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Keine Solidarität mit Assange

Er hat US-Kriegsverbrechen aufgedeckt: Julian Assange. Der mutige Journalist soll nun doch ausgeliefert werden. Auch die Medien-Unterstützung für ihn lässt zu wünschen übrig.

Wolfgang Koppler *

„Man nennt mich allenthalben einen Meister der Ironie. Aber ausgerechnet in dem Hafen von New York eine Freiheitsstatue zu errichten…auf den Gedanken wäre nicht einmal ich gekommen.“

Dieses Zitat von George Bernhard Shaw kommt einem in den Sinn, wenn man an das Schicksal von Julian Assange denkt, dessen Auslieferung nach der vor einigen Tagen ergangenen Entscheidung des High Court – trotz des dagegen erhobenen, wohl ziemlich aussichtslosen Rechtsmittels – unmittelbar bevorstehen dürfte. Eine ähnliche Ironie wie die eingangs erwähnte Freiheitsstatue stellt der internationale Tag der Pressefreiheit dar. Insbesondere wenn man an die Gleichgültigkeit von Journalisten gegenüber der Ermordung von Daphne Aruane Galicia, Jan Kuciak, den beiden in Bagdad erschossenen Reuters-Journalisten (trotz des seinerzeitigen Aufrufs von Reuters), aber auch an deren oft handzahme und angepasste Berichterstattung denkt. Oder hat die Forderung Erdogans an Schweden nach Auslieferung unliebsamer kurdischer Journalisten irgendwelche Proteste ausgelöst ? In Schweden demonstrieren ja eh nur NATO-Gegner und PKK-Anhänger (wie man manchen Artikeln entnehmen konnte).

Journalisten sind sehr oft weder die Wahrheit, noch die Medienkonsumenten, ja nicht einmal ihre ermordeten oder gefährdeten Kollegen wichtig. Von der viel beschworenen Pressefreiheit ganz zu schweigen. Obwohl ihnen im Westen meist nicht Gefängnis oder Verfolgung droht, wie in anderen Ländern.

Aber man scheut Unannehmlichkeiten, wie die Reaktionen von Vorgesetzten, Kollegen und Lesern. Passt sich an, schreibt möglichst das, was ankommt. Überschüttet sich gegenseitig mit Preisen. Wenn jemand etwas schreibt, was nicht der herrschenden Linie entspricht, macht man ihn des Öfteren verächtlich. So wie auch die Leser beinahe auf Knopfdruck mit Shitstorms auf Andersdenkende reagieren.

Und so werden Zivilcourage und Verantwortungsbewusstsein immer seltener. Unter Journalisten, in Wirtschaft. Politik und unserer gesamten Zivilgesellschaft.

Es gäbe jetzt eine Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen: Alle Redaktionen sollten geschlossen dafür eintreten, dass ihre Zeitung am Tag von Assanges Auslieferung mit einer leeren, schwarz umrandeten Titelseite erscheint. Wenigsten gedenken sollte man der Pressefreiheit (wenn sie einem schon egal ist).

Ganz gleich, wie man zu Assange steht. Aber das was hier passiert, ist – wenn man es recht bedenkt – eine Schande für uns alle. Und es ist auch eine Pervertierung des Rechtsstaats. Denn Assange ist weder US-Bürger, noch hat Assange von den USA aus agiert. Was würde man sagen, wenn China die Auslieferung von deutschen Journalisten wegen der Veröffentlichung chinesischer Regierungsdokumente zu irgendwelchen Menschenrechtsverletzungen verlangen würde ? Oder Großbritannien ? Wenigstens einmal im Leben sollte man Zivilcourage zeigen. Aber auch das ist wohl zu viel verlangt von Journalisten.

Da sägt man lieber an dem Ast, auf dem man selbst sitzt. Benennen wir doch den Tag der Pressefreiheit endlich um in „Tag der Angepasstheit“. So viel Ehrlichkeit sollte sein.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Publizist und lebt in Wien

KPÖ und mediale Irritationen

Medien und Politik tun sich mitunter schwer mit ihren (Vor-)Urteilen über den sensationellen Erfolg der KPÖplus bei der Salzburger Landtagswahl vom vergangenen Sonntag.

