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Bleibt Wrabetz ORF-General ?

Am 10. August steht eine spannende ORF-Wahl bevor. An diesem Tag stimmt der ORF-Stiftungsrat darüber ab, ob Alexander Wrabetz weiter Generaldirektor bleibt. Er bzw. seine(n) Nachfolger(in) wird die dann besonders starke türkise Stiftungsratsmehrheit entsprechend zufriedenstellen müssen…

Udo Bachmair

Kaum eine andere Personalentscheidung beschäftigt Politik und Medien so sehr wie eine Neuwahl der ORF-Spitze. Nun ist es wieder soweit. Der ORF-Wahlkampf hat bereits gehörig an Fahrt aufgenommen.

Die besten Karten hat nach wie vor Alexander Wrabetz, zum dritten Mal sein eigener Nachfolger zu werden. Oft bereits hat der Langzeitchef der größten „Medienorgel“ des Landes seine Flexibilität und politische Anpassungsfähigkeit gezeigt.

Wrabetz, Sozialdemokrat aus einem FPÖ-nahen Elternhaus, „kann praktisch mit allen“, wie es so schön heißt. Er dürfte sogar die Unterstützung von ein paar Türkisen im Stiftungsrat erhalten. Wenn, ja, wenn Wrabetz nach der Wahl der Kurz-ÖVP großzügige personelle Angebote macht.

Im Herbst werden wesentliche Resssortleitungen etwa für Politik, Wirtschaft, Chronik neu ausgeschrieben. Jeder Bewerber, jede Bewerberin um die ORF-Führung ist nur mit dem Versprechen chancenreich, die jetzt schon ÖVP-dominierten Postenbesetzungen im ORF weiter zu erhöhen.

Im Stiftungsrat kommt jedenfalls nach der Wahl im August niemand mehr an der dann absoluten Mehrheit der türkisen ÖVP in diesem Gremium vorbei. Vor diesem Hintergrund könnte Wrabetz vor allem ein interner Konkurrent gefährlich werden: Roland Weißmann, kaufmännischer Vize-Direktor.

Weißmann ist wie sein Förderer Richard Grasl, führender Redakteur im Kurier, gut mit der niederösterreichischen ÖVP vernetzt, Königsmacherin hoher ORF-Posten vor allem in der Zeit von Generaldirektorin Monika Lindner.

So könnte es am 10. August einen Zweikampf Wrabetz / Weißmann geben. ORF-Beobachter trauen sich zurzeit keine eindeutigere Prognose abzugeben. Wrabetz dürfte aber aus aktueller Sicht etwas größere Chancen als sein möglicher Herausforderer auf den begehrten Job haben.

Wie auch immer die künftige ORF-Spitze aussehen wird, sie wird u.a. mit der umstrittenen Causa „zentrales Newscenter“ konfrontiert sein. In dem neu errichteten riesigen Newsroom im ORF-Zentrum sollen die bisher getrennten Redaktionen von TV, Radio und Online untergebracht werden.

Nicht nur Belegschaftsvertreter äußern die Sorge, dass die Zusammenlegung aller wichtigen ORF-Redaktionen Meinungsvielfalt empfindlich stören könnte. Bisher hat es etwa zwischen der Ö1-Information und den ZiB-Redaktionen eine durchaus fruchtbare Konkurrenzsituation gegeben.

Man wird ein demokratiepolitisch waches Auge auf die weitere Entwicklung werfen müssen. Es gilt Anfängen einer „Orbanisierung“ zu wehren, denn es wird befürchtet, dass der zentrale Newsroom eine einseitige, weil zentral gelenkte Berichterstattung begünstigen könnte.

Visionen für den ORF

Medienpolitik hat in den türkis-grünen Regierungsverhandlungen offenbar keine dominante Rolle gespielt. Dabei wäre diese Thematik nicht zuletzt auch demokratiepolitisch von großem Belang, vor allem bezogen auf die Zukunft des ORF.

Udo Bachmair

Eine intensive medienpolitische Debatte wäre höchst überfällig. Das thematische Spektrum würde dabei von unvertretbar hohen Förderungen für den Boulevard bis hin zur Finanzierung und Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks reichen. So ist seit längerem bereits ein neues ORF-Gesetz geplant.

