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Militarisierung in Medien und Politik *

In Politik und Medien greifen Aufrüstung und Militarisierung weiter um sich. Am Beispiel des Ukraine- und des Gazakriegs zeichnet sich eine besonders unheilvolle Entwicklung ab.

Udo Bachmair *

Der Ukrainekrieg und die Medien

Verstärktes Aufrüsten in Worten und Taten gibt zunehmend Anlass zur Sorge. Wachsende Kriegsrhetorik in Politik und Medien verheißen nichts Gutes. Der unheilvollen Entwicklung könnte seriöser und differenzierender Journalismus begegnen. Der Mangel eines solchen lässt sich zurzeit vor allem am Beispiel der Berichterstattung westlicher Medien zum Ukraine- und Gazakrieg belegen.

Im Fall des Ukrainekriegs wird ein russisches Bedrohungspotential herbeigeschrieben und -geredet, das angeblich ganz Europa bedroht. Hand in Hand mit einem schon traditionellen antirussischen Feindbild, an dem medial und auch seitens politischer Akteure bereits seit langem konsequent gearbeitet wird. Die enorme Aufrüstung der EU wird somit begleitet und angeheizt durch entsprechende verbale Munition mit speziell militaristischem Wording.

Putin habe die Absicht, ganz Europa zu überfallen, heißt es immer wieder seitens russophober Hardliner, unter ihnen etwa EU-Mandatar Helmut Brandstätter. Der Ex-Kurier-Chefredakteur befindet sich damit in mehr oder weniger, ja eher weniger guter Gesellschaft mit militaristischen Wortführerinnen, wie Kommissionspräsidentin Von der Leyen, der Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses der EU-Kommission, Strack-Zimmermann sowie nicht zuletzt mit Ex-Außenministerin Bärbock, die längst vergessen hat, dass die Grünen einmal Motor der Friedensbewegung waren. Die EU-Außenbeauftragte Kallas komplettiert die Riege an Kriegsrhetorikerinnen.

Ein diplomatisches Engagement der EU, diesen unnötigen Krieg zu beenden, lässt weiterhin zu wünschen übrig. Anstatt die gefährliche Lage zu kalmieren, hat der neue deutsche Kanzler Merz Öl ins Feuer gegossen mit der Ankündigung noch reichweitenstärkerer Raketen, die nun problemlos auf den Moskauer Zentralraum und andere Städte Russlands abgeschossen werden könnten. Die damit einhergehende Kriegsrhetorik bringt es auch mit sich, dass etwa der Begriff Frieden zu einem negativ geladenen Begriff mutiert ist. Er wird vorwiegend zu Begriffen wie Diktatfrieden oder Friedensdiktat umgemünzt.

Grundsätzlich ist klar: Kriegspropaganda betreiben immer beide Seiten eines Konflikts. Gleichgeschaltet wirkende Medien und auch zahllose PolitikerInnen gehen hingegen davon aus, dass nur Russland Kriegspropaganda betreibt, nicht aber auch die Ukraine. Daraus resultiert jener durch diverse Studien bereits mehrfach belegte Eindruck, dass in der westlichen Berichterstattung ukrainische Propaganda oft als „faktenbasiert“ präsentiert wird, russische hingegen als bloße Propaganda. Friedensrhetorik hingegen wird als naiv abgetan, eine solche würde Aggressoren, wie Putin, nur weiter ermuntern, wird argumentiert.

In Politik und Medien wird zunehmend vermittelt, dass ein Sieg der Ukraine unbedingt nötig sei, da ansonsten die Existenz ganz Europas auf dem Spiel stünde. Damit wären auch „unsere westlichen Werte“ betroffen. Aber man fragt sich, ob denn die Ukraine diesbezüglich tatsächlich Vorbild sein könne, ein Staat, der hinsichtlich Korruption und Pressefreiheit weltweit die hintersten Ränge belegt. Ungeachtet dessen wird ein Sieg gegen Russland von Politik und Medien gleichsam zur Pflicht erkoren. „Wir müssen kriegstüchtig werden“, tönt es vor allem aus Deutschland, angestimmt und befeuert auch vom SPD-Verteidigungsminister Pistorius.

Vor diesem Hintergrund verdichtet sich der Eindruck, dass auch die öffentlich-rechtlichen Medien, die zur Objektivität auch in der außenpolitischen Berichterstattung verpflichtet wären, die Politik vor sich hertreiben, immer mehr und immer weiter aufzurüsten. Angesichts der enormen Profite der Waffenkonzerne sowie der Interessenslage der NATO fehlt offenbar jeglicher Wille, weiterer intensiver Aufrüstung abzuschwören. Es läge natürlich auch am russischen Präsidenten, größere Verhandlungsbereitschaft zu bekunden, auch wenn ihm der Westen noch so sehr die kalte Schulter zeigt.

Aus Moskauer Sicht hat der Westen mit der NATO-Erweiterung bis an die Grenzen Russlands eine besonders gefährliche Entwicklung provoziert. Jede Bereitschaft und Fähigkeit scheinen dafür zu fehlen, sich auch in die Position Russlands hineindenken zu können. So wird die subjektiv gefühlte Bedrohung durch die westliche Militärallianz ebenfalls als bloße Propaganda abgetan. Diesbezügliche Einseitigkeit erscheint besonders schmerzlich dann, wenn sie in einem neutralen Staat wie Österreich gang und gäbe ist. Auch hierzulande werden besorgte Menschen, die auf Friedensverhandlungen drängen, als „russische Trolle“ verächtlich gemacht.

Schon Jahre vor dem Krieg haben westliche Medien und PolitikerInnen Russland beharrlich zu einem Feindbild hochstilisiert. Dabei helfen einzelne Begriffe und Worte, wie sie auch in der vermeintlich objektiven Nachrichtensprache verwendet werden. So werden in Meldungen und Kommentaren Äußerungen russischer Politiker tendenziell mit Prädikaten wie „behaupten“, „unterstellen“ etc. versehen. Wenn ein ukrainischer oder EU Politiker eine Stellungnahme abgibt, lauten hingegen meist die Prädikate „betonen“, „bekräftigten“, „erklären“ etc., also positiv geladene Begriffe.
Abermals sei bekräftigt, dass ein Angriffskrieg im 21. Jahrhundert in Europa ein absolutes „No Go“ sein sollte. Großmachtphantasien mit einem realen Krieg erzwingen zu wollen, ist menschen- und völkerrechtlich strikt abzulehnen. Krieg und Gewalt sind per se Verbrechen, besonders ein aggressiver militärischer Überfall. Das heißt aber nicht, dass automatisch nur der Aggressor Kriegsverbrechen begeht.