Wolfgang Koppler *

Schon interessant, wie man die KPÖ in der ORF-ZiB am Sonntag zusammen mit der FPÖ noch als „Rand-Erscheinungen“ abtat. Und deren Spitzenkandidaten Dankl mehr oder weniger überging. Und das trotz eines – für eine viele Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit verschwundenen Partei – phänomenalen Ergebnisses. Das ist, wie wenn die Grünen in den 80-er Jahren vom Stand weg mehr als 11 % gemacht hätten. Und das, obwohl die Partei wegen ihrer Vergangenheit verfemt und nicht im Trend war.

Nunmehr widmet sich sogar der Standard in einem längeren Artikel diesem Phänomen. Und versucht dies durch die das von der KPÖ aufgegriffene heiße Thema „Wohnen“ und die völlig unbelastete Herkunft des Spitzenkandidaten Kay-Michael Dankl (der ursprünglich Teil der von Glawischnig gefeuerten Jungen Grünen war) zu erklären.

Das Interview mit Dangl in der ZiB2 (das wohl auch für den ORF nicht mehr zu vermeiden war) ergab ein etwas anderes Bild. Natürlich ging es um die von Salzburger KPÖ aufgegriffenen und beim Wähler gut angekommenen Themen. Aber etwas ließ doch aufhorchen. Natürlich wurde der klug argumentierende junge Mann auch gefragt, weshalb er denn Mitglied einer Partei ein könne, die sich immer noch kommunistisch nenne, nach all den Erfahrungen mit dem realen Sozialismus und den historischen Belastungen. Die Antwort ließ aufhorchen. Dankl verwies auf den Ursprung von Sozialismus und Marxismus im 19.Jahrhundert – auf die Ideen, die dahinter stünden. Dass hätte nichts mit deren Missbrauch zu tun, zumal man sich heute zur Demokratie und auch zur EU bekenne. Deren Reform dringend nötig sei (wobei selbst eine solche Kritik bei uns schon beinahe ein Tabubruch ist). Womit er auf die Ideale von Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität verwies. Auf die historischen Wurzeln des Marxismus in der ersten Hälfte des 19.Jahrhundertes. Und auf die jüdisch-christliche Herkunft von Marx und dessen Ideen. Wie immer sie auch missbraucht wurden.

Da fiel selbst ZiB2-Moderator Martin Thür nichts mehr ein. Und auch der Politologe Filzmaier versuchte am Sonntag den Erfolg fast nur mit dem Thema Wohnen zu erklären. Obwohl er dann zugeben musste, dass der Spitzenkandidat in diesem Fall eine ganz wesentliche Rolle gespielt hatte. Idealismus und persönliche Bedürfnislosigkeit ist manchen Journalisten und Politologen genauso fremd wie unseren Politikern. Weshalb Idealisten derzeit offenbar fast nur mehr in der KPÖ zu finden sind. Wo es nichts zu holen gibt. Das betretene Schweigen, als Rudolf Nagiller vor etlichen Jahren anlässlich des Erfolgs des KPÖ-Politikers Ernest Kaltenegger in Graz die Politiker der etablierten Parteien in einer Gesprächsrunde des ORF nach derartig engagierten Kollegen fragte, sprach Bände. Ganz egal, wo man politisch steht.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

Konstruktiver Journalismus als Korrektiv

In einem Gastkommentar* für die Wiener Zeitung fragt sich Werner Wintersteiner, Gründer und ehemaliger Leiter des Zentrums für Friedensforschung und Friedenspädagogik der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, ob die Corona-Kluft als demokratische Chance zu sehen sei.

Ilse Kleinschuster**

Werner Wintersteiner ist Autor des Buchs „Die Welt neu denken lernen“. Er meint, es werde nicht reichen für die Impfung zu werben und wir können den Unzufriedenen und Beleidigten ihre Emotionen nicht ausreden, aber wir können vielleicht erreichen, dass sie früher oder später selbst andere Prioritäten setzen; zumindest jene, die bereit sind, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen.