Bei einem Fortbestand der schwarz-blauen Koalition wäre das Überleben des ORF bedroht gewesen, konstatieren medienpolitische Experten. Demnach gab es die Absicht, Gebühreneinnahmen zu streichen und einen Teil des finanziellen Ausfalls aus dem Bundesbudget zu berappen.

Die Folge davon wäre eine noch größere Abhängigkeit des ORF von den jeweils Regierenden gewesen. Zudem hätte die Gefahr weiterer Attacken aus dem Kreis der FPÖ-Regierungspolitiker auf unabhängige ORF-JournalistInnen bestanden.

Folgt man weiteren Äußerungen aus dem rechten politischen Lager, so wäre bei einer Neuauflage der abgewählten Koalition eine Orbanisierung der österreichischen Medienlandschaft nicht auszuschließen gewesen, argumentieren kritische Beobachter.

Vor diesem Hintergrund kommt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunks besondere Bedeutung und Verantwortung zu. Dies steht jedoch nicht im Widerspruch zur Notwendigkeit von Reformen und Visionen für einen erneuerten ORF.

Golli Marboe hat dazu in der Wiener Zeitung einen bemerkenswerten Gastkommentar verfasst, den ich Ihnen nicht vorenthalten will.

„Neue Ziele und Visionen für einen öffentlich-rechtlichen ORF“

Golli Marboe

Nun steht also bald eine türkis-grüne Koalition. Diese sollte sich neben anderen wichtigen Themen auch um ein neues ORF-Gesetz kümmern, das tatsächlich bitter nötig ist. Es sollte aber nicht unabhängig von folgenden vier anderen Themenkreisen besprochen oder gar beschlossen werden:

>> die Vergabe von Inseraten aus Mitteln der öffentlichen Hand (zirka 200 Millionen Euro pro Jahr, bisher vornehmlich an Boulevardmedien);
>> die Vergabekriterien der Privatrundfunkförderung der RTR (20 Millionen Euro pro Jahr, bisher vornehmlich an Oe24, Servus TV und krone.tv);
>> eine Überarbeitung der Presseförderung (derzeit nicht einmal 10 Millionen Euro);
>> eine „Google-Steuer“ für Konzerne aus dem Silicon Valley, die in Europa unheimliche Gewinne an Geld und Daten einfahren, aber praktisch keine Steuern zahlen.

Medienförderung nur für Mitglieder des Presserats

Was hat das alles mit dem ORF zu tun? Der ORF – und insbesondere der Radiosender Ö1 – gilt als das mit Abstand glaubwürdigste Medium des Landes. Und um diese Glaubwürdigkeit als Quelle für kompetente Information auch in Zukunft zu gewährleisten, müssen die Rahmenbedingen des ORF in einem neuen Gesetz weiterentwickelt werden. Das gilt vor allem für eine Verbreitung der ORF-Programme im Online-Bereich, denn hier gilt ja nach wie vor die tatsächlich nicht mehr zeitgemäße Regelung, dass ORF-Inhalte maximal sieben Tage nach Ausstrahlung zur Verfügung stehen dürfen, was ganz konkret bei zeitgeschichtlichen Ereignissen besonders schade ist: Zum Beispiel, wenn man an jenen Samstag im Mai denkt, an dem ganz Österreich auf das Statement von Altbundeskanzler Sebastian Kurz wartete, da waren Millionen Seher beim ORF – als der vierten Säule unserer liberalen Demokratie – versammelt.

Die Berichterstattung im ORF war umfassend, analytisch, sympathisch und von einer Ausgewogenheit, die man in privaten elektronischen Medien nicht finden könnte: So wurde etwa im EU-Wahlkampf bei Puls 4 die Zweierdiskussion von Claudia Gamon (Neos) mit Johannes Voggenhuber (Europa Jetzt) wegen möglicher schwacher Quoten aus dem Programm genommen (FPÖ-Kandidat Harald Vilimsky hingegen bekam seine Bühne). Und sowohl bei „Fellner Live“ auf OE24 als auch im „Talk im Hangar“ bei Servus TV gehört ein gewisser Martin Sellner (Chef der Identitären) offenbar zu den Stammgästen der beiden vom RTR-Privatmedienfördertopf profitierenden Sender. Eine staatliche Unterstützung sollte in Zukunft grundsätzlich nur an jene Medien vergeben werden, die Mitglied im Presserat sind und sich dementsprechend an journalistische Grundregeln halten.