Leider muss sich auch der ORF manche Kritik gefallen lassen. So werden überwiegend ExpertInnen in Ö1-Journale oder ZiB 2-Sendungen eingeladen, die undifferenziert proukrainisch und militaristisch argumentieren. Damit werden auch die zahlreichen Hintergründe, die mit zum Ausbruch des Krieges 2014 bzw. 2022 geführt haben, weitgehend ignoriert. Einer der vorbildlichen Ausnahmen unter den ORF-Redakteuren ist Christian Wehrschütz. Er bleibt trotz mancher Widerstände gegen ihn beharrlich bei seinem journalistischen Ethos, objektiv zu bleiben im Sinne von Audiatur et altera pars.

Es wäre falsch, allen JournalistInnen vorzuwerfen, sich auch in heiklen außenpolitischen Fragen nicht um Objektivität und Seriosität zu bemühen. Manchen aber scheint nicht bewusst zu sein, dass sie sich für eine Seite (pro Ukraine, pro Israel) vor den Karren spannen lassen. Unter der einfachen Devise: Die Einen gut, die Anderen böse. Somit bleibt das bereits lange aufgebaute Feindbild Russland weitgehend unverrückbar. Außenpolitische Ressorts sind personell so sehr ausgedünnt worden, dass für die Nutzung ausreichend alternativer Quellen kaum noch Zeit bleibt. So wird medial meist das präsentiert, was die großen westlichen Agenturen mit ihrem speziellen Wording vermitteln.

Nicht zuletzt aus diesem Grund polemisieren manche heimischen Medien und PolitikerInnen gegen die Neutralität. In einigen Kommentaren wird unverhohlen Stimmung aufbereitet für einen Beitritt Österreichs zur NATO. Dabei böten sich für Österreich als neutralen Staat große Chancen, Kriegsparteien an einen Tisch zu holen. Nur: Österreichs Neutralität hat massiv Schaden erlitten durch eine österreichische Außen- und „Neutralitäts“-Politik, die den Namen längst nicht mehr verdient, die sich bei globalen Konflikten jeweils einseitig positioniert.

Der Gazakrieg und die Medien

Angesichts des immer brutaler werdenden Vorgehens der israelischen Regierung unter Netanjahu wächst die Kritik an dessen Kriegskabinett mehr und mehr. Vor allem Frankreich, Großbritannien und Kanada haben gegen die Kriegsführung Israels Stellung bezogen. Auch der deutsche Kanzler Merz hat überraschend klare Worte der Kritik zur überbordenden Reaktion Israels auf das Hamas-Massaker gefunden. Das offizielle Österreich hingegen zeigt sicher eher zurückhaltend mit direkter Kritik am potentiellen Kriegsverbrecher Netanjahu.

Im Gegensatz zu Ländern außerhalb Österreichs und Deutschlands erscheint es hierzulande als absolutes Tabu, von Völkermord zu sprechen. In unseren Medien, etwa in der reichweitenstarken ZiB1 ist vorsichtig von Umsiedelung die Rede, beschönigendes Wort für Vertreibung. Experten, die klar von Völkermord und Vertreibung sprechen, wie etwa der deutsche Politologe Lüdders, werden hierzulande weitgehend verschwiegen. Irritierend erscheint auch, dass eine humanitäre Bewegung wie die Sozialdemokratie nicht größeren Mut fasst, die Hölle auf Erden, wie UNO-Hilfsorgane die Lage in Gaza beschreiben, klar als Kriegsverbrechen zu bezeichnen.

Ausnahme Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, der sich beeindruckend deutlich von der rechtsextremen Regierung Israels distanziert hat. Umgehend sah er sich dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt. Nicht nur in der Servus-TV-Sendung „LinksRechtsMitte“ , in der Fischer vom rechtslastigen Soziologen Heinzelmaier sowie auch von Puls 4 Chefredakteurin Milborn als dezidiert antisemitisch bezeichnet wurde, auch in einem ORF-Talk mit dem Ex-ÖVP-Abgeordneten Engelberg wurde die Antisemitismus-Keule gegen Fischer eifrig geschwungen.

Immer wieder ist auch die Rede von einem Krieg Israels gegen die Hamas. Die Realität zeigt jedoch, dass mit bereits mehr als 50.000 Toten und 100.000en Verletzten und Verkrüppelten hemmungslos vor allem die Zivilbevölkerung ins Visier genommen wird. Doch Israels Propaganda spricht von gezielten Angriffen auf Hamas-Terroristen. Umgekehrt sehen Menschen in Gaza auch die israelische Regierung als „Terrorregime“. Doch niemals würden westliche Medien einen solchen Sprachgebrauch für Israels Regierung verwenden bzw. verwenden dürfen.

Würde ein (österreichischer) Journalist es wagen, von Angriffskrieg Israels gegen Gaza zu schreiben, bekäme er nicht nur einen gewaltigen Shitstorm zu spüren, sondern auch berufliche Existenzprobleme. „Kriegsverbrechen“, „Völkermord“ oder wie erwähnt „Angriffskrieg“ wären in Mainstream Medien absolut verpönt. Die Formulierung „Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine“ hingegen wird fast zur journalistischen Pflicht. Wenn man etwa von der sogenannten Faktencheck-Abteilung der APA ausgeht, die diese Formulierung „empfiehlt“. Die Bezeichnung „Ukrainekrieg“ sei zu neutral und verharmlose die Rolle Putins als Aggressor.

Der Versuch einer Sprachregelung als Vorgabe für einen freien und seriösen Journalismus? Einer solchen Entwicklung gilt es entgegenzuwirken.

* Der (leicht gekürzte) Beitrag von Udo Bachmair ist erstmals von der Solidarwerkstatt Linz (Redaktionsschluss Anfang Juni) veröffentlicht worden. Abrufbar ist der Beitrag (in voller Länge) via www.solidarwerkstatt.at/frieden-neutralitaet/aufruestung-in-politik-und-medien

Selbstvergöttlichung

Die Unberechenbarkeit und der Narzissmus von US-Machthaber Donald Trump bieten ausreichend Stoff für kritische Äußerungen in Medien und Politik. Auch andere autoritäre politische Führer geben zunehmend Anlass zur Sorge.