Wintersteiner schlägt vor, verschiedene und durchaus widersprüchliche Maßnahmen zu ergreifen: Widerstand gegen die Rechtsradikalen; Dialog über die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen, vor allem das Impfen, und zwar aus gesamtgesellschaftlicher Solidarität; Dialog nicht nur als staatliche TV-Propaganda, sondern im Lokalen, im Nachbarschaftlichen, im Alltag. Es brauche aber auch die Herausforderung an die Protestierenden, gegen die wirklichen Probleme aufzutreten.

Ja, ich glaube, hier könnte ein konstruktiver Journalismus als Korrektiv helfen. Denn, ist die Berichterstattung in den letzten Monaten nicht sehr unausgewogen was die möglichen Problempakete für unsere Zukunft betrifft? Ich erlebe es jedenfalls so -, wie sehr das neue Virus die Aufmerksamkeit fesselt und somit die Wirtschaft und das Leben vieler Menschen beeinflusst. Dies wird zwar in Kreisen der Befürworter einer „Großen Transformation“, eines „Green New Deal“, nicht unbedingt nur negativ gesehen.

NUN, es ist ja lobenswert, wie sehr zurzeit versucht wird, mittels staatlicher Logistik und stattlicher Hightech-Medizin die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen und wie die mediale Berichterstattung sich diesbezüglich ins Zeug legt. Wenn nun aber das Virus den Menschen Angst macht – und diese bekanntlich lähmend wirkt, dann finde ich das schlecht, weil diese Umbruch-Zeit inspirierende Innovationen braucht. Wäre es demnach nicht besser – statt Angst zu schüren -, die Menschen aufzuklären, z.B. wie sie sich auf ein ständiges Auftreten neuer Erregerformen einstellen können?

Darüber hinaus aber, so meine ich – würde vielen Menschen es nicht schaden, mehr darüber zu erfahren, wie sehr kriegerische Konflikte, Atomenergie (sowie ein hoffentlich nie eintretender Gebrauch von Atomwaffen) und regelmäßig auftretende Pandemien die Lösungskapazität für die anstehenden, wirklich großen Herausforderungen unserer Zeit im Bereich der Ökologie (Klimawandel!) einschränken. Hierin sehe ich die demokratische Chance, von der Wintersteiner spricht – die einzelnen Menschen nicht ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft und Umwelt zu entheben, aber auch die Medien nicht ihrer Verantwortung gegenüber den Bürgern.

*https://www.wienerzeitung.at/meinung/gastkommentare/2132202-Die-Corona-Kluft-als-demokratische-Chance.html

** Ilse Kleinschuster ist engagiertes Mitglied der Initiative Zivilgesellschaft und der Vereinigung für Medienkultur

Pandemie: Maßnahmen am Rande des demokratischen Modells?

Wie steht es um die Sorgfalt bzw. Nicht-Sorgfalt im Journalismus ? Eine medienkritische Spurensuche am Beispiel von Texten aus SOLIDARITÄT, PRESSE, ORF.at und WIENER ZEITUNG

Franz Schlacher*

Ein Text mit dem Titel „Demokratie in Quarantäne“ von Patrick Fischer in der „ÖGB-Zeitschrift für die Arbeitswelt“, SOLIDARITÄT, Ausgabe Nummer 989, Oktober 2020, beginnt folgendermaßen:
„Eine Zumutung für die Demokratie beklagte Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, eine neue Normalität“ begrüßte Österreichs Regierungschef Sebastian Kurz, in seinem Dunstkreis wurde sogar von „Maßnahmen am Rande des demokratischen Modells“ fantasiert. (S. 5)

Dunstkreis? Maßnahmen am Rande des demokratischen Modells?
Eine Spurensuche.

