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ORF-Newsroom: Politik-Zugriff erleichtert?

Der neue ORF-Generaldirektor ist bestellt. Roland Weißmann, der Regierungskandidat, wird sein Amt allerdings erst 2022 antreten. Der bis dahin noch amtierende ORF-Chef Alexander Wrabetz will aber dennoch gemeinsam mit dem Neuen das umstrittene Großprojekt Newsroom finalisieren.

Udo Bachmair

Der neue große Newsroom im ORF-Zentrum auf dem Küniglberg wird das Herzstück der ORF-Information. Die bisher weitgehend unabhängig voneinander agierenden Redaktionen von TV, Radio und Online werden künftig in dem neuen Newscenter zusammengelegt. Das heißt: Die Berichterstattung in den Bereichen Außenpolitik, Innenpolitik, Wirtschaft, Kultur erfolgt künftig zentral aus dem nicht unumstrittenen riesigen Newsroom. So wird das Funkhaus in der Argentinierstraße, Hort u.a. der renommierten Radiosender Ö1 und FM4, 2022 endgültig in Richtung „Küberg“ abgesiedelt.

Alle Bedenken gegen diese Entwicklung werden von der alten und der neuen ORF-Führung vom Tisch gewischt. Genügend Stimmen auch seitens der Programm-MitarbeiterInnen haben davor gewarnt, die bisherige durchaus befruchtende Konkurrenz zwischen den unterschiedlichen Redaktionen durch deren Verortung an einer einzigen zentralen Stelle zu gefährden. Wie der multimediale Newsroom konkret ausgestaltet sein wird und wie dort Kooperation und Kommunikation zwischen den erwähnten Ressorts ablaufen werden, bleibt vorerst unklar. Noch wichtiger: Wer wird dort das Sagen haben ?

Weder im Konzept von Weißmann noch in dem von Wrabetz finden sich dazu klar ausgearbeitete Strukturen. Eine Organisationsanweisung soll im Herbst folgen. Die ORF-Redakteursvertreter beklagen jedoch, bei den meisten Planungssitzungen nicht eingebunden worden zu sein. „Da gibt es noch viele Fragezeichen“, so kürzlich Dieter Bornemann vom ORF-Redakteursrat. Auch andere Redakteurssprecher wollen Widerstand leisten gegen einen drohenden politischen Zugriff. Der wird durch „Fusionierung und Zentralisierung“ freilich erleichtert, befürchten Insider.

Sowohl Weißmann als auch Wrabetz versuchen im Zusammenhang mit einem potentiellen neuen zentralen Chefredakteur zu beruhigen. Zu nachhaltig sind offenbar Erfahrungen mit dem unter Generaldirektorin Monika Lindner installierten TV-Chef Werner Mück. Der hatte den Ruf, eifrig als „Exekutor“ im Sinne der ÖVP agiert zu haben. Wie auch immer: Sollte der fast schon legendären Kurz’schen Message-Control auch im ORF verstärkt zum Durchbruch verholfen werden, könnte das an den ORF-Redakteuren scheitern. Deren Sprecher haben angekündigt, parteipolitische Unabhängigkeit „mutig und konsequent“ verteidigen zu wollen.

Bleibt Wrabetz ORF-General ?

Am 10. August steht eine spannende ORF-Wahl bevor. An diesem Tag stimmt der ORF-Stiftungsrat darüber ab, ob Alexander Wrabetz weiter Generaldirektor bleibt. Er bzw. seine(n) Nachfolger(in) wird die dann besonders starke türkise Stiftungsratsmehrheit entsprechend zufriedenstellen müssen…

Udo Bachmair

Kaum eine andere Personalentscheidung beschäftigt Politik und Medien so sehr wie eine Neuwahl der ORF-Spitze. Nun ist es wieder soweit. Der ORF-Wahlkampf hat bereits gehörig an Fahrt aufgenommen.

Die besten Karten hat nach wie vor Alexander Wrabetz, zum dritten Mal sein eigener Nachfolger zu werden. Oft bereits hat der Langzeitchef der größten „Medienorgel“ des Landes seine Flexibilität und politische Anpassungsfähigkeit gezeigt.