Wolfgang Koppler *

Wir alle haben Trump zwar für einen extremen Narzissten, aber doch auch für einen Deal-Maker gehalten. Und angenommen, dass er, wenn er etwas ankündigt bzw. androht, in Wirklichkeit nur mit dem Säbel rasselt, aber dann doch irgendwie einlenkt. Ob im Zollstreit mit der EU oder bei militärischen Einsätzen. Sein Vorgehen in seiner ersten Amtszeit, wo er – mit Ausnahme eines eher symbolischen Bombardements in Syrien – sich aus Kriegen eher heraushielt und auch innenpolitisch mehr verbal als wirklich radikal vorging, legte diesen Schluss nahe.

Mit der Umgehung des Kongresses durch den Einsatz von Dekreten, dem Einsatz der Nationalgarde gegen die eigene Bevölkerung und der nunmehrigen Bombardierung des Iran ist klar, dass Trumps erste Amtszeit mit seiner nunmehrigen „Herrschaft“ nicht vergleichbar ist. Die USA bewegen sich nun auch augenscheinlich in Richtung Diktatur. Und Europa und Israel detto. Es ist eine Entwicklung, die in Wirklichkeit schon Ende der 70- Jahre mit dem Neoliberalismus von Thatcher und Reagan in Gang bekommen ist. Grenzenlose Freiheit für die Wirtschaft, zunehmende Rechtlosigkeit des einfachen „Untertanen“.

Je mehr die Angst vor dem Kommunismus schwand, desto mehr konnte man auf Sozialstaat und Demokratie verzichten. Und als „Elite“ in Wirtschaft, Politik und Medien seinen infantilen Narzissmus ausleben. Jene Selbstvergöttlichung des Menschen, wie sie schon in der Antike an der Wiege Europas Pate stand. Die zwar ästhetisch ansprechenden, aber kalten und leblosen griechischen und römischen Statuen legen ebenso Zeugnis davon ab wie die Philosophie eines Aristoteles, der Gott zum unbewegten Beweger des Alls, eine Art Uhrmacher dekretierte, dem man nur endlich auf die Schliche kommen müsse. Immerhin: Wir haben mit diesem materialistisch-rationalistischen Denken die Atombombe entdeckt. Und die künstliche Intelligenz, mit der wir uns überflüssig machen. Damit uns die Welt trotzdem nicht zu kalt und unwirtlich vorkommt, dürfen sich schöngeistige Seelen auf ein abstraktes Wahres, Gutes und Schönes berufen und sich einem weltfremden Kunstgenuss und Fortschrittsglauben hingeben.

So lange Trump, Musk, Netanjahu, Merz und Putin es zulassen. Und wir uns vor dem Klimawandel in klimatisierte Räume flüchten können.

Das ist wohl nicht jene Weisheit, die Sokrates suchte. Auch der suchte schon mit der Laterne nach „Menschen“ und bekämpfte vergeblich den infantilen europäischen Narzissmus. Damals in Form der egozentrischen Sophisten. Heute nennt man sie Intellektuelle.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Leise Stimme der Vernunft

Sie werden in Politik und Medien immer seltener: Stimmen der Vernunft. Eine davon bewies kürzlich Noch-SPD-Chefin Saskia Esken als Studiogast in der ZiB2. Eine Sternstunde in einer Zeit des Militarismus, des Krieges und der Scheinheiligkeit.

Wolfgang Koppler *

Ihre Zeit als SPD-Co-Vorsitzende ist zwar bald vorbei. Gefragt sind künftig Leute wie die Bundesminister Pistorius und Klingbeil. Geschmeidige Politiker, wie sie überall zu finden sind. Geschmeidig genug für Ministerämter. Esken strebte Derartiges nicht an. Haltung war ihr wichtiger. Im gegenständlichen Interview stellte sie auch Ihre Kompetenz unter Beweis. Sie vermied nicht nur jedes Fettnäpfchen, sondern zeigte auch ein Realitätsbewusstsein, das den westlichen Politikern, gleich welcher Coleur, derzeit völlig abzugehen scheint.

Auch wenn Putin derzeit auf die militärische Karte setzt und von einer Hybris erfasst zu scheint, die die wirtschaftliche Schwäche Russlands völlig außer Acht lässt, darf dies nicht dazu verleiten, auf westlicher Seite in einen ebensolchen Militarismus zu verfallen. Auch unsere Wirtschaft und vor allem unsere Gesellschaft steht auf tönernen Beinen. Etliche europäische Staaten sitzen auf einem Schuldenberg, die Trumpsche Zollpolitik zeigt uns ebenso die Grenzen des Wachstums wie die Umwelt- und Umweltkrise. Und die europäische Gesellschaft ist in Wirklichkeit ebenso gespalten wie die amerikanische. In dieser Situation auf eine neue Rüstungsspirale zu setzen könnte irgendwann zu einer schlimmeren Finanzkrise führen als 2008. Und die Gesellschaft noch weiter spalten. Vom Wahnsinn im Nahen Osten und den weitgehend verdrängten Krisenherden des Globalen Südens ganz zu schweigen.

Putins derzeitige Realitätsverweigerung rechtfertigt nicht unsere eigene. Man wird an den Verhandlungstisch zurückkehren müssen, da hat Saskia Esken völlig recht. Man sollte auch nicht vergessen, dass zu Beginn des Krieges durchaus ernsthaft verhandelt wurde und dies letztlich nur an der Verweigerung westlicher Sicherheitsgarantien scheiterte. Die inzwischen auf beiden Seiten im Zuge eines mehr als dreijährigen Krieges hochgefahrene Eskalationsspirale gilt es wieder zurückzufahren. Statt auf beiden Seiten Strafgefangene und Wehrdienstverweigerer an der Front zu verheizen.

