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„Die da oben“ und „die da unten“

Ratlosigkeit beherrscht die politische Szenerie. Das Wahlergebnis war angesichts der Umfragen zwar nicht wirklich überraschend. Aber ein so deutlicher Abstand zwischen FPÖ und ÖVP und erst zur SPÖ war doch überraschend, für viele auch eine herbe Enttäuschung. das Wahlergebnis beflügelt zudem den Disput um „die da oben“ und „die da unten“.

Wolfgang Koppler *

Die Selbsttäuschung vieler über die Ursachen dieses auch in anderen westlichen Ländern sich abzeichnenden politischen Wandels, der vereinfachend als ein Abdriften nach rechts oder gar in Rechtsradikalismus gesehen wird, hält aber nach wie vor an. Immer noch werden solche Wahlergebnisse, aber auch die diesen zugrunde liegende Stimmung als Protest gegen „die da oben“ abgetan, dem gar keine wirklichen Missstände oder ein Fehlverhalten von Politik, Wirtschaft und Medien zugrunde lägen. Man müsse einfach politische und wirtschaftliche Vorgänge und Entscheidungen besser erklären bzw. kommunizieren, heißt es immer. wieder.

Den Ausdruck „die da unten“ verwendet man hingegen nicht. Obwohl sich Politik, Wirtschaft und Medien von Wählern, Konsumenten und Lesern bzw. Zusehern tunlichst abschotten. Kontakt erfolgt nur über Mails, die von dazu geschulten Personen gelesen und beurteilt werden und die Politiker, Unternehmer und Journalisten im Regelfall gar nicht zu Gesicht bekommen. Selbst dann, wenn sich ein ein Wissenschafter oder ein Mensch meldet, der Wissen und Erfahrungen aus der Praxis mitbringt und vielleicht echte Missstände aufzeigen könnte.

Und so lebt unsere „Elite“ – oder wie immer man Politiker, Journalisten und Manager bezeichnen mag – und selbst ihre Umgebung in einer Art Blase. Nicht viel anders als der Stammtisch. Nur eben in einer anderen Vorstellungs- und Erlebniswelt. Wobei es oben und unten dann noch verschiedene Arten von nebeneinander bestehenden Blasen gibt. Bestimmte Redaktionen fühlen sich als etwas Besonderes, ebenso wie Manager verschiedener Großunternehmen sich hie und da besser dünken als ihre Kollegen.

Trotzdem: Bildung, Geld und Macht als das, was bei uns offenbar erst den wirklich „wertvollen“ Menschen ausmacht, scheidet unsere Gesellschaft in die da oben und die da unten.

Und da wir im Westen zur Egozentrik neigen, zu einem sich selbst vergöttlichenden Wesen mit wenig Selbstkritik, dünkt sich unsere Elite oft als mehr oder weniger unfehlbar. Oder verdrängt zumindest Fehlverhalten. Sich zu entschuldigen oder gar in sich zu gehen kommt nicht in Frage. Sie können das gerne ausprobieren, indem sie einen Journalisten auf einen klar ersichtlichen Fehler hinweisen. Eine Entschuldigung oder gar ein Umdenken wird kaum einmal erfolgen.

Der Wahlkampf ist ein Kindergarten, heißt es treffend im Werbespot eines Möbelhauses. Ein wunderbares Bild für jenen infantilen Narzissmus, dem gerade unsere Eliten immer wieder zum Opfer fallen. Ohne dass sie es merken.

Und so werden Migranten zum Opfer der Politik. Auf beiden Seiten. Menschen mit Migrationshintergrund werden nämlich auch von der linken Seite benutzt. Indem sich Intellektuelle zu ihren Schutzgeistern erklären, die wenig mit der Lebensrealität von Zuwanderern zu tun haben. Sondern nur das große Wort führen; Migranten als billige Arbeitskräfte sehen und Angst vor Rechtsextremismus genauso schüren wie manche Politiker der rechten Seite die Angst vor dem Islam.

