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ORF-Ressort Religion als PR-Abteilung ?

Der ORF „leistet“ sich eine Religionsabteilung. Eines der Alleinstellungsmerkmale des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Garantie auch für anerkannt gute journalistische Arbeit.

Udo Bachmair

Längst ist die „ORF-Religion“ kein ( katholischer ) „Kirchenfunk“ mehr. Die Redaktion der Abteilung versteht sich in kritischer Äquidistanz zu allen Religionen. Darum hat sich vor allem der legendäre frühere Ressortleiter Peter Pawlovsky verdient gemacht. Und auch die neue Chefin des Religionsressorts, Barbara Krenn, führt diese Tradition bestmöglich fort.

TV-Highlights wie „Orientierung“ oder „Kreuz&Quer“, die ich einige Jahre die Ehre hatte zu moderieren, stehen für ORF-Qualität, wie sie der öffentliche Kultur- und Informationsauftrag des ORF zu erfüllen hat. Und auch das ORF-Radio bietet von „Religion aktuell“ bis „Praxis“ und zahlreichen weiteren Sendungen qualitative Berichterstattung.

Vor diesem Hintergrund sei Ihnen eine in der „Wiener Zeitung“ veröffentlichte Analyse von Barbara Krenn nicht vorenthalten, die Bezug nimmt auf einen kritischen Gastkommentar von Gerhard Engelmayer. Ausgehend vom Religionsunterricht kritisierte der Autor u. a. das Konkordat und auch die ORF-Abteilung Religion.

Darauf hat Barbara Krenn in der Wiener Zeitung folgendermaßen reagiert :

Die ORF-Religionsabteilung ist weder „Kirchenfunk“ noch PR-Abteilung der Kirchen

Barbara Krenn

Im Gastkommentar von Gerhard Engelmayer geht es im Zusammenhang mit dem Konkordat unter anderem auch um die Religionsberichterstattung und die Religionsabteilung des ORF. Der Autor stellt darin folgende Behauptungen auf:

„Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk diktiert dieser Vertrag (Anm: gemeint ist das Konkordat)sogar Sendungen, deren Inhalt die Kirche bestimmt.“ Das ist falsch.

„. . . denn was gesendet wird, geht durch die ‚kleine Zensur‘: Der Stephansplatz gibt sein Sanctus, er dirigiert schließlich – mittelbar auch aufgrund des Vertrages – eine eigene ORF-Abteilung, die Religionsabteilung.“ Das ist falsch.

„Ihr Leiter ist ein ehemaliger Pastoralassistent.“ Das ist falsch.

Richtig ist vielmehr: Als Journalistinnen und Journalisten der Religionsabteilung sind wir – wie alle anderen Journalisten des ORF auch – dem ORF-Gesetz verpflichtet. Wir haben daher nicht nur das Recht auf Unabhängigkeit, sondern auch die Pflicht dazu.

Die Religionsabteilung des ORF ist weder „Kirchenfunk“ noch PR-Abteilung der Kirchen und Religionsgemeinschaften. Weder bei den Sendungsinhalten noch bei der Bestellung von Mitarbeitenden hat „die Kirche“ beziehungsweise „der Stephansdom“ ein Mitspracherecht.

Der ORF ist den Bürgerinnen und Bürgern Österreichs verpflichtet. Das bedeutet: Vielfalt und Diversität sind zentral. Genauso wie der ORF aktuelle Information und Unterhaltendes bieten muss, hat er Sportbegeisterte, Kulturinteressierte, Menschen am Rande der Gesellschaft und auch Religionsaffine anzusprechen.

Für die Religionsabteilung bedeutet das unter anderem: Menschen über ihre Glaubens- und Wertvorstellungen miteinander ins Gespräch zu bringen; der Frage nach dem Stellenwert von Religion in einer aufgeklärten Gesellschaft nachzugehen und auch das Verhältnis von Religion und Politik, von Glaube und Vernunft zu diskutieren. Und es bedeutet – auch dazu verpflichtet das Gesetz den ORF -, über alle gesetzlich anerkannten Kirchen (und nicht ausschließlich die römisch-katholische Kirche!) und Religionsgemeinschaften in Österreich – derzeit sind es 16 – angemessen zu berichten. In kritischer Distanz wohlgemerkt.

P.S.: Weder ich noch mein Vorgänger waren im früheren beruflichen Leben Pastoralassistent/in.
( Barbara Krenn )

Unabhängiger ORF unverzichtbarer denn je

Udo Bachmair

( Rede gehalten bei der alternativen Medienenquete am 6.6.2018 in Wien )

Ich spreche hier als Verantwortlicher der Vereinigung für Medienkultur, besonders aber als langjähriger Moderator-und Redakteur des ORF, dem ich mich nach wie vor verbunden fühle.

Umso mehr betrachte ich die Entwicklung und die Vorgänge rund um das Unternehmen mit einiger Sorge.

Es sind nie da gewesene Angriffe und Untergriffe seitens einer Regierungspartei gegen unabhängige ORF-Journalisten und Journalistinnen zu registrieren.

