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NATO-Beitritt statt Neutralität

Ein bezeichnendes Licht auf die Qualität unseres „Qualitätsjournalismus“ wirft die derzeitige Diskussion zur „sicherheitspolitischen Neuorientierung“ unseres Landes, in Wirklichkeit nichts anderes als die Forderung nach Abschied von der Neutralität und NATO-Beitritt. Denn selbstverständlich würde es nicht bei einer Bündnisfreiheit bleiben.

Wolfgang Koppler

Da wird die Moralkeule geschwungen, wie etwa im Standard und der ZiB2 des ORF und beklagt, dass „bei dem schon ein Jahr währenden Blutbad“ in der Ukraine (die zugegebenermaßen ungeschickt argumentierende) EU-Ministerin Edtstadler immer noch einen „offenen Diskurs“ verweigern würde (Standard). Und geradezu empört gefragt, was wäre, wenn alle neutral wären (Armin Wolf). Als ob ein NATO-Beitritt Österreichs irgendetwas an dem dortigen Gemetzel ändern würde, außer die innen- und außenpolitischen Spannungen zu verschärfen. Und als ob die derzeitige Eskalation noch nicht genug wäre. Oder die Bettelbesuche von Erdogan-Versteher Stoltenberg in Ankara.

Und zum Überdruss wird das sattsam bekannte Trittbrettfahrer-„Argument“ strapaziert, was im Ergebnis nichts anderes heißt, als dass sich unsere Politiker am Interesse der NATO orientieren sollten, das lästige Loch in deren Aufmarschgebiet zu schließen. Statt am Interesse ihres Landes. Denn ein sicherheitspolitischer Mehrwert für Österreich ist nicht ersichtlich. Nicht einmal das Bundesheer kann einen solchen Mehrwert wirklich darlegen, sondern gibt teilweise sogar offen zu, dass man um das Heeresbudget in den nächsten Jahren fürchtet, wenn die Diskussion abflaut. Die Konsequenzen eines nicht mehr rückgängig zu machenden NATO-Beitritts unter der Defacto-Führungsmacht USA (unter Präsidenten wie Bush und Trump) werden überhaupt ausgeklammert.

Und dann gibt es noch die völkerrechtliche Seite der Angelegenheit. Da wird zwar jeden Tag hundert Mal auf die Völkerrechtswidrigkeit des russischen Angriffskriegs verwiesen. Geht es aber um Österreichs Neutralität, ist das Völkerrecht schlichtweg „Blunzn“. Der einzige Journalist, der auf die völkerrechtliche Seite der Angelegenheit verwiesen hat, ist der Boulevardjournalist Richard Schmitt. Eine Schande für den so genannten Qualitätsjournalismus (ganz unabhängig davon, welche Auffassung man vertritt).

Und als Jurist darf ich vermerken: Er hat Recht. Die Notifikationstheorie gilt nach wie vor. Unsere Neutralität wurde sämtlichen Staaten notifiziert, mit der Möglichkeit zum Widerspruch. Schon die Aushöhlung der Neutralität im Zuge des EU-Beitritts und die Novellierung des Art 23 f BVG (Petersberg-Maßnahmen) war im Prinzip völkerrechtswidrig, wie auch eine sehr interessante Arbeit einer Grazer Juristin aus dem Jahr 2011 beweist.* Die Beendigung der Neutralität oder gar der Beitritt zu einem Militärbündnis wäre es umso mehr. Und der bekannte Einwand, dass uns die Neutralität aufgezwungen worden wäre, müsste eigentlich dazu führen, dass ein Großteil der völkerrechtlichen Vereinbarungen null und nichtig wäre, da sich nur selten zwei gleichmächtige Vertragspartner gegenüberstehen. Da könnte man zahlreiche Kriege wieder aufflammen lassen.

