Archiv für den Monat: September 2017

Mut und Wut im Wahlkampf

Kerns Kampfansage an „Österreich“

Udo Bachmair

„Endlich!“-könnte man Christian Kern zurufen. Oder auch: “Mutig!“ Der Regierungs- und SPÖ-Chef hat sich also durchgerungen, die Boulevardgazette „Österreich“ zu boykottieren. Keine Interviews mehr, vor allem aber ein Aus für sündteure Inserate für das „Krawallblatt“. Höchste Zeit. Jedoch nicht ohne Risiko für den wahlkämpfenden Titelverteidiger. „Die Kampagne wird vielleicht jetzt noch wütender geführt“, prophezeit Kern.

Über Tage hinweg hatte Wolfgang Fellners „Österreich“ genüsslich über angebliche Schwächen des SPÖ-Spitzenkandidaten polemisiert. Die Gratiszeitung verunglimpfte den Kanzler zuletzt als mimosenhafte und eitle „Prinzessin“. In dieser Pose wurde er mit Tüll und Schminke der Lächerlichkeit preisgegeben. Und das trotz großzügiger Werbezuwendungen aus Partei und Ministerien.

Die „Österreich“-Attacken gegen ihn sieht Kern als „Angriff auf die politische Kultur im Land“. Und weiter: „Da wurden Grenzen überschritten“. Warum erst jetzt diese Erkenntnis ? Das Schüren von Ängsten und Hass, Hetze gegen Ausländer, im Speziellen gegen Flüchtlinge und Asylwerber, teils erfundene Geschichten und Interviews, hätten längst zu einer Verurteilung seitens der Sozialdemokratie und zum Stopp der Geldflüsse führen müssen.

Vor dem Hintergrund der Causa „Österreich“ wäre es nur höchst konsequent, Inseratengelder, die auf Kosten der Allgemeinheit auch für die Kronenzeitung fließen, zu stoppen. Das über weite Strecken rechtspopulistische Boulevard-Blatt, das seit Jahren auch mit einseitig ausgewählten Leserbriefen teils rassistischen Inhalts auffällt, erscheint sozialdemokratischen und humanitären Grundsätzen ferner denn je.

Doch die „Krone“, die ebenfalls mit sensationsheischender und emotional aufgeladener Demagogie alle nur gängigen rechten Klischees und Vorurteile bedient, kann offenbar weiter auf großzügige finanzielle SPÖ-Unterstützung hoffen. Ein Mitarbeiter von Ex- Kanzler Werner Faymann sagte mir einmal dazu : „ Ja, wir wissen um das Problem, aber wir können uns keine Negativschlagzeilen in der Krone leisten.“ Im Wahlkampf schon gar nicht..

Rettet die Zivilgesellschaft die Demokratie?

Hans Högl

Wien.21.Sept. 2017- Bericht. Vor vier Jahren nahm sich Österreichs Regierung die bessere Einbindung der Zivilgesellschaft in politische Entscheidungen vor. Darum fand heute der Dialog „Demokratie 4.0“ in der Urania statt. Im Fokus waren Chancen der Partizipation, also Öffentlichkeits-Beteiligung. Partizipation wurde von direkter Demokratie unterschieden.

Im Sinne von konstruktivem Journalismus werden zukunftsweisende Ausführungen vorangestellt, ohne kritische Momente versus Verwaltung auszuklammern. Worin besteht der Anlass, dass ich vom Vorstand der „Vereinigung für Medienkultur“ diesen Beitrag verfasse: Die „Medienkultur“ ist Mitglied der „Initiative Zivilgesellschaft“ und diese wiederum eingebunden in das „Bündnis für Gemeinnützigkeit“. Vgl. www.buendnis-gemeinnuetzigkeit.at

Das Land Salzburg gründete einen BürgerInnen-Rat und gestaltete einen Kultur-Entwicklungsplan für die Regionen. Josef Hörmandinger von der Landesdirektion führte aus: In Salzburg werden auch ExpertInnen im Rat beigezogen. Deren Rolle gelte es zu definieren; denn es gibt den neutral-wissenschaftlichen Typus und jenen, der Interessen vertritt. Zur Frage der Öffentlichkeit der Ausschüsse meint Hörmandiger, die Politiker brauchen auch anfangs Rückzugsräume. Im Übrigen seien Österreichs Abgeordnete „weitaus besser als ihr Ruf“. NB. Vorarlberg gründete bereits vor Jahren ein „Büro für Zukunftsfragen“ zur Bürgerbeteiligung.

Herausragend war der Bericht von Gisela Erler über die Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg. Dies hat 10 Mio. Einwohner. Der Ministerpräsident ernennt eine ehrenamtlich tätige Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung. Seit NGOs und Normalbürger eingeladen werden, sich Pro-und Kontra über strittige Projekte zu äußern, hat sich viel beruhigt, und es gibt keine Großkonflikte mehr wie um den Stuttgarter Bahnhof.

