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Sollen Konzerne für Öko-Schäden haften?

Die Schweizer „Konzerninitiative“ ist bei uns kaum bekannt. Darum greife ich sie für die folgende Analyse auf.

Hans Högl

Wenn auch steigende Corona-Daten in Schweizer Medien dominieren, steht doch die Konzern-(Verantwortungs)-Initiative im Blick. Sie verlangt von Unternehmen, dass ihre ausländischen Tochterfirmen dafür haften, wenn sie Menschenrechte verletzen oder die Umwelt zerstören. Nicht selten schaden Unternehmen besonders in „Entwicklungsländern“, wo geholfen werden soll.

Das Anliegen ist umstritten. Die Reformierte und Katholische Kirche befürworten die Initiative. Die „Freisinnigen“ und andere Parteien sind dagegen, auch die Schweizer Regierung hat Vorbehalte. Medien schalten sich ein: die „Neue Zürcher“, bekannt als neoliberal, berichtet davon, aber äußert Bedenken. Laut Gegnern schaffe dies ein Einfallstor für PR-Klagen durch ausländische Anwaltskanzleien und NGOs. Eher auf Pro-Position ist der eher linke „Tagesanzeiger“. Eine Schweizer Grün-Liberale, die im Sudan Entwicklungsarbeit leistete, befürchtet, dass durch die Initiative Arbeitsplätze im Süden verloren gingen.

Trends lassen vermuten, dass die Initiative des Schweizer Volkes am 29. November die Mehrheit erreicht.Die Konzern-Initiative ist ein Signal für globale Unternehmen.

Müll in den Süden. Wirtschaft ohne Moral?

Hans Högl

In den letzten Wochen häufen sich Beiträge über Karl Marx und seine Kapitalismuskritik. In diesen Kontext fügt sich das 2016 erschienene, wissenschaftliche Buch: „Die Sozialge-schichte des Kapitalismus im 19. und 20. Jahrhundert“, ein Sammelband von Friedrich Leger und Philipp Kufferath, Bonn 2016. Wir greifen darin den Beitrag von Simone M. Müller auf, nämlich über den Export von Giftmüll – von Industriestaaten in die Länder des Südens (S. 357-375 ).

Die Entsorgung giftiger Abfallstoffe wurde bis in die 1970er Jahre lokal und national organisiert. Das Wort „Giftmüll“ war ungebräuchlich. Mit der ökologischen Wende in den 1970er Jahren änderte sich dies. 1967 wurde in Schweden ein Umweltamt gegründet, gefolgt 1970 von Großbritannien und den USA und drei Jahre später von 21 Industrieländern. Die US-Umweltbehörde EPA genehmigte 1987/88 den Export von 3,7 Mio. Tonnen Giftmüll in über 13 Länder in Westafrika, Zentral- und Südamerika sowie in den pazifischen Raum. 

Der Chefökonom der Weltbank, Lawrence H. Summers, vormals Harvard-Prof., befürwortete 1991 in einem Memorandum, dass es ökonomisch wäre, den Giftmüll der Industrieländer in die am wenigsten entwickelten Länder („LDC“s, the least developed countries) zu bringen oder im Süden verstärkt schmutzige Industrien anzusiedeln. Nun: L. Summers  verwendet dafür eine eine ökonomische Formulierung. Dessen Argumente -hier stark gekürzt- waren etwa folgende: Durch Abnahme des Mülls könnten Länder des Südens ihre Schulden reduzieren und oft seien diese Länder auch dünn besiedelt (!) und weniger umbelastet als die Großstädte NY oder Mexico City. Das ursprünglich interne „Memo“ gelangte zur Redaktion der Londoner Zeitschrift „Economist“ und erregte riesiges Aufsehen, so beim Umweltkongress in Rio.

Im Kern ging es um die Frage, ob es zu verantworten oder ethisch gleichgültig sei , dass Industriemüll exportiert wird. Ist es legitim, von sozialen Kosten zu sprechen, oder darf Wirtschaft handeln, ohne auf moralische Kategorien zurückzugreifen?