Und so werden Migranten zum Spielball der rechten als auch der linken Seite. Das aktuelle Wahlergebnis spricht Bände. Und sollte zu Selbstkritik führen, Auf allen Seiten.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Mutige Äußerungen

Auch die jüngste Ausgabe von INTERNATIONAL, der renommierten Zeitschrift für internationale Politik, ist wieder gespickt mit höchst interessanten Beiträgen. Darunter auch ein Gespräch mit mutigen Äußerungen einer Nationalratsabgeordneten zu Österreichs umstrittener Außenpolitik.

Udo Bachmair

Sie ist die erste heimische Politikerin palästinensischer Herkunft : Muna Duzdar. Die SPÖ-Parlamentarierin scheut nicht davor zurück, auch heikle weltpolitische Themen offen anzusprechen wie die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, in dem Zusammenhang nicht zuletzt auch die mediale Berichterstattung. Duzdar dazu gegenüber INTERNATIONAL:

„Die Berichterstattung heimischer Medien hat dabei versagt, das Leid und die Perspektive der Palästinenser ausreichend darzustellen. Wir haben es im Nahostkonflikt nicht nur mit einem asymmetrisches Krieg zu tun. Auch die Berichterstattung ist asymmetrisch, zugunsten einer Partei und das ist Israel. Wir erleben das z.Bsp., wenn israelische Quellen immer unhinterfragt übernommen werden und palästinensische Quellen gleich den Hamas- oder Terroristenstempel aufgedrückt bekommen. Das ist fatal und schadet der Glaubwürdigkeit journalistischer Medien.“

Soweit die Mediensprecherin der SPÖ, Muna Duzdar, die darauf hofft, mittels Vorzugsstimmen wieder in den Nationalrat einziehen zu können.

Zum Thema Nahost bietet INTERNATIONAL zudem eine spannende Analyse von Helga Baumgarten mit dem Titel „Nakba: Die nicht enden-wollende Katastrophe“. Die Politologin beleuchtet brillant Hintergründe und Folgen des Nahostkonflikts anhand der dramatischen Geschichte der palästinensischen Nationalbewegung von 1948 bis 2024.

Die Zeitschrift vermittelt außerdem im Detail die außenpolitischen Positionen der Parteien, im besonderen zu Neutralität und Friedenspolitik. Ein Themenkomplex, der im NR-Wahlkampf eine beschämend geringe Rolle gespielt hat.

Das jüngste Heft spannt inhaltlich und geografisch einen großen Bogen von Russland, Venezuela, dem Iran bis hin zur Lage in Somalia, Sambia und Aserbeidschan.

Kunst und Kultur sowie Lyrik für den Frieden komplettieren die jüngste Ausgabe IV / 2024.

Näheres unter www.international.or.at

Neutralität in kriegerischen Zeiten

Gut besuchte Podiumsdiskussion in Wien unter Mitwirkung der Vereinigung für Medienkultur

Udo Bachmair

„Neutralität in Zeiten von Krisen und Kriegen“ war das Thema einer viel beachteten Podiumsdiskussion* im Kultur- und Veranstaltungszentrum Amerlinghaus in Wien. Veranstaltet wurde der Diskussionsabend von den Gewerkschaftern gegen Atomenergie und Krieg sowie der Vereinigung für Medienkultur.

Bemerkenswerterweise war im Wahlkampf für die NR-Wahl das Thema „Krieg 8nd Frieden“ sowie die Rolle der österreichischen Neutralität kaum ein Thema. Dabei wäre Österreich als neutraler Staat und UNO-Standort prädestiniert dafür, als diplomatischer Mediator und Initiator von Gesprächen zur Beendigung der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten aktiv zu werden. Doch eine einseitige Außenpolitik der schwarz-grünen Außenpolitik in den vergangenen Jahren – weit entfernt von Bruno Kreiskys nützlichen und erfolgreichen diplomatischen Aktivitäten – hat den Geist der Neutralität weitgehend untergraben.

Die Chance auf eine effektive friedensorientierte Außenpolitik ist ähnlich der Tatenlosigkeit der EU-Kommission sträflich vernachlässigt worden.
Darauf aufmerksam zu machen haben sich jüngst vor allem SPÖ-Chef Andi Babler und KPÖ-Vorsitzender Tobias Schweiger bemüht, allerdings weitgehend ignoriert von den heimischen Medien. Babler und Schweiger plädieren uneingeschränkt für die Sinnhaftigkeit und Aufrechterhaltung der Neutralität. Von Expertenseite sieht vor allem der renommierte Politikwissenschafter Heinz Gärtner die Neutralität Österreichs als Sicherheitsgarantie für unser Land.

