Archiv für den Monat: Oktober 2017

Rechtsruck in Österreich: Ist der Boulevard verantwortlich dafür ?

Udo Bachmair

Welchen Anteil am  Rechtsruck in Österreich haben die Medien ? Medienkritiker gehen davon aus, dass vor allem der Boulevard zum Wahlerfolg der rechtspopulistischen Kräfte beigetragen hat. Im Sog des rechten Zeitgeistes, der auch andere EU-Länder erfasst hat, haben Zeitungen wie „Krone“ oder „Österreich“ seit langem bereits den fruchtbaren Boden für Positionen rechts bis weit rechts der Mitte aufbereitet. Beispiele die überdramatisierte Flüchtlingscausa mit Kriminalisierung von Asylwerbern kombiniert mit konsequenter Pflege des Feindbilds Islam. Parallel dazu die Kampagne für den nach rechts gerückten Volkspartei-Jungstar Kurz und FPÖ-Chef Strache und gegen SPÖ-Obmann Kern. All das dürfte ein Klima mit beeinflusst haben, das bei der Nationalratswahl das entsprechende Resultat gebracht hat.

Sind also die Medien schuld am Wahlergebnis, wie etwa auch Kanzler Kern behauptete, der es gewagt hatte, „Österreich“ als Krawallblatt zu kritisieren ? Tragen sie, die Medien, tatsächlich die Verantwortung für den Sieg der nunmehr vom christlich-sozialen Flügel befreiten neuen Volkspartei ? Inwieweit sind sie zudem verantwortlich für den weiteren Aufstieg der FPÖ, die nun in der Lage sein wird, auch radikale Burschenschaftler in wichtige Funktionen sensibler Bereiche des Staates zu hieven ?

Fragen wie diese müssen sich Teile des österreichischen Journalismus gefallen lassen. Am besten wäre es, die Medien würden sie selbst stellen, befindet Univ. Prof. Fritz Hausjell.  Als Anregung dafür stellt der renommierte Wiener Publizistikwissenschafter – er ist u.a. auch Beiratsmitglied der Vereinigung für Medienkultur  – zehn Thesen auf, die in der ZEIT Nr. 44/2017 unter folgendem Titel erschienen sind :

Prinz und Prinzessin

Hat schlechte Presse Kanzler Christian Kern den Wahlsieg gekostet ?

These 1: Entgegen dem äußeren Anschein war der Journalismus in diesem Wahlkampf aufdeckungsschwach. Denn die Enthüllung der Aktivitäten von Kern-Berater Tal Silberstein und seiner Söldnertruppe, welche die letzten Wahlkampfwochen dominierte, erfolgte nicht durch journalistische Methoden, also durch Recherche. Das belastende Material war vielmehr von politischen Akteuren organisiert und dann ausgewählten Medien auf dem Tablett serviert worden. Ein ähnlicher Mechanismus sorgte auch dafür, dass den Medien andere Dokumente zugespielt wurden. Investigativer Journalismus hätte den Umstand, dass hier die jeweils politisch gegnerische Seite massiv ihre Finger im Spiel hatte, thematisieren müssen. Das ist nicht erfolgt. Daher müssen sich die betreffenden Medien den Vorwurf der Instrumentalisierung gefallen lassen.

These 2: Journalismus ist mitunter sträflich ahistorisch. Etliche Medien, selbst solche, die meinen, den Investigativjournalismus gepachtet zu haben, erklärten diesen Wahlkampf nach der politisch angeschobenen Aufdeckung der Silberstein-Aktivitäten zum „schmutzigsten Wahlkampf aller Zeiten“. Das veranlasste ÖVP und FPÖ, sich selbst als die „sauberen“ Wahlkämpfer zu inszenieren. Erst spät und zaghaft begannen dann einzelne Medien an Experten die Fragen zu stellen, ob nicht schon in früheren Wahlkämpfen hinterhältig gearbeitet worden war.

