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„Klare Haltung“?

Österreichs Politik und Medien halten sich bzgl. Kritik an Israels überschießender militärischer Gewalt in Gaza sowie den Plänen zur Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern auffallend zurück. Nach einem Appell von Altbundespräsident Heinz Fischer hat Österreichs Regierung endlich eine Stellungnahme abgegeben, verbunden jedoch mit einer eher verhaltenen Ermahnung der israelischen Führung.

Udo Bachmair *

Israels rechtsextreme Regierung setzt den Angriffskrieg gegen Gaza unvermindert fort. Mehr als 50.000 Palästinenser und Palästinenserinnen, unter ihnen zahlreiche Kinder, sind bereits Opfer des brutalen Vorgehens des Netanjahu-Regimes geworden. Ganz zu schweigen von der unendlichen Zahl an Verletzten und Verkrüppelten. Manche Medien und politische Akteure außerhalb Österreichs und Deutschlands sprechen offen und unverblümt von Völkermord.

Völlig anders Österreichs Regierung: Sie hat sich nach langer Zeit des Zuschauens und einseitiger Parteinahme nun zu eher sanfter Kritik an Israels Führung durchgerungen: Netanjahu möge doch so nett sein, geht da sinngemäß hervor, das Völkerrecht zu beachten, dem etwa die geplante „Umsiedelung“ (beschönigendes Wort für „Vertreibung“) widerspreche. Eine im Vergleich zu anderen EU-Staaten übervorsichtige Kritik an der gewalttriefenden und menschenverachtenden Politik des israelischen „Kriegskabinetts“.

Österreichs Regierung habe mit dieser Kritik eine „klare Haltung“ gezeigt, lässt Außenministerin Beate Meinl-Reisinger verlauten. Doch eine klare Haltung, auch Israel zu verurteilen für seine Gräueltaten und nicht nur die Hamas, sieht wohl anders aus. Einem potentiellen Kriegsverbrecher mit solcher Zurückhaltung zu begegnen, spricht ebenfalls für sich. Kommt hinzu, dass es erst des Appells von Altbundespräsident Heinz Fischer bedurft hatte, dass die Regierung sich überhaupt mit deren „klarer Haltung“ zu Wort meldete.

Ein Trauerspiel bzw. Armseligkeit einer österreichischen Außenpolitik, deren Selbstverständnis sich bereits seit Jahren wegbewegt von einer aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik.

* Der Kurzkommentar von Udo Bachmair ist wortgleich, allerdings mit dem Titel „Trauerspiel einer österreichischen Außenpolitik“, heute auch in der Tageszeitung „Die Presse“ erschienen. Eine längere Fassung findet sich in der Internetzeitung „Unsere Zeitung-die Demokratische“

Mit zweierlei Maß

In einer KURIER-Analyse vom 22.2.2024 werden Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit der Fälle Assange und Nawalny in Frage gestellt. Diese Position gilt es zu hinterfragen.

Udo Bachmair

„Was Nawalny passiert ist, kann auch Julian passieren“ äußerte sich Assanges Ehefrau Stella zu Recht besorgt. Westliche Politik und Medien bemühen sich nun hartnäckig, diese These zu falsifizieren. Als ein Beispiel von mehreren sei Caroline Ferstls Analyse „Assange, der Nawalny des Westens“ jüngst im KURIER herausgegriffen.

Die Autorin kritisiert an der Äußerung von Stella Assange, diese würde damit das US-Justizsystem mit dem im autoritären Russland gleichsetzen. Man fragt sich sehr wohl, wo denn da im Gefängnisalltag der große qualitative Unterschied zu russischen Straflagern liegen soll. Menschenrechtsorganisationen zufolge gibt es da wie dort Berichte über Folter.

Und warum erscheint der Autorin die Einschätzung, dass auch Assange politischer Gefangener ist, so weit hergeholt? Diese Charakterisierung liegt ja klar auf der Hand. Assange hat sich mit seinen Recherchen über brutale Einsätze in Angriffskriegen der USA natürlich den Zorn und Hass der US-Führung zugezogen, die ihn nun lebenslänglich ausschalten will.

Es fällt auf, dass in dieser KURIER-Analyse kein einziges Mal das Wort „Kriegsverbrechen“ vorkommt, die Julian Assange mutig aufgedeckt hat. Das Wording „Kriegsverbrechen“ und „Kriegsverbrecher“ scheint nur für Russland oder Putin reserviert zu sein, nicht jedoch für die USA oder George Bush. Der schon sattsam bekannte außenpolitische Einheitsbrei westlicher Medien lässt Letzteres freilich nicht zu.

Ja, und woher will denn die Autorin der Analyse so genau wissen, dass die Anklagepunkte gegen Assange „strafrechtlich haltbar“ sind? Müsste diese Schlussfolgerung nicht auch für den Fall Nawalny gelten? Denn auch dem russischen Regimegegner werden Spionage und Geheimnisverrat vorgeworfen. Dies stellt ebenfalls eine Vergleichbarkeit der beiden Fälle dar.

Eine weitere Ähnlichkeit ist die der Existenzbedrohung. So ist zu befürchten, dass der „freie und menschenrechtsorientierte“ Westen, im Besonderen die USA, Assange sehenden Auges einem Mord auf Raten im harten US-Strafvollzug ausliefern werden. „Was Nawalny passiert ist, kann auch Assange passieren.“ So falsch kann diese These also nicht sein.

Kommt hinzu, dass ein negativer Ausgang der Causa Assange, sprich ein aus den Motiven Hass und Vergeltung resultierendes lebenslanges Wegsperren eines politisch unliebsamen Investigativjournalisten kein unwesentliches Kriterium für die Chancen künftiger Meinungs- und Pressefreiheit sein wird.