Mitglieder der Initiative Engagierte Neutralität wie Bundesheer-General Günther Greindl, seinerzeit Oberbefehlshaber der österreichischen UNO-Truppe auf dem Golan, oder die beherzte Diplomatin und Ex-Botschafterin Gaby Matzner sowie der bei den Gewerkschaftern gegen Krieg besonders aktive Wilfried Leisch bekräftigten in der erwähnten Veranstaltung ihre klare Pro-Neutralitäts- und Anti-NATO-Position. Udo Bachmair, Präsident der Vereinigung für Medienkultur, gab u.a. zu bedenken, dass Politik und Medien nach der NR-Wahl Befürwortern eines NATO-Beitritt Österreichs mehr Raum für entsprechende Propaganda öffnen könnten.

Die Aufzeichnung der Podiumsdiskussion im Amerlinghaus, genauer gesagt der Anfangsstatements, sind unter folgendem Link abrufbar:

www.youtube.com/watch?app=desktop&v=NixOIY2N8bQ

Neutralität und Sicherheit

Einladung zur Vorwahl-Diskussion

Mi., 11. September 2024, 19.00 Uhr

Stiftgasse 8, 1070 Wien, Amerlinghaus, Galerie, 1. Stock

Heute: Ukrainekrieg, Gazakrieg. Morgen: Nahostkrieg und noch mehr Kriege? In Zeiten von Krisen und Kriegen ist eine tatsächliche Politik der immerwährenden Neutralität Österreichs und das Auftreten gegen die Kriegstreiber in Ost und West und das Eintreten für sofortigen Waffenstillstand, Friedensverhandlungen und Frieden notwendiger denn je! Nicht nur die Politik, vor allem auch die Medien sollten dafür einen konstruktiven Beitrag leisten.

NEUTRALITÄT UND SICHERHEIT – ein Thema, das nicht den Rechten, Neokonservativen und Neoliberalen überlassen werden darf.

TeilnehmerInnen:

Udo Bachmair
Redakteur, Moderator, Präsident der Vereinigung für Medienkultur

Gabriele Matzner
Juristin; Publizistin, Diplomatin und Botschafterin a.D.

Günther Greindl
General i.R., Leiter von UN-Missionen, Präsident von Aufbruch-Österreich

Daniela Gruber-Pruner
Mitglied des Bundesrates, SPÖ, Schriftführerin des Bundesrates

Rihab Toumi
Vorsitzender der Sozialistischen Jugend (SJ) Wien

Wilfried Leisch
Gewerkschafter:innen gegen Atomenergie und Krieg / Österr. Solidaritätskomitee

Michael Kösten
Moderation
*
Veranstalter:

GewerkschafterInnen gegen Atomenergie und Krieg
Vereinigung für Medienkultur

Anmeldung erwünscht: ggae@gmx.at * Freier Eintritt, Spenden erbeten * www.atomgegner.at

Wahlentscheidendes Duell?

Der Wahlkampf für die Nationalratswahl kommt zunehmend auf Touren. Er wird dominiert werden von den Duellen im ORF-Fernsehen. Vor diesem Hintergrund herrscht Unmut über die ORF-Entscheidung, die Serie der TV-Duelle mit der Konfrontation Nehammer/Kickl abzuschließen.

Udo Bachmair

Die TV-Duelle zwischen den Spitzenkandidaten für die NR-Wahl am 29. September könnten wahlentscheidend sein, sind sich Politologen und Wahlforscher einig. Allen Wahlprognosen zufolge liegen die drei stimmenstärksten Parteien FPÖ, ÖVP und SPÖ so knapp beieinander – letztere sogar innerhalb der Schwankungsbreite- sodass auch eine Überraschung möglich wäre.

Diese Überraschung könnte Andreas Babler heißen, hoffen SympathisantInnen der SPÖ. Wenn, ja wenn der ORF da nicht einen Strich durch die Rechnung machen würde. In einer heftig umstrittenen Entscheidung hat er beschlossen, das möglicherweise wahlentscheidende letzte TV-Duell zwischen ÖVP-Chef Karl Nehammer und FPÖ-Obmann Herbert Kickl bestreiten zu lassen.