Anhand solcher Ausnahmepersönlichkeiten wird die Unhaltbarkeit des Mainstream (welcher primär auf Feindbilder setzt) erst recht sichtbar. Dass Esken sogar Zuspruch von Persönlichkeiten aus anderen Lagern erhalten hat, wenn auch nur per Mail, spricht Bände. Die Stimme der Vernunft ist eben leise.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Ukrainekrieg und Propaganda

Nur Russland betreibe Kriegspropaganda, das Aggressionsopfer Ukraine hingegen nicht. Westliche Medien sind sich darin zu weiten Teilen einig. Es werden vornehmlich Politiker und Experten zitiert, die Russland schon vor Kriegsbeginn undifferenziert als Feind taxiert haben. In diese Richtung weist auch eine jüngste veröffentlichte APA-Meldung *

Wolfgang Koppler **

In ihrem 2022 im Betz-Verlag erschienenen Buch „Narzissten wie wir“ entlarvt die Psychologin Katharina Ohana unsere Gesellschaft als infantil-narzisstisch. Obwohl wir uns gerne als aufgeklärte Vernunftmenschen sehen, so sind wir doch von unseren persönlichen Erfahrungen und Gefühlen bestimmt und – ich darf ergänzen – auch von Bequemlichkeit und Herdentrieb.

Ein gutes Beispiel ist der Ukrainekrieg. Kaum ein Qualitätsmedium erlaubt sich, von der allgemeinen Kriegspropaganda abzuweichen. Und selbst die Nachrichtenagenturen – wie ich es schon in der (zu meiner Zeit noch nicht nur an den MINT-Fächern orientierten) Oberstufe des Gymnasiums gelernt habe – sorgen dafür, dass kritische Stimmen in den Medien nicht allzu laut werden. Ein beredtes Beispiel ist der untenstehende APA-Bericht unter dem Titel „Osteuropa-Historiker Karl Schlögel: Russland ist der Feind“.

Schlögel, der im scheinbar objektiven Bericht als einer der „profiliertesten Kenner Russlands“ ausgewiesen wird, fordert darin von Deutschland eine grundsätzliche Korrektur seiner Russlandpolitik, wobei er eigentlich nur die schon sattsam aus den Medien bekannten und stets auf Neue wiederholten Argumente angeführt werden: Russland hat einen Krieg in Europa angefangen. Und Deutschland (bzw. der Westen) müsse verteidigungsbereit sein, zumal hier nicht nur die Ukraine, sondern auch Europa gefährdet sei. Erinnert irgendwie an einen Kindergarten: Der Peter hat angefangen. Ist nur leider blutiger Ernst – auf beiden Seiten. Und erinnert beklemmend an die Kriegspropaganda des Ersten Weltkriegs.

Schlögel nimmt dann auch noch Bezug auf den deutschen Bundestagswahlkampf, um die Deutschen auf das gemeinsame Feindbild (das nun nicht mehr nur Putin, sondern auch Russland ist) einzuschwören. Der Ernst der Lage und die „Zeitenwende“ seien noch gar nicht ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Die Frage „Krieg und Frieden“ werde ein zentraler Punkt im deutschen Bundestagswahlkampf sein. Man dürfe nicht glauben, dem entgehen zu können, indem man die Ukraine auffordere, „Ruhe zu geben und Frieden zu machen“. Dass Schlögel Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (das für Verhandlungen eintritt), als eine Art nützliche Idioten betrachtet, die sich von Putin instrumentalisieren ließen, versteht sich von selbst.

Dass der Historiker am Ende des Berichts nicht nur vor Putin, sondern auch vor Russland als Ganzes warnt, weil auch die „russische Kultur“ im Dienst des Krieges stehe, zumal die „zivilen Kräfte“ durch Stalin, zwei Weltkriege usw. schon stark dezimiert worden seien, überrascht da ebenfalls nicht.

Selbstredend kritisiert er auch das Telefonat von Scholz mit Putin und fordert von Deutschland auch die Lieferung weitreichender Waffen, wobei er natürlich wieder einmal emotionalisierend auf die Situation in der Ostukraine Bezug nimmt. Dass die Kriegshölle dadurch kaum erträglicher werden dürfte, wird tunlichst übergangen.

Man bekommt den Eindruck nicht los, dass sich einige in Europa und den USA vor dem Frieden geradezu fürchten. Wenn der Katzenjammer um die leeren Staatskassen, die Wirtschaftskrise und die hohen Energiepreise losbricht. Und man sich den wirklich drängenden Fragen einer in Wirklichkeit multipolaren Welt stellen muss, wie der Klimakrise, dem Hunger und dem Auseinanderdriften unserer Gesellschaften (die man nicht dauernd nur mit Feindbildern zusammenhalten kann).

Und bei Schlögel fällt auf, dass er als Student sich bei Maoisten und Anarchisten betätigte, wie man seinem Wikipedia-Eintrag entnehmen kann. Mir fällt dazu nur der Kommentar Hans-Joachim-Kulenkampffs zu der durchaus ähnlichen Wandlung Yves Montands in den 80-ern ein: Ich war nie so weit links wie er, darum bin ich jetzt nicht so weit rechts wie er. Zur Erklärung: Der Kommunist Montand warnte in den 80ern in der Fernseh-Doku „La Guerre“ vor einem russischen Einmarsch in Frankreich. Zu einem Zeitpunkt, als die Sowjetunion kurz vor dem Zusammenbruch stand.

* https://www.msn.com/de-at/nachrichten/kultur/osteuropa-historiker-karl-schl%C3%B6gel-russland-ist-der-feind/ar-AA1uEkoK?ocid=msedgdhp&pc=HCTS&cvid=43462c9af9cf4261bdd151f30037a4e2&ei=16

** Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Politik- und Medienanalyst und lebt in Wien

Dominanz militaristischen Denkens

Höchst aufschlussreich war das jüngste ZiB2-Interview mit dem Militäranalytiker Franz-Stefan-Gady. Es zeigte, wie eiskaltes militaristisches Denken inzwischen unsere gesamte Gesellschaft erfasst hat. Und somit auch die Medien.

Wolfgang Koppler *

Gady lenkte zunächst geschickt vom Verhandlungsunwillen Selenskyjs ab (welcher diesbezügliche Gespräche erst nach einem vollständigen Abzug der russischen Truppen – also nach einem Sieg der Ukraine in Erwägung zieht), indem er sich – ebenso wie die westlichen Politiker auf den Standpunkt zurückzieht, dass Putin den Krieg ja jederzeit beenden könnte. Wobei er natürlich genau weiß, dass dieser damit sein Gesicht verlieren würde und solches daher völlig illusorisch ist. Putin hat angefangen – Punkt. Immerhin gestand der zu, dass die ukrainische Armee der russischen derzeit durchaus standhalten könne, zumal genug Munition zur Verfügung stünde. Die Unterstützung des Westens dürfe halt nicht nachlassen.