Neue Ziele und Visionen für den öffentlich-rechtlichen ORF

Medienpolitik war in den türkis-grünen Koalitionsgesprächen (bisher) leider kein Thema. Insbesondere manche ÖVP-Politiker sollten sich beispielsweise die Frage stellen, ob Markus Breitenecker, der Chef von ProSiebenSat.1Puls4, damit durchkommt, das mit Gebühren finanzierte ORF-Archiv für seine Plattformen zugänglich zu machen. Sein Appell für eine europäische Allianz gegen Google und Co. scheint wenig glaubwürdig, wenn man bedenkt, dass sein Medienkonzern selbst ein börsennotiertes Unternehmen mit auf Gewinn ausgerichteter Zielsetzung ist. Öffentlich-rechtliche Sender, allen voran die BBC (aber eben auch der ORF), orientieren sich hingegen an demokratischen und nicht an marktorientierten Richtlinien.

Der ORF könnte durch ein neues Gesetz wieder Ziele und Visionen entwickeln. Vor allem, wenn die Landesstudios überregionale Aufgaben erhalten, um eben nicht nur über deren Landeshauptleute berichten zu müssen. Warum wird nicht zum Beispiel ORF1 von Graz aus gestaltet, in einen Doku- und Reportagesender verwandelt und in verschiedenen mitteleuropäischen Sprachen (Deutsch, Ungarisch, Serbisch, Kroatisch, Albanisch, Tschechisch, Slowakisch) ausgestrahlt? Ganz nach dem Vorbild von Arte, das seinerzeit von Präsident François Mitterand und Kanzler Helmut Kohl mit dem Ziel initiiert wurde, das Alltagsverständnis zwischen Frankreich und Deutschland zu verbessern. Ein TV-Anbieter unter Federführung des ORF, das wäre eine Vision für den gemeinsamen Lebensraum Mitteleuropa.

Warum wird nicht ORF Sport+ nach Innsbruck übersiedelt und dort dann an einem Sportjournalismus gearbeitet, der nicht nur die Sieger verherrlicht (und damit den Populismus fördert), sondern das System Sport in all seinen Facetten durchaus auch in Frage stellt? Warum entsteht nicht in Linz in Kooperation mit der Ars Electonica ein Cluster für Kinder- und Jugendprogramme? Dafür sollte vom Gesetzgeber vorgesehen werden, dass der ORF für Sportrechte maximal so viele Mittel aufwenden darf wie für Kinder-Content. Denn der ORF gibt seit Jahren für Formel 1, DTM und Ähnliches das 20-Fache dessen aus, was für das gesamte Kinder- und Jugendprogramm zur Verfügung steht.

Warum mutet ORF III wie ein Sender für Heimatverbundene an? Der teilweise in Salzburg angesiedelte Kultur- und Informationssender orientiert sich offenbar am Charakter von Servus TV und leider nicht am journalistischen Selbstverständnis der beiden großartigen Radioprogramme Ö1 und FM4. Wo findet sich eine Plattform für heimische Künstlerinnen und Künstler (auch solche, die noch keine breite Öffentlichkeit erreichen) oder für Formate, die in und mit dem Netz entwickelt sind, wie auf arte.tv oder auf funk.net, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF?