Der ORF geht mit dieser Entscheidung von der langjährigen Tradition ab, die Spitzenvertreter der zwei stimmenstärksten Parteien der letzten NR-Wahl gegeneinander im Finale antreten zu lassen. Ein Beschluss, „einvernehmlich gefällt gemeinsam mit ORF-Generaldirektor Weißmann“, verteidigt sich ORF-Cheferdakteur und Ex-APA-Mann Johannes Bruckenberger.

Die der SPÖ nicht gerade nahestehende ORF-Führung begründet ihre Entscheidung mit gängigen Wahlprognosen, die die beiden Parteien FPÖ und ÖVP vorne sehen. Eine Momentaufnahme. Diese als Basis für eine wichtige und möglicherweise folgenschwere Entscheidung zu nehmen, ist eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks unwürdig.

Der Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl, der sich intensiv mit der Wirkung von TV-Duellen und Elefantenrunden befasst, dazu jüngst in der Kleinen Zeitung: „Es ist problematisch, wenn der ORF keine klaren Spielregeln festlegt, denn das lässt Interpretationsspielräume offen und macht zukünftige Entscheidungen umso angreifbarer.“

Zum konkreten Fall des ORF-Wahlkampffinales hat sogar der ÖVP-nahe KURIER an überraschend prominenter Stelle den Kommentar eines Lesers veröffentlicht, der es als „irritierend“ betrachtet, dass der ORF Nehammer und Kickl zur letzten Konfrontation eingeladen hat: „Hier entsteht der Eindruck, Babler werde absichtlich geschnitten.“

Wahlentscheidend kann zudem auch sein, inwieweit der ORF auch jene Kleinparteien zu Wort kommen lässt, die den Sprung über die 4-Prozenthürde erhoffen, neben anderen etwa die KPÖ. Sie werden gleichsam als „Outsider“ auf mediale Unterstützung weitgehend verzichten müssen.

Mediale Wahlkampfsplitter 2024

Wie Medien Politik machen. Teil 1

Blau-Rot ist nicht ausgeschlossen“ betitelt Martina Salomon ihren KURIER-Leitartikel vom 6.1. und beflügelt damit den Wahlkampf der ÖVP.

Udo Bachmair

Mit Bedenken und Angst vor einer Kickl/Babler-Koalition nach der Nationalratswahl gibt die in der Medienbranche als ÖVP-nah geltende Chefredakteurin des KURIER der großen Regierungspartei gleichsam die Wahlkampfstrategie vor. Diese könnte tatsächlich greifen und die in Nöten geratene Volkspartei über die Hürden ihrer angereicherten Probleme hinweghelfen und von Platz 3 auf Rang 2 in den Umfragen bringen.

Vergessen die Erkenntnisse des ÖVP-Korruptionsausschusses, vergessen die Ära des letztlich doch nicht ruhmreichen und fast zum Messias erhöhten ehemaligen Wunderwuzzis Sebastian Kurz, vergessen die Chataffären, vergessen die Vorwürfe gegen ÖVP-Nationalratspräsident Sobotka, etc. etc.– ein nun medial heraufbeschworenes Schreckgespenst, wie eine SPÖ/FPÖ-Koalition kann nun all die schwarzen Schatten wahlkampfmäßig überstrahlen. Der eher farblose Kanzler kann dank KURIER nun auch mehr Farbe abbekommen. Karl Nehammer sieht sich aber unerwarteterweise doch auch mit einer Kritik Martina Salomons konfrontiert: er habe „sich vorschnell der FP-Option beraubt“.

Recht hat die KURIER-Chefredakteurin durchaus mit ihrer Aufzählung von Einzelaktionen im Nationalrat, bei denen die beiden großen Oppositionsparteien gemeinsame Sache gemacht haben. In der „Aufklärungsarbeit“ über „Fehlleistungen“ der ÖVP haben sich vor allem SPÖ-Mandatar Krainer und FPÖ-Abgeordneter Hafenecker zusammen- und hervorgetan. Doch diese punktuellen „Deals“ als Signal für eine mögliche künftige Kooperation auf Regierungsebne zu deuten, greift wohl zu kurz.

