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Für gutes Journalismus-Deutsch!

Kurzgefasstes, was Wolf Schneider lehrte

Hans Högl – Resumé des Kommentars von Robert Sedlaczek

Der Kämpfer für gutes Deutsch, Wolf Schneider, starb Anfang Nov. 2022. Generationen von Journalisten (!) gingen bei ihm in Hamburg in die Henri-Nannen-Schule.

Sein Credo: Drücke dich verständlich aus. Vermeide jede Art von Brimborium. Sätze gilt es zu entschachteln und zu entfetten bis sie stark und transparent sind; Wörter wägen, Kürze anstreben, die Überlegenheit der Zeitwörter (Verben) würdigen…

Ferner kritisierte er die Unsitte, wichtige Informationen in einem Nebensatz quasi nachzuliefern.

Die Gendersprache bezeichnete er als „Wichtigtuerei von Leuten, die von Sprache keine Ahnung haben“. Sie mißfiel ihm wohl auch deshalb, meint der Germanist Robert Sedlaczek in der Wiener Zeitung, weil das Gendern ein Verstoß gegen die Verständlichkeit und gegen den guten Stil ist.

Robert Sedlaczek verwendet in seiner wertvollen Kolumne nicht das Binnen-I, also die Form Journalisten/innen oder dergleichen! (Wiener Zeitung 16.Nov. 2022., p. 18).

Woran guter Journalismus erkennbar ist

Hans Högl

Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.

Viele Journalisten/innen wollen nicht informieren, sondern missionieren. Das betreiben viele „hundert Journalisten“ auf eigene Rechnung. Das schreibt Wolf Schneider in seinem Handbuch für Journalismus, Hamburg 2012, S. 133 und S. 176.

Selbstverständlich darf und soll Journalismus in Kommentaren bewerten und sich engagieren. Aber dies darf den Informationsteil nicht beeinflussein.

Journalistische Fehler-wissenschaftlich gesehen

Hans Högl

Die Fehleranalyse in Printmedien im Buch: Wolf Schneider/Paul-Josef Raue: Das neue Handbuch des Journalismus und des Online-Journalismus, Hamburg 2012, S.16.

Ich habe alle Zahlen und Namen auf Richtigkeit überprüft: Prof. Philip Meyer (Universität North Carolina) ließ über zwei Jahre 7.600 Artikel von 22 US-Zeitungen überprüfen und stellte fest:

48 % der Artikel irrten sich mindesten in einer Tatsache; im Schnitt waren es 3 Fehler.

Die häufigsten Fehler: Zitat falsch wiedergegeben (21 %), ungenaue Überschrift (15 %), falsche Zahlen (13 %), Rechtschreibfehler (10%).

Die Redakteure gaben als Grund für ihre Fehler an: „Ich habe die Sache nicht verstanden“ (26 %); ich habe nicht genügend oder falsche Fragen gestellt (25 %); der Redaktionsschluss drohte (19 %); meine Recherche war lückenhaft, oder einfach: „Ich war zu faul“ (10 %). – Eine ähnliche Studie in Lugano (Schweiz) zeichnet ein noch düsteres Bild: 60 % der Artikel in Schweizer Zeitungen, darunter Tagesanzeiger und Basler Zeitung, sowie 52 % in italienischen, darunter Il Secolo, weisen Fehler auf. In beiden Ländern ist jede vierte Überschrift falsch, ein fast doppelt so hoher Wert wie in amerikanischen Zeitungen.

Fehler sind an der Tagesordnung, stellten auch Studenten in Hamburg und im holländischen Tilsit fest, als sie größere Artikel systematisch untersuchten. Als Grund machten sie neben Zeitdruck und fehlenden Ressourcen auch die trügerische Leichtigkeit der Internet-Recherche aus.

Dies erklärt recht gut, warum Redaktionen das Publizistikstudium nicht besonders schätzen.

 

Medien: Coronakrise. Rückblende auf Rinderseuche, Schweinegrippe. 

Hans Högl

Ein Rückblick in die Medienwelt ist wertvoll, Misstrauen eine Königstugend. Zur  Rinderseuche (BSE) im Jahr 2001 traf der Medienexperte Wolf Schneider eine sehr kritische Medienbeurteilung. Sicherlich: die Corona-Krise existiert und bisher starben daran hunderttausende. (Laut NZZ online waren es am 14. Mai 2020 es 292.000 Menschen). Die tödliche Gefahr durch den Corona-Virus besteht. Aber es gilt die Dimension einer Krise abzuschätzen und etwas über die mediale Präsentation zu reflektieren.

Wer traf folgende Aussage? Es war Wolf Schneider, der 16 Jahre die renommierte Hamburger Journalistenschule leitete. Er war jahrzehntelang journalistisch tätig: für die „Süddeutsche“ war er Korrespondent in Washington, Chef vom Dienst beim „Stern“, Chefredakteur bei der „Welt“ und „Geo“-Reporter. Seine Evaluation ist zu lesen in  Schneider/Paul-Josef Raue: Das neue Handbuch des Journalismus und des Online-Journalismus, Hamburg 2012 (rororo) in der überarbeiteten Neuausgabe. Die Zitate finden sich auf Seite 17.

Nun zu  bestürzenden Aussage: Millionen Deutsche lebten wegen der Rinderseuche in großer Angst. Im Januar 2001 galt den Deutschen der Rinderwahnsinn als ihre größte Sorge, vor der Arbeitslosigkeit. „Der bereits angesprochene Rinderwahnsinn von 2001 wie auch die Schweinegrippe von 2010 waren Seuchen, die nicht nur durch Viren und Bazillen, sondern durch Journalisten verbreitet wurden.“ (Ebenda).

An BSE (Rinderwahnsinn) starb in Deutschland nicht ein Mensch, aber Millionen leben in Angst“….„An der Schweinegrippe starben damals weit weniger Deutsche als an der einheimischen Wintergrippe, und frühzeitig tauchten Indizien auf, dass die Pharmaindustrie hier eine Hysterie anzettelte, um sich Milliarden in die Taschen zu schaufeln. Niemals gab es einen seriösen Grund, eine der beiden Nachrichten aufzumachen; ins Vermischte hätten sie gehört.“. „Aufmachen“ meint etwas zu Schlagzeilen zu machen, um größte Aufmerksamkeit zu erreichen.

Zur Schweinegrippe liest man in Wikipedia in einem ellenlangen Artikel schließlich den Satz: Bis zum 25. Oktober 2009 waren der WHO weltweit mehr als 440.000 laborbestätigte Infektionen mit dem H1N1-2009-Virus („Schweine-Grippe) gemeldet worden, von denen mindestens 5.700 tödlich verliefen. Lassen wir diese Zahl auf der Zunge „zergehen“: Weltweit 5.700 Todesfälle! Das ist die Einwohnerzahl einer mitteleuropäischen Kleinstadt oder Marktgemeinde. Und da wird von weltweiter Pandemie gesprochen.