* https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/222526/full.pdf

Hinzugefügt sei ein Hinweis (von Udo Bachmair) auf einen weiteren brillanten Beitrag von Univ. Prof. Heinz Gärtner zum Thema „Engagierte Neutralität“:

https://www.derstandard.at/story/2000144314288/engagierte-neutralitaet-glaubwuerdig-und-nuetzlich

Plädoyer für Deeskalation

Selten hat ein Zeitungsinterview derartig hasserfüllte Postings ausgelöst wie das heute erschienene STANDARD-Gespräch mit dem Autor und Übersetzer Alexander Nitzberg zum Ukraine-Krieg.

Udo Bachmair

Der sinnlose und brutale russische Krieg gegen die Ukraine ist menschlich und völkerrechtlich unmissverständlich zu verurteilen. Dennoch sollte trotz aller berechtigten Empörung auch Platz sein für differenzierende Betrachtung von Ursachen und Hintergründen dieses Krieges. Dies hat jedoch in den Medien zurzeit kaum Platz. Und wenn, dann ausschließlich aus der Sicht von USA, EU und NATO.

Wohltuend jenseits von Kriegspropaganda und traditionell antirussischem Mainstream westlicher Berichterstattung sind Veröffentlichungen, die etwas gemäßigter und differenzierter ausfallen. So das erwähnte Interview, das STANDARD-Redakteur Ronald Pohl mit dem in Wien lebenden Autor und Übersetzer Alexander Nitzberg geführt hat.

Nitzberg ist vor allem durch vielgelobte Neuübertragungen von Bulgakov-Romanen bekanntgeworden. So etwa durch die Übersetzung des weltberühmten Ukraine-Romans „Die weiße Garde“. Nitzberg, Sohn eines Künstlerpaares, rät angesichts des jetzigen Krieges zu Mäßigung und Deeskalation.

Im Folgenden das Gespräch mit Alexander Nitzberg im Wortlaut :

„STANDARD: Präsident Putin hat die Existenz einer ukrainischen Nation regelrecht in Abrede gestellt.

Nitzberg: Ich habe Putins Rede vom 24.2. auf Russisch gehört und eine solche Passage eigentlich nicht vernommen. Russlands Außenminister Lawrow hat erst unlängst gesagt, dass das russische Volk das ukrainische respektiere und als sein Brudervolk ansehe.

STANDARD: Hat Putin nicht explizit von „Denationalisierung“ gesprochen?

Nitzberg: Er sprach wörtlich von „Denazifizierung“. Putins Rhetorik zielt also auf eine Form des ukrainischen Nationalismus, die bis zum Nazismus reicht. Blicken wir auf die beiden Sprachen: Die Wissenschaft konzediert der ukrainischen Sprache eine eigenständige Entwicklung. Aus dem Altrussischen haben sich verschiedene Sprachen entwickelt, Russisch und Ukrainisch verhalten sich zueinander wie etwa Deutsch und Niederländisch. So etwas ist immer ein Politikum: Sobald Sie behaupten, Ukrainisch sei gar keine eigenständige Sprache, sondern ein Dialekt, bewirken Sie etwas. So etwas hängt von der Perspektive ab. Was wäre der sprachliche „Urmeter“, an dem Sie Maß nähmen? Man kann derartige Definitionen nicht der Sprache selbst entnehmen.

STANDARD: Wie kann man die Katastrophe jetzt beenden?

Nitzberg: Es muss ein Faktor der Menschlichkeit das Handeln leiten, und zwar in beide Richtungen. Ich meine damit eine aktiv gelebte Neutralität. Wenn uns Bulgakows Roman Die weiße Garde etwas lehrt, dann Folgendes: Völker werden zu Spielbällen unterschiedlicher Kräfte, gerade auch solcher, die man nicht sieht. Kämpfe werden aber auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen, und die Menschen fahren einander schließlich an die Kehle. Grundfalsch wäre ein Schwarzweißmuster der Art: „Hier haben wir es mit dem Guten zu tun, dort mit dem Bösen“.

STANDARD: Hat Sie der 24. Februar überrascht?