Auch Trumps Präsidentschaft sieht der Militäranalytiker nicht unbedingt als Katastrophe für die Ukraine an, zumal Trump ja auch den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan gestoppt hätte, als die Gespräche mit den Taliban nicht so erfolgreich verliefen wie erwartet. Er würde wohl auch die Ukraine nicht völlig im Stich lassen.

Aber die Russen machten doch Fortschritte und man müsste die Ukrainer durch weitere militärische Unterstützung in eine vorteilhaftere Position für allfällige Verhandlungen bringen. Auch dies hat man in den zweieinhalb Jahren Krieg schon all zu oft gehört. Damit wird der Krieg mit seinem ewigen Hin und Her zu einer Endlosschleife. Zumal man sich immer wieder einredet, dass es nur Putin sei, der nicht verhandeln wolle. Während Selenskyj immer wieder dezidiert Verhandlungen ablehnt und die Russen – wenn auch mit Kriegsrhetorik und Maximalforderungen – immer wieder Signale ausgesandt haben.

Schließlich wird von Gady auch noch die Angst geschnürt, Putin könnte nach einem Kompromissfrieden nochmals angreifen. Man brauche Sicherheitsgarantien für die Ukraine. Dass der Westen in den Verhandlungen zu Beginn des Krieges solche abgelehnt und die Gespräche damit zum Scheitern gebracht hat, verschweigt der ORF-Studiogast. Dafür fordert er eine Erhöhung der westlichen Militärbudgets auf 3 – 4 % des BIP. Woher das Geld angesichts überlasteter Budgets kommen soll, sagt er natürlich nicht.

Gegen Ende des Interviews wird schließlich der „Personalmangel“ der ukrainischen Armee beklagt. Sie brauche neue Kräfte. Das Verheizen von Menschenleben derart zynisch zu versachlichen, ist denn doch irgendwie neu.

Zu all dem natürlich keinerlei Widerspruch von ZiB2-Moderator Martin Thür.. Wo soll das noch enden ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Friedensfreunde als „Kriegstreiber“?

„Putin ist ein Krimineller, ein Mörder“ – bekräftigt der oppositionelle russische Politiker und Journalist Wladimir Kara-Mursa in nahezu jedem der zahlreichen Interviews für westliche Medien. Im jüngsten ZiB2-Interview prognostizierte Kara-Mursa einen möglicherweise kurz bevorstehenden Sturz des Putin-Regimes.

Wolfgang Koppler *

Regimewechsel in Russland kämen plötzlich, sowohl das Zarenregime als auch die Sowjetunion seien plötzlich untergegangen. Niemand wäre darauf vorbereitet gewesen. Und so würde es auch das nächste Mal sein. Niemand würde wissen, wann, wo und unter welchen Umständen Vladimir Putin seine Macht verlöre. Aber es werde geschehen, meint Putins schärfster Kritiker Kara-Mursa im gestrigen ORF-ZiB2-Interview.

Da ist wohl etwas dran. Allerdings entstand weder aus dem Untergang des Zarenreichs noch aus dem der Sowjetunion eine dauerhafte Demokratie. Nach Zar Nikolaus kamen nach einem kurzen bürgerlichen Intermezzo Lenin und Stalin an die Macht. Und nach der Wende und Boris Jelzin kam Vladimir Putin an die Reihe. Jener Zar Putin, den Kara-Mursa nun so heftig bekämpft.

Die Wahrscheinlichkeit, dass nach dem Ende der Putin-Ära in Russland eine wirklich dauerhafte und stabile Demokratie entsteht, ist also eher gering. Wobei sogar unsere Demokratien zunehmend unter Druck geraten. Auch unter den Belastungen des Ukrainekriegs, die die Spaltung unserer Gesellschaften weiter vorantreiben.

Dass Kara-Mursa dann am Ende des Interview alle jene, die „Verständnis für Valdimir Putin und seine Positionen“ hätten, also im Endeffekt alle, die nicht für eine Fortsetzung des Krieges ohne jegliche Verhandlungen sind, als „Kriegstreiber“ bezeichnet, spricht Bände.

Bei allem Verständnis für sein persönliches Schicksal. Hier geht es nicht um Sympathien oder Antipathien, auch nicht um die Sanktionen, sondern um einen Krieg, der bis jetzt wohl mehr als halbe Million Menschen das Leben gekostet hat, um unzählige Versehrte und Traumatisierte und um Kollateralschäden in allen Teilen der Welt, wie etwa den zunehmenden Hunger, für dessen Linderung nicht einmal mehr genug Geld zur Verfügung gestellt wird. Im Gegensatz zum Ukrainekrieg, der bis jetzt weit mehr als 100 Milliarden Dollar gekostet hat.

Dass dies von Kara-Mursa nicht erwähnt wird, spricht Bände. Und sein Statement inmitten einer zunehmend aufgeheizten Stimmung ist höchst problematisch.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Aggressiver Journalismus

Wenn Journalisten und Journalistinnen aggressiv werden, spürt man geradezu ihre und des gesellschaftlichen Mainstreams Unsicherheit. Nämlich dann, wenn Dinge gesagt werden, die eigentlich selbstverständlich sind, die man aber nicht aussprechen darf. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit.

Wolfgang Koppler *

Da Sahra Wagenknecht, Vorsitzende der neuen deutschen Linkspartei BSW, mit größter Ruhe Dinge ausspricht, die uns allen einleuchten müssten (und im tiefsten Innersten wohl auch dem Wagenknecht-kritischen „Moderator“ Lanz und seinen Kollegen), werden manche Journalisten im Gespräch mit ihr immer wieder aggressiv. Oder sagen wir mal, höhnisch oder empört. Und ebenso die Printmedien, wie der gegenständliche Artikel in Focus-online zeigt. Dummerweise lässt sich die selbstbewusste und authentische Wagenknecht nicht provozieren, und sie sieht in ihrem eher konservativen Outfit auch nicht aus wie eine Revoluzzerin.

Dass erst einmal die Waffen schweigen müssen, um Verhandlungen im Ukrainekrieg zu ermöglichen, sollte eigentlich jedem klar sein. Wer Verhandlungen erst nach einem Sieg der eigenen Seite beginnen möchte, will in Wirklichkeit keine. Und eine solche Position zu unterstützen, ist Kriegstreiberei – auch wenn der Krieg von der anderen Seite begonnen wurde.