Eher nicht richtig liegt Salomon auch mit dem Vergleich, dass SPÖ und FPÖ ja schon einmal miteinander koaliert hätten und sie dies aus diesem Grund wieder tun würden. Denn die politische Lage der 80er-Jahre ist mit der heutigen nicht vergleichbar. Die FPÖ unter Norbert Steger war damals eine liberale Partei, die weit nach rechts gerückte Kickl-Partei ist dies heute wohl nicht mehr. Und die im Gegensatz zu Kreiskys Zeiten heute unter Andreas Babler etwas nach links gerückte Sozialdemokratie würde auf Regierungsebene mit Rechtspopulisten ziemlich sicher nicht kooperieren.

Fakten hin, Fakten her, das vom schwarzen Mammutkonzern Raiffeisen mehrheitlich mitfinanzierte Blatt übt sich gleich am Beginn des Neuen Jahres in Wahlkampfstrategien zugunsten der ÖVP.
Der Einfluss von Medien auf das Wahlverhalten der Menschen ist jedenfalls nicht zu unterschätzen.

Im heurigen Superwahljahr werden wir ja noch Einiges erleben. So werden wir in der neuen Serie „Mediale Wahlkampfsplitter 2024 – Medien machen Politik“ in loser Abfolge weiter dranbleiben.

Der Artikel von KURIER-Chefredakteurin Martina Salomon ist unter folgendem Link abrufbar:

https://kurier.at/meinung/blau-rot-ist-nicht-ausgeschlossen/402730780

Schwarzer Tag für die Neutralität

Das Abstimmungsverhalten Österreichs gegen eine UNO-Resolution, die sich für eine Feuerpause im Gaza-Krieg ausspricht, hat erneut Kritik an der Außenpolitik der Regierung ausgelöst, wenngleich das Thema medial bisher eher auf eine Randnotiz beschränkt bleibt..

Udo Bachmair

Die schwarz-grüne Regierung hat bei der UNO-Generalversammlung in New York zum zweiten Mal gegen einen humanitären Waffenstillstand im Krieg Israels gegen Gaza gestimmt. Im Gegensatz dazu haben alle anderen neutralen EU-Staaten (Irland, Malta, Zypern) die UNO-Resolution unterstützt. Auch die Schweiz und die früheren Neutralen Finnland und Schweden haben zugestimmt. Sogar die Deutschen, wie Österreich bedingungslose Unterstützer Israels, haben nicht ausdrücklich gegen die Resolution gestimmt, sie haben sich enthalten.

Es stellen sich dabei Fragen über Fragen: Warum stimmt ein kleines neutrales Land wie Österreich gegen einen humanitären Waffenstillstand? Wieviele Menschen sollen noch getötet werden, bevor sich das offizielle Österreich wieder auf unsere Tradition eines Vermittlerstaates zurückbesinnt? Was treibt unsere Außenpolitik an, Österreichs humanitäre Tradition (Beispiel die Außenpolitik Bruno Kreiskys) mit Füßen zu treten? Ein moralisches und neutralitätspolitisches Desaster, so die übereinstimmende Kritik.

Das Abstimmungsverhalten Österreichs bezeichnet die SPÖ-Abgeordnete Muna Duzdar in einem Posting als „unfassbar“. Ihr Befund: „Wir gehören in der Welt nur mehr zu den Außenseitern. Die Außenpolitik der ÖVP ist eines neutralen Staates unwürdig“.

General Günther Greindl von der Initiative Engagierte Neutralität, früherer Oberkommandierender der österreichischen Blauhelmtruppen, spricht von einem „schwarzen Tag in der Geschichte der Neutralität.“ Es sei höchste Zeit, zu einer glaubwürdigen Neutralitätspolitik zurückzukehren.

Fritz Edlinger, Herausgeber von INTERNATIONAL und Vorsitzender der Österreichisch-Arabischen Gesellschaft, schreibt im Newsletter seiner Zeitschrift:

„Als österreichischer Staatsbürger und als Humanist protestiere ich auf das Schärfste gegen diese seit geraumer Zeit verfolgte Politik der Österreichischen Bundesregierung. Diese ist nicht nur neutralitätspolitisch absolut inakzeptabel, sondern widerspricht auch – in Verweigerung der Forderung nach einem humanitären Waffenstillstand – den einfachsten Grundsätzen von Menschlichkeit und Achtung des humanitären Völkerrechts“.