Nitzberg: Nicht wirklich. Aber man könnte sich auch die Frage stellen: Wer kämpft hier gegen wen? Eine Antwort lautet: Russland gegen die Ukraine. Doch in Wahrheit halten sich sehr viel mehr „Spieler“ auf dem Spielbrett auf, darunter solche, die massive Eigeninteressen vertreten, wie die USA.

STANDARD: Reagiert der Westen zu emotional?

Nitzberg: Unter den Literaten und Übersetzern wird vielfach derart hysterisch reagiert, dass es mir regelrecht den Atem verschlägt, gerade in Österreich und Deutschland. Manche Übersetzer geben sich ungemein martialisch. Jeder Versuch, etwas zu dämpfen, um in sich gehen zu können, um Distanz zu gewinnen, wird so verunmöglicht. Dabei wäre es die angemessene Haltung eines Intellektuellen. Kriegszeiten sind Zeiten der Propaganda. Jeder Misserfolg wird dem Gegner in die Schuhe geschoben. Wenn Sie in einem Hochhaus sitzen und einen Granateneinschlag beobachten – woher wollen Sie wissen, von welcher Seite das Geschoss stammt? Hier in Österreich schwingen sich manche Leute nach zwei, drei Tagen zu Akteuren auf. Dabei rühren sie die Kriegstrommel. Unser „Job“ als Intellektuelle ist es doch, Zurückhaltung zu üben.

STANDARD: Viele lassen sich mitreißen?

Nitzberg: Die Frankfurter Buchmesse hat Russland ausgeladen. Das wäre an sich schon schlimm genug. Aber: Der ukrainische PEN-Club fordert die Weltbevölkerung auf, die gesamte russische Literatur zu boykottieren. Mit der Begründung, es würden in der russischen Literatur immer wieder Elemente auftauchen, die die Ukraine beleidigen! Meine Mutter, Jahrgang 1935, hat den Zweiten Weltkrieg erlebt. Sie hat als Kind Deutsch gelernt. Ich habe sie daraufhin gefragt: Wurde während des Zweiten Weltkriegs die deutsche Literatur etwa von den Behörden verboten? Sie antwortete: im Gegenteil. Man hat Goethe, Schiller, Heine rauf und runter rezitiert. Die Sowjetlehrer argumentierten, Deutschland sei eine Kulturnation mit großartigen Schriftstellern. Hitler ist der Zerstörer. Aber die eigentliche Kultur muss verbreitet werden. Wir Menschen der Schrift haben doch eine Mission. Wir müssen die Menschen zusammenbringen, unabhängig von Ethnie und Ideologie.

STANDARD: Ideologische Einschreibungen werden häufig erst nachträglich vorgenommen.

Nitzberg: Man kann Weltliteratur nicht danach beurteilen, ob irgendwelche „problematischen“ Sätze fallen. Meine Position in all den Jahren ist die gelebte Neutralität. Literatur und Kultur gehören aus der Umklammerung durch die Politik herausgelöst. Ich möchte als Übersetzer stets zeigen, ob ich nun Bulgakow oder Charms ins Deutsche übertrage: Es ist immer eine Unart, ein großes Werk der Weltliteratur ausschließlich durch die politische Brille zu lesen. Es ist sinnlos zu fragen, ob ein Werk „für“ etwas oder „gegen“ etwas ist.

STANDARD: Fehlt uns Sinn für Ambivalenz?

Nitzberg: Es gibt nur noch richtig oder falsch, gleich ob es ums Klima geht, um das Geschlecht, um die „Rasse“. Ist man für Putin, gegen Putin? Das sind doch allesamt simplifizierende Haltungen. Ich habe in den vergangenen Jahren wiederholt mit jungen ukrainischen Künstlern Debatten geführt, die rasch „heiß“ wurden. Sie wurden von meinen Freunden gelegentlich sehr nationalistisch geführt. Solche Meinungen kamen von Menschen, die sich für gewöhnlich kosmopolitisch geben. Es finden sich solche Reflexe häufig bei ursächlich emanzipatorischen Bewegungen. Muss eine engagierte Feministin zwangsläufig eine Männerhasserin sein? Wenn Sie an den ukrainischen PEN denken: Was wäre der nächste logische Schritt? Dass wir die russische Literatur verbrennen?