Erste Spur:
In der gleichen Ausgabe der SOLIDARITÄT, auf Seite 19, im Artikel „Die Politik nimmt Demokratie nicht ernst genug“ schreibt Peter Leinfellner (ÖGB Kommunikation):
„Als die Beraterin von Kanzler Kurz, Antonella Mei-Pochtler, dann in einem Interview verkündete, dass sich die europäischen Länder an Tools (wie Contact Tracing Apps) gewöhnen müssen, die am Rand des demokratischen Modells seien, gab es postwendend einen Aufschrei.“

Zweite Spur:
DIE PRESSE (4.5.2020)
Europäer müssten sich an „Maßnahmen“ am Rand des demokratischen Modells“ gewöhnen, sagt Antonella Mei-Pochtler, die die Kanzleramts-Denkfabrik leitet (Anm.: in einem Interview für die FINANCIAL TIMES.)

Sie erklärte, es müsste das Ziel von Regierungen sein, jetzt an das Verantwortungsgefühl für individuelles Handeln zu appellieren, um die Zeit nach dem Ende der Lockdowns zu gestalten.
„Man kann eine Pandemie nicht für ewig von oben nach unten managen. Man muss sie von unten nach oben managen“, betonte sie.

Dritte Spur:
News.orf.at (4.5.2020)
Kurz-Beraterin Mei-Pochtler: „Jeder wird eine App haben“
„Das wird Teil der neuen Normalität sein. Jeder wird eine App haben“, sagte sie der „Financial Times“ (Onlineausgabe). Die europäischen Länder müssten sich an Tools gewöhnen, die „am Rand des demokratischen Modells“ seien.

Vierte Spur:
Die Quelle:  Financial Times:

“This will be part of the new normal. Everyone will have an app. I think people will want to control themselves”
Antonella Mei-Pochtler, Austrian government adviser
She believes technology such as contract tracing apps will be vital and European societies will be challenged by the need to balance public health with tools “on the borderline of the democratic working model”.
[…]
The government has ruled out making the app mandatory for Austrians, but hopes that many citizens will voluntarily use it as its benefits become clear.
[…]
This will be part of the new normal. Everyone will have an app. I think people will want to control themselves,” Ms Mei-Pochtler said. “You cannot manage a pandemic top down forever. You need to manage it from the bottom up.”

This article has been amended to clarify remarks made by Ms Mei-Pochtler on the use of contact tracing apps.

Man beachte den Unterschied zwischen den Originaltexten und -zitaten und den Übersetzungen von Patrick Fischer und Peter Leinfellner bzw. von deren „Quellen“ (news.orf.at, DIE PRESSE)

Fünfte Spur:

WIENER ZEITUNG (online, 4.5.2020)
https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/oesterreich/2059375-Mei-Pochtler-giesst-Oel-ins-Feuer-der-App-Debatte.html

Die Leiterin der von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ins Leben gerufenen Denkfabrik „Think Austria“ meinte, dass die europäischen Gesellschaften auf die Herausforderung treffen werden, die öffentliche Gesundheit und Tools, die „am Rand des demokratischen Modells sind“, abzuwägen.

Anmerkung der Redaktion: Die „Financial Times“ präzisierte nachträglich einige Zitate von Mei-Pochtler, die sich missverstanden gefühlt hatte. Die Änderungen wurden von der „Wiener Zeitung“ übernommen.

DER STANDARD

„Sie selbst war nach Veröffentlichung des Interviews verärgert und zerknirscht, denn der Hintergrund der Aufregung sei viel banaler gewesen: nämlich schlicht ein Missverständnis zwischen Mei-Pochtler und dem Journalisten, der sie befragt hatte. Die Consulterin hatte im Interview eigentlich eine Debatte über eigenverantwortliches Handeln statt über Zwang anstoßen wollen“.

* Prof.Franz Schlacher ist Vorstandsmitglied der Vereinigung für Medienkultur

Sind die Grünen noch zu retten ?

Abseits des Dauerthemas Corona beschäftigt Medien und Politik weiter auch die Krise der Koalition. Ausgelöst u.a. durch die Schwächung des grünen Regierungspartners, der offenbar nicht fähig ist, der türkisen Ablehnungsfront in humanitären Fragen konsequent und effizient zu begegnen.