Wrabetz, Sozialdemokrat aus einem FPÖ-nahen Elternhaus, „kann praktisch mit allen“, wie es so schön heißt. Er dürfte sogar die Unterstützung von ein paar Türkisen im Stiftungsrat erhalten. Wenn, ja, wenn Wrabetz nach der Wahl der Kurz-ÖVP großzügige personelle Angebote macht.

Im Herbst werden wesentliche Resssortleitungen etwa für Politik, Wirtschaft, Chronik neu ausgeschrieben. Jeder Bewerber, jede Bewerberin um die ORF-Führung ist nur mit dem Versprechen chancenreich, die jetzt schon ÖVP-dominierten Postenbesetzungen im ORF weiter zu erhöhen.

Im Stiftungsrat kommt jedenfalls nach der Wahl im August niemand mehr an der dann absoluten Mehrheit der türkisen ÖVP in diesem Gremium vorbei. Vor diesem Hintergrund könnte Wrabetz vor allem ein interner Konkurrent gefährlich werden: Roland Weißmann, kaufmännischer Vize-Direktor.

Weißmann ist wie sein Förderer Richard Grasl, führender Redakteur im Kurier, gut mit der niederösterreichischen ÖVP vernetzt, Königsmacherin hoher ORF-Posten vor allem in der Zeit von Generaldirektorin Monika Lindner.

So könnte es am 10. August einen Zweikampf Wrabetz / Weißmann geben. ORF-Beobachter trauen sich zurzeit keine eindeutigere Prognose abzugeben. Wrabetz dürfte aber aus aktueller Sicht etwas größere Chancen als sein möglicher Herausforderer auf den begehrten Job haben.

Wie auch immer die künftige ORF-Spitze aussehen wird, sie wird u.a. mit der umstrittenen Causa „zentrales Newscenter“ konfrontiert sein. In dem neu errichteten riesigen Newsroom im ORF-Zentrum sollen die bisher getrennten Redaktionen von TV, Radio und Online untergebracht werden.

Nicht nur Belegschaftsvertreter äußern die Sorge, dass die Zusammenlegung aller wichtigen ORF-Redaktionen Meinungsvielfalt empfindlich stören könnte. Bisher hat es etwa zwischen der Ö1-Information und den ZiB-Redaktionen eine durchaus fruchtbare Konkurrenzsituation gegeben.

Man wird ein demokratiepolitisch waches Auge auf die weitere Entwicklung werfen müssen. Es gilt Anfängen einer „Orbanisierung“ zu wehren, denn es wird befürchtet, dass der zentrale Newsroom eine einseitige, weil zentral gelenkte Berichterstattung begünstigen könnte.

Aufatmen im ORF

Das Scheitern der türkis-blauen Koalition, im Besonderen das Aus für die FPÖ-Regierungsmitglieder, löst bei unabhängigen ORF-JournalistInnen Erleichterung aus.

Udo Bachmair

Der Spuk ist vorbei. Das von FPÖ-Vertretern gegen ORF-JournalistInnen aufgebaute Bedrohungsszenario erscheint vorerst aufgelöst. Diese für manche ORFler nahezu „befreiende“ Entwicklung lässt Selbstzensur, die sogenannte die Schere im Kopf, nun wieder weniger in Erscheinung treten.

So manche ORF-ProgrammmitarbeiterInnen, vor allem in den Informationsabteilungen, hatten sich von seiten der Regierungspartei FPÖ bedroht gefühlt. Unverblümt war „unbotmäßig“ berichtenden Redakteuren der Hinauswurf nahegelegt worden. Der zurückgetretene FPÖ-Chef Strache hatte gar den gesamten ORF als „Ort der Lüge“ diffamiert.

Ganz zu schweigen von den ständigen Attacken von Regierungsvertretern gegen den seriös kritischen ORF-Journalisten Armin Wolf. Diesem hatte Ex-FPÖ-Chef und ORF-Stiftungsratsvorsitzender Steger eine Auszeit nahegelegt. Diese muss er nun selbst antreten. Auch das ein Akt der Erleichterung in ORF-Redaktionen, wie mir in Gesprächen mit Ex-ORF-KollegInnen bestätigt wird..

