Die Internet-Plattform „Perspective daily“ hat sich in einem ausführlichen Artikel mit dem Reizthema „Klimaschutz und Werbung“ befasst. Im Folgenden Inhalt und analytischer Kommentar dieses Beitrags von
Hans Högl
Die deutsche Regierung verbietet seit einem halben Jahr Werbung. die dem Klima schadet. Es gilt: Wenn eine Firma dagegen verstößt, kann dies dem neu eingerichteten Onlineportal gemeldet werden. Wo und wann wurde davon je in Österreich berichtet?
Mir stößt schon lange ein Widerspruch auf, die Schizophrenie in Medienunternehmen – auch in Print-Qualitätsmedien. In öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und im privaten Fernsehen – da warnen sie fast täglich vor Klimakrise, und gleichzeitig wird für Klimaschädliches geworben. Auch für SUV-Autos, die sehr viel CO 2 verpuffen.
Dieses und Folgendes müssten schon längst leitende, fest angestellte (Chef) Redakteure bemerkt haben, und es kann von ihnen erwartet werden, dass sie mit der unternehmenseigenen Werbeabteilung Vereinbarungen treffen. Von freien jungen Mitarbeitern mit Minihonoraren wird ein solcher Protest nicht zu erwarten sein.
Danke an den Blog „Perspective daily“ aus Münster, der dieses Thema, heute am 30. Mai, aufgreift, was ich hier kommentierend darstelle: 1/3 der Produkte in TV-Werbung schaden dem Klima. Johanna fährt an einer Kreuzung vorbei, auf der Unternehmer:innen ….protestieren – mit Schildern und Sprüchen wie »Ohne Werbung stirbt die Wirtschaft«. Ein paar Journalist:innen scheinen dabei zu sein…weil sie… von dem Verbot betroffen sind. Magazine/ Zeitungen gingen pleite wegen weggefallenen Werbeeinnahmen..
Johanna ist das Verbot positiv aufgefallen: Im Fernsehen, vor YouTube-Videos gibt es keine nervigen Werbeunterbrechungen mehr, die ihr zubrüllen, was sie noch alles benötigt, kein direkt an sie adressierter Müll mehr, weder im analogen noch im digitalen Briefkasten. Ich ärgere mich auch über zahllose Spendenzuschriften im Briefkasten. Mein Briefträger sagt mir, dagegen ist fast nichts zu unternehmen. Ich selbst und wir alle können nicht jeder Spendenaufforderung entsprechen.
Jede dritte TV-Werbung preist klimaschädliche Produkte an.
Eine Welt ohne Werbung ist schwer vorstellbar. Soll Werbung für Tabak, Alkohol, Sportwetten, Junkfood und an Kinder gerichtete Werbung für Süßigkeiten – nicht verboten sein? Es sind gesundheitsschädliche Produkte….Werbung für klimaschädliche Produkte ist kein Randphänomen: Knapp 10.000 Werbespots, die vor Videos der 20 größten deutschen YouTube-Kanäle sowie auf den fünf reichweitenstärksten Fernsehsendern liefen, stellten Forscher fest: Fast 1/3 davon bewarben klimaschädliche Waren und Dienstleistungen.
Die Wirkung von Werbung: Ob und wie Menschen konsumieren, hängt neben Werbung von anderen Faktoren ab, dem Charakter oder der wirtschaftlichen Lage. Wenn bei Autos klimaschädliche Modelle beworben werden, könnte das durchaus Einfluss haben. Werbung allein verleitet uns nicht dazu, ein Produkt sofort zu kaufen. Sie beeinflusst langsam. So weckt Werbung positive Emotionen und versucht, ein Verlangen nach dem Produkt selbst (wie schöne Kleidung) auszulösen oder erfüllt Funkionen (Anerkennung durch schöne Kleidung, mehr Mobilität durch ein E-Bike, Abenteuerurlaub dank Flug). Bei Hygiene- und Kosmetikprodukten kommen negative Emotionen ins Spiel, die Makel vor Augen führen sollen, die sich durch das beworbene Produkt beheben lassen.
In der Werbewirkungsforschung gibt es dazu zwei populäre Modelle. Der Mere-Exposure-Effekt beschreibt, dass Menschen ein Produkt positiver bewerten, wenn sie es häufiger sehen. Die Bekanntheit macht es Konsumenten attraktiver, egal ob sie das Produkt bewusst oder unbewusst wahrnehmen. Das Involvement-Konzept geht davon aus, dass es für Produkte verschiedener Werbestrategien bedarf. Bei Alltagsgütern wie Backpulver/ Zahnpasta ist das Involvement niedrig, bei Urlaubsreisen oder Elektronik oftmals hoch.
Wirken Werbeverbote?
Firmen müssen sich mit Werbung an Spielregeln halten. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb nennt unerlaubte Werbeformen. Dazu gehört, mit Versprechen zu werben, die man nicht einhalten kann.
Werbung für Alkohol ist eingeschränkt, aber möglich. Ein Werbeverbot betrifft Tabak. In Deutschland wurden Werbespots im Radio und Fernsehen für Tabakwaren bereits 1975 verboten. Seit 2021 verschwindet auch die Plakatwerbung für Tabakprodukte.
Weil Tabakwerbung reguliert ist, können Aussagen getroffen werden, ob Werbeverbote etwas bewirken. Die Cochrane-Review »Wirkung von Tabakwerbung auf das Rauchverhalten junger Menschen« verglich 19 Studien zwischen 1983 und 2008. In 18 davon erwies sich die Wahrscheinlichkeit später zu rauchen bei jenen Teilnehmenden erhöht, die mehr Werbung ausgesetzt waren.
