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Ruf nach transformativem Journalismus

Die Politik ist gefordert, um die Existenz von Qualitätsmedien und deren Vielfalt zu gewährleisten.

Ilse Kleinschuster *

Am Tag der Pressefreiheit, am 3. Mai 2023, hat der FURCHE-Redakteur Otto Friedrich in seinem Artikel bedauert, dass es weder Plan noch Vision für den ORF gäbe. Das neue Gesetz zum ORF, das die Bundesregierung vorgelegt habe, sei mitnichten ein Produkt des Diskurses über Medien im Land, sondern es sei der Verfassungsgerichtshof gewesen, der eine Neuaufstellung der Finanzierung der größten Medienanstalt verlangte. Und vor kurzem lese ich da, wieder in der Furche, dass die Debatte über ORF-Spitzengehälter von den dringlichsten medienpolitischen Aufgaben ablenke. Ja sicher, diesbezüglich seien wohl vor allem Interessen vonseiten der Politik ein grundlegender Faktor für die Problematik einer Reform hin zu politisch unabhängigen Medien – speziell das Interesse der Regierung am öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Bald jährt sich wieder der Welttag der Pressefreiheit!

Unabhängige und freie demokratische Länder sollen die Öffentlichkeit unabhängig und zutreffend über aktuelle Entwicklungen informieren, Missstände aufzeigen und durch Kritik und vielfältige Diskussion zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen. Um diese erfüllen zu können, muss die Medienlandschaft eines Landes frei, vielfältig und unabhängig von wirtschaftlicher oder politischer Beeinflussung sein.

Tja, klar, die digitale Transformation wie sie die Medien aller Art zurzeit erleben und erleiden, würden eine politische wie gesellschaftliche Diskussion der Sonderklasse verlangen. Denn Medienbetreiber müssen existieren und JournalistInnen von etwas leben können. Weil jedoch klassische Erlösmodelle weggebrochen sind – die Werbung von den internationalen Technologiegiganten abgesaugt wird – bleiben Alternativen im demokratischen Graubereich.

Es soll z.B. das neue Gesetz zum ORF, das die Bundesregierung vorgelegt hat, mitnichten ein Produkt des Diskurses über Medien im Land gewesen sein, sondern es wurde erzwungen aufgrund der Forderung des Verfassungsgerichtshofs nach einer Neuaufstellung der Finanzierung der größten Medienanstalt. Erst, weil etwas zu reparieren war, handelte die Regierung.

Tja, freie Meinungsäußerung ist wohl zentral für eine funktionierende kritische Öffentlichkeit.
Sie ist auch notwendig, wenn es darum geht, die UN-Menschenrechte zu verteidigen oder sich für eine gerechte und vernünftige Gesetzgebung in einer gewaltenteilenden, rechtsstaatlichen Demokratie einzusetzen. Erst wenn wir das erreicht haben, werden wir von einem Fortschritt der Menschheit reden können.

Es gibt seit vielen Jahren die Forderung der UNO nach nachhaltiger Entwicklung und es gibt auch einen globalen Plan, wie klimafreundliches Handeln (die ‚Große Transformation‘) zur Regel werden könnte (https://unric.org/de/17ziele/), aber nur sehr zögerlich finden sich die Mainstream-Medien bereit, darüber konstruktiv zu berichten.

Schon seit vielen Jahren wird von kompetenten Leuten „Transformativer Journalismus“ eingefordert. Als engagierte Umwelt- und Klimaaktivistin treibt mich das Thema um, weil ich glaube, dass klimafreundliches Handeln erst zur Regel werden kann, wenn Medienförderung an die Einhaltung ethischer Grundsätze gebunden wird.

Appell für Nachwuchsausbildung im Bereich transformativer Journalismus!

