Archiv für den Monat: Mai 2024

Werbeverbot für klimaschädliche Produkte?

Die Internet-Plattform „Perspective daily“ hat sich in einem ausführlichen Artikel mit dem Reizthema „Klimaschutz und Werbung“ befasst. Im Folgenden Inhalt und analytischer Kommentar dieses Beitrags von

Hans Högl

Die deutsche Regierung verbietet seit einem halben Jahr Werbung. die dem Klima schadet. Es gilt: Wenn eine Firma dagegen verstößt, kann dies dem neu eingerichteten Onlineportal gemeldet werden. Wo und wann wurde davon je in Österreich berichtet?

Mir stößt schon lange ein Widerspruch auf, die Schizophrenie in Medienunternehmen – auch in Print-Qualitätsmedien. In öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und im privaten Fernsehen – da warnen sie fast täglich vor Klimakrise, und gleichzeitig wird für Klimaschädliches geworben. Auch für SUV-Autos, die sehr viel CO 2 verpuffen.

Dieses und Folgendes müssten schon längst leitende, fest angestellte (Chef) Redakteure bemerkt haben, und es kann von ihnen erwartet werden, dass sie mit der unternehmenseigenen Werbeabteilung Vereinbarungen treffen. Von freien jungen Mitarbeitern mit Minihonoraren wird ein solcher Protest nicht zu erwarten sein.

Danke an den Blog „Perspective daily“ aus Münster, der dieses Thema, heute am 30. Mai, aufgreift, was ich hier kommentierend darstelle: 1/3 der Produkte in TV-Werbung schaden dem Klima. Johanna fährt an einer Kreuzung vorbei, auf der Unternehmer:innen ….protestieren – mit Schildern und Sprüchen wie »Ohne Werbung stirbt die Wirtschaft«. Ein paar Journalist:innen scheinen dabei zu sein…weil sie… von dem Verbot betroffen sind. Magazine/ Zeitungen gingen pleite wegen weggefallenen Werbeeinnahmen..

Johanna ist das Verbot positiv aufgefallen: Im Fernsehen, vor YouTube-Videos gibt es keine nervigen Werbeunterbrechungen mehr, die ihr zubrüllen, was sie noch alles benötigt, kein direkt an sie adressierter Müll mehr, weder im analogen noch im digitalen Briefkasten. Ich ärgere mich auch über zahllose Spendenzuschriften im Briefkasten. Mein Briefträger sagt mir, dagegen ist fast nichts zu unternehmen. Ich selbst und wir alle können nicht jeder Spendenaufforderung entsprechen.

Jede dritte TV-Werbung preist klimaschädliche Produkte an.

Eine Welt ohne Werbung ist schwer vorstellbar. Soll Werbung für Tabak, Alkohol, Sportwetten, Junkfood und an Kinder gerichtete Werbung für Süßigkeiten – nicht verboten sein? Es sind gesundheitsschädliche Produkte….Werbung für klimaschädliche Produkte ist kein Randphänomen: Knapp 10.000 Werbespots, die vor Videos der 20 größten deutschen YouTube-Kanäle sowie auf den fünf reichweitenstärksten Fernsehsendern liefen, stellten Forscher fest: Fast 1/3 davon bewarben klimaschädliche Waren und Dienstleistungen.

Die Wirkung von Werbung: Ob und wie Menschen konsumieren, hängt neben Werbung von anderen Faktoren ab, dem Charakter oder der wirtschaftlichen Lage. Wenn bei Autos klimaschädliche Modelle beworben werden, könnte das durchaus Einfluss haben. Werbung allein verleitet uns nicht dazu, ein Produkt sofort zu kaufen. Sie beeinflusst langsam. So weckt Werbung positive Emotionen und versucht, ein Verlangen nach dem Produkt selbst (wie schöne Kleidung) auszulösen oder erfüllt Funkionen (Anerkennung durch schöne Kleidung, mehr Mobilität durch ein E-Bike, Abenteuerurlaub dank Flug). Bei Hygiene- und Kosmetikprodukten kommen negative Emotionen ins Spiel, die Makel vor Augen führen sollen, die sich durch das beworbene Produkt beheben lassen.

In der Werbewirkungsforschung gibt es dazu zwei populäre Modelle. Der Mere-Exposure-Effekt beschreibt, dass Menschen ein Produkt positiver bewerten, wenn sie es häufiger sehen. Die Bekanntheit macht es Konsumenten attraktiver, egal ob sie das Produkt bewusst oder unbewusst wahrnehmen. Das Involvement-Konzept geht davon aus, dass es für Produkte verschiedener Werbestrategien bedarf. Bei Alltagsgütern wie Backpulver/ Zahnpasta ist das Involvement niedrig, bei Urlaubsreisen oder Elektronik oftmals hoch.