Ich darf darauf verweisen, dass der Westen auch schon vor dem russischen Einmarsch substantielle Verhandlungen über zumindest diskutierbare russische Forderungen abgelehnt hat – etwa was einen neutralen Status der Ukraine und den Verzicht auf eine weitere Ausdehnung der NATO betrifft. Interessanterweise wurde dann nach dem Einmarsch der Russen sehr wohl verhandelt. Es scheiterte an den Sicherheitsgarantien für eine ukrainische Neutralität. Während Biden überlegte, legte sich „Mini-Churchill“ Boris Johnson quer und brachte auch die USA zu einer Ablehnung.

Während Putin (dem die Belastungen Russlands durch den Krieg inzwischen sehr wohl bewusst sein dürften) immer wieder Verhandlungssignale aussandte (wenngleich mit Maximalforderungen, die aber meist am Beginn von Verhandlungen stehen), stellte Selenskyj klar, dass Verhandlungen erst nach einem ukrainischen Sieg in Betracht kämen.

Wenn Wagenknecht hier von einer Erhöhung der Kriegsgefahr durch den Westen spricht (wobei sie selbstverständlich den russischen Angriffskrieg ablehnt und den Ausdruck Kriegstreiberei erst auf mehrmalige Nachfrage von Lanz verwendete), so ist dies nachvollziehbar. Denn ein solcher Justamentstandpunkt kann den Krieg nur verlängern, auch dann wenn ihn der Gegner begonnen hat.

Übrigens: Bushs Angriffskrieg im Irak wird trotz erfundener Kriegsgründe bis heute nicht verurteilt. Obwohl er Jahrzehnte langes Chaos und den Aufstieg des IS zur Folge gehabt hat.

Im Übrigen wird auch eine formal rechtmäßige Verteidigung oder Rechtsdurchsetzung irgendwann unverhältnismäßig. Weil die Durchsetzung von Recht sehr oft zu neuem Unrecht führt. Kleist hat das in seinem Michael Kohlhaas wunderbar aufgezeigt. Das sieht man auch im Gazakrieg, wo der eine oder andere ORF-Journalist diesen gelegentlich als Geiselbefreiungsaktion zu verharmlosen sucht. Obwohl bis jetzt nicht nur mehr als 40.000 Menschen gestorben sind, eine unabsehbare Eskalation im Libanon droht und das Leben der Geiseln wohl eher gefährdet als gerettet wird.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Kriegsbegeisterter Ex-Politiker

Boris Johnson, konservativer Ex-Premierminister Großbritanniens, macht in Politik und Medien weiter von sich reden. Allerdings nicht zu seinem Vorteil.

Wolfgang Koppler *

Boris Johnson ist ein unfreiwilliger Narr. Er stellt mit seiner infantil-narzisstischen Art nicht nur sich selbst, sondern auch den Mainstream bloß. Zwar getraut sich sonst kaum jemand, derart offen seine Kriegs- und Tapferkeitsphantasien zur Schau zu stellen, wie es Johnson tut. Was Kriegsbegeisterung und Dämonisierung des Gegners betrifft, stehen Johnson aber auch etliche andere Politiker und Journalisten nicht nach. Ob man Putin – trotz der klar erkennbaren Kapazitätsgrenzen von russischer Armee und Wirtschaft und völlig anders gearteter Interessenlage – Angriffe auf Schweden, Finnland oder das Baltikum zutraut oder ob man immer weiter reichende Waffen statt Verhandlungen fordert – auch hier zeigt sich, dass man den Boden des Rationalen längst verlassen hat.

Da sind Johnsons Träume von der Fremdenlegion, die er am Telefon äußerte, nichts ahnend, dass am anderen Ende Komiker saßen, ja geradezu amüsant. Leider muss man schon bei Fokus Online nachsehen, um sich angesichts der falschen Kriegsbegeisterung bei dem Exzentriker Boris Johnson etwas zu erheitern.

https://www.msn.com/de-at/nachrichten/other/w%C3%BCrde-fremdenlegion-gern-selbst-anf%C3%BChren-boris-johnson-f%C3%A4llt-auf-russen-komiker-herein-und-gibt-wildes-interview/vi-AA1q6gcV?cvid=0d92246d7d8c48dcc71b4bdda0d5b5ac&ei=9

Der ehemalige Premierminister Großbritanniens Boris Johnson wurde erneut von zwei russischen Komikern hereingelegt. Das Gespräch wurde Anfang der Woche auf der russischen Webseite RuTube veröffentlicht. Während des Gesprächs gibt Johnson verschiedene bizarre Aussagen zum besten.

* Gastautor Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

NATO-Propaganda im ORF

In der jüngsten ZiB2 des ORF war der umstrittene ehemalige NATO-Chef Rasmussen zu Gast. Allzu kritische Fragen brauchte er sich nicht gefallen lassen. So konnte er seine Kriegsrhetorik weitgehend ungebremst verbreiten.

Wolfgang Koppler *

Dass der ORF den ehemaligen NATO-Generalsekretär Rasmussen zu einem Interview ins ZiB2-Studio einlud, ließ schon angesichts der Vergangenheit Rasmussens Schlimmes befürchten. Als dänischer Ministerpräsident hatte er eine Teilnahme eines dänischen Kontingents am Irakkrieg befürwortet und zudem – trotz offenbar gegenteiliger Geheimdienstberichte – das Vorhandensein irakischer Massenvernichtungswaffen behauptet. Was etwa Tony Blair das Amt kostete. Man kann dies alles problemlos den seinerzeitigen Medienberichten entnehmen. In der ZiB2 wurde nur erwähnt, dass Rasmussen die ukrainische Regierung berät..

Das gestrige von Armin Wolf geführte Interview mit Rasmussen übertraf allerdings auch die Erwartungen von an immer mehr zugespitzter Kriegsrhetorik bereits gewöhnten Zusehern. Da wurde die erfolgreiche Abwehr des iranischen Drohnenangriffs auf Israel mit Unterstützung Großbritanniens und der USA zum Anlass genommen, ein entsprechendes Eingreifen des Westens auch in der Ukraine zu fordern. Wolf fragte zwar nach, ob dies nicht zu einer weiteren Eskalation und zu einer direkten Konfrontation NATO-Russland führen könne, verließ sich aber dann auf Rasmussens substanzlose Bestreitung einer derartigen Gefahr.