Es ist jetzt schon wieder 5 Jahre her, dass ich in der „Wiener Zeitung“ gelesen habe, dass sie zusammen mit dem Kuratorium für Journalistenausbildung Praktikantinnen und Praktikanten in journalistischen Grundlagen geschult hat. In ihrem Ausbildungsprogramm werden Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Profis in den Grundelementen des journalistischen Handwerkzeugs unterrichtet. Dazu vergab die Wiener Zeitung Praktikumstellen in ihren Ressorts (www.kfj.at/kooperationen-events/journalismuslernen). So weit, so gut! Aber, wie wird das heute gehandhabt? Ich fürchte, es gibt da wieder eine Bezahlschranke. Traurig, wo es doch vor allem junge, oft noch mittellose Menschen betrifft, die sich vielfach bereits als die „letzte Generation“ gerieren. Sie schreiben auch gegen die Verhältnisse an, aber zumeist in einschlägigen Medien. Ich frage daher, sollte nicht gerade diese Generation journalistisch ausgebildet und für die drängenden Fragen der Zukunft fit gemacht werden?

Mein Vorschlag: Strukturen schaffen, in denen eine Kooperation mit diversen Initiativen im NGO-Bereich, die es bereits aus ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement heraus zu einem gewissen Expertentum gebracht haben, niedrigschwellig möglich sind. Freiwillige aus den Reihen der initiativen Zivilgesellschaft könnten dort ihre Erfahrung und ihr Wissen weitergeben, was, hopefully, in einer Art Bürger-Journalismus münden würde. Nach und nach könnten Bürgerinnen und Bürger zu „Meistern“ werden, die in „Werkstätten“ (seinerzeit nannte ich die Wiener Zeitung als eine mögliche) eine Art Praktikantenausbildung zur Verfügung stellen. Ich dachte, das wäre ein nicht zu unterschätzender Ansatz, um endlich Bürgerbeteiligung aus der Wissenschaft in die Medienwelt zu übertragen: Theorie- und Praxisgruppen zusammenzuführen, Medienentwickler, Netzwerker und Campaigner auf der Theorie-Seite und Neu-Journalisten in der Praxis. Sozusagen, eine Werkstatt für Transformation, die sich um transformativen Journalismus kümmert. Dazu braucht es nur noch einen Kümmerer, sozusagen einen Redakteur, bzw. ein Redaktionsteam!

Darüber hinaus ginge es darum, gemeinsam mit Nachhaltigkeits-Expert*innen und relevanten Vertretern aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft dieses Know-how aus der Vielfalt von Pilotprojekten für ein internationales Roll-out verfügbar zu machen. Denn: Spätestens mit der Umsetzung der NFI-Richtlinie in Österreich hat sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht nur als Pflicht großer Unternehmen etabliert, sondern findet auch als Kür kleinerer und mittlerer Unternehmen immer weitere Verbreitung. Wenn nun aber dabei bereits auch internationale Regelwerke wie das der Global Reporting Initiative (GRI) angewendet werden, so bleibt der Beitrag zu echter Nachhaltigkeit immer noch verschwindend gering. Unternehmen/Organisationen, die sich strengen Nachhaltigkeitskriterien verpflichtet fühlen, fällt es immer schwerer, sich von der Masse der „berichtenden“ Unternehmen abzuheben. Zählen und erzählen im Sinne der demokratischen Transformation wären dafür die richtigen Kommunikationsinstrumente.

Diese Ideen stammen aus dem Konzept der Cooppa-Genossenschaft https://cooppa.at/ die nach fünf jährigem Bestehen wahrscheinlich, mangels Finanzierbarkeit, bald zu Grabe getragen werden muss.

* Gastautorin Ilse Kleinschuster engagiert sich in mehreren Bereichen der Zivilgesellschaft

ORF-Journalist mit Mut

Politik und Medien scheint Empathie für das Leid der Palästinenser weitgehend zu fehlen. Und Österreichs Außenpolitik hat sich von neutralitätspolitischen Grundsätzen einigermaßen entfernt. Vor diesem Hintergrund sind mutige Worte des ORF-Korrespondenten Karim El-Gawhari besonders positiv aufgefallen.

Udo Bachmair

Es war in der reichweitesten Informationssendung des ORF, der ZiB1 (7.1.), als der Korrespondent für den arabischen Raum verblüffend offen und beherzt die dramatische Lage im Nahen Osten schilderte. Karim El Gawhari fand mutige Worte über das nach dem abscheulichen Massaker der Hamas besonders brutale Vorgehen Israels gegen die Bevölkerung im Gazastreifen. Eine solche Offenheit, ein solcher Mut fällt besonders in den Medien Deutschlands und Österreichs auf, zwei Länder, die sich im Gazakrieg voll auf die Seite Israels gestellt haben. Sie unterstützen damit auch die weltweit bereits höchst umstrittene aggressive Politik der rechtsradikalen israelischen Regierung. Nicht nur humanitäre Grundsätze, sondern auch Österreichs Neutralität werden damit unterminiert.