These 3: Sebastian Kurz bekam seit seiner Machtübernahme in der ÖVP eine sehr große mediale Bühne, die journalistisch fast nie infrage gestellt wurde. Die von APA-Defacto ermittelten Daten zeigen Woche für Woche, welche Politiker die Medien dominieren. Vor dem Rücktritt Reinhold Mitterlehners als Vizekanzler und ÖVP-Parteichef lag Kanzler Christian Kern in den Wochenrankings zumeist auf dem ersten Platz. Ab der zweiten Maiwoche führte dann aber mit zwei Ausnahmen immer Sebastian Kurz die Hitliste der Politikernennungen an. Sind also viele Journalisten einer PR-Strategie der „neuen ÖVP“ auf den Leim gegangen, oder waren das politische Marketing der anderen Parteien einfach so viel schlechter?

These 4: Der Wahlerfolg von Sebastian Kurz fußt auch auf einem Siegeszug im Bereich der optischen Inszenierung. Dass die Selbstdarstellung auf Social-Media-Kanälen und Wahlveranstaltungen für alle Parteien leicht ist, versteht sich. Dass aber bei der Verwendung von Fotos in Print- und Onlinemedien sich vor allem die „neue ÖVP“ so stark durchsetzte, wirft ein schlechtes Licht auf zahlreiche Medien. Pressefotografen wurden nun auch etwa beim Sondierungsgespräch von Kern und Kurz ausgesperrt, den Medien anschließend handverlesene Bilder zur Verfügung gestellt.

These 5: Politiker, die sich mit dem Boulevard ins Bett legen, werden von selbsterklärten Qualitätsmedien offenbar nur dann abgestraft, wenn sie rot sind. Bei früheren Wahlen ließ sich folgendes Phänomen beobachten: Wenn die SPÖ von Boulevardmedien freundlich in Wahlkämpfen publizistisch unterstützt wurde, hat ein Teil der sich Qualitätsmedien titulierenden Blätter die SPÖ nahezu reflexartig besonders kritisch begleitet, um das publizistische Boulevard-Übergewicht auszugleichen. In diesem Wahlkampf wurde die SPÖ von zwei Boulevardblättern geradezu durch die Öffentlichkeit geprügelt. Aber die anderen Medien versuchten nun nichts mehr auszutarieren.

These 6: Ein Teil des Boulevardjournalismus berichtete ungeniert offen parteiisch. Österreich zeichnete einerseits das Bild der mimosenhaften „Prinzessin“ Kern. Eine Woche vor der Wahl krönte das Krawallblatt auf der Titelseite Sebastian Kurz zu seinem Prinzregenten. Das waren nur die gröbsten Auswüchse dieser Kampagne.

These 7: Der journalistische Fakten-Check zeigte Wirkung. Die Überprüfung von Tatsachenbehauptungen nach den Wahlkonfrontationen im ORF führte dazu, dass Politiker weniger flunkerten als in früheren Duellen. Nicht gelungen ist indes in fast allen Medien das beharrliche Nachfragen. Das wurde besonders deutlich durch die nie befriedigend beantwortete Frage, wie die extrem hohen Einsparungen, die einige Parteien vorschlugen, konkret gegenfinanziert werden sollen.

These 8: Dieser Wahlkampf sei inhaltsarm gewesen, wurde bemängelt. Aber das lag schon auch an den Medien, die sich häufig daran ergötzten, täglich eine neue Umfrage zu präsentieren, und so Wahlkampfberichterstattung zum horse race journalism reduzierten. Und die es nicht schafften, die ÖVP-Strategie zu durchbrechen, möglichst wenige Inhalte und die nur häppchenweise zu kommunizieren.

These 9: Den Medien gelang es nicht, die von der ÖVP zu Beginn des Wahlkampfes stolz als Erneuerung präsentieren Quereinsteiger inhaltlich auszuleuchten. Die Partei schirmte diese Neuzugänge nach ihrer Präsentation erfolgreich ab und vermarktete sie genau dosiert. Medien, die möglicherweise kritische Fragen gestellt hätten, wurden zudem Interviews mehrfach verweigert. Leider haben Medien dieses einer Demokratie unwürdige Machtspiel nur selten transparent gemacht. Der Erfolg der ÖVP bei der Verfolgung ihrer PR-Strategien ist zugleich der Misserfolg des Journalismus. Es gelang nur fragmentarisch, hinreichend Einblicke in die Denkwelten der neuen ÖVP zu liefern.

These 10: Schließlich war die Inszenierung einer sanften FPÖ medial weitgehend erfolgreich. Nur in Ansätzen thematisierten Medien die Frage, ob hinter der sich seit einiger Zeit moderat gebenden Partei der Radikalismus gerade nur auf Schlummermodus gestellt worden war, um potenzielle Wähler nicht zu verschrecken. Bekam ein Teil der sonst so FPÖ-kritischen Berichterstattung hier eine Beißhemmung, weil die ÖVP und teils auch die SPÖ beim Thema Asyl selbst nach rechts gerückt waren?

Keine These, sondern bittere Erkenntnis: Der Fellner-Sender oe24TV hat sich bei dieser Wahl als Realsatirenprogramm etabliert.

 

Nach der Wahl: Zur Zukunft von ORF und Funkhaus

Udo Bachmair

Die Nationalratswahl ist geschlagen, die Neuauflage einer schwarz-blauen Koalition gilt als wahrscheinlich. Eine Entwicklung, die mit großem Interesse und unverkennbarer Nervosität auch im ORF registriert und diskutiert wird. So wachsen bei Belegschaft und ORF-Führung Ängste und Befürchtungen über angebliche Pläne, ORF 1 und Ö 3 zu verkaufen. Ein solcher Privatisierungsschritt käme einer Zerschlagung des ORF gleich, wird argumentiert. So schnell, wenn überhaupt, dürfte es jedoch nicht dazu kommen.

Realistischer ist da schon eine komplette Umfärbung der wichtigsten ORF-Positionen. Abgeschreckt vom rigiden Kurs des ÖVP-nahen Hardliner-Duos Monika Lindner / Werner Mück erscheint das vielen im ORF als gefährliche Drohung. ORF-Redakteure haben den seither unter Wrabetz erreichten journalistischen Spiel-und Freiraum durchaus schätzen gelernt , wie mir Ex-ORF-Kollegen bestätigen. Der Vorwurf, Wrabetz würde ORF-Informationsabteilungen parteipolitisch gängeln, läuft daher weitgehend ins Leere.

Angesichts der voraussichtlich neuen politischen Konstellation im Lande erscheint auch die Zukunft des Funkhauses brisant. Noch im Vorjahr war fix mit der Absiedelung von Ö 1 und FM 4 aus dem Wiener Funkhaus gerechnet worden. Diese Fehlentscheidung des ORF-Stiftungsrates dürfte zwar endgültig vom Tisch sein, doch es kursieren neue Gerüchte, dass die Radioinformation als einziger Bereich in bestehende Hallen des ORF-Zentrums verbannt werden soll. Die Generaldirektion hat nämlich eine Machbarkeitsstudie zu solchen Überlegungen in Auftrag gegeben…

Die ProponentInnen und UnterstützerInnen der Funkhausrettung haben aus aktuellem Anlass folgende Erklärung veröffentlicht:

„Wir freuen uns, dass der ORF den 50. Geburtstag seines Kultur- und Informationssenders Ö1 sowohl im Wiener Funkhaus als auch in seinem Hörfunk- und Fernsehprogramm gefeiert und im Funkhaus einen würdigen Rahmen dafür vorgefunden hat. Er hat damit die Aufmerksamkeit auf das Funkhaus als Hauptstandort seiner Hörfunksender gelenkt. Wir verstehen das als Zeichen, dass ihm sein Funkhaus etwas wert ist und er es behalten möchte.

Daher gehen wir davon aus, dass nicht mehr an den Verkauf des gesamten Funkhauses gedacht ist. Nur noch Überlegungen zu einem Teilverkauf wurden zuletzt bekannt. Aber auch ein Teilverkauf des Funkhauses würde in den Folgekosten den Verkaufserlös bei weitem übersteigen und das Funktionieren von Ö1, FM4 und Radio Wien durch die Aufteilung der einzelnen Programmbereiche auf verschiedene Standorte elementar gefährden. 
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Aufwachen, aufwachen, aufwachen

Udo Bachmair

„Aufwachen, aufwachen, aufwachen“ – so der Titel eines empfehlenswerten Karikaturen-Buches, das kürzlich in der Volkshochschule Wien-Hietzing präsentiert worden ist. Autor des Werks ist Ali Kohlbacher, Ex-Abteilungsleiter im Bundeskanzleramt, u.a. aktiv in der Friedensbewegung, in der SPÖ-Bildungsarbeit sowie beim Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer. Sein Spezialgebiet sind Zeichnungen, politische Karikaturen, in denen er sich engagiert mit Verwerfungen, Torheiten und Krisen unserer Zeit auseinandersetzt.

Der linke Sozialdemokrat Ali Kohlbacher übt mit seinen Karikaturen Kritik am Neoliberalismus und nimmt Partei für „Modernisierungsverlierer“, Ausgebeutete, für Enttäuschte und Getäuschte. Er prangert Egoismus, Gier, Engstirnigkeit und Menschenverachtung an.

Kohlbacher gelingt es auf originelle Weise, seinen schonungslosen, oft auch zornigen Aussagen und Botschaften auch ein humoriges Element zugrunde zu legen, das nachdenkliches Schmunzeln auslöst.

„AUFWACHEN, aufwachen, aufwachen-Karikaturen aus dem 21. Jahrhundert“ ist im ECHOMEDIA BUCHVERLAG erschienen.Preis 19,80

Wahlkampf : Politologe mit Sager der Woche

Kurz im Gleichklang mit dem Boulevard : Flüchtlinge und Migration an allem schuld

Udo Bachmair

Der Wahlkampf geht langsam ins Finale. Wenn sich die Aufregung rund um eine angeblich von der SPÖ finanzierte Facebook-Seite mit Verunglimpfungen von Sebastian Kurz gelegt haben wird, wird wieder das emotionale Reizthema Migration und Flüchtlinge dominieren. Dafür wird mit einiger Sicherheit das voraussichtliche Siegerduo Kurz / Strache sorgen. Andere Themenkomplexe, die die meisten Menschen tatsächlich direkt betreffen, wie Soziales, Bildung, Wirtschaft und Arbeit, werden in der Wahlkampf-Schlussphase eine bloß untergeordnete Rolle spielen..

Die Wahl dürfte also nahezu ausschließlich mit Emotionen und Hetze geschlagen werden. Nicht nur seitens des rechtspopulistischen Duos Kurz/Strache, sondern auch durch Unterstützung der Boulevardmedien. Mit der Fähigkeit, dem Boulevard und der vermuteten Mehrheit der Bevölkereung nach dem Mund zu reden, erweist sich Kurz als der geschicktere Strache. Der talentierte Jungstar hat es in TV-Diskussionen konsequent geschafft, unabhängig vom Thema nach kurzer Zeit sofort die Flüchtlings- und Migrationsfrage für nahezu alle Fehlentwicklungen verantwortlich zu machen.

Der Politikwissenschafter Professor Filzmaier hat die Kurz-Sicht(igkeit) in seiner Analyse nach dem ORF-Duell zwischen dem langjährigen Integrationsverantwortlichen und der grünen Spitzenkandidatin Ulrike Lunacek mit einem Schuss Humor auf den Punkt gebracht :

„Sebastian Kurz hat ein Glück, dass es bei dieser Diskussion nicht um Verkehrspolitik gegangen ist. Weil da hätte er wahrscheinlich auch argumentiert, das verkehrspolitische Problem sind Burka-Trägerinnen, die illegal in zweiter Spur vor Islamkindergärten parken.“