Udo Bachmair

Die Grünen als Regierungspartei sind kaum mehr zu retten, meinen ihnen auch wohlgesonnene Beobachter. Dabei wären sie wichtige Stimmen für Grund- und Menschenrechte. Diese Rolle haben sie vor allem den NEOS, aber auch Sozialdemokraten überlassen. Deren Antrag im Parlament, unter großem Polizeiaufgebot bei Nacht und Nebel abgeschobene Mädchen wieder nach Österreich zurückzuholen, haben die Grünen abgelehnt. Für viele eine Schande. Machterhalt statt Grundsätze, Taktik statt Einsatz für Humanität, ein hoher Preis, den die Grünen mit ihrer Anbiederung an die Türkisen unter Sebastian Kurz noch zu zahlen haben werden.

Noch macht sich die „grüne Unterwerfungsgeste“ (Michael Völker, Der Standard vom 5.2.) bezahlt, im wahrsten Sinn des Wortes.. Spätestens bei den nächsten Wahlen jedoch dürfte sich zeigen, dass sich auch langjährige Grünwähler enttäuscht von Kogler/Co. abwenden werden. Umfragen deuten den Aderlass bereits an. Den Grünen verzeihen ihre eigenen Wähler*innen viel. Allerdings nicht Mutlosigkeit gegenüber einem Koalitionspartner, der jegliche (christlich-soziale) Empathie etwa auch gegenüber Flüchtlingskindern vermissen lässt.

Auch leidenschaftliche Solidarität und Appelle von NEOS und SPÖ, von Kirchen und NGOs, aber auch von humanitär bewegten ÖVP-Bürgermeistern haben nichts genützt. Die Regierung ist hart geblieben. Ja, wissentlich auch die Grünen. Sie haben trotz vollmundiger Erklärungen und Bekenntnisse in wesentlichen Menschenrechtsfragen bisher nichts erreichen und durchsetzen können. Aus Furcht vor einem Koalitionsbruch und dem Verlust gut dotierter Regierungsposten hat sie der Mut verlassen.

Bloße Verbalradikalität in Richtung des Hardliners Innenminister Karl Nehammer ist zuwenig. Erwartet worden wäre hingegen Zivilcourage der Grünen gegenüber dem Message-Control-Kanzler Kurz, indem sie ein entsprechendes Abstimmungsverhalten im Parlament auf Basis ihrer Grundsätze an den Tag gelegt hätten. Das wäre im Sinne von „Taten statt Reden“ gewesen. So sind die Grünen als Menschenrechts- und Kontrollpartei – zumindest auf Bundesebene – unglaubwürdig geworden.

Message-Control: Kritischer Journalismus nötiger denn je

Barbara Coudenhove-Kalergi ist die neue Trägerin des Bruno-Kreisky-Preises. Sie wird damit für ihr publizistisches Gesamtwerk geehrt. Die Wichtigkeit von kritischem Journalismus ist ihr ein besonderes Anliegen, gerade in Zeiten von Message-Control.

Udo Bachmair

Der Bruno-Kreisky-Preis für Politische Publizistik wird seit 1993 jährlich vom Karl-Renner-Institut verliehen. Mit diesem Preis wird im Sinne des Lebenswerks Bruno Kreiskys politische Literatur ausgezeichnet, die für Freiheit, Gleichheit, Demokratie, soziale Gerechtigkeit, Solidarität und Toleranz einsteht.

Die diesjährige Preisträgerin Barbara Coudenhove-Kalergi entstammt einer 1945 aus der Tschechoslowakei vertriebenen Prager Intellektuellenfamilie. Als Schriftstellerin und Journalistin hat sie für verschiedene Tageszeitungen sowie für den ORF gearbeitet. Bis heute ist sie gefragte Kolumnistin, im Besonderen für die Tageszeitung Der Standard.