Willkommen

Unbeachteter Neutralitäts-Tag

Heute ist bzw. war der Internationale Tag der Neutralität. Politik und Medien haben ihn weitgehend ignoriert.

Udo Bachmair

Den 12. Dezember hat die UNO- Generalversammlung 2017 zum Internationalen Tag der Neutralität erklärt. Eine entsprechende Resolution betont die wichtige Rolle neutraler Staaten bzgl. friedlicher Konfliktlösung und vorbeugender Krisendiplomatie. Den Jahrestag nimmt die INITIATIVE ENGAGIERTE NEUTRALITÄT zum Anlass, um auf die Wichtigkeit und Nützlichkeit der immerwährenden Neutralität Österreichs hinzuweisen.

Ex-Bundesheer-General Günther Greindl, einer der Sprecher der Initiative und früherer Oberkommandierender österreichischer Friedenstruppen, unterstreicht in einer Erklärung, dass Österreich als Sitzstaat der OSZE und UNO-Standort im Rahmen der kooperativen Sicherheit in Europa gute Dienste einbringe und einbringen könne. Die bewährte Neutralitätspolitik sei kein Versatzstück aus einer vergangenen Zeit.

Bedauerlicherweise hat der Internationale Tag der Neutralität in Österreichs Medien und Politik kaum Niederschlag gefunden. Die Bundesregierung (inkl. Außenministerium) hat den Tag offenbar überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Nur zwei APA-Aussendungen sind bisher zu registrieren, eine von der INITIATIVE ENGAGIERTE NEUTRALITÄT selbst, eine Initiative, der auch der Autor dieser Zeilen angehört, sowie eine Erklärung seitens der SPÖ:

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20231212_OTS0020/internationaler-tag-der-neutralitaet

https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20231211_OTS0140/spoe-bayrlaimer-die-neutralitaet-ist-unser-hoechstes-aussen-und-sicherheitspolitisches-gut

Höchst empfehlenswert ist zum Thema ein Gespräch zwischen Univ. Prof. Heinz Gärtner und Prof. Pascal Lottaz, Schweiz, im Videokanal der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL:

Der folgende Link führt zur ebenfalls besonders empfehlenswerten Podiumsdiskussion der INITIATIVE ENGAGIERTE NEUTRALITÄT im Presseclub Concordia:

Umgang mit knappen Ressourcen

Die Themen Wohnungsnot einerseits und Bodenversiegelung anderseits gehören zu den vordringlichsten Problemen der Gegenwart. Nur selten widmen sich Medien dieser Thematik so wie die jüngste Ausgabe des ORF-Wirtschaftsmagazins Eco.

Wolfgang Koppler *

Im gegenständlichen Eco-Beitrag ging es um zum einen um Abgaben für ungenutztes Bauland, die von einigen Bundesländern eingehoben werden, um die Grundeigentümer zum Verkauf statt zum Horten wertvoller Baugründe zu bewegen. Immerhin 21 % der als Bauland gewidmeten Gründe liegen brach, auch innerhalb von Siedlungsgebieten, während anderseits immer mehr Ackerflächen an der Peripherie in Bauland umgewidmet und dann aufwendig erschlossen werden. Was natürlich auch zu weiterer Zersiedelung und Bodenversiegelung führt. Und zu Wohnraumnot und einem weiteren Anstieg der Grundstückspreise. Die dann wiederum jenen zugute kommen, die mit ihrem Bauland spekulieren.

Abgaben von einigen Tausend Euro pro Jahr werden natürlich nicht alle zu einem Verkauf ihrer Grundstücke bewegen, aber einige vielleicht doch. In Innsbruck hat man noch eine andere Idee: Die Aktivierung eines Bundesgesetzes aus dem Jahre 1974 (des so genannten Bodenbeschaffungsgesetzes), das im Falle eines im Gesetz definierten Wohnungsnotstands sogar Enteignungen gegen Entschädigung ermöglicht. Das Land Tirol müsste dazu eine entsprechende Verordnung erlassen und sperrt sich natürlich, zumal das Eigentum ja geradezu als unantastbar gilt. Interessanter Weise haben sich auch SPÖ, Liste Fritz und sogar die Neos dem Ansinnen der Innsbrucker Grünen angeschlossen. Man wird sehen, ob sie es wirklich ernst meinen.