STANDARD: Wir denken nicht dialektisch?

Nitzberg: Nehmen Sie die Causa Gergiev her. Er ist ein erstrangiger Dirigent und wird vor eine simple Frage gestellt: Er soll ein Lippenbekenntnis leisten, das ihm Zugang zur Arbeit gewährt. Er soll abschwören. Das ist unwürdig und dem konkreten Menschen gegenüber respektlos. Selbst wenn er nicht meiner Meinung ist, muss ich das akzeptieren. Es ist doch klar, dass eine Front mitten durch ihn hindurchläuft. Und mitten durch sein Herz.“

Alexander Nitzberg (52) ist gebürtiger Russe und lebt seit 2010 in Wien. Lyrische Werke, darunter der Suhrkamp-Band Farbenklavier (2012). Zahlreiche Übersetzungen, u.a. von Michail Bulgakow und Boris Sawinkow.

Zum Blatt der Solidarwerkstatt aus Linz

Die Kenntnis der Medienfinanzierung ist wünschenswert

Hans Högl

Ich bekomme regelmäßig die Schrift der Solidarwerkstatt zugesandt. Sie tritt angeblich für eine solidarisches, neutrales und weltoffenes Österreich ein.

Es gibt in diesem Blatt kaum etwas, wogegen es nicht ist: Die EU ist hinter dem Mond, sie spricht sich gegen die Erhöhung des bereits sehr niedrigen österreichischen Verteidigungsbudgets aus und warnt im Bezug auf Österreich von der „Mutter aller Schlachten“(!!!) und schreibt von Vielem anderen und präsentiert sich umweltbewusst.

Und dann ist das Blatt für eine ökosoziale Politik…..

Den Stahlhelm des Monats verleiht sie der Ex-Kanzlerin Brigitte Bierlein (p.2). Also sie ist wirklich keine aggressive Frau!

EU & USA: Kollaboration mit Antisemiten. Foto mit Bild und Text:
Ukrainische Neonazis- Handlanger für die Regime-Change-Politik von EU und USA (p. 5).

Nulltarif – für alle -auf allen Öffis -österreichweit (p. 16). (Schön- alles ist gratis- irgendwer muss aber dafür arbeiten oder dies bezahlen)

Ich schrieb zweimal an die Herausgeber und bat um Auskunft, wie sich das Blatt finanziert und bekam keine Antwort. Das möchte ich hier festhalten

Österreich und EU-Sicherheitsunion

Thomas Roithner (Univ. Wien-Politikwissenschafter). Gastbeitrag

Außenminister Kurz (Liste Kurz, ÖVP) und Verteidigungsminister Doskozil (SPÖ) sind sich einig: Österreich soll sich an der geplanten EU-Sicherheitsunion beteiligen. Was beinhaltet diese? Wo liegen die Probleme? Welches Bild von Frieden und Sicherheit liegt dem zu Grunde und – vor allem – welche Alternativen gibt es? Diese habe ich im Internetportal der Tageszeitung „Der Standard“ dargestellt. Der Artikel kann kostenlos online abgerufen werden.

Die Atomenergie-Organisation (IAEA) in der Wiener UNO-City feierte kürzlich den 60er. Unter Direktor Mohamed ElBaradei wurde sie 2005 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Was kann sie heute angesichts der nuklearen Drohungen leisten? Oder weiter gefasst: Wie kann man dem Krieg die Zähne ziehen? Publiziert wurde der Beitrag in der Wochenzeitung „Die Furche“. Der Beitrag ist online kostenlos abrufbar.