin und wieder beklagen, dass beispielsweise DIE ZEIT nicht aus einem Guß ist, dass vielmehr der politische Teil liberal, die Wirtschaft eher konservativ und das Feuilleton links ist, dann lässt sich nur sagen, Gott sei Dank, ist es so.“

Wäre es anders, würde dies bedeuten, dass jener böse Spruch wahr ist, der da sagt: Im Kapitalismus ist Pressefreiheit die Freiheit von 200 Leuten, ihre Meinung zu sagen- wobei mit jenen 200 Leuten die Eigentümer gemeint sind. …. Ein anderer Vorwurf lautet, die liberalen Zeitungen ….stehen meist „ein wenig links von der Mitte“. Beweis: Sie regen sich enorm über die Entgleisungen der Rechten auf, während sie die Missgriffe der Linken offenbar halb so schlimm finden.

„Dieser Vorwurf trifft gelegentlich zu, aber das getadelte Verhalten erklärt sich unschwer aus der deutschen Geschichte, denn schließlich entstand der Nazismus ja aus einer Pervertierung konservativer Wertvorstellungen und nicht aus marxistischer Ideologie. Darum ist erhöhte Wachsamkeit und scharfe Kritik an Rückfällen in illiberale Grundtendenzen – die es vor den Nazis gab – so wichtig.“ p. 79.

Manipulations-Anfälligkeit von Medien. Der „Spiegel“

Hans Högl-Buchtipp

Juan Moreno, freier Autor des «Spiegels», hat einen der grössten Medienskandale in Deutschland aufgedeckt. Er demaskierte Claas Relotius, einen gefeierten, mit Preisen überhäuften Reporter, als Hochstapler. Mit seinem neuen Buch, «Tausend Zeilen Lüge», hat Moreno nun ein Lehrstück verfasst, das von der Manipulationsanfälligkeit des Menschen handelt

Aufatmen im ORF

Das Scheitern der türkis-blauen Koalition, im Besonderen das Aus für die FPÖ-Regierungsmitglieder, löst bei unabhängigen ORF-JournalistInnen Erleichterung aus.

Udo Bachmair

Der Spuk ist vorbei. Das von FPÖ-Vertretern gegen ORF-JournalistInnen aufgebaute Bedrohungsszenario erscheint vorerst aufgelöst. Diese für manche ORFler nahezu „befreiende“ Entwicklung lässt Selbstzensur, die sogenannte die Schere im Kopf, nun wieder weniger in Erscheinung treten.

So manche ORF-ProgrammmitarbeiterInnen, vor allem in den Informationsabteilungen, hatten sich von seiten der Regierungspartei FPÖ bedroht gefühlt. Unverblümt war „unbotmäßig“ berichtenden Redakteuren der Hinauswurf nahegelegt worden. Der zurückgetretene FPÖ-Chef Strache hatte gar den gesamten ORF als „Ort der Lüge“ diffamiert.

Ganz zu schweigen von den ständigen Attacken von Regierungsvertretern gegen den seriös kritischen ORF-Journalisten Armin Wolf. Diesem hatte Ex-FPÖ-Chef und ORF-Stiftungsratsvorsitzender Steger eine Auszeit nahegelegt. Diese muss er nun selbst antreten. Auch das ein Akt der Erleichterung in ORF-Redaktionen, wie mir in Gesprächen mit Ex-ORF-KollegInnen bestätigt wird..

Hoffnung für den demokratiepolitisch so wichtigen öffentlich-rechtlichen ORF besteht nun auch darin, dass er nicht mehr um seine finanzielle Absicherung bangen muss, die ihm die FPÖ verwehren wollte. Das wäre das Ende des ORF gewesen, geben nicht nur Insider zu bedenken.

Jedenfalls sind im ORF-Zentrum und im ORF-Funkhaus Aufatmen und Erleichterung angesichts des nachlassenden Drucks deutlich spürbar. Das hat sich auch auf die hervorragende Berichterstattung des ORF rund um die EU-Wahl und den FPÖ-Skandal entsprechend positiv ausgewirkt.

Die hierzulande bedroht gewesene Presse- und Meinungsfreiheit a la Ungarn erscheint nun gerettet. Wie lange, bleibt offen. Es empfiehlt sich, weiter auf der Hut zu sein.

Medien: Rechte erobert Meinungshoheit

Udo Bachmair

Die Zeitschrift „Falter“, bekannt als fundiert kritisch und investigativ, hat auch in ihrer jüngsten Ausgabe wieder Interessantes zu bieten. Sie unterscheidet sich damit wohltuend von einem großen Teil der übrigen Medienlandschaft, die in Österreich von einem beispiellos hohen Konzentrationsgrad an Boulevardmedien geprägt ist. Und immer wieder finden sich in dem lesenswerten Blatt auch medienkritische Beiträge und Analysen. Jüngst besonders aufgefallen eine penibel recherchierte Falter-Dokumentation zur immer stärker werdenden Dominanz von Rechtspopulisten, die „die Meinungshoheit in Europa an sich reißen wollen“. Die extreme Rechte tritt nach Falter-Erkenntnissen auch medial immer häufiger länderübergreifend auf.

Die Strategie der Übernahme medialer Berichtersattung durch Rechtspopulisten und Rechtsextreme umreißt Falter-Redakteurin Nina Horacek folgendermaßen:

„Zuerst aus der Opposition eine als ‚alternative Nachrichten‘ getarnte mediale Propagandawelt aufbauen. Einmal an der Regierung, wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Kontrolle gebracht. Parallel dazu geht es unabhängigen, kritischen Medien an den Kragen“. Das Vorgehen erfolge unter anderem in folgenden Schritten:

  • Errichte dein eigenes Medienimperium inkl. einem hörigen „Staatsfunk“
  • Schüre mit Fake-News Ängste
  • Diffamiere deine Kritiker
  • Nütze Facebook als Verstärker
  • Bring die Pressefreiheit unter Druck
  • Zerstöre deine Kritiker finanziell

Die Autorin bezieht sich in ihrer Analyse zwar vornehmlich auf die Entwicklung in Ungarn, ortet aber auch hierzulande eine Änderung der Medienpolitik seit dem Eintritt der rechtspopulistischen FPÖ in die Regierung.  So verstummen jene Stimmen nicht, die dem ORF die Gebührenlegitimät aberkennen und ihn mit der Finanzierung aus dem Bundesbudget stärker an  die parteipolitischen Kandare nehmen wollen.

Erste Erfolge dieser Drohung zeigen sich bereits: Die ZIB 1 wird zunehmend zu einer Werbesendung für Kurz / Kickl / Co. und in Diskussionssendungen wie „Im Zentrum“ will es der Moderatorin immer seltener gelingen, unentwegt polemisierende und provozierende FPÖ-Politiker einzubremsen. Für sachliche Debatten bleibt kein Raum mehr. Eine auch demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklung.

https://www.falter.at/archiv/wp/propagandakrieg-in-europa-die-medien-der-rechten