Im Standard ist dazu schon im Vorjahr ein bemerkenswerter Artikel erschienen, der ausnahmsweise einmal eine wirklich interessante und differenzierte Leserdiskussion auslöste. Da tauchten interessante Zahlen auf, wonach zwar die Zahl der Wohnungssuchenden das Angebot erheblich übersteigt, aber anderseits auch viele leerstehende Wohnungen gar nicht auf den Markt kommen. Zahlen, die zeigen, dass mit Abgaben auf Bauland allein dem Problem wohl nicht beizukommen ist: Es wird auch Leerstehungsabgaben und andere Lenkungsinstrumente benötigen. Wie etwa eine strengere Raumordnung ohne Möglichkeit zur Willkür von Bürgermeistern und Gemeinderäten. Und strengere Bestimmungen für Appartmentvermietungen, die dem Markt jedes Jahr Tausende Wohnungen entziehen.

Ein Tabu für unseren neoliberal geprägten Journalismus. Sozialbindung des Eigentums ? Verantwortungsvoller Umgang mit knappen Ressourcen ? Ökosoziale Marktwirtschaft ? Das war einmal. Solche Gedanken gelten ja inzwischen geradezu als kommunistisch.

https://www.derstandard.at/story/2000138276599/enteignungen-das-innsbrucker-experiment

* Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Reste von Vernunft

Hin und wieder ist auch in der Kronenzeitung Positives zu entdecken.

Wolfgang Koppler *

Man sagt mir nach, ich sähe im Emmentaler nur die Löcher. Und so fallen mir meistens Beispiele für schlechten Journalismus auf.

Die Krone vom 3.7. war (abgesehen von der etwas reißerischen Schlagzeile) eine angenehme Überraschung. Auf den Seiten 2-3 ein Interview mit Philipp Kucher, dem neuen Klubchef der SPÖ im Nationalrat, in dem es darum ging, wie man die Partei wieder einen könnte. Kucher gilt ja als Doskozil-Mann (aber auch als Brückenbauer) und erkennt die Notwendigkeit, Doskozil und seine Anhänger in den Erneuerungsprozess einzubinden

Ein wirkliches Highlight war aber Christians Hauensteins Artikel auf S 4: Er nimmt die Diskussion über die österreichische Neutralität anlässlich des nicht ganz unproblematischen Beitritts zum Luftverteidigungssystem Skyshield zum Anlass, die internationale Bedeutung der Neutralität von Österreich und der Schweiz als Beispiel für andere Länder hervorzuheben, die – so wie einst Österreich – in den Konflikt zwischen Machtblöcken zu geraten drohen.

Zu solchen Ländern zählen ehemalige Sowjetrepubliken wie die 5 „Stans“, also Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan. Kirgistan und Tadschikistan. Das autoritär regierte, aber laut Verfassung neutrale Turkmenistan hat nämlich in Kooperation mit der Parlamentarischen Versammlung der OSZE zu einer Veranstaltung mit dem Titel „Neutralität in Zentralasien“ nach Aschabad geladen, zu der neben Vertretern der obgenannten Staaten auch Diplomaten aus Deutschland und Russland kamen. Und Experten aus der Schweiz und Österreich, wie etwa Heinz Gärtner, die die Vor- und Nachteile sowie die jeweilige Auslegung der Neutralität in ihren Ländern erklärten. Sie sprachen sich für einen neutralen Block in Zentralasien aus. Kronejournalist Christian Hauenstein meinte am Schluss seines Beitrags, die „atomwaffenfreie Pufferzone“ dieser Staaten könnte dadurch stabiler werden.

Was eigentlich jedem vernünftigen Menschen einleuchten müsste. Insbesondere wenn man Politik als Spiel von Interessen begreift. Aber in Kriegszeiten geht die Vernunft bekanntlich regelmäßig verloren. Und so wurde auch diese Veranstaltung in anderen Medien weitgehend totgeschwiegen. Denn Neutralität gilt als unmoralisch.

*Gastautor Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien