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Die Solidarwerkstatt: Eine Würdigung

Man muss inhaltlich nicht mit allem einverstanden sein, um dennoch festzuhalten, dass Vereine und Publikationen, die eine konstruktive Gegenöffentlichkeit darstellen, demokratiepolitisch unverzichtbar sind. Als Beispiel dafür gilt die „Solidarwerkstatt“.

Udo Bachmair

Der besonders engagierte Verein „Solidarwerkstatt“ mit seinen Veranstaltungen, Aktionen, Rundbriefen und dem Werkstatt-Radio sieht sich immer wieder Kritik vor allem rechter Kreise ausgesetzt. Diese lassen kein gutes Haar an der Initiative, die sie im ganz linken Eck verorten. Ein Hauptvorwurf besteht zudem darin, diese Vereinigung würde sich in nichts Anderem als in maßlos überzogener Kritik ergehen.

Was tut und vertritt diese „Solidarwerkstatt nun, die laut Statut ein unabhängiger Verein ist :

>> Sie tritt u.a. ein für eine radikale ökosoziale Wende, für Frieden und Neutralität, für den Kampf gegen Armut
>>Sie übt heftige Kritik etwa daran, dass die Mieten den Löhnen immer mehr davongaloppieren
>>Sie wehrt sich vehement etwa gegen eine Zweiklassenmedizin sowie gegen eine „Schuldenbremse“ als „Investitionsbremse“,
>>Sie sagt ein klares Nein zu einem Abbau der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung,
>>Sie ist auch bekanntgeworden durch ihre Kampagne gegen TTIP und CETA sowie für einen Fairen Handel statt dem Freihandel,
>>Sie will die EU demokratisieren und sie von den Interessen der Großkonzernen befreien
>>Sie kämpft mit Leidenschaft gegen Rassismus und Rechtsextremismus

Eine recht unvollständige Aufzählung all dessen, was die „Solidarwerkstatt“ an Positionen und Aktivitäten vorweisen kann. Ein Verein, ausgestattet mit geringem Budget, größtenteils auf Basis von Spenden. Ehrenamtliche investieren viel Zeit und Energie.

Die „Solidarwerkstatt“ ist als Initiative zu würdigen, wenngleich einzelne Punkte wie ein eher generelles Nein zur EU oder die Empfehlung an die Grünen, dem „K+K“-Regierungsprogramm kein grünes Licht zu geben, doch ziemlich diskussionswürdig sind.

Die jüngst wieder aufgetauchte Kritik am insgesamt zu kritischen Kurs der „Solidarwerkstatt“ ist aber im Fall besonders engagierter NGOs und Vereine nicht immer fair. Dies ist bedauerlich, denn in Österreichs Vereins- und Medienlandschaft sind Initiativen und Publikationen, die gut recherchierte alternative Informationen anbieten, eine Rarität.

Eine kritische Gegenöffentlichkeit, auch wenn sie im gegenständlichen Fall noch so klein ist, kann demokratischen Diskurs positiv beleben. Im Sinne von Humanität, Menschenrechten, Solidarität.

Van der Bellen. Übersehenes in Medien

Hans H ö g l

Aus rund 100 Stunden Gespräch im Wiener Café Ritter entstand das Buch: Van der Bellen, Die Kunst der Freiheit. Darin  ist weithin Unbekanntes zu erfahren und davon nun in Kurzform.

In der Zeit  Peter des Großen kamen niederländische Vorfahren von VdB nach Russland.  Um 1917 kämpften Verwandte seiner Familie auf Seite der bürgerlichen Weißen gegen die Bolschewiken. VdB wuchs als Kind estnisch-russischer Flüchtlinge im Kaunertal in Tirol auf. Sein Vater war Russe, die Mutter Estin.   VdB:  Mein  Vater und meine Mutter stimmten im Anti-Stalinismus überein. Ich sollte als Kind unbedingt den Weg in Innsbruck am sowjetischen Konsulat vorbei meiden – zu gefährlich (p. 36).

„Meine Eltern waren beide evangelisch. Wir sind höchstens zu Weihnachten in die Kirche gegangen“(p. 18) – und zwar nach Innsbruck. „Den Grund für meinen Kirchenaustritt erachte ich heute nicht als hinreichend“.

Der  Vater handelte  mit Import-Export-Waren. VdB habilitierte sich 1975 im Fach Finanzwissenschaft  und lehrte in Innsbruck und in Wien. Nun zum politischen Werdegang: Das erste Mal wählte er die ÖVP (p. 27) und in den Kreisky-Jahren die SPÖ. Er leitete eine Studie über die Rüstungindustrie  Österreichs und deren (geringe) Chancen.  Der junge Peter Pilz hatte ihn als Student dazu angeregt. Die Studie erweckte Unwillen in den Großparteien.

Bei den Protesten in Hainburg nahm VdB  nicht direkt teil, verfolgte diese  mit Interesse, für die Grünen zog er 1994 in den Nationalrat ein. Er war schon EU-Befürworter, als  die Grünen noch Gegner waren. VdB kritisiert  heute die Praxis des Europäischen Rates, also die Regierungschefs, die gelegentlich zusammenkommen und nicht immer effizient entscheiden.  VdB zeigt Sympathie für die Grünliberalen in der Schweiz, diese haben eine  Schnittmenge von liberalen und Umweltthemen.

VdB ist nicht einfachhin gegen Globalisierung (p.107), denn der Wirtschaftsaustausch über Staatsgrenzen hinweg hat hunderte Millionen Menschen aus der Armut befreit (p.107). Den TTIP-Kritikern stimmt er teilweise zu: „Private Schiedsgerichte entziehen sich auf gefährliche Art und Weise der öffentlichen Kontrolle“ (p. 109).

Im Buch wird deutlich, dass ihn die Frage Freiheit und Loyalität intensiv beschäftigt, und er kennt Bücher von Thomas Mann und Musil.  VdB schätzt die Kurse der Katholischen Sozialakademie (KSÖ) und wundert sich über taktlose Religionskritik eines NEOS-Mannes, und zwar über die Anbetung der Gottheit eines „fliegenden Spaghetti-Monsters“. Das lässt „ein Mindestgefühl an Takt vermissen“ (p.60).

Der Wirtschaftsprofessor hat nie den Opernball besucht. Die Neue Zürcher schrieb:  VdB  war nie ein typischer Grüner, er vertrat immer wieder von der Parteilinie abweichende Standpunkte (so befürwortet er Studiengebühren p.42), und er war wegen seiner professoralen Intellektualität auch für Bürgerliche wählbar.

NB:  Wir von der Medienkultur verfassen dies alles ehrenamtlich und ohne finanziellen Gewinn.  Einige von uns verfügen als Menschen über 60 plus über mehr Zeit. So habe ich das gesamte Buch von Anfang bis zum Ende gelesen. Seien Sie versichert- diese Sorgfalt finden Sie nicht überall in Medien….