Karim El-Gawhari bringt die Lage eindrucksvoll auf den Punkt:

„Die letzten 3 Monate des Krieges waren für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen ein absoluter Alptraum. 1,9 Millionen von 2,3 Millionen mussten nach UN-Angaben ihr Zuhause verlassen, nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza sind mehr als 22000 Menschen getötet worden, unter ihnen zahlreiche Frauen und Kinder. Bei all dem scheint es, dass Israel mit dem Ziel, die Hamas zu zerstören, sehr weit entfernt ist. Der Gazastreifen wurde in Schutt und Asche gelegt, doch die Hamas agiert dort weiter.“

Der Krieg Israels gegen Gaza hat also kaum Fortschritte bezüglich einer Ausschaltung der militärischen Struktur der Hamas gebracht, stattdessen einen im Nahen Osten in so kurzer Zeit beispiellos hohen Blutzoll unter der Zivilbevölkerung. Alle bisherigen Versuche der UNO, aber auch von US-Außenminister Blinken, das israelische Kriegskabinett in dessen Überreaktion zu stoppen und mehr auf die Zivilbevölkerung Rücksicht zu nehmen, haben bisher nichts gefruchtet.

Ganz zu schweigen von Österreich, dessen Außenpolitik sich ohne Wenn und Aber hinter Israel stellt. Besonders unverständlich, dass Österreich als einziger neutraler Staat der Welt in der UNO-Generalversammlung gegen eine humanitäre Feuerpause im Gazakrieg gestimmt hat. Eine außenpolitische und neutralitätspolitische Schande. Zudem eine Fahrlässigkeit sondergleichen, Österreich als UNO-Standort und Ort von Friedenskonferenzen enorm geschadet zu haben. Außenminister Schallenberg und die gesamte schwarz/grüne Bundesregierung werden die Konsequenzen ihrer Außenpolitik weg von Neutralität und Humanität zu verantworten haben.

Diese Haltung Österreichs, die ganz im Gegensatz zur früheren ausgleichenden Außenpolitik Österreichs steht, hat mittlerweile die guten Beziehungen unseres Landes zur arabischen Welt erkalten lassen. Auch diesbezüglich fand ORF-Korrespondent Karim El Gawhari klare Worte in der ZiB1 :

„Immer wieder fragen mich Leute, was ist denn los mit den Österreichern und auch den Deutschen, die Leute verstehen einfach nicht, warum es so wenig Empathie gibt gegenüber dem Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Das wird, denke ich, auch langfristige Folgen haben für die Beziehungen Österreichs, aber auch Deutschlands und der EU insgesamt zur arabischen Welt.“

Diesen klaren Worten ist in der Sache nichts hinzuzufügen, außer dass sich die Bundesregierung endlich darauf besinnen möge, den Geist der Neutralität nicht weiter zu ignorieren, sodass Österreich als Ort von Begegnungen international wieder akzeptiert wird. Doch es ist zu befürchten, dass Einseitigkeit und Einäugigkeit der gegenwärtigen österreichischen Außenpolitik dieses wichtige auch staatspolitische Anliegen weiter konterkarieren. Wider besseres Wissen, denn das wird sicher auch eines der Reizthemen im heurigen Superwahljahr sein.

Unbeachteter Neutralitäts-Tag

Heute ist bzw. war der Internationale Tag der Neutralität. Politik und Medien haben ihn weitgehend ignoriert.

Udo Bachmair

Den 12. Dezember hat die UNO- Generalversammlung 2017 zum Internationalen Tag der Neutralität erklärt. Eine entsprechende Resolution betont die wichtige Rolle neutraler Staaten bzgl. friedlicher Konfliktlösung und vorbeugender Krisendiplomatie. Den Jahrestag nimmt die INITIATIVE ENGAGIERTE NEUTRALITÄT zum Anlass, um auf die Wichtigkeit und Nützlichkeit der immerwährenden Neutralität Österreichs hinzuweisen.