Das Werbeverbot für Tabak hat flankieren Maßnahmen wie höhere Zigarettensteuern, Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden sowie Verkehrsmitteln und Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Was stark wirkt, lässt sich nicht eindeutig messen. Auch ein potenzielles Werbeverbot für klimaschädliche Produkte wäre kein Allheilmittel.
Werbung für klimaschädliche Produkte treibt CO2-Emissionen in die Höhe. Greenpeace ließ errechnen, welchen Anteil Werbung im Jahr 2021 an den Emissionen der Schweiz ausmachte. Es heißt: »So kann man im Szenario ›von hoher Werbewirksamkeit‹ von bis 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten ausgehen. Das entspricht 7% der Gesamtemissionen der Schweiz.« Ein anderer Bericht zeigt, dass die Werbeindustrie in Großbritannien im Jahr 2022 für 208 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten verantwortlich war.
Was für Werbeverbote spricht
Zurück zu den »Klimakillern« in deutschen Werbespots. So sind 86% der Spots aus der Kategorie Schokolade, Eis und Gummibärchen klimaschädlichen Produkten zugeordnet, 78% der Autos und Autodienstleister sowie 72% aus der Kategorie Körperpflege, Hygiene und Beauty. Teilweise wären »mit einem einzigen der angepriesen Autos, mit einem einzigen der beworbenen Flüge oder Urlaubsziele, mit einer einzigen Kreuzfahrt« das Pro-Kopf-CO2-Budget bereits aufgebraucht, in vielen Fällen weit überschritten, fassen die Forschenden die Ergebnisse zusammen.
Dass überhaupt klimaschädliche Produkte beworben werden, ist das Problem. Denn damit verstoßen die Sender – öffentlich-rechtliche ebenso wie private – gegen ihre eigenen Regeln. Im deutschen Medienstaatsvertrag heißt es nämlich: Werbung darf nicht […] Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit sowie in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden.§8 Deutscher Medienstaatsvertrag. Die Studienautor:innen mahnen, es sei geboten, die Werbung auch hinsichtlich ihrer Klimawirkung zu regulieren. Ein denkbarer Weg – aber nicht der einzige – sind Verbote.
Nachbarländer Deutschlands zeigen den Weg. So wurden 2021 Werbungen für SUVs, fossile Brennstoffe und Billigflüge in Amsterdam aus dem öffentlichen Raum verbannt. In Frankreich gilt seit 2022 national sogar ein Werbeverbot für fossile Brennstoffe; Autowerbung muss zumindest auf umweltfreundliche Verkehrsmittel verweisen.
Dies Beispiele beziehen sich nicht explizit auf Fernsehwerbung. Die Stärke des niederländischen und französischen Ansatzes liegt darin, dass es kein allgemeines Werbeverbot »klimaschädlicher Produkte« gibt. So beziehen sich die Verbote auf einzelne Produktgruppen, die zweifelsfrei klimaschädlich sind.
Welche Alternativen gibt es?
Werbeverbote stoßen bei Lobbyverbänden auf Widerstand und sind nur schwer umsetzbar. Sie sind aber nicht die einzige Möglichkeit. Die Studienautor:innen der Uni Leipzig machen eine Reihe alternativer Vorschläge, wie Werbung noch reguliert werden könnte: Verpflichtende Warnhinweise für klimaschädliche Produkte: Ein solcher Hinweis könnte ähnlich wie der Pflichttext nach Werbeclips für Medikamente eingefügt werden. Der Preis für die Platzierung im Programm könnte analog zum CO2-Fußabdruck des beworbenen Produkts steigen. Je mehr Emissionen ein Produkt verursacht, desto teurer wäre es demnach, dafür einen Werbespot zu schalten.
Die Forschenden fanden, dass Werbespots oft die negativen Effekte der Produkte auf das Klima unsichtbar machten: Eine Fernreise wird mit Naturschutz in Verbindung gebracht, ein Hybrid-SUV wird mit Wildtieren und Naturlandschaften beworben, der Konsum von Kaffeekapseln soll eine gescheiterte Klimapolitik ersetzen. Die Werbebotschaften sind zuweilen als absurd bzw. sogar als irreführendes Greenwashing zu bezeichnen.
Greenwashing ist ein Problem. Laut EU-Kommission enthalten 53% aller umweltbezogenen Produktangaben von Unternehmen vage oder irreführende Informationen. 40% der Aussagen werden nicht belegt. Damit soll bis 2026 in allen Mitgliedstaaten der EU Schluss sein. Von Verpackungen über Plakatwerbung bis hin zu Werbespots – Greenwashing ist dann unabhängig von Produkt und Medium,hoffentlich Geschichte.
Anfang des Jahres verabschiedete die EU eine Richtlinie »zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel«. Jedes Produktversprechen muss demnach wissenschaftlich belegt und nachweisbar sein. Auch wenn die Wirtschaft nicht ohne Werbung auskommt, sollten Verbraucher:innen ihre Entscheidung mündig anhand von Fakten und nicht von grün gefärbten Lügen treffen können.
Diese heuchlerische Als-Ob-Ethik von Medien soll endlich aufgezeigt werden. Ich mache es hier mit diesem Blog und werde den Inhalt auch an die Kundenabteilung des ORF und an den Publikumsrat weiterleiten.