Die Verleihung des Kreisky-Preises hat Coudenhove-Calergi zum Anlass für einen Appell an die Journalisten genommen, kritikfähig zu sein bzw. zu bleiben. Es sei Aufgabe des Journalismus, ein Bild von Politik an die Öffentlichkeit zu transportieren, das faktengestützt und objektiv ist.

Zum Umgang von Medien mit der vor allem von der Kurz-ÖVP konsequent und professionell betriebenen Message-Control meint die Preisträgerin : „Dazu gehören immer zwei. Es liegt an den Journalisten, ob sie sich von der Message-Control kontrollieren lassen oder selbst kontrollieren“.

Die Solidarwerkstatt: Eine Würdigung

Man muss inhaltlich nicht mit allem einverstanden sein, um dennoch festzuhalten, dass Vereine und Publikationen, die eine konstruktive Gegenöffentlichkeit darstellen, demokratiepolitisch unverzichtbar sind. Als Beispiel dafür gilt die „Solidarwerkstatt“.

Udo Bachmair

Der besonders engagierte Verein „Solidarwerkstatt“ mit seinen Veranstaltungen, Aktionen, Rundbriefen und dem Werkstatt-Radio sieht sich immer wieder Kritik vor allem rechter Kreise ausgesetzt. Diese lassen kein gutes Haar an der Initiative, die sie im ganz linken Eck verorten. Ein Hauptvorwurf besteht zudem darin, diese Vereinigung würde sich in nichts Anderem als in maßlos überzogener Kritik ergehen.

Was tut und vertritt diese „Solidarwerkstatt nun, die laut Statut ein unabhängiger Verein ist :

>> Sie tritt u.a. ein für eine radikale ökosoziale Wende, für Frieden und Neutralität, für den Kampf gegen Armut
>>Sie übt heftige Kritik etwa daran, dass die Mieten den Löhnen immer mehr davongaloppieren
>>Sie wehrt sich vehement etwa gegen eine Zweiklassenmedizin sowie gegen eine „Schuldenbremse“ als „Investitionsbremse“,
>>Sie sagt ein klares Nein zu einem Abbau der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung,
>>Sie ist auch bekanntgeworden durch ihre Kampagne gegen TTIP und CETA sowie für einen Fairen Handel statt dem Freihandel,
>>Sie will die EU demokratisieren und sie von den Interessen der Großkonzernen befreien
>>Sie kämpft mit Leidenschaft gegen Rassismus und Rechtsextremismus

Eine recht unvollständige Aufzählung all dessen, was die „Solidarwerkstatt“ an Positionen und Aktivitäten vorweisen kann. Ein Verein, ausgestattet mit geringem Budget, größtenteils auf Basis von Spenden. Ehrenamtliche investieren viel Zeit und Energie.

Die „Solidarwerkstatt“ ist als Initiative zu würdigen, wenngleich einzelne Punkte wie ein eher generelles Nein zur EU oder die Empfehlung an die Grünen, dem „K+K“-Regierungsprogramm kein grünes Licht zu geben, doch ziemlich diskussionswürdig sind.

Die jüngst wieder aufgetauchte Kritik am insgesamt zu kritischen Kurs der „Solidarwerkstatt“ ist aber im Fall besonders engagierter NGOs und Vereine nicht immer fair. Dies ist bedauerlich, denn in Österreichs Vereins- und Medienlandschaft sind Initiativen und Publikationen, die gut recherchierte alternative Informationen anbieten, eine Rarität.

Eine kritische Gegenöffentlichkeit, auch wenn sie im gegenständlichen Fall noch so klein ist, kann demokratischen Diskurs positiv beleben. Im Sinne von Humanität, Menschenrechten, Solidarität.

Solidarität statt Spaltung

Spätestens seit der Finanzkrise 2008 und den Flüchtlingsströmen 2015 erscheint unsere Gesellschaft so gespalten wie schon lange nicht mehr. Ist das tatsächlich so ? Wenn ja, wie groß ist die Chance, miteinander wieder ins Gespräch zu kommen, über politische und ideologische Grenzen hinweg ? Fragen, mit denen sich zwei empfehlenswerte Bücher beschäftigen.