Ex-Bundesheer-General Günther Greindl, einer der Sprecher der Initiative und früherer Oberkommandierender österreichischer Friedenstruppen, unterstreicht in einer Erklärung, dass Österreich als Sitzstaat der OSZE und UNO-Standort im Rahmen der kooperativen Sicherheit in Europa gute Dienste einbringe und einbringen könne. Die bewährte Neutralitätspolitik sei kein Versatzstück aus einer vergangenen Zeit.

Bedauerlicherweise hat der Internationale Tag der Neutralität in Österreichs Medien und Politik kaum Niederschlag gefunden. Die Bundesregierung (inkl. Außenministerium) hat den Tag offenbar überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Nur zwei APA-Aussendungen sind bisher zu registrieren, eine von der INITIATIVE ENGAGIERTE NEUTRALITÄT selbst, eine Initiative, der auch der Autor dieser Zeilen angehört, sowie eine Erklärung seitens der SPÖ:

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20231212_OTS0020/internationaler-tag-der-neutralitaet

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20231211_OTS0140/spoe-bayrlaimer-die-neutralitaet-ist-unser-hoechstes-aussen-und-sicherheitspolitisches-gut

Höchst empfehlenswert ist zum Thema ein Gespräch zwischen Univ. Prof. Heinz Gärtner und Prof. Pascal Lottaz, Schweiz, im Videokanal der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL:

Der folgende Link führt zur ebenfalls besonders empfehlenswerten Podiumsdiskussion der INITIATIVE ENGAGIERTE NEUTRALITÄT im Presseclub Concordia:

Initiative Engagierte Neutralität

In Politik und Medien sind Tendenzen zu registrieren, die auf eine Aushöhlung der Neutralität Österreichs hinauslaufen. Diese wird in manchen Kommentaren und politischen Stellungnahmen als überholt und nicht mehr sinnvoll bezeichnet. Eine neue Initiative will nun dagegenhalten.

Udo Bachmair

„Initiative Engagierte Neutralität“ nennt sich eine neue Gruppe, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Bedeutung und Nützlichkeit der immerwährenden Neutralität gerade in krisenhaften Zeiten wie diesen zu betonen und zu bekräftigen.

Im Vorfeld des Nationalfeiertages am 26. Oktober, dem Jahrestag der Unterzeichnung des Neutralitätsgesetzes, fordert die Initiative in einem Appell Bundesregierung und Parlament dazu auf, die Neutralität zu wahren und für eine engagierte Friedenspolitik zu nutzen.

Details des Appells werden in einer Pressekonferenz am Montag, 23.11. ab 10.30 Uhr im Presseclub Concordia präsentiert. JournalistInnen aus dem Bereich der Vereinigung für Medienkultur sind dazu natürlich ebenfalls eingeladen.

Podiumsteilnehmer der Pressekonferenz sind Ex-Botschafterin Gaby Matzner, der frühere Sozialminister Erwin Buchinger, der Politikwissenschaftler Heinz Gärtner, Bundesheergeneral i. R. Günther Greindl sowie Ex-NR-Abg. und Diplomat Wendelin Ettmayer. Moderiert wird die PK von Udo Bachmair, Ex-ORF-Journalist und Präsident der Vereinigung für Medienkultur.

Dem Appell haben sich bereits zahlreiche namhafte Persönlichkeiten angeschlossen, unter ihnen Christoph Leitl, Karl Blecha, Peter Jankowitsch, Irmtraut Karlsson, Heinrich Keller, Andrea Komlosy, Ali Kohlbacher, Ferdinand Lacina, Erwin Lanc, Fritz Edlinger, Alfred Noll, Madeleine Petrovic, Emmerich Talos, Adalbert Krims, Renata Schmidtkunz, Manfried Rauchensteiner, Peter Diem und viele andere mehr.

Wiener Zeitung : 1703 – 2023

Es war zu befürchten: Die Bundesregierung bestehend aus ÖVP und Grünen hat dem traditionellen Qualitätsblatt nun endgültig den Garaus gemacht.

