Archiv für den Monat: Juni 2019

Scheingrößen in Medien und ein wirklich großer Mensch

Hans Högl

Eine unscheinbare, ältere Wienerin: Sie war am Weg zum Nobelpreis 

Eine eher zierliche Frau betritt das Portal zum Krankenhaus  „Göttlicher Heiland“. Sie ist auf dem Weg zur Kapelle. Wer ahnt, dass die schlicht gekleidete Frau, geb. 1930, ein paar mal Kandidatin für den Friedensnobelpreis war? Sie wuchs am Heuberg in Hernals auf. Gemeinsam mit ihrem französischen Mann, Jean Goss, war sie 30 Jahre als Friedensaktivisten im Sinne des „Versöhnungsbundes“ aktivDie 89-jährige Frau Mayr-Goss lebt heute zurückgezogen in Neuwaldegg. Sie ist per Mail erreichbar und schrieb mir: „Zu einem Interview zu meiner Person und Lebensgeschichte im Umfeld Dornbach stehe ich nicht zur Verfügung, nicht zuletzt aus Alters- und gesundheitlichen Gründen. Sie werden das sicher verstehen.“ 

Sie will also nicht als Person im Mittelpunkt stehen, wie ich zutreffend vermutete, sondern für das Anliegen, Konflikte friedlich zu lösen – mit dem „Versöhnungsbund“, deren Ehrenpräsidenten sie ist.

Sie erhielt den „Preis der Menschenrechte Dr. Bruno Kreisky“ und wurde von Buddhisten in Japan geehrt. In der ORF-Sendung „Seitenblicke“ war sie wohl noch nicht zu sehen. Wir werden sehen, ob sie wenigstens das Bezirksblatt würdigen wird. Erst als ich in Belgien studierte, erfuhr ich von dieser Österreicherin und ihrem Mann.

Der „Versöhnungsbundes“- was ist das? Wichtige Mitglieder waren/sind sechs Nobelpreisträger: darunter Martin Luther King, die Nordirin Mairead Corrigan-Maguire und der Argentinier Adolfo Esquivel. Sie wirkten wie Gandhi, um gewaltfrei Konflikte zu lösen. Zum Ursprung des „Versöhnungsbundes“: Es war 1914 – am Beginn des 1. Weltkrieges: Ein deutscher, evangelischer Pfarrer und ein englischer Quäker versprachen nach einer Konferenz, sich nicht als Kriegsgegner aufhetzen zu lassen, im Gegenteil: Sie gründeten den „Versöhnungsbund“, als kleinen Schritt, um Kriege zu verhindern. Aber es kam zum 2. Weltkrieg. 

Das Ehepaar Goss-Mayr wirkte in Osteuropa, beim Vatikanischen Konzil (1962-1965) , in Südamerika. Sie schulten Gruppen für gewaltfreie Aktionen. Spektakuläres gelang 1986 auf den Philippinen. In der Auseinandersetzung um gefälschte Wahlen widersetzten sich Hunderttausende betend mit Rosenkränzen dem Militär und forderten mit Blumen die Soldaten des Diktators auf, zu desertieren. Wer wird auf friedliche Demonstranten schießen? So wurde Blutvergießen vermieden, und es gelang ein friedvoller Übergang zur Demokratie. Dazu trugen tapfere Engagierte des „Versöhnungsbundes“ bei.Und der Diktator ging in Exil. 

Ein paar Worte zum „Versöhnungsbund“: Er ist unabhängig, überkonfessionell und human, finanziert sich über Spenden. Sein österreichischer Sitz ist in der Josefstadt (Lederergasse 23/2/27).

Hervorragende „Wiener Zeitung“

Hans Högl

Wir befürworten als Team in der Medienkultur die bisherige Finanzierung des ORF durch die Gebührenzahler. Dies trägt zu dessen Unabhängigkeit bei. Auch die FPÖ-Angriffe auf Armin Wolf sind im Prinzip zurückzuweisen, wenngleich er in seinem Stil auch gelegentlich fragwürdig ist. Doch der ORF darf nicht immun sein versus partieller Kritik: So verhält sich doch der TV- Sender ORF 1 erwiesenermaßen fast identisch wie ein Privatsender.

Ich höre regelmäßig den weithin anerkannten ORF-Hörfunksender Ö 1. Da gibt es wunderbare Sendungen wie kürzlich im Ö1-Journal-Panorama über die Eroberer von Mexiko und Peru, stammend aus der Extremadura in Spanien. Übrigens: ein Gastbeitrag. Deren Entlohnung ist mehr als mager. Auch andere Sendungen sind zurecht hochgeschätzt: wie z.B. die Radiokollegs, „Menschenbilder“ , Ambiente. Aber mich verwundert die gelegentliche Phantasielosigkeit in der Themenauswahl von Ö 1- Journalen. Da gibt es immer wieder den Lieblingsfeind Trump und die Waffenlobby in den USA. Wie heute früh. Ja, schön und gut. Aber es gibt auch anderes in der Welt. In Spurenelementen erfahre ich etwas über die Korruptionsverteidiger von Rumäniens Sozialdemokraten.

Welche Welt tut sich mir in der Lektüre der „Wiener Zeitung“ auf! So heute: Ich lese von der künftigen Kanzlerin Brigitte Bierlein: von ihrer Kritik an Ex-Innenminister Kickl in Asylfragen, von Ihren Sorgen um die Pressefreiheit in Österreich und den fragwürdigen Inseraten durch Regierungen (aller Parteien!). Und ich lese, dass die Sozialdemokraten in Dänemark vor einem Sieg stehen, weil sie „links und migrationskritisch“ sind und so die Rechtspopulisten halbieren. Ferner erfuhr ich, dass die Bundesforste in OÖ einen Wassernutzungsvertrag mit einer US-Firma geschlossen haben. Weiters: dass das Aramäische, die Sprache Christi, die noch in Maalula bei Damaskus gesprochen wird, in Gefahr ist, zu verschwinden…..Wo höre und erfahre ich das im ORF? Ich lasse mich gern korrigieren! Wer kann denn alles sehen und hören! Ich halte die ausführlichen Texte in Österreichs Qualitätsblättern für sehr wichtig. Ja, selbst im „Kurier“. Mich wundert auch, dass im ORF kaum irgendwann Journalisten der wirklich ausgezeichneten „Kleinen Zeitung“ zu Wort kommen. NB. Der ORF zitiert nie die „Wiener Zeitung“!