Udo Bachmair

Als Folge der Finanzkrise ab 2008 haben Zukunftsängste immer weitere Kreise der Bevölkerung erfasst. In dieser Phase war die politische Auseinandersetzung zunehmend von nationalistischen Tönen dominiert. Rechte und rechtsextreme Parteien konnten erfolgreich politisches Kleingeld aus den Sorgen der Menschen schlagen. Das funktionierte besonders auch 2015, jenem Jahr, in dem die Migration und die „Zuwanderung ins Sozialsystem“ ( unisono Ex-Kanzler Kurz und die FPÖ ) als Wurzel allen Übels gebrandmarkt wurden.

Die Entwicklungen der letzten Jahre haben zweifellos zu einer Polarisierung beigetragen. Aber ist der Graben so tief, dass es keine Brücken mehr gibt zwischen den als „Anständige“ Definierten und als „Sozialschmarotzer“ Diffamierten, zwischen dem linken und dem rechten Lager ? Die Autoren des im Promedia-Verlag erschienen Buches „Umkämpfte Solidaritäten“ versuchen dieses politisch und medial oft bemühte Bild differenziert zu betrachten. Sie meinen, dass wir uns nicht dem Fatalismus hingeben sollten, der in dem Bild einer Spaltung tendenziell enthalten sei.

Grundthese der Autoren ist daher: Die Spaltungslinien in der Gesellschaft sind vielfältig und weniger polar als man annehmen würde. Im Zentrum steht der Begriff Solidarität, der sowohl Spaltungen bzw. Ausgrenzungen als auch Einschlüsse und Zusammenhalt in den Blick bekommt, sozusagen als die zwei Seiten derselben Medaille. Dadurch würde sich zeigen, dass Trennlinien zwischen „uns“ und den „anderen“, zwischen drinnen und draußen, nicht immer eindeutig verlaufen und durchaus mit Ambivalenzen und Widersprüchen verbunden sind.

„Umkämpfte Solidaritäten – Spaltungslinien in der Gegenwartsgesellschaft“
( Altreiter / Flecker u.a., erschienen im Promedia-Verlag )

Wie sind denn nun Spaltung und Polarisierung zu überwinden ? Diese Thematik ist Gegenstand auch eines weiteren jüngst erschienenen Werks, in dem gleich 51 prominente Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien ihre Argumente zum Besten geben. Gespeist worden ist dieser vom Monatsmagazin „Datum“ herausgegeben Sammelband von einem mehrstündigen „Debatten-Happening“ aus Anlass des 15. Gründungsjubiläums der renommierten Monatszeitung.

Eine bunte Mischung aus Debattenbeiträgen von Barbara Coudenhove-Calergi, Hannes Androsch, Heinz Fischer, Annelise Rohrer bis zu Barbara Blaha und Niko Alm machen das komplexe Werk interessant und attraktiv.

„Wo sind wir hier eigentlich ? – Österreich im Gespräch“
( Apfl / Loudon / Zach, erschienen im Verlag Brandstätter )

Die „Krone“ im Visier

Udo Bachmair

Die Kronen Zeitung scheidet die Geister. Die Einen stürzen sich mit Leidenschaft auf jede neue Ausgabe dieses Massenblatts, nicht zuletzt, um sich mit neuen „Argumenten“ für den Stammtisch zu wappnen. Schwarz-Weiß-Malerei, Freund-Feind-Denken, an die Grenze des Faschistoiden gehende Glossen und einseitige Leserbriefe verhelfen zu jener Meinungshoheit, die offenbar dem vorherrschenden rechten Zeitgeist entspricht.

Die Anderen wiederum sorgt der nicht zu unterschätzende Einfluss der rechtspopulistisch durchsetzten Gazette. Der Hang zu einfachen Lösungen, Kriminalisierung von Asylwerbern und anderer Minderheiten, die Förderung autoritätshörigen Denkens werden, so die Kritiker, durch einschlägige „Kommentare“ begünstigt und bekräftigt. Für Humanität, Menschenrechte, Solidarität bleibe da kein Platz mehr.