Udo Bachmair

Trotz aller verzweifelter, aber auch hoffnungsfroher Rufe nach Rettung der Wiener Zeitung hat der Nationalrat mit den Stimmen auch der Grünen allen Ernstes diesem Qualitätsblatt den Todesstoß versetzt. Die Printausgabe der ältesten Zeitung der Welt, als Aushängeschild des Qualitätsjournalismus hierzulande längst bereits zum Kulturgut geworden, wird per Jahresmitte eingestellt.

„Eine Schande“, „ÖVP und Grüne Kulturbanausen“, „Krone-Abo für Frau Blimlinger“- so einige der Losungen auf Transparenten, die bei einem Demonstrationszug zahlreicher Menschen durch die Wiener Innenstadt mit Ziel Bundeskanzleramt mitgeführt worden sind. Doch alle Aufrufe, alle Initiativen haben nichts gefruchtet.

Dass die große Regierungspartei ÖVP an der Zerstörung der Wiener Zeitung festhalten würde, war nicht weiter überraschend. Sie hat ihren Machtanspruch und ihre Einflussversuche auf Medien spätestens seit der Kurz-Ära massiv erweitert. Dass aber auch die Grünen, früher leidenschaftliche Fürsprecher von Qualitätsmedien und Medienvielfalt stur geblieben sind, erscheint rätselhaft.

Die Mittäterschaft der Grünen am Tod der Wiener Zeitung, vor allem in Person der Mediensprecherin Eva Blimlinger, ist für Politstrategen völlig unverständlich. Vergrämen sie damit doch einen Großteil des bisher durchaus grünaffinen Medien- und Kulturbereichs. Sie wollen und können nicht begreifen, dass sie damit auch Multiplikatoren verärgern und für sie wichtige Wählerstimmen verlieren werden.

Mit engagierten Redebeiträgen pro Erhalt der Wiener Zeitung sind heute im Parlament hingegen Spitzenvertreterinnen von SPÖ, FPÖ und NEOS aufgetreten. Mit ähnlichen Begriffen und Argumenten, die schon bei der Demo vor dem Kanzleramt geäußert worden waren. Von Skandal, von Wahnsinn, von einem demokratiepolitisch besonders bedenklichen Ereignis, etc. war da die Rede.

Die SPÖ-Abgeordneten hielten demonstrativ Exemplare der heutigen Ausgabe der Wiener Zeitung mit der „Todesanzeige“ als Schlagzeile „1703 – 2023“ in Händen.

Besonders hart auch gegen seine eigene Partei, der ÖVP, ins Gericht gegangen war bei der Demo auf dem Ballhausplatz Ex-EU-Kommissar Franz Fischler: „Woher nehmen sich die ahnungsvollen Leuchten des Politikgewerbes, Medienministerin Raab und Frau Blimlinger, das Recht und die Frechheit, dieser 320 Jahre alten Institution den Garaus zu machen?“.

Auch der bekannte Medienwissenschafter (und Vizepräsident der Vereinigung für Medienkultur) Fritz Hausjell sprach vor den Demonstranten von einem „fatalen Schritt für die Demokratie, nicht zuletzt in Anbetracht der Nachrichten über Message Control und Inseratenkorruption.“ Der Chef der IG Autoren, Gerhard Ruiss, sorgte für einen optimistischen Demo-Ausklang : „Wir geben nicht auf!“

Wiener Zeitung ohne Überlebenschance

Diese Woche läuft die Begutachtungsfrist des neuen Medienförderungsgesetzes ab. Damit wird auch die Rettung des „Kulturguts“ Wiener Zeitung immer unwahrscheinlicher.

Stellvertretend für viele Stimmen des Protests gegen diese Maßnahme der schwarz/grünen Bundesregierung folgende ( von Udo Bachmair ausgewählte ) Zitate:

Die in medienpolitischen Dingen komplett indolente und skandalös agierende Regierung, der auch die Grünen angehören, zuckt nicht einmal mit dem Ohrwaschel, um etwas zur Rettung dieser Zeitung zu unternehmen, obwohl es ihre verdammte Pflicht wäre.