>> Da werden allen Ernstes Journalistinnen und Journalisten generell der Lüge bezichtigt –

>> Da wird ein profunder TV-Moderator als „unbotmäßig“ an den Pranger gestellt –

>> Da wird ORF-Korrespondenten mit dem Hinauswurf gedroht –

Und das aus dem Munde von Vertretern einer Regierungspartei.

Das Gefühl, unter Druck zu stehen ist bei  ORF-KollegInnen und Kollegen deutlich gewachsen. Das bestätigen mir mehrere Gespräche.

Es ist nicht zu leugnen, dass die Politik bei Postenbesetzungen, öffentlichen Zurufen und versteckten Interventionen auch schon Jahre und Jahrzehnte zuvor beim ORF immer wieder eine Rolle gespielt hat.

Die nunmehrige Entwicklung hat jedoch eine neue äußerst zweifelhafte Qualität :

Es stellt sich nicht zuletzt die bange Frage:

Schreitet auch hierzulande eine mehr oder weniger schleichende Orbanisierung voran ?

Eine Entwicklung, die uns wegführt von Medienvielfalt  sowie von freiem und unabhängigem Journalismus ?

Vor diesem Hintergrund meine ich:

Ein unabhängiger Rundfunk ist unverzichtbarer denn je.

Natürlich kann und soll der Wert des Öffentlich-Rechtlichen neu diskutiert, teils auch neu definiert werden.

Das erscheint umso notwendiger im Umfeld einer Medienlandschaft, die geprägt ist von einem beispiellosen Konzentration an Boulevardmedien speziell im Osten unseres Landes.

Dem ORF und den Qualitätszeitungen kommt in dem Zusammenhang eine besondere Rolle zu. Auch als Gegengewicht zu all dem, was sich an höchst bedenklichen Inhalten in den sogenannten „Sozialen“ Medien abspielt. Hass und Hetze gegen Minderheiten, insbesondere gegen Flüchtlinge und Asylwerber.

Der ORF dagegen muss ein Hort sein für seriösen differenzierenden Qualitäts-Journalismus

Er kann die Rolle aber nur dann erfüllen, wenn von ihm und seinen Programmitarbeitern Druck genommen wird.

Und: Wenn auch seine Finanzierung gesichert ist.

Aus meiner Sicht sollte das bisherige Finanzierungsmodell erhalten bleiben, teils Werbeeinnahmen, teils Einnahmen über die Gebühren. Diese jedenfalls sollten von den jeweiligen Landesabgaben entschlackt werden.

Keinesfalls zu begrüßen wäre der Vorschlag, den ORF aus dem Bundesbudget zu finanzieren.

Das hätten die Regierungsparteien wohl gern. Denn dann müsste die ORF-Führung jährlich zum Finanzminister pilgern, um demütig die Sicherstellung der weiteren Finanzierung zu erbitten.

Erwartetes Wohlverhalten seitens des ORF verstünde sich in diesem Fall wohl von selbst. Auf der anderen Seite ein noch effektiverer Zugriff der Mächtigen auf das Unternehmen.

Der ORF muss allerdings die finanzielle Unterstützung im wahrsten Sinn des Wortes auch verdienen:

In erster Linie mit Qualität seiner Programme und journalistischer Glaubwürdigkeit.

Diese kann und sollte etwa auch in der außenpolitischen Berichterstattung gestärkt werden. Durch weniger Schlagseite bei so komplexen Causen wie etwa dem Ukraine-, Nahost oder Syrien-Konflikt.

Oder in der innenpolitischen Berichterstattung darauf zu achten, nicht der gespenstisch gut inszenierten Regierungspropaganda auf den Leim zu gehen.

Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk sollte bestrebt sein, seinen Kultur-und Informationsauftrag auch mit einer besseren Durchmischung auf die einzelnen Kanäle zu erfüllen. So wären sicher weitere Programmkorrekturen  von ORF 1 vonnöten. Damit kann der Kritik begegnet werden, dieser Kanal sei programmiert wie ein kommerzieller Privatsender.

Das heißt: Der ORF muss sich klar unterscheidbar machen.

Das gelingt zu 100 Prozent bei ORF 3 sowie bei Ö 1.

Und das soll so bleiben. Das soll nicht durch neue Zugriffsversuche auf den ORF gefährdet werden.

Verdeckt von der perfekten Inszenierung einer Medienenquete der Regierung dürften schon längst die Vorarbeiten für ein neues ORF-Gesetz begonnen haben.

Und es wäre naiv anzunehmen, dass nach der blau-schwarzen Einfärbung des Stiftungsrates der politische Einfluss auf den ORF dann nicht noch weiter verstärkt wird. Gewarnt sei vor dem Ziel, auch die oberste Führungsebene des ORF entsprechend zu verändern.

Vor diesem Hintergrund der Appell an die Regierung :

Lasst den ORF und seine Redaktionen in Ruhe arbeiten ! Hände weg vom ORF