Werbesendungen, die „Magazine“ genannt werden

Es gibt Formate, die der ORF tatsächlich als „Magazin“ bezeichnet, die man in anderen öffentlich-rechtlichen Sendern der Erde aber ganz bestimmt als Werbesendungen der Autoindustrie bezeichnen würde: „mobilitas“ und „Autofokus“ huldigen in ihren Sendungen Sportwagen oder dem Dieselmotor. Da werden Autofahrer interviewt, die sich über die Staus im Pendlerverkehr beschweren, aber dabei jeweils allein im Autos sitzen . . . Der ORF muss unbedingt werbefrei werden, um auf derlei Produkte konsequent verzichten zu können. Außerdem würden damit dann auch die Mittel aus der Werbewirtschaft für die Privatmedien aus dem Print-, TV-, Radio- und Online-Markt frei werden.

In Deutschland wurde vor wenigen Jahren höchst erfolgreich eine Haushaltsabgabe eingeführt. Damit zahlt jede und jeder Einzelne weniger als früher, die Sender haben dennoch die gleichen Mittel für das öffentlich-rechtliche Programm zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es auch eine Einigung zwischen den Verlegern Deutschlands und den öffentlich-rechtlichen Sendern zur Nutzung des Netzes. ARD und ZDF widmen sich den Bewegtbild- und Audioangeboten, die Verlage gehen in deren Online-Angeboten von ihren Printprodukten aus. Damit wurde die zeitliche Beschränkung der Bereitstellung der TV- und Radioprogramme im Netz für die Sender gekippt.

In diesem Sinne sollte sich der ORF ebenfalls auf seine originären Aufgaben – Bewegtbild und Audio im Netz – konzentrieren. Ein modernes Medienhaus braucht eine Abteilung aus Daten- und investigativen Journalistinnen und Journalisten. Die Kollegen von dossier.at machen vor, was der ORF selbstverständlich tun sollte: beispielsweise beobachten, was die öffentliche Hand an Inseraten im Boulevard schaltet, statt in Presseförderung der Qualitätszeitungen zu investieren (knapp 10 Millionen Euro Presseförderung für Qualitätszeitungen stehen um die 200 Millionen für Inserate in „Heute“, „Krone“ und „Österreich“ gegenüber).

Barrierefreiheit als Selbstverständlichkeit

In spätestens fünf Jahren sollten sämtliche ORF-Programme mit Untertiteln und Audiodeskription zur Verfügung stehen. Es bleibt ein Rätsel, warum ein Konzern mit rund einer Milliarde Euro Jahresumsatz nicht in der Lage ist, das meistgesehene Format des ORF-Fernsehens, nämlich „Bundesland heute“, barrierefrei auszustrahlen.

Wie kann man all das finanzieren? Indem man das ORF-Budget umschichtet. Wenn man ORF E – einen Tochterbetrieb, der bisher primär Werbekunden akquiriert und Marketingaktivitäten betreut – umbaut und daraus eine Unit bildet, die sich um Partner für Programminhalte kümmert. Statt für die von der Werbewirtschaft geforderten Einwegprodukte, wie Sport und US-Serien, sollten die vorhandenen Mittel in Co-Produktionen mit anderen Sendern und vor allem mit europäischen Produzenten investiert werden.
Damit entstünde nicht nur Wertschöpfung, sondern auch eine gewisse Nachhaltigkeit für das wichtigste Lebensmittel unserer Zeit: Medien und Daten. Denn weder die Beiträge in Sozialen Medien noch die Postings unter Zeitungsartikeln wie diesem können die journalistische Qualität von Sendungen wie „ZiB 2“, „Morgenjournal“, „Kreuz und Quer“ oder Satireformaten wie den „Staatskünstlern“ ersetzen. Oder eben auch einer Live-Berichterstattung vom Ballhausplatz wie am 18. Mai 2019.

Zum Autor des Beitrags:
Golli Marboe war lange Jahre TV-Produzent, ist heute Vortragender zu Medienfragen, moderiert und gestaltet redaktionell das Medienmagazin „Content“. Er ist außerdem Obmann des Vereins zur Förderung eines selbstbestimmten Umgangs mit Medien sowie Mitglied des ORF-Publikumsrates (nominiert vom Neos Lab).

Vormarsch von Demokratie und Pressefreiheit gestoppt ?

Und wieder ist er „Journalist des Jahres“ geworden: Armin Wolf. Das Branchenmagazin „Der Journalist“ hat ihn erneut für sein journalistisches Engagement geehrt.

Udo Bachmair

„Wir durften uns jahrzehntelang sicher fühlen. Auf der richtigen Seite, auf der von Demokratie und Freiheit. Doch dieser Vormarsch scheint zum ersten Mal in moderner Zeit gestoppt“. Mit dieser Einschätzung eröffnete Claus Kleber, „Anchorman“ des ZDF-„Heute Journal“, seine Laudatio auf Preisträger Armin Wolf.

„Wenn wir nicht höllisch aufpassen, wird die Abkehr von freiheitlicher Ordnung ein bestimmendes Phänomen des 21. Jahrhunderts“, so Claus Kleber.

Angesichts dieses Befunds ist in Zeiten wie diesen kritischer Journalismus nötiger denn je. Und den verkörpern Journalisten wie Armin Wolf für viele auf vorbildliche Weise.

Wolfs Erwiderung auf die Laudatio geriet zu einer neuerlichen Kritik an der Medienpolitik. Diese sei vor allem mit Köpfen beschäftigt. So werde ein neuer künftiger ORF-Vorstand türkis/blau eingefärbt sein. Ein Aus für den bisherigen ORF-Generals Alexander Wrabetz, der den ORF-Redaktionen bisher einen vergleichsweise großen journalistischen Spielraum zugestanden hat.

Der ausgezeichnete ZIB 2-Präsentator kritisierte auch die öffentlichen Attacken auf ORF-Journalisten vor allem seitens der FPÖ. Wolf zu den Einschüchterungsversuchen gegen kritische Journalisten: „ Da zeigt sich tatsächlich ein elementares Problem im Verständnis, was Pressefreiheit ist und von der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit des ORF“.

Es gilt als wahrscheinlich, dass im Zuge des neuen ORF-Gesetzes, das noch bis zum Sommer das Licht der Öffentlichkeit erblicken soll, auch weitere regierungsnahe personalpolitische Maßnahmen getroffen werden. Von einer „Orbanisierung“ ist allerdings bisher (noch) nicht die Rede sein.

Appell an die Bundesregierung: Unabhängigkeit des ORF erhalten !

Udo Bachmair

Ein neues ORF-Gesetz könnte gleichsam über Nacht in gewohnter „Drüberfahr-Manier“ der Bundesregierung präsentiert werden. Für so manch kritischen Medienbeobachter eine schwere Drohung. Denn für den ORF und die journalistische Freiheit  könnten schwere Zeiten anbrechen. Mit auch demokratiepolitisch problematischen Konsequenzen.

Die Entwicklung animiert besorgte Akteure, unermüdlich auf die für journalistische Freiheit und Qualitätsjournalismus unverzichtbar Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hinzuweisen. Attacken auf unabhängige (ORF-) JournalistInnen seitens der Regierungspartei FPÖ hatten im Vorfeld der Neufassung des ORF-Gesetzes Besorgnis und Empörung ausgelöst.

Befürchtet wird u.a. eine noch nicht dagewesene parteipolitische Einfärbung der ORF-Spitze, mit der das Unternehmen gefügig gemacht werden soll. Es gilt nur noch als Frage der Zeit, bis ein neuer (mehrköpfiger) Vorstand mit klar türkis/blauer Dominanz die bisherige Geschäftsführung unter Generaldirektor Wrabetz, der durchaus journalistische Freiräume gewährt hat, aushebelt.

Kommt hinzu, dass der Plan, den ORF künftig via Bundesbudget zu finanzieren, zu einer völligen Abhängigkeit von Staat und Regierung führen würde. Die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wäre dann weitgehend Geschichte, so die Besorgnis von Kommentatoren, die Österreichs Medien und Demokratie nicht in Richtung Orbanisierung abdriften sehen wollen…

Die Plattform „Wir für den ORF“ und andere Initiativen haben einen Appell an die Bundesregierung gerichtet, die Zukunftsfähigkeit, Unabhängigkeit und wirtschaftliche Eigenständigkeit des ORF auch durch das neue ORF-Gesetz zu gewährleisten.

 

Unabhängiger ORF unverzichtbarer denn je

Udo Bachmair

( Rede gehalten bei der alternativen Medienenquete am 6.6.2018 in Wien )

Ich spreche hier als Verantwortlicher der Vereinigung für Medienkultur, besonders aber als langjähriger Moderator-und Redakteur des ORF, dem ich mich nach wie vor verbunden fühle.

Umso mehr betrachte ich die Entwicklung und die Vorgänge rund um das Unternehmen mit einiger Sorge.

Es sind nie da gewesene Angriffe und Untergriffe seitens einer Regierungspartei gegen unabhängige ORF-Journalisten und Journalistinnen zu registrieren.

>> Da werden allen Ernstes Journalistinnen und Journalisten generell der Lüge bezichtigt –

>> Da wird ein profunder TV-Moderator als „unbotmäßig“ an den Pranger gestellt –

>> Da wird ORF-Korrespondenten mit dem Hinauswurf gedroht –

Und das aus dem Munde von Vertretern einer Regierungspartei.

Das Gefühl, unter Druck zu stehen ist bei  ORF-KollegInnen und Kollegen deutlich gewachsen. Das bestätigen mir mehrere Gespräche.

Es ist nicht zu leugnen, dass die Politik bei Postenbesetzungen, öffentlichen Zurufen und versteckten Interventionen auch schon Jahre und Jahrzehnte zuvor beim ORF immer wieder eine Rolle gespielt hat.

Die nunmehrige Entwicklung hat jedoch eine neue äußerst zweifelhafte Qualität :

Es stellt sich nicht zuletzt die bange Frage:

Schreitet auch hierzulande eine mehr oder weniger schleichende Orbanisierung voran ?

Eine Entwicklung, die uns wegführt von Medienvielfalt  sowie von freiem und unabhängigem Journalismus ?

Vor diesem Hintergrund meine ich:

Ein unabhängiger Rundfunk ist unverzichtbarer denn je.

Natürlich kann und soll der Wert des Öffentlich-Rechtlichen neu diskutiert, teils auch neu definiert werden.

Das erscheint umso notwendiger im Umfeld einer Medienlandschaft, die geprägt ist von einem beispiellosen Konzentration an Boulevardmedien speziell im Osten unseres Landes.

Dem ORF und den Qualitätszeitungen kommt in dem Zusammenhang eine besondere Rolle zu. Auch als Gegengewicht zu all dem, was sich an höchst bedenklichen Inhalten in den sogenannten „Sozialen“ Medien abspielt. Hass und Hetze gegen Minderheiten, insbesondere gegen Flüchtlinge und Asylwerber.

Der ORF dagegen muss ein Hort sein für seriösen differenzierenden Qualitäts-Journalismus

Er kann die Rolle aber nur dann erfüllen, wenn von ihm und seinen Programmitarbeitern Druck genommen wird.

Und: Wenn auch seine Finanzierung gesichert ist.

Aus meiner Sicht sollte das bisherige Finanzierungsmodell erhalten bleiben, teils Werbeeinnahmen, teils Einnahmen über die Gebühren. Diese jedenfalls sollten von den jeweiligen Landesabgaben entschlackt werden.

Keinesfalls zu begrüßen wäre der Vorschlag, den ORF aus dem Bundesbudget zu finanzieren.

Das hätten die Regierungsparteien wohl gern. Denn dann müsste die ORF-Führung jährlich zum Finanzminister pilgern, um demütig die Sicherstellung der weiteren Finanzierung zu erbitten.

Erwartetes Wohlverhalten seitens des ORF verstünde sich in diesem Fall wohl von selbst. Auf der anderen Seite ein noch effektiverer Zugriff der Mächtigen auf das Unternehmen.

Der ORF muss allerdings die finanzielle Unterstützung im wahrsten Sinn des Wortes auch verdienen:

In erster Linie mit Qualität seiner Programme und journalistischer Glaubwürdigkeit.

Diese kann und sollte etwa auch in der außenpolitischen Berichterstattung gestärkt werden. Durch weniger Schlagseite bei so komplexen Causen wie etwa dem Ukraine-, Nahost oder Syrien-Konflikt.

Oder in der innenpolitischen Berichterstattung darauf zu achten, nicht der gespenstisch gut inszenierten Regierungspropaganda auf den Leim zu gehen.

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk sollte bestrebt sein, seinen Kultur-und Informationsauftrag auch mit einer besseren Durchmischung auf die einzelnen Kanäle zu erfüllen. So wären sicher weitere Programmkorrekturen  von ORF 1 vonnöten. Damit kann der Kritik begegnet werden, dieser Kanal sei programmiert wie ein kommerzieller Privatsender.

Das heißt: Der ORF muss sich klar unterscheidbar machen.

Das gelingt zu 100 Prozent bei ORF 3 sowie bei Ö 1.

Und das soll so bleiben. Das soll nicht durch neue Zugriffsversuche auf den ORF gefährdet werden.

Verdeckt von der perfekten Inszenierung einer Medienenquete der Regierung dürften schon längst die Vorarbeiten für ein neues ORF-Gesetz begonnen haben.

Und es wäre naiv anzunehmen, dass nach der blau-schwarzen Einfärbung des Stiftungsrates der politische Einfluss auf den ORF dann nicht noch weiter verstärkt wird. Gewarnt sei vor dem Ziel, auch die oberste Führungsebene des ORF entsprechend zu verändern.

Vor diesem Hintergrund der Appell an die Regierung :

Lasst den ORF und seine Redaktionen in Ruhe arbeiten ! Hände weg vom ORF

 

 

Hände weg vom ORF !

Steigender FPÖ-Druck auf den ORF

Udo Bachmair

ORF-Redakteure und Moderatoren sind seit längerem bereits im Visier der FPÖ. In den vergangenen Tagen und Wochen haben die Anti-ORF- Attacken einen neuen Höhepunkt erreicht. Einschüchterung und Bedrohung kritischer JournalistInnen sind eine auch demokratiepolitisch bedenkliche Entwicklung.

Ziel der vor allem via Facebook verbreiteten Angriffe ist wieder einmal Armin Wolf. Keine Überraschung, gehört er doch zu jenen ORF-Journalisten, die gut vorbereitet und journalistisch korrekt ihre Aufgabe erfüllen.

Kritik an ihm und manchen seiner KollegInnen ist durchaus legitim, die nun geübte Praxis aber, den ORF insgesamt abzuqualifizieren, steht dem Chef einer Regierungspartei in keiner Weise zu. Schon gar nicht, einzelne Redakteure zu diffamieren und generell der Lüge zu bezichtigen.

Nach den Gesprächen, die ich mit Ex-ORF-KollegInnen geführt habe, verstärkt sich bei mir der Eindruck, dass der ORF noch nie in seiner Geschichte einem derart penetranten Druck ausgesetzt war wie in diesen Tagen und Wochen.

Dass mit dem ORF offenbar auch unabhängiger und seriöser Journalismus sturmreif geschossen werden soll, lässt die Alarmglocken schrillen. Droht unserem Land die Orbanisierung oder sind wir schon mitten auf dem Weg dorthin ?

Aus der Kanzlerpartei ÖVP ist bisher vornehmlich Schweigen zu vernehmen. Das wird der Kurz-schen neuer Volkspartei längerfristig nicht zum Vorteil gereichen. Sie läuft Gefahr, den bürgerlich-liberalen und christlich-sozialen Flügel ganz einzubüßen, wenn der Kanzler seinen ungezügelten Koalitionspartner nicht zur Ordnung ruft.

Trotz aller Fehlleistungen, die in einem großen Unternehmen passieren können ( Beispiel der verunglückte Tiroler Beitrag über den dortigen FPÖ-Chef ), darf der Wert des Öffentlich-Rechtlichen nicht pauschal in Misskredit gezogen werden. Dem Öffentlich-Rechtlichen a la ORF kommt gerade im Umfeld einer bedenklich hohen Konzentration an Boulevardmedien, die vielfach rechtspopulistisch infiziert sind, eine besonders wichtige Rolle zu. Hände weg vom ORF ! weiterlesen