( Armin Thurnher, FALTER )

In einer Zeit, in der Qualitätsmedien weltweit einen Überlebenskampf gegen Banalität und Trivialisierung führen müssen – und ihn zu oft auch verlieren –, ist jede Würdigung und Auszeichnung für diese aus vielen Gründen außergewöhnliche österreichische Zeitung ein wichtiger Beitrag, um das Fortbestehen der Wiener Zeitung auch in Zukunft abzusichern.

( Aus einem Brief von Hugo Portisch und Heinz Nussbaumer aus dem Jahr 2019, als die ÖVP/FPÖ-Koalition unter Kanzler Kurz den Todesstoß für die Wiener Zeitung androhte. Nun wird das Ende des Qualitätsblatts auch von den Grünen unterstützt…)

Finger weg von der Wiener Zeitung

Trotz mehrerer Proteste hält die Bundesregierung an der Zerschlagung der Wiener Zeitung fest. Eine letzte Hoffnung auf Umdenken richtet sich an die Adresse des grünen Koalitionspartners.

Udo Bachmair

„Was mit der Wiener Zeitung geplant ist, wird mit Journalismus nichts mehr zu tun haben“, bedauerte resignierend der Chefredakteur des renommierten Blatts, Walter Hämmerle, im jüngsten ORF-Report. Bekanntlich versetzt die türkis/grüne Bundesregierung der Wiener Zeitung als täglich erscheinendes Printmedium den Todesstoß. Sie ist nicht willens, jene finanziellen Einbußen auszugleichen, die das Ende des gedruckten Amtsblatts als Beilage der Wiener Zeitung verursachen wird. Die Zeitung soll ab 2023 nur mehr 10 Mal im Jahr erscheinen und sich ausschließlich auf Journalistenausbildung konzentrieren.

Besonders enttäuschend erweist sich der grüne Koalitionspartner, der in Sonntagsreden und Pressekonferenzen immer wieder die Wichtigkeit von Qualitätsjournalismus und Medienvielfalt beschwört. Im Widerspruch dazu zeigt sich die Mediensprecherin der Grünen, Eva Blimlinger. Sie erteilte auch in der erwähnten ORF-Sendung der Rettung der Wiener Zeitung als Tageszeitung eine klare Absage. Entsprechend einem Deal mit der ÖVP, deren Medienministerin Raab zu wichtigen medienpolitischen Fragen entweder schweigt oder von Medienkritikern als nicht überragend kompetent wahrgenommen wird.

Die Grünen machen also mit bei einer weiteren Reduktion der Medienvielfalt hierzulande, eine demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklung. Hinter vorgehaltener Hand beklagen auch grüne Funktionäre ihren Unmut. Wenig überraschend wollte der große Regierungspartner ÖVP, vor allem in Person des früheren Message Control-Kanzlers Sebastian Kurz, schon vor Jahren der Wiener Zeitung den Garaus machen. Dass die Grünen jedoch zu Mittätern werden, ein qualitätsvolles, kritisches Blatt mundtot zu machen, verwundert hingegen sehr.

Daher der Appell an Eva Blümlinger und Grünenchef Vizekanzler Werner Kogler:

Erweisen Sie sich als mutig gegenüber dem großem Regierungspartner und helfen Sie mit, den Fortbestrand der ältesten Zeitung der Welt zu sichern. In einer Medienlandschaft, zunehmend vom Boulevard dominiert, gefüttert mit Zig-Milllionen an Geldflüssen allein für Inserate, wäre die Stützung eines Qualitätsblatts, das in vorbildlicher Weise innerredaktionellen Pluralismus zulässt, wohl mehr als ein Gebot der Stunde. Sie würden damit so nebenbei der medienpolitischen Glaubwürdigkeit der Grünen einen Dienst erweisen.

Auslieferung an ein Terrorregime ?

Hält es Österreichs Innenminister Nehammer tatsächlich menschlich und moralisch vertretbar, Menschen an ein Terrorregime auszuliefern ? Wo bleibt der Aufschrei der Medien ?

Udo Bachmair

Innenminister Nehammer, der sich in der Asylfrage längst bereits FPÖ-Positionen angebiedert hat, will hart bleiben. Die türkis-grüne(!) Bundesregierung bleibt offenbar dabei, afghanische Flüchtlinge auch nach der Machtübernahme der Taliban in ihre Heimat abschieben zu wollen.

Eine Regierung, die sehenden Auges Menschen möglicher Verfolgung, Folter und der Todesstrafe aussetzt ?? Das wäre ein fataler humanitärer Tabubruch.

Ähnlich sieht das auch die evangelische Diakonie. Asylexperte Christoph Riedl wirft der Regierung eine „trotzige Haltung“ vor: „Statt sich zu überlegen, wie man möglichst vielen Menschen helfen kann, überlegt man weiterhin, wie man Menschen nach Afghanistan abschieben kann, was völlig absurd ist”, betont Riedl gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (EPD).

Zudem weist Riedl darauf hin, dass ein Abkommen mit der afghanischen Regierung zur Rücknahme abgeschobener Menschen aus Afghanistan hinfällig sei: “Wer soll dieses Abkommen einhalten? Das hat eine Regierung unterschrieben, die es jetzt nicht mehr gibt“.

Nicht nur Journalist*innen fragen sich auch, wo Außenminister Schallenberg geblieben ist. Warum schweigt er und handelt nicht ? Österreichs Außen- und Menschenrechtspolitik sehen Experten ohnehin schon in Verruf geraten..

Jedenfalls ist auch für den evangelisch-lutherischen Bischof Michael Chalupka klar : Weitere Abschiebungen nach Afghanistan wären eine „Auslieferung an ein Terrorregime“. Chalupka verweist in einem Schreiben an die Medien und an die Pfarrgemeinden auf eine Studie der Diakonie, wonach abgeschobenen Afghanen “Gefahr für Leib und Leben, Verelendung und Verfolgung” drohe.

Ex-Spitzenpolitiker*innen für Fortbestand der Wiener Zeitung

Das drohende Aus für die Wiener Zeitung löst weitere Proteste gegen die Bundesregierung aus. Nun haben sich prominente frühere Politiker*innen deutlich zu Wort gemeldet.

Udo Bachmair

Wie schon mehrfach berichtet, sieht sich die Wiener Zeitung – älteste Zeitung der Welt – von der Einstellung bedroht. Gerettet werden könnte das Qualitätsblatt der Republik durch finanzielle Unterstützung der Bundesregierung. Diese jedoch verweigert den finanziellen Ausgleich für die geplante Abschaffung des gedruckten Amtsblattes. Bundeskanzler Kurz zeigt sich in der Causa bisher weitgehend desinteressiert. Er hat angekündigt, die Wiener Zeitung auf eine elektronische „Verlautbarungsplattform“ zu reduzieren. Dagegen laufen nun zahlreiche Ex-Spitzenpolitiker*innen (auch seiner Partei) Sturm.

Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ), Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, Ex-Innenminister Karl Schlögl, Wiens Ex-Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), Ex-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), Ex-Vizekanzler Herbert Haupt (FPÖ), Ex-Volksanwältin Terezija Stoisits (Grüne), Ex-NR-Präsidentin Heide Schmidt (Liberales Forum, NEOS)– sie und noch zwei Dutzend weitere Spitzenpolitiker*innen fordern von der türkis-grünen Koalition vehement den Fortbestand der „Wiener Zeitung“.

Die Ex-Politiker*innen haben folgende Deklaration zur Rettung der Wiener Zeitung veröffentlicht:

Die „Wiener Zeitung“, gegründet 1703, ist die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt. In Österreich erscheinen – mit seit langem sinkender Tendenz – nur noch 14 Tageszeitungen; allein in der Schweiz sind es mehr als 40.

Jede Stimme weniger am Zeitungsmarkt ist ein Verlust an Meinungsvielfalt und Medienpluralismus – und das in einer Zeit, in der ein faktenorientierter, nüchterner und unabhängiger Qualitätsjournalismus wichtiger ist denn je.

Die „Wiener Zeitung“ hat sich als Gegenkraft zu den hyperschnellen, emotionsgetriebenen Schlagzeilen, die unentwegt auf die Menschen einprasseln und mehr verwirren und verwischen als aufklären und informieren, außerordentlich bewährt.

Der ersatzlose Wegfall der bisherigen Pflichtveröffentlichungen würde ohne ein neues Finanzierungskonzept das Ende der Tageszeitung der Republik bedeuten. Das wäre ein schwerer Verlust. In Österreich fließen jährlich mehr als 220 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln an Medien. Mit rund 10 Millionen Euro könnte der Fortbestand der „Wiener Zeitung“ in ihrer bewährten Form gesichert werden.