Wirken Werbeverbote?

Firmen müssen sich mit Werbung an Spielregeln halten. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb nennt unerlaubte Werbeformen. Dazu gehört, mit Versprechen zu werben, die man nicht einhalten kann.
Werbung für Alkohol ist eingeschränkt, aber möglich. Ein Werbeverbot betrifft Tabak. In Deutschland wurden Werbespots im Radio und Fernsehen für Tabakwaren bereits 1975 verboten. Seit 2021 verschwindet auch die Plakatwerbung für Tabakprodukte.

Weil Tabakwerbung reguliert ist, können Aussagen getroffen werden, ob Werbeverbote etwas bewirken. Die Cochrane-Review »Wirkung von Tabakwerbung auf das Rauchverhalten junger Menschen« verglich 19 Studien zwischen 1983 und 2008. In 18 davon erwies sich die Wahrscheinlichkeit später zu rauchen bei jenen Teilnehmenden erhöht, die mehr Werbung ausgesetzt waren.

Das Werbeverbot für Tabak hat flankieren Maßnahmen wie höhere Zigarettensteuern, Rauchverbote in öffentlichen Gebäuden sowie Verkehrsmitteln und Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Was stark wirkt, lässt sich nicht eindeutig messen. Auch ein potenzielles Werbeverbot für klimaschädliche Produkte wäre kein Allheilmittel.

Werbung für klimaschädliche Produkte treibt CO2-Emissionen in die Höhe. Greenpeace ließ errechnen, welchen Anteil Werbung im Jahr 2021 an den Emissionen der Schweiz ausmachte. Es heißt: »So kann man im Szenario ›von hoher Werbewirksamkeit‹ von bis 8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten ausgehen. Das entspricht 7% der Gesamtemissionen der Schweiz.« Ein anderer Bericht zeigt, dass die Werbeindustrie in Großbritannien im Jahr 2022 für 208 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten verantwortlich war.

Was für Werbeverbote spricht

Zurück zu den »Klimakillern« in deutschen Werbespots. So sind 86% der Spots aus der Kategorie Schokolade, Eis und Gummibärchen klimaschädlichen Produkten zugeordnet, 78% der Autos und Autodienstleister sowie 72% aus der Kategorie Körperpflege, Hygiene und Beauty. Teilweise wären »mit einem einzigen der angepriesen Autos, mit einem einzigen der beworbenen Flüge oder Urlaubsziele, mit einer einzigen Kreuzfahrt« das Pro-Kopf-CO2-Budget bereits aufgebraucht, in vielen Fällen weit überschritten, fassen die Forschenden die Ergebnisse zusammen.

Dass überhaupt klimaschädliche Produkte beworben werden, ist das Problem. Denn damit verstoßen die Sender – öffentlich-rechtliche ebenso wie private – gegen ihre eigenen Regeln. Im deutschen Medienstaatsvertrag heißt es nämlich: Werbung darf nicht […] Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder Sicherheit sowie in hohem Maße den Schutz der Umwelt gefährden.§8 Deutscher Medienstaatsvertrag. Die Studienautor:innen mahnen, es sei geboten, die Werbung auch hinsichtlich ihrer Klimawirkung zu regulieren. Ein denkbarer Weg – aber nicht der einzige – sind Verbote.

Nachbarländer Deutschlands zeigen den Weg. So wurden 2021 Werbungen für SUVs, fossile Brennstoffe und Billigflüge in Amsterdam aus dem öffentlichen Raum verbannt. In Frankreich gilt seit 2022 national sogar ein Werbeverbot für fossile Brennstoffe; Autowerbung muss zumindest auf umweltfreundliche Verkehrsmittel verweisen.

Dies Beispiele beziehen sich nicht explizit auf Fernsehwerbung. Die Stärke des niederländischen und französischen Ansatzes liegt darin, dass es kein allgemeines Werbeverbot »klimaschädlicher Produkte« gibt. So beziehen sich die Verbote auf einzelne Produktgruppen, die zweifelsfrei klimaschädlich sind.

Welche Alternativen gibt es?

Werbeverbote stoßen bei Lobbyverbänden auf Widerstand und sind nur schwer umsetzbar. Sie sind aber nicht die einzige Möglichkeit. Die Studienautor:innen der Uni Leipzig machen eine Reihe alternativer Vorschläge, wie Werbung noch reguliert werden könnte: Verpflichtende Warnhinweise für klimaschädliche Produkte: Ein solcher Hinweis könnte ähnlich wie der Pflichttext nach Werbeclips für Medikamente eingefügt werden. Der Preis für die Platzierung im Programm könnte analog zum CO2-Fußabdruck des beworbenen Produkts steigen. Je mehr Emissionen ein Produkt verursacht, desto teurer wäre es demnach, dafür einen Werbespot zu schalten.