Hoffnung für den demokratiepolitisch so wichtigen öffentlich-rechtlichen ORF besteht nun auch darin, dass er nicht mehr um seine finanzielle Absicherung bangen muss, die ihm die FPÖ verwehren wollte. Das wäre das Ende des ORF gewesen, geben nicht nur Insider zu bedenken.

Jedenfalls sind im ORF-Zentrum und im ORF-Funkhaus Aufatmen und Erleichterung angesichts des nachlassenden Drucks deutlich spürbar. Das hat sich auch auf die hervorragende Berichterstattung des ORF rund um die EU-Wahl und den FPÖ-Skandal entsprechend positiv ausgewirkt.

Die hierzulande bedroht gewesene Presse- und Meinungsfreiheit a la Ungarn erscheint nun gerettet. Wie lange, bleibt offen. Es empfiehlt sich, weiter auf der Hut zu sein.

Nach der Wahl: Zur Zukunft von ORF und Funkhaus

Udo Bachmair

Die Nationalratswahl ist geschlagen, die Neuauflage einer schwarz-blauen Koalition gilt als wahrscheinlich. Eine Entwicklung, die mit großem Interesse und unverkennbarer Nervosität auch im ORF registriert und diskutiert wird. So wachsen bei Belegschaft und ORF-Führung Ängste und Befürchtungen über angebliche Pläne, ORF 1 und Ö 3 zu verkaufen. Ein solcher Privatisierungsschritt käme einer Zerschlagung des ORF gleich, wird argumentiert. So schnell, wenn überhaupt, dürfte es jedoch nicht dazu kommen.

Realistischer ist da schon eine komplette Umfärbung der wichtigsten ORF-Positionen. Abgeschreckt vom rigiden Kurs des ÖVP-nahen Hardliner-Duos Monika Lindner / Werner Mück erscheint das vielen im ORF als gefährliche Drohung. ORF-Redakteure haben den seither unter Wrabetz erreichten journalistischen Spiel-und Freiraum durchaus schätzen gelernt , wie mir Ex-ORF-Kollegen bestätigen. Der Vorwurf, Wrabetz würde ORF-Informationsabteilungen parteipolitisch gängeln, läuft daher weitgehend ins Leere.

Angesichts der voraussichtlich neuen politischen Konstellation im Lande erscheint auch die Zukunft des Funkhauses brisant. Noch im Vorjahr war fix mit der Absiedelung von Ö 1 und FM 4 aus dem Wiener Funkhaus gerechnet worden. Diese Fehlentscheidung des ORF-Stiftungsrates dürfte zwar endgültig vom Tisch sein, doch es kursieren neue Gerüchte, dass die Radioinformation als einziger Bereich in bestehende Hallen des ORF-Zentrums verbannt werden soll. Die Generaldirektion hat nämlich eine Machbarkeitsstudie zu solchen Überlegungen in Auftrag gegeben…

Die ProponentInnen und UnterstützerInnen der Funkhausrettung haben aus aktuellem Anlass folgende Erklärung veröffentlicht:

„Wir freuen uns, dass der ORF den 50. Geburtstag seines Kultur- und Informationssenders Ö1 sowohl im Wiener Funkhaus als auch in seinem Hörfunk- und Fernsehprogramm gefeiert und im Funkhaus einen würdigen Rahmen dafür vorgefunden hat. Er hat damit die Aufmerksamkeit auf das Funkhaus als Hauptstandort seiner Hörfunksender gelenkt. Wir verstehen das als Zeichen, dass ihm sein Funkhaus etwas wert ist und er es behalten möchte.

Daher gehen wir davon aus, dass nicht mehr an den Verkauf des gesamten Funkhauses gedacht ist. Nur noch Überlegungen zu einem Teilverkauf wurden zuletzt bekannt. Aber auch ein Teilverkauf des Funkhauses würde in den Folgekosten den Verkaufserlös bei weitem übersteigen und das Funktionieren von Ö1, FM4 und Radio Wien durch die Aufteilung der einzelnen Programmbereiche auf verschiedene Standorte elementar gefährden. 
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