Selbstverständlich muss sich auch die „Wiener Zeitung“ ständig weiterentwickeln, neue Formate entwickeln und wirtschaftlich erfolgsorientiert arbeiten.

Wir erwarten, dass die Bundesregierung als Eigentümerin der „Wiener Zeitung“ im Interesse von Meinungsvielfalt und Qualitätsjournalismus den Fortbestand dieser wichtigen Stimme am Zeitungsmarkt unterstützt und sicherstellt.

Die „Wiener Zeitung“ muss weiterleben!

Mag. Claudia Bandion-Ortner
Dr. Maria Berger
Dr. Erhard Busek
Mag. Brigitte Ederer
Dr. Caspar Einem
Harald Ettl
Dr. Heinz Fischer
Dr. Franz Fischler
Dr. Alfred Gusenbauer
Dr. Michael Häupl
Mag. Herbert Haupt
Lore Hostasch
Mag. Christian Kern
Dr. Andrea Kdolsky
Dipl.-Kfm. Ferdinand Lacina
Dr. Franz Löschnak
Dr. Reinhold Mitterlehner
Mag. Wilhelm Molterer
Dr. Heinrich Neisser
Hans Niessl
Dr. Erwin Pröll
Maria Rauch-Kallat
Mag. Karl Schlögl
Dr. Heide Schmidt
Mag. Terezija Stoisits
Dr. Franz Vranitzky
Dr. Wolfgang Waldner
Dr. Christof Zernatto

www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/medien/2103779-Ehemalige-Spitzenpolitiker-setzen-sich-fuer-die-Wiener-Zeitung-ein.html

Schlag gegen Qualitätsjournalismus

Dass dem Bundeskanzler die Förderung von Qualitätsmedien weniger wichtig erscheint als Inseratenmillionen für den Boulevard, ist nichts Neues. Dass er jedoch die Rettung der republikeigenen „Wiener Zeitung“ verweigert, ist nun nach einer Parlamentsanfrage klar.

Udo Bachmair

Der kürzlich verstorbene legendäre Journalist und Publizist Hugo Portisch wollte sie zum Weltkulturerbe erklärt wissen: Die „Wiener Zeitung“ – älteste Zeitung der Welt. Doch daraus wird nichts. Das renommierte Blatt sieht sich in seiner bisherigen Erscheinungsform seiner Zukunft beraubt. Bundeskanzler Kurz bekundet nur wenig Interesse, die „Wiener Zeitung“ am Leben zu erhalten. Warum auch? Diene sie doch im Gegensatz zum Boulevard nicht seiner „narzistischen Selbstinszenierung“, so die Einschätzung von Kritikern.

Die Bundesregierung hat offenbar nicht vor, das Qualitätsblatt zu retten. Der Zeitung stehen durch den drohenden Verlust des Amtsblatts, das laut einer Verordnung der EU-Kommission nicht mehr wie bisher erscheinen darf, große finanzielle Einbußen bevor. Diese werden jedoch von der Regierung nicht ausgeglichen. Das Ende der Zeitung ist somit absehbar. Dabei wäre der Weiterbestand eines Qualitätsblattes gerade in einer Medienlandschaft, die europaweit so einzigartig vom Boulevard dominiert wird, unabdingbar.

Doch die Würfel sind gefallen. Kanzler Sebastian Kurz machte kürzlich in seiner Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der SPÖ zur Causa klar : Betrieb und Finanzierung einer Tageszeitung seien nicht Aufgabe der Republik. Kurz sieht die Zeitung künftig nur mehr als digitales „schwarzes Brett der Republik“. Sie soll künftig auf eine „zentrale elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform“ reduziert werden. Kurz gesagt: Ein Schlag gegen Qualitätsjournalismus in Österreich.

Wenn Sie den Fortbestand der Wiener Zeitung unterstützen wollen, wenden Sie sich um Infos an den neu gegründeten

Verein der Freunde der Wiener Zeitung
c/o Presseclub Concordia
Bankgasse 8
1010 Wien
info@unverzichtbarseit1703.org