Die Forschenden fanden, dass Werbespots oft die negativen Effekte der Produkte auf das Klima unsichtbar machten: Eine Fernreise wird mit Naturschutz in Verbindung gebracht, ein Hybrid-SUV wird mit Wildtieren und Naturlandschaften beworben, der Konsum von Kaffeekapseln soll eine gescheiterte Klimapolitik ersetzen. Die Werbebotschaften sind zuweilen als absurd bzw. sogar als irreführendes Greenwashing zu bezeichnen.

Greenwashing ist ein Problem. Laut EU-Kommission enthalten 53% aller umweltbezogenen Produktangaben von Unternehmen vage oder irreführende Informationen. 40% der Aussagen werden nicht belegt. Damit soll bis 2026 in allen Mitgliedstaaten der EU Schluss sein. Von Verpackungen über Plakatwerbung bis hin zu Werbespots – Greenwashing ist dann unabhängig von Produkt und Medium,hoffentlich Geschichte.

Anfang des Jahres verabschiedete die EU eine Richtlinie »zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel«. Jedes Produktversprechen muss demnach wissenschaftlich belegt und nachweisbar sein. Auch wenn die Wirtschaft nicht ohne Werbung auskommt, sollten Verbraucher:innen ihre Entscheidung mündig anhand von Fakten und nicht von grün gefärbten Lügen treffen können.

Diese heuchlerische Als-Ob-Ethik von Medien soll endlich aufgezeigt werden. Ich mache es hier mit diesem Blog und werde den Inhalt auch an die Kundenabteilung des ORF und an den Publikumsrat weiterleiten.

Lob für Doku in ORF III

Die kürzlich auf ORFIII ausgestrahlte Dokumentation über Senta Wengraf (Zeitgeschichte: Schauspiellegenden) war interessant besonders auch im Hinblick auf die Medienkultur.

Wolfgang Koppler *

Senta Wengraf galt ja als die Grand Dame des Theaters, aber auch der Wiener Gesellschaft. Ohne das vor sich herzutragen, wie ein Zeitzeuge in dem obgenannten Beitrag zurecht meinte. Ich selbst kann mich noch daran erinnern, wie sie irgendwann in den 90-ern ins Foyer der Kammerspiele kam, um sich an der Kassa nach dem Kartenverkauf für die aktuelle Vorstellung zu erkundigen. Was die Verbundenheit mit ihrem Theater zeigte. Und ihre fehlenden Allüren. Ihre Loyalität und Hilfsbereitschaft gegenüber ihren Freunden einerseits und ihre Lebenslust anderseits wird in der Doku von zahlreichen Zeitzeugen bestätigt.

Was ihr Privatleben betraf, so ist sie als Lebensmensch von Marcel Prawy bekannt. Ihre langjährige Beziehung zu bzw. ihre Liaison mit Bruno Kreisky hingegen blieb der Öffentlichkeit Jahrzehnte lang verborgen. Obwohl man in der „Seitenblickegesellschaft“ längst davon wusste. Aber die Medien hielten damals dicht. Es ging niemanden etwas an und offenbar gab es doch einen gewissen Ehrenkodex unter Journalisten, sodass auch nach Kreiskys Abgang bis zu seinem Tod und darüber hinaus nichts aufkam. Weder Qualitäts- noch Boulevardmedien schrieben damals darüber. Herbert Lackner vom Profil meinte, dass der wirtschaftliche Druck noch nicht so groß gewesen wäre, dass man sich gezwungen sah, jede reißerische Story zu bringen, auch wenn sie rein privater Natur und nicht von öffentlichem Interesse war.

Aber es dürfte auch das Gefühl dafür verloren gegangen sein, was geht und was nicht geht. Etwa wenn anfangs noch interessante, aber inzwischen hinlänglich bekannte Geschichten über Lena Schilling in den Medien zum so-und sovielten Male wiedergekäut werden. Obwohl diese sich – gemessen an dem öffentlichen Druck, der auf ihr lastet – gar nicht so uneinsichtig zeigt.

Journalismus sollte sich lieber mit wirklich heiklen Dingen in Wirtschaff und Politik befassen. Es gäbe genug davon. Aber leider zu wenig Mut.