Auch eine Einladung zu einem NATO-Beitritt der Ukraine wurde von Rasmussen befürwortet, weil alles andere Putin nur zu einer Weiterführung des Krieges verlocken würde. Auch wenn Rasmussen nur von „Einladung“ sprach, klang es für einen unbefangenen Zuseher sogar danach, als ob die Ukraine schon während des Krieges beitreten sollte. Was gegen den Nordatlantikvertrag verstoßen und schon per se zu einer unmittelbaren Konfrontation führen würde. Was Wolf zwar erwähnte, sich aber auch hier mit einer substanzlosen Bestreitung Rasmussens begnügte. Gefordert wurde natürlich auch noch der Einsatz von Langstreckenwaffen und wurden die diesbezüglichen Bedenken von Deutschen und Amerikanern gerügt.

Die letzten Tage der Menschheit von Karl Kraus kommen einem da in den Sinn. Was macht der Krieg aus den Menschen ?

Dass Rasmussen Macrons Ansicht, man solle auch den Einsatz von NATO-Bodentruppen nicht ausschließen, unterstützte, ist angesichts der obigen Äußerungen nur mehr selbstverständlich. Beängstigend, wenn die Industriellenvereinigung einen solchen Mann nach Wien einlädt. Noch beängstigender, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk eines neutralen Landes in einer solch aufgeheizten und gefährlichen weltpolitischen Situation diesem auch noch Gelegenheit biet, derart problematische und selbst in Brüssel und Washington umstrittene Ansichten zu propagieren.

Das gegenständliche ZiB2-Interview war jedenfalls das genaue Gegenteil von Deeskalation.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien.

Si vis pacem para pacem

Kriegsberichterstattung und Propaganda, Neutralität und Streben nach Frieden: einige der Aspekte, die das Spannungsfeld von Politik und Medien mehr denn je charakterisieren.

Udo Bachmair *

Kriegsrhetorik in Politik und Medien greift immer weiter um sich. Vor diesem Hintergrund mutiert Frieden zunehmend zu einem negativ geladenen Begriff. Er wird vorwiegend in Kombination mit Begriffen wie Diktatfrieden oder Friedensdiktat verwendet. In der veröffentlichten Meinung dominiert die ausschließliche Sinnhaftigkeit aller militärischen Lösungen. Das veranschaulichen die aktuellen Beispiele der Kriege in der Ukraine und Gaza besonders deutlich.

Grundsätzlich erscheint klar: Kriegspropaganda betreiben immer beide Seiten eines Konflikts.

Gleichgeschaltet wirkende westliche Medien und auch zahllose PolitikerInnen gehen davon aus, dass nur Russland Kriegspropaganda betreibt, nicht aber auch die Ukraine.
Daraus resultiert jener durch diverse Studien bereits mehrfach belegte Eindruck, dass in der Kriegsberichterstattung vieler unserer Medien, besonders aber der deutschen, ukrainische Kriegsrhetorik und Propaganda oft als faktenbasierte Inhalte präsentiert werden, gemischt mit einem sich weiter radikalisierenden Wording. Friedensrhetorik hingegen wird als naiv abgetan, eine solche würde Aggressoren, wie Putin, nur weiter ermuntern.

Am Anfang des Ukraine-Krieges war noch die territoriale Integrität der Ukraine oder Hilfe vor Ort im Zentrum der öffentlichen Wahrnehmung. Danach wurde medial zunehmend vermittelt, dass ein Sieg der Ukraine unbedingt nötig sei, die Existenz und der Fortbestand ganz Europas würden ansonsten auf dem Spiel stehen. Damit auch „unsere westlichen Werte“. Aber man fragt sich, ob denn die Ukraine diesbezüglich tatsächlich als Vorbild dienen könne, ein Staat, der hinsichtlich Korruption oder Pressefreiheit weltweit die hintersten Ränge belegt.
Ungeachtet dessen wird ein Sieg gegen Putin von Politik und Medien gleichsam zur Pflicht erkoren.

Damit entfällt folgerichtig jede Verpflichtung zu Bemühungen für Waffenstillstandsgespräche und eine baldige friedliche Lösung.
Eine Forderung, die kürzlich auch der Papst erhoben hat – und er musste sich vom traditionell antirussischen Standard-Journalisten Hans Rauscher umgehend als Unterstützer eines Aggressors rügen lassen u.a. mit der Äußerung:

„Der Heilige Vater weiß nicht, wovon er da redet“

In derselben Zeitung feuerte Markus Reisner von der Theresianischen Militärakademie die Rüstungskonzerne an mit den Worten:

„Die Rüstungsindustrie könnte durchaus mehr produzieren!“.

Speziell in Deutschland verdichtet sich der Eindruck, dass die meisten Medien, ausgerechnet auch die öffentlich-rechtlichen, die zur Objektivität auch der außenpolitischen Berichterstattung verpflichtet wären, die Politik vor sich hertreiben, immer mehr und immer weiter aufzurüsten.
Beispiel der Druck auf Kanzler Olav Scholz, unbedingt schwere Panzer an Kiew zu liefern, eine Forderung, der er nach einigem Zögern schließlich doch nachgekommen ist.
Oder jüngst: Noch zögert Scholz, die weit reichenden gegen Russland gerichteten Taurus-Raketen zu liefern. Er trotzt damit dem Druck der konservativen Opposition sowie vor allem auch dem Boulevard, wie der allmächtigen BILD-Zeitung.

Eine Frage der Zeit, bis Scholz wieder in die Knie geht..?

Schließlich kommt Druck auch aus seiner Ampelkoalition, aus der FDP, allen voran seitens der mittlerweile als hartnäckige Kriegstreiberin kritisierten Chefin des außenpolitischen Bundestagsausschusses, Strack -Zimmermann. Besonders auch seitens der Grünen, allen voran der im Selbstverständnis nach wie vor grünen Außenministerin Annalena Bärbock. Sie hat sich in den Augen von Beobachtern als kriegsbegeisterte militaristische Hardlinerin entpuppt. Sie scheint vergessen zu haben, dass die Grünen sich früher einmal als parlamentarischer Arm der Friedensbewegung verstanden haben – eine Absurdität, ein Hohn sondergleichen, wenn man ihre aktuelle Haltung betrachtet.
Ganz zu schweigen von der EVP-Politikerin und EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen, die ebenfalls den Eindruck einer militaristischen Einpeitscherin erweckt, ohne auch nur einen einzigen Lösungsvorschlag präsentieren zu können.

