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Ö 1 : Der Hut brennt

Wieder einmal Sorge um Ö 1. Anzeichen einer geplanten Schwächung des renommierten Radiosenders mehren sich. Es besteht Gefahr in Verzug, bestätigen auch ORF-interne Informationen.

Udo Bachmair

Alarmsignale kommen aus dem ORF. Laut gut informierter Quelle ist die „kleinweise Zerschlagung“ des Senders Ö 1 im Gange. Demnach soll etwa die Abteilung Radioreligion aufgelöst und schon Anfang 2020 an die TV-Religion im Newscenter des ORF-Zentrums auf dem Küniglberg angedockt werden. Somit wäre dieses Ressort nicht mehr Teil von Ö 1. Eine entsprechende Organisationsanweisung des Generaldirektors wird als „Angriff aus dem Inneren des Unternehmens“ gewertet.

Viele ORFler, aber nicht nur die, sehen in der Maßnahme den „Beginn der Zerschlagung und Schwächung“ von Ö 1. Diesbezügliche Warnungen gibt es ja schon seit dem Vorjahr. Die türkis-blaue Regierung hatte sich ja den ORF insgesamt als Feindbild auserkoren. Im Speziellen attackieren rechte politische Kräfte Ö 1 als „Hort der Linken“..

Doch es entstehen Gegenbewegungen. Eine von ihnen ist die Initiative „Wir für den ORF“ (www.wirfuerdenorf.at). Und es wird sich zeigen, wie stark der ORF-interne Widerstand seitens der Redakteurssprecher*innen bzw. der gesamten Belegschaft sein wird. Denn es gilt, die weitere Zerlegung des nicht nur wegen der unverzichtbaren Ö 1-Journale auch demokratiepolitisch wichtigen Senders abzuwenden. Wenn es dafür noch nicht zu spät ist..

Eine befürchtete Neuauflage der türkis-blauen Koalition nach der NR-Wahl könnte den ORF empfindlich treffen. Die in diesem Fall wahrscheinliche Abschaffung der GIS-Gebühren könnte ohne ausreichende Ersatzfinanzierung die Existenz des gesamten Unternehmens gefährden. Eine Finanzierung aus dem Staatsbudget würde zudem den ORF in völlige Regierungsabhängigkeit bringen.

Eine derartige Entwicklung würde die verbriefte Unabhängigkeit der Berichterstattung und Wahrung der Eigenständigkeit der ORF-Journalist*innen extrem in Mitleidenschaft ziehen. Bei aller durchaus berechtigten Detailkritik ein Appell an die künftig Regierenden : Lasst den ORF in Ruhe.
Der Wert eines öffentlich-rechtlichen Mediums ist unabdingbar.

Grundsätzliches dazu auch in einem Gespräch zwischen Irmgard Griss und mir unter folgendem Link:

www.irmgardgriss.at/podcast/

ORF: Gefahr in Verzug

Udo Bachmair

Ein neues ORF-Gesetz steht ante portas. An ihm lässt die türkis-blaue Regierung im Hintergrund bereits intensiv arbeiten. Spätestens nach dem Ende der österreichischen EU-Präsidentschaft soll es das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Viele befürchten damit für den ORF und die Medienvielfalt im Lande insgesamt aber eher dunkle Zeiten heraufdämmern. Sie sehen Gefahr in Verzug. Vermutet wird, dass ähnlich dem im Parlament durchgepeitschten Arbeitszeitflexibilisierungsgesetz auch im Falle des neuen ORF-Gesetzes über alle Bedenken überfallsartig „drübergefahren“ wird.

Vor diesem Hintergrund weisen beherzte und besorgte Akteure unermüdlich auf die unverzichtbar demokratiepolitische Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hin. Im Vorfeld der bevorstehenden Neufassung des ORF-Gesetzes hatten ja Angriffe auf unabhängige (ORF-) Journalist/innen seitens der Regierungspartei FPÖ die Alarmglocken schrillen lassen. Wehret den Anfängen, so der Tenor der meisten Reaktionen derjenigen, die Medien- und Pressefreiheit a la Ungarn bedroht sehen.

