China-Spionage in der Schweiz?

Im Zürcher Tagesanzeiger ist ein bemerkenswerter Kommentar zu einem Spionageverdacht gegenüber einem „Gastwirt“ erschienen. Ein heikles Thema, das in heimischen Medien bisher kaum Beachtung gefunden hat. Lesen Sie folgenden Kommentar, ausgewählt von

Hans Högl *

„Mehrere Jahre dauerte es, bis die Sicherheitsbehörden wegen eines verdächtigen Hotels beim Militärflugplatz Meiringen durchgegriffen haben. Eine chinesische Familie kaufte das Gebäude, dann passierte jahrelang wenig – bis die Spionageabwehr einschritt: Gasthof Rössli.

Würde jemand für das Fernsehen ein solches Drehbuch einreichen, würden es die Verantwortlichen ablehnen: zu klischiert. Aber so hat es sich abgespielt: Eine freundliche chinesische Familie kauft 2018 den Gasthof Rössli im Weiler Unterbach, direkt neben dem Militärflugplatz Meiringen. Mit freier Sicht auf das Flugfeld, wo im Juni 2019 das neue Kampfflugzeug F-35 zum Test landet und wo der Jet amerikanischer Bauart auch künftig starten und landen wird.

Fast fünf Jahre wirtet die Familie da (mit Unterbrüchen wegen Corona). 2023 durchkämmen plötzlich Fahnder das Gasthaus. Und die Chinesen verschwinden. Schweizer Sicherheitskreise verdächtigen die «Gastwirte» der Spionage für China. Beweise gibt es keine. Gegen außen schweigen alle Involvierten.

Zurück bleiben Fragen. Die Chinesen agierten nicht besonders diskret – sie haben den Gasthof selbst gekauft, ihre Namen stehen im Grundbuch. Kommt dazu, dass der ganze Flugplatz Meiringen sehr zugänglich gestaltet ist. Zwei öffentliche Straßen queren die Piste. Wie sieht das Sicherheitskonzept aus? Gab es am Militärflugplatz keine Armeeangehörigen, die nach 2018 misstrauisch wurden, dass da ein Gasthaus stand, dessen Restaurant gar nicht geöffnet war? Schlief die Militärpolizei?

Auf der lokalen Ebene müssen die Reaktionen spärlich ausgefallen sein, wenn es überhaupt welche gab. Aber das Hauptproblem ist die übergeordnete Ebene. Es gibt nur eine Handvoll Militärflugplätze in der Schweiz, das sind sensitive Standorte. Der Schweizer Nachrichtendienst hat selbst einen Schwerpunkt bei der Wirtschaftsspionage gesetzt. Mit dem Programm «Prophylax» weist er Unternehmen auf die Gefahren der Ausforschung durch fremde Staaten hin. China ist dabei ein Hauptakteur.

Dass nun ausgerechnet bei einem Verdacht, der eine VBS-Einrichtung betrifft, erst nach Jahren mit scharfen Mitteln eingegriffen wurde, ist eine Peinlichkeit: Wie will man glaubwürdig vor Spionen warnen, wenn man selbst – an einem besonders heiklen Ort – so lange braucht, um zu reagieren?

Die obersten Verantwortlichen in diesem Fall sind die Chefs des zivilen und des militärischen Nachrichtendienstes sowie Verteidigungsministerin Viola Amherd. Sie schulden der Öffentlichkeit Antworten, was im «Fall Rössli» schiefgegangen ist. Und was man daraus lernen will.“

* Hans Högl hat einen Kommentar aus einem Blog des Zürcher Tagesanzeigers zitiert

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