Die Menschen schätzen es, umfassend informiert zu werden und zwar im Gespräch und nicht nur elektronisch. In jedem Schwarzwald-Dorf gibt es Flüchtlinge, und die Politiker wurden von Freiwilligen mitgezogen. Die Staatsrätin Erler deutete an, die Leute müssten ertragen, dass es vorläufige, nicht öffentliche Entwürfe in der Verwaltung gibt.

Wichtig waren beim Dialog die Anwesenheit von Verwaltungsbeamten und der Minister Thomas Drozda und Harald Mahrer. Beklagt wurde vom Publikum, dass Petitionen an das Parlament und Anregungen versus Verwaltung nicht beantwortet werden. Ferner sollten NGOs sehr früh von Gesetzesplänen erfahren, um sich rechtzeitig in den Begutachtungsprozess einzubringen, denn häufig seien die Ministerialentwürfe schon juristisch so perfekt ausformuliert, „dass kein Beistrich geändert würde“.

 

 

Anschein der Macht im Wahlkampf

Hans H ö g l

Im Buch des emeritierten  Univ. Professors, Rektors und Politikers Manfried Welan: „Ein Diener der Zweiten Republik“ finden sich zeitlose Aussagen, die nicht nur für Phasen des Wahlkampfes gelten. Ein Text auf S. 123 (Wien 2012) lautet:

Auf den höheren Ebenen ist Macht  oft nur ein Schein von Macht und lässt sich nicht lokalisieren. Die Politik des Als–ob ist oft die einzige noch mögliche. Das Märchen von des Kaisers neuen Kleidern ist aktueller denn je, jedoch es fehlen zumeist die Kinder, die sagen, dass er gar nichts anhat.  Aber es kommt ja allzu oft auf den Schein an, durch den sich die Massen blenden und in der Folge auch bewegen lassen. Dann wandelt sich der Anschein von Macht zu tatsächlicher .“ 

Welan war ein halbes Jahrhundert im Dienst der 2. Republik tätig. Seine Erfahrungen mit Bürokratie, Wissenschaft und Politik werden spannend und unterhaltsam dargestellt. Dazu ein Textbeispiel zum Kapitel: Was ist Politik? „Der teilnehmende Beobachter wurde beobachtender Teilnehmer. Ich empfand mich gleichsam wie ein Dschungelbiologe im Urwald“( S. 122). Das Buch des Politikers ist kein Schnellschuss, sondern der Autor, ein liberaler ÖVP-Mann, arbeitete vier Jahre daran.

Conchita hilf uns!

Hans Högl. Reportage

Zur abendlichen Saunarunde treffen sich je die Gleichen. Großstädter pflegen mehr an Tradition, als es den Anschein hat. Manche in der Sauna finden Gespräche störend. Ein Manager sieht bis in die späten Nachtstunden TV-Dokus diverser Ländern, und regt Gespräche an. Er reist häufig in arabische Länder und scheut nicht, zu erzählen, wie Aufträge per Bestechung ergattert werden. Das ist bei US-Firmen nicht anders oder doch: Die eigenen Leute, die „Amis“ verbrennen sich damit nicht die Finger, da schicken sie lieber Einheimische los. In der Runde ist auch ein Techniker, der uns bei PC-Fragen berät. Und ein kurzbeiniger Senior schleppt seinen fülligen Unterleib und schnaubt beim Erzählen von Anekdoten; denn er lenkte das Taxi eines Wiener Politikers.

Ein seltenes Exemplar ist ein Auto-Mechaniker: Für ihn brachte Kreisky die Wende, da verdiente er  endlich besser. Sein Haus ist jenseits der Donau in einem sozialen Brennpunkt. Er werkte früher in der Schweiz und in Afrika, er kann Französisch und liest fallweise das linksliberale Weltblatt Le Monde und regelmäßig die Wochenzeitung DIE ZEIT, die er seit Jahren stapelt. So zählt er zu jenem Drittel der ZEIT-Leser, die keine Akademiker sind.

Schon vor Jahren gab er mir einen Le Monde-Beitrag mit Worten der Verwunderung, dass sich Le Monde nicht scheut den Islam zu kritisieren, während er bis dato nichts dergleichen in Wiener Medien fand. „Ich kenn´ nur eine deutsche Zeitung, die anders schreibt als alle anderen, das ist die Schweizer Weltwoche.“

Heute griff ich Wiener Café Sperl nach diesem Magazin und las den Essay mit dem Titel: „Sind die Schweizer so unfreundlich?“, wie der Spiegel einmal schrieb. Der Beitrag vergleicht die Freundlichkeit in Österreichs und im Schweizer Gastgewerbe. Österreichs Tourismus sei mit der höfisch geprägten Gastlichkeit erfolgreicher. Beiläufig bringt die Weltwoche ein Medienschmankerl: wie Passagiere in der Londoner U-Bahn und in der britischen Eisenbahn angeredet werden- nämlich nicht mehr „Ladies and Gentlemen“. Das würde das dritte Geschlecht, die Transgender, beleidigen. Demzufolge lautet die Anrede an die Fahrgäste „Hello everyone“.