Einerseits soll der ORF durch eine noch nicht dagewesene parteipolitische Einfärbung gefügig gemacht werden. Geplant sein dürfte ein Vierer- bis Fünfer-Vorstand mit klar türkis/blauer Dominanz. Die Funktion des Generaldirektors soll demnach abgeschafft werden. Sie hat derzeit Alexander Wrabetz inne, der den Redaktionen bisher relativ große Spielräume gewährt hat. Dass journalistische Freiheit künftig spürbar eingeschränkt werden könnte, gilt ORF-intern als nicht unrealistisch.

Andererseits soll der ORF mittels Änderung seiner Finanzierungsgrundlagen von der Regierung abhängiger denn je gemacht werden. Kritiker sprechen von einer geplanten Verstaatlichung des ORF. Ein bisher nicht dementierter Vorschlag besteht nämlich darin, das Unternehmen künftig nicht mehr aus Gebühren, sondern aus dem staatlichen Budget zu finanzieren. Damit würde die Regierung den ORF ziemlich eng an die Kandare nehmen können. Das gilt es zu verhindern.

Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen und Autoren hat namens der Plattform „Wir für den ORF“ und anderer Gruppierungen eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen, um auf die drohenden Veränderungen durch ein neues ORF-Gesetz aufmerksam zu machen. Im Folgenden ein Auszug aus dem Appell :

Die Österreichische Bundesregierung und die österreichischen Parlamentsparteien werden aufgefordert, die Zukunftsfähigkeit, Unabhängigkeit, Überparteilichkeit und wirtschaftliche Eigenständigkeit des ORF bei der Neufassung des ORF-Gesetzes und der Finanzierung und Neustrukturierung des ORF zu gewährleisten.

Insbesondere durch:

  • Ausschluss politischer Einflussnahmen auf den ORF.
  • Entpolitisierung der Entscheidungsgremien des ORF; keine Vertreter/innen von Parteien in Kontroll- und Aufsichtsinstanzen im und für den ORF; Zusammensetzung des obersten Leitungsgremiums des ORF mit Expert/inn/en, insbesondere auch aus der Publizistik, Wissenschaft und Kunst;
    mehrjährige Wartefrist zwischen einer politischen und einer ORF-Funktion.
  • Garantien zur Eigenständigkeit bei allen Entscheidungen; Besetzungen von Führungspositionen und Weichenstellungen im ORF erfolgen ausschließlich durch den ORF.
  • Keine Vorgaben zur Veräußerung und Schließung von Sendern oder zur Aufteilung des ORF.
  • Erhaltung der Standorte Funkhaus und ORF-Zentrum in Wien sowie der Bundesländer-Standorte.
  • Beibehaltung der Gebührenfinanzierung (ORF-Gebühr und Förderungen kommerzieller wie nicht-kommerzieller Privatsender sowie Mitfinanzierungen der Kulturförderungen der Länder), keine Budgetierung aus dem Staatshaushalt und dadurch Verstaatlichung des ORF.
  • Transparente Darstellung der ORF-Gebühr und Förderungen kommerzieller wie nicht-kommerzieller Privatsender sowie Mitfinanzierungen der Kulturförderungen der Länder bei der Vorschreibung.
  • Bundes- und Landesabgaben in der ORF-Gebühr zu Kultur-Förderungszwecken sind bei Streichung aus Steuermitteln zu ersetzen.
  • Online-Beschränkungen für den ORF sind nicht angemessen, dem ORF dürfen keine zeitgemäßen Vertriebswege verschlossen bleiben.
  • Absicherung des Niveaus und Budgets von Ö1.
  • Gewährleistung einer kontinuierlichen Präsenz des zeitgenössischen Kunst-, Kultur- und Filmschaffens in Österreich, gerade auch der Freien Szene, sowie der kontinuierlichen, unabhängigen Berichterstattung und Reflexion darüber.