Gefährlich erscheint vor diesem Hintergrund die Erosion des liberalen Rechtsstaates und die in bewusst einseitig ausgewählten Leser-Reaktionen zum Ausdruck gebrachte unverhohlene Schadenfreude über die verhasste Europäische Union. Dass demokratischer Rechtsstaat und die europäische Einigung eine einzigartig lange Phase der Stabilität und des Friedens beschert haben, bleibt unerwähnt. Es stellt sich da für viele die Frage: Errungenschaften wie diese lassen wir uns hierzulande und europaweit von populistischen Demagogen kaputtreden und in weiterer Folge auch kaputtmachen ? Eine Gegenbewegung täte not. Doch diese ist weit und breit nicht erkennbar.

Boulevardmedien wie die Kronenzeitung und das Krawallblatt Österreich tendieren dazu, alle jene Initiativen und NGOs ins Lächerliche zu ziehen, denen Hilfsbereitschaft und Menschenfreundlichkeit ehrliche Anliegen sind. Die erwähnte nötige Gegenbewegung müsste einhergehen mit Aufklärung über Rolle, Mechanismen und Absichten des Boulevards. Forderungen wie diese versucht etwa die verdienstvolle Rechercheplattform Dossier zu erfüllen. Sie hat sich als Schwerpunkt für die nächsten Monate zum Ziel gesetzt, nach „Heute“ und „Österreich“ nun die „Krone“ ins Visier zu nehmen. Die Recherche-Ergebnisse werden in einem Magazin zusammengefasst, das im April 2019, wenn die Kronen Zeitung ihr 60-Jahr-Jubiläum in der Ära Dichand begeht, erscheinen wird.

Näheres unter www.dossier.at

In der Falle des Populismus

Udo Bachmair

Es war eine bemerkenswerte Rede, die Bundeskanzler Christian Kern vor dem European Newspaper Congress in Wien gehalten hat. Der SPÖ-Chef beklagte, dass Politik und Journalismus sich zunehmend in eine „Spirale des Populismus“ begeben hätten. Die Politik würde populistischen Tendenzen und Forderungen der Medien folgen und umgekehrt. Eine auch demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklung.

Der Regierungschef hat jedoch Klarheit vermissen lassen, auf welche Medien genau sich seine durchaus treffende Analyse bezieht. Vermutlich auf die Boulevardmedien „Krone“, „Österreich“ und „Heute“. Sie sind es im Wesentlichen, die den wechselseitigen „Populismus-Druck“ zwischen Medien und Politik aufrechterhalten und stärken. Just diese Blätter jedoch werden weiterhin mit Millionen an Inseratengeldern, die auch aus dem SPÖ-Umfeld kommen, gefüttert..

Dem Vorsitzenden der Sozialdemokraten müsste bewusst sein, was denn da so alles mitfinanziert wird. So etwa die unsäglichen persönlichen Attacken des „Krone“-Glossisten Michael Jeanne, die sogar vom relativ zurückhaltenden ORF-Generaldirektor Wrabetz jüngst als „menschenverachtend“ zurückgewiesen worden sind. Oder die Leserbriefseite der Kronen-Zeitung, die konsequent auf rechtspopulistischem (Anti-EU- und Antiausländer-)Kurs segelt. Freuen über großzügige Inseratengelder können sich auch Gazetten wie „Österreich“ und „Heute“, die ebenfalls die Stimmung gegen Asylwerber und andere Minderheiten immer wieder anheizen.

Christian Kern hat bei einer Veranstaltung kürzlich „Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität“ als sozialdemokratische Grundsätze beschworen. Werte, die allerdings in krassem Gegensatz zum Rechtspopulismus stehen, dem der Boulevard, mitfinanziert auch von SPÖ-Seite, einen fruchtbaren Boden bereitet…

( erstmals erschienen in „Unsere Zeitung“ www.unsere-zeitung.at )