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Mediale Wahlkampfsplitter 2024

Wie Medien Politik machen. Teil 1

Blau-Rot ist nicht ausgeschlossen“ betitelt Martina Salomon ihren KURIER-Leitartikel vom 6.1. und beflügelt damit den Wahlkampf der ÖVP.

Udo Bachmair

Mit Bedenken und Angst vor einer Kickl/Babler-Koalition nach der Nationalratswahl gibt die in der Medienbranche als ÖVP-nah geltende Chefredakteurin des KURIER der großen Regierungspartei gleichsam die Wahlkampfstrategie vor. Diese könnte tatsächlich greifen und die in Nöten geratene Volkspartei über die Hürden ihrer angereicherten Probleme hinweghelfen und von Platz 3 auf Rang 2 in den Umfragen bringen.

Vergessen die Erkenntnisse des ÖVP-Korruptionsausschusses, vergessen die Ära des letztlich doch nicht ruhmreichen und fast zum Messias erhöhten ehemaligen Wunderwuzzis Sebastian Kurz, vergessen die Chataffären, vergessen die Vorwürfe gegen ÖVP-Nationalratspräsident Sobotka, etc. etc.– ein nun medial heraufbeschworenes Schreckgespenst, wie eine SPÖ/FPÖ-Koalition kann nun all die schwarzen Schatten wahlkampfmäßig überstrahlen. Der eher farblose Kanzler kann dank KURIER nun auch mehr Farbe abbekommen. Karl Nehammer sieht sich aber unerwarteterweise doch auch mit einer Kritik Martina Salomons konfrontiert: er habe „sich vorschnell der FP-Option beraubt“.

Recht hat die KURIER-Chefredakteurin durchaus mit ihrer Aufzählung von Einzelaktionen im Nationalrat, bei denen die beiden großen Oppositionsparteien gemeinsame Sache gemacht haben. In der „Aufklärungsarbeit“ über „Fehlleistungen“ der ÖVP haben sich vor allem SPÖ-Mandatar Krainer und FPÖ-Abgeordneter Hafenecker zusammen- und hervorgetan. Doch diese punktuellen „Deals“ als Signal für eine mögliche künftige Kooperation auf Regierungsebne zu deuten, greift wohl zu kurz.

Eher nicht richtig liegt Salomon auch mit dem Vergleich, dass SPÖ und FPÖ ja schon einmal miteinander koaliert hätten und sie dies aus diesem Grund wieder tun würden. Denn die politische Lage der 80er-Jahre ist mit der heutigen nicht vergleichbar. Die FPÖ unter Norbert Steger war damals eine liberale Partei, die weit nach rechts gerückte Kickl-Partei ist dies heute wohl nicht mehr. Und die im Gegensatz zu Kreiskys Zeiten heute unter Andreas Babler etwas nach links gerückte Sozialdemokratie würde auf Regierungsebene mit Rechtspopulisten ziemlich sicher nicht kooperieren.

Fakten hin, Fakten her, das vom schwarzen Mammutkonzern Raiffeisen mehrheitlich mitfinanzierte Blatt übt sich gleich am Beginn des Neuen Jahres in Wahlkampfstrategien zugunsten der ÖVP.
Der Einfluss von Medien auf das Wahlverhalten der Menschen ist jedenfalls nicht zu unterschätzen.

Im heurigen Superwahljahr werden wir ja noch Einiges erleben. So werden wir in der neuen Serie „Mediale Wahlkampfsplitter 2024 – Medien machen Politik“ in loser Abfolge weiter dranbleiben.

Der Artikel von KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon ist unter folgendem Link abrufbar:

https://kurier.at/meinung/blau-rot-ist-nicht-ausgeschlossen/402730780

Missachtete Provinz: Medien vernachlässigen die Landbevölkerung

HANS HÖGL. Original-Analyse

Es gibt Vorkommnisse auf dem Land, die für Medien der Stadt ohne Gewicht sind, Ereignisse im Windschatten der großen Politik. Eine Redakteurin einer maßgeblichen Wiener Qualitätszeitung sprach privat Folgendes aus: Die Menschen auf dem Land sind nicht unsere Leser und für unsere Zeitung nicht von Interesse. „Das ist nicht unser Publikum.“ Die Kommentatorin stammt aus einem südlichen Bundesland. Gewisse Ereignisse greift und bauscht das Massenblatt die „Krone“ auf und formuliert – das ist anzuerkennen, bei aller Kritik, auch Anliegen der „kleinen Leute“, aber öffnet nicht ihren Horizont und schreibt und redet ihnen kontinuierlich „nach dem Mund“.

Bei einem Besuch auf dem Land erfahre ich ein Ereignis und hebe es in Differenz zu Blättern in der Großstadt hervor und bringe keine weiteren Fälle. Einem Landwirt in NÖ wurde ein Traktor gestohlen. Für unsere Leser im Ausland: Dies ist im Osten des Landes. Vom Traktor fehlt jede Spur. Der Diebstahl ereignete sich sehr früh am Morgen. Der Schaden: 60.000 €. Gegen Diebstahl war der Traktor nicht versichert vgl. www.noen.at (18.9.). Dies ist kein Einzelfall: Im weiteren Umkreis kam es zehn ähnlichen Diebstählen. Übrigens auch in Deutschland

Das schafft Verunsicherung: Besitzer von Bauernhäusern sperren ihre Tore zu, früher blieben sie offen. Und es werden Diebe aus einem östlichen EU-Land vermutet. Meine Auskunftsperson, Franziska R., kennt „genug“ Leute, die sich deswegen Waffen zulegen, um sich zu schützen. Ähnliche Vorfälle machen Menschen geneigt, ihr Wahlverhalten zu überdenken. Und so werden bestimmte „provinzielle“ Ereignisse neben einer Fülle anderer für ein ganzes Land relevant.

Bei einem einwöchigen Aufenthalt in München stellte ich beobachtend fest, dass die Anzahl von armen Menschen im Straßenbild von München im Vergleich zu Wien nur einen Bruchteil ausmacht. Wien ist Tor zum Osten. Meine Bekannten in München nahmen dies nicht zur Kenntnis. In unserem Haus in Wien wurde innerhalb von 10 Jahren zweimal eingebrochen. Und der die Türen reparierende Tischler bestätigte die Häufigkeit von Einbrüchen.

Diese Ereignisse werden ungern berichtet, um nicht als politisch inkorrekt zu gelten. Die Folgen dieser Nicht-zur-Kenntnisnahme sind politisch folgenreich. Es ist wichtig, quasi- tabuisierte Fakten zu sehen bzw. auf geschürte Übertreibungen Bezug zu nehmen. Die politischen Folgen sind relevant. Die Sozialdemokratie wählten bei der letzten Nationalratswahl nur noch 20 Prozent der Arbeiter, hingegen 60 % der „Freiheitlichen“ (FPÖ). Selbst wenn „die kleinen Leute“ irren, sollte auf ihre Gefühle und übertriebenen Einschätzungen eingegangen und dies nicht ignoriert werden weder auf dem Land noch in der Stadt.

Das Bild des Traktors

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