Ja, liebe Conchita, Du bist näher an der Sache, bring uns Österreichern doch eine progressivere Begrüßung bei. Da lob ich mir Indien, wo Transgender angeblich schon in Gesetzen Eingang gefunden hat.

 

 

Was es heißt „sein Zuhause zu verlieren“

Alumni Soziologie – Universität Wien (Vortragshinweis)

Schutzsuchende ohne schützenden Ort oder  Was es heißt „sein Zuhause zu verlieren“

Public Lecture – Prof. Smain Laacher (Université de Strasbourg) Das Phänomen der erzwungenen Migration enteignet die Menschen ihres „Zuhauses“. Ohne Zuhause zerbricht das Leben. Es verliert seine Einheit und seine Bedeutung. Millionen von Menschen teilen die Erfahrung einer von temporären Unterkünften geprägten Realität nach der Flucht. Der Vortrag wirft grundlegende Fragen auf, die sich im Zusammenhang mit dieser Erfahrung stellen. —
In französischer Sprache – eine Übersetzung in Englisch wird vorgehalten.  25.09.2017, 18:30, Theater Brett, Münzwardeingasse 2

Ethik- und Religionsunterricht

Hans Högl. Kurztexte: Die Stadt Wien erlaubt nun auch in ihren Kindergärten Nikolausfeiern. Hintergrund: Eine Kindergartenpädagogin bekam Schwierigkeiten, weil sie mit Kindern das Nikolausfest feierte.-Ethikunterricht: Die ÖVP will einen verpflichtenden Ethikunterricht für alle, die keinen Religionsunterricht besuchen. Hintergrund: Vom Religionsunterricht abgemeldete haben in dieser Zeit keinen Unterricht (Wiener Zeitung (2017-09-13).

 

 

EU -Freihandel: keine privaten Schiedsgerichte

Hans Högl: Kurztext: Keine privaten Schiedsgerichte bei Freihandelsstreit: Laut EU-Kommission soll es in Zukunft keine privaten Schiedsgerichte von Anwaltskanzleien geben. Die EU Kommission forderte die Teilnehmerstaaten zu Verhandlungen auf zur Gründung eines multilateralen Gerichtshofes (Die Presse 2017-09-13).

 

Post-Zustellungen unzuverlässig?

Hans Högl

Obgleich wir, meine Frau und ich,  die Abos für Opernkarten im Juni rechtzeitig bezahlten, stellten wir kürzlich und gerade noch rechtzeitig fest, diese nicht erhalten zu haben. Wir  hielten uns  selbst dafür verantwortlich, nämlich in der Flut von Post – so unter anderem durch unzählige Spenden-Zusendungen  und durch unsere  Abwesenheit wegen Reisen, diese übersehen zu haben. Die Opernkarten werden als Massensendung zugeschickt. Vom Kartenbüro erfuhren wir, kein Einzelfall zu sein, sondern dass seit rund zwei Jahren etwa ein Drittel der versendeten Opernkarten nicht zugestellt werden. Ist der Postservice unzuverlässiger geworden? Auch eine Sonntagszeitung, die erst montags zugestellt werden kann, erhielt ich mehrfach nicht.

Österreich und EU-Sicherheitsunion

Thomas Roithner (Univ. Wien-Politikwissenschafter). Gastbeitrag

Außenminister Kurz (Liste Kurz, ÖVP) und Verteidigungsminister Doskozil (SPÖ) sind sich einig: Österreich soll sich an der geplanten EU-Sicherheitsunion beteiligen. Was beinhaltet diese? Wo liegen die Probleme? Welches Bild von Frieden und Sicherheit liegt dem zu Grunde und – vor allem – welche Alternativen gibt es? Diese habe ich im Internetportal der Tageszeitung „Der Standard“ dargestellt. Der Artikel kann kostenlos online abgerufen werden.

Die Atomenergie-Organisation (IAEA) in der Wiener UNO-City feierte kürzlich den 60er. Unter Direktor Mohamed ElBaradei wurde sie 2005 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Was kann sie heute angesichts der nuklearen Drohungen leisten? Oder weiter gefasst: Wie kann man dem Krieg die Zähne ziehen? Publiziert wurde der Beitrag in der Wochenzeitung „Die Furche“. Der Beitrag ist online kostenlos abrufbar.