Jedenfalls muss Frau Von der Leyen auch jene fahrlässige Untätigkeit der Europäischen Union insgesamt bezüglich Bemühungen um eine diplomatische Lösung und eine Beendigung des Blutvergießens angelastet werden. Im Sinne der Waffenlobby und im Interesse von NATO und USA fehlt offenbar jeglicher Wille, weiterer intensiver Aufrüstung abzuschwören und zumindest zu versuchen, mit Moskau diplomatisch oder persönlich in Kontakt zu treten. Optimismus über eine wohlwollende Gesprächsbereitschaft Putins hält sich zurzeit freilich in Grenzen.

Aber Versuche wären’s doch wert !

Putin machts natürlich seinen Gegnern mit seiner völkerrechtswidrigen Aggression in der Ukraine leicht – und so läge es auch an ihm, erneut Verhandlungsbereitschaft zu zeigen, auch wenn ihm der Westen noch so sehr die kalte Schulter zeigt.
Zuviel Porzellan wurde auch seitens des Westens und der gefährlichen Erweiterung der NATO bis an die Grenzen Russlands zerschlagen. Jede Bereitschaft und Fähigkeit scheint dafür zu fehlen, sich auch in den Kriegsgegner Russland hineindenken zu können. So wird die subjektiv gefühlte und aus Sicht Moskaus ernstzunehmende Bedrohung durch die NATO-Erweiterung ebenfalls als bloße Propaganda abgetan.

Einseitigkeit in Bezug auf die Beurteilung des Ukrainekrieges bzw. der Mangel an differenzierten und differenzierenden Betrachtungsweisen in Politik und Medien erscheinen besonders schmerzlich dann, wenn sie in einem neutralen Staat wie Österreich gang und gäbe sind.–

Leider muss sich da auch mein altes Unternehmen ORF manche Kritik gefallen lassen. So werden überwiegend Experten und Expertinnen in Ö1-Journale, ZiB 2-Sendungen oder Punkt.Eins.-Sendungen eingeladen, die undifferenziert proukrainisch und militaristisch argumentieren. So werden auch die zahlreichen Hintergründe, die mit zum Ausbruch des Krieges 2014 bzw. 2022 geführt haben, weitgehend ignoriert.

Die meisten JournalistInnen-KollegInnen fühlen sich im Strom des antirussischen Mainstreams wahrscheinlich wohler, einzelne, die Waffenstillstandsverhandlungen oder Friedensgespräche fordern, werden als Putinversteher gebrandmarkt, die angeblich nur dem Kriegsherrn in Moskau in die Hände spielen wollen. Sie geben ihren Widerstand gegen den Mainstream meist bald auf.
Einer der vorbildlichen Ausnahmen unter den ORF-Redakteuren, Christian Wehrschütz, wird sich auch nicht mehr lange halten können, denn leider wird nicht nur in Kiew, sondern auch hierzulande gegen ihn Stimmung gemacht und ihm dadurch der Weg in die Pension erleichtert.

Es ist ja nicht so, dass pauschal alle JournalistInnen sich nicht zumindest bemühen würden, auch in heiklen außenpolitischen Fragen einigermaßen objektiv und seriös zu berichten. Vielen ist einfach nicht bewusst, dass sie sich für eine Seite (pro Ukraine, pro Israel) vor den Karren spannen lassen. Unter der Devise: Die Einen sind gut, die Anderen nur böse.
Davon lebt freilich der Boulevard, leider aber auch sogenannte seriöse Medien wie der ORF oder der Standard etc.
So ist und bleibt das bereits lange aufgebaute Feindbild Russland unverrückbar. –

Ein Grundproblem besteht u.a. darin, dass die außenpolitischen Ressorts, auch die im ORF, personell ausgedünnt worden sind, sodass oft weder Zeit noch Energien mehr bestehen für die Verwendung auch ausreichend alternativer Quellen. So bekommen MedienkonsumentInnen zu einem großen Teil serviert, was die beiden großen westlichen Agenturen mit ihrem speziellen Wording und ihrer US-orientierten Sicht der Welt vermitteln und vorbeten.

Die andere Seite der Propaganda, die der russische TV-Kanal „Russia today“ betreibt, ist der westlichen Zensur zum Opfer gefallen und nicht mehr empfangbar. Demokratiepolitisch und im Sinne der Meinungsvielfalt problematisch. Dabei wäre es doch interessant und aufgeklärten MediennutzerInnen zumutbar, auch die andere Seite zu hören, auch wenn Propagandainhalte überwiegen.

Umso lauter polemisieren manche PolitikerInnen und heimische Medien gegen die Nützlichkeit der Neutralität Österreichs. In Kommentaren etwa der Zeitungen Standard oder Kurier wird mehr oder weniger unverhohlen Stimmung aufbereitet für einen Beitritt Österreichs zur NATO.
Dabei hätte Österreich hätte als neutrales Land große Chancen, Vertreter der Kriegsparteien an einen Tisch zu holen. Wien als UNO-Standort, Wien als Austragungsort internationaler Konferenzen, wäre prädestiniert dafür.

Nur: Österreichs Neutralität hat Schaden gelitten durch eine österreichische Außenpolitik, die den Namen nicht verdient, die sich bei globalen Konflikten jeweils relativ einseitig positioniert.
Nicht nur in der Ukrainefrage – etwa wenn das Parlament Selenskyj zu einer seiner Propagandareden einlädt – oder wenn auf dem Gebäude des Bundeskanzleramts ausschließlich die israelische Fahne gehisst und nicht auch Empathie für das Leid der palästinensischen Bevölkerung symbolisiert wird –

All das ist freilich nicht ein formaler Verstoß gegen die immerwährende bewaffnete Neutralität, jedoch gegen den Geist der Neutralität gerichtet.

Sollte eine weitere Aushöhlung der Neutralität erfolgen oder gar ein NATO-Beitritt Österreichs Realität werden, wäre eine mediative und friedensstiftende Rolle Österreichs wie zu Zeiten Bruno Kreiskys jedenfalls endgültig verspielt.

Werden wir nicht müde, da klar dagegenzuhalten !

* Der Beitrag entspricht einer leicht gekürzten Textgrundlage für ein Referat, das Udo Bachmair bei einer Veranstaltung der „GewerkschafterInnen gegen Atomenergie und Krieg“ am 13.3.2024 im Amerlinghaus in Wien gehalten hat

Hier die Aufzeichnung der gesamten Veranstaltung :