Warum traut sich beispielsweise niemand, die Sinnhaftigkeit der nur mehr gewinnorientierten sozialen Medien in Frage zu stellen, in denen sich sehr oft Leute austoben, die kein Wort mehr mit ihrer unmittelbaren Umgebung wechseln? Und sich schon durch den Anruf eines Bekannten gestört fühlen? Wie etwa der Rückgang der Sprachtelefonie, aber auch neueste Untersuchungen zeigen.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist in Wien

Wurzeln des Hasses

„Eine Reise zu den Wurzeln des Hasses in der Slowakei“ unternimmt Michael Schmölzer in der Wiener Zeitung vom Samstag.

Wolfgang Koppler *

Michael Schmölzer untersucht das aufgeheizte politische Klima in der Slowakei, das zu dem Attentat auf Robert Fico mit beigetragen haben mag und geht dessen Ursachen nach. Er erwähnt den Verbalradikalismus auf Seiten Ficos, aber auch jenen der Opposition. Er beklagt die Vergiftung der politischen Atmosphäre und dass es in der Slowakei keine politische Mitte mehr gäbe. Die Ursachen sieht er vor allem im nicht gänzlich überwundenen, autoritären System des Kommunismus, dem auch Fico entstamme. Und einer „missglückten Transformation“ nach der sogenannten Wende, zumal in der Slowakei eine gewisse Ostalgie vorhanden sei und sich manche nach der scheinbaren Sicherheit der damaligen Zeit zurücksehnten.

Man muss dem Autor zugestehen, dass er sich um Sachlichkeit bemüht und versucht, nicht Partei für eine der beiden Seiten zu ergreifen. Sodass er sowohl Ficos Anhänger als auch dessen Gegner zu Wort kommen lässt. Was die Ursachen des Konflikts und der gegenwärtigen Unversöhnlichkeit betrifft, greift er aber meines Erachtens zu kurz. Nicht an allem ist der Kommunismus schuld. Der manchmal übertriebene Nationalismus und Konservativismus – vor allem außerhalb der urbanen Zentren – hat sicher weitreichende historische Wurzeln. Die Slowakei stand lange Zeit unter der Vorherrschaft Ungarns, war anderseits in den urbanen Zentren (wie etwa in Bratislava) lange Zeit von einer deutschsprachigen Mehrheit dominiert und ging nach dem Zusammenbruch der Monarchie in der Tschechoslowakei auf. Zwischen 1939 und 1945 existierte dann ein nur pro forma eigenständiger Staat von Hitlers Gnaden, an den fast nahtlos die realsozialistische Tschechoslowakei anschloss. Die Slowakei in ihrer heutigen Form gibt es erst seit 1993.

Die Wende 1989 und der EU-Beitritt bedeutete für weite Teile der Bevölkerung nur vordergründig wirtschaftlichen Aufschwung. Zwar gab es Investitionen aus dem Westen. Der Preis dafür waren Löhne, die noch nach der Jahrtausendwende für viele nicht mehr als 500 Euro monatlich für einen Vollzeitjob ausmachten. Bei Lebenshaltungskosten, die nicht allzu sehr unter jenen im Westen lagen. Anderseits wurde Brüssel – nicht nur in wirtschaftlichen, sondern auch gesellschaftlichen Fragen – als allzu dominant empfunden, was wohl auch bei manchen uralte Reflexe gegenüber Westeuropa auslöste. Diese sind sicher auch in anderen ehemaligen Ostblockländern spürbar. In der Slowakei, welche in ihrer Geschichte meist von Ungarn, Deutschen und Tschechen dominiert wurde, sind Panslawismus, Nationalismus, aber auch Konservativismus nicht ganz unverständlich. Was die Anlehnung an Russland als Schutzmacht zumindest erklärt. Und angesichts der missglückten und allzu radikalen wirtschaftlichen und politischen Transformation nach der Wende ist auch eine gewisse „Ostalgie“ durchaus nachvollziehbar.

Und was die Spaltung der Gesellschaft in zwei unversöhnliche Lager und zunehmende Radikalisierung betrifft, so ist die Slowakei damit wohl nicht alleine. Ob Liberals und Trump-Anhänger in den USA, ob Rechtspopulisten und so genannte Lifestyle-Linke (wie sie Sahra Wagenknecht zu nennen pflegt) in vielen europäischen Ländern, eine gewisse Ähnlichkeit mit der slowakischen Gesellschaft ist nicht zu leugnen. Auch die Auseinandersetzung zwischen Politik, Justiz und Medien, die Versuche der Politik, dritte und so genannte vierte Gewalt in den Griff zu bekommen, aber auch der gelegentliche Anschein einer Instrumentalisierung von Justiz und Medien – es handelt sich nicht um auf die Slowakei beschränkte Phänomene. Das gilt erst recht für die allgegenwärtige Korruption. Auch wenn die Tendenz zur „illiberalen“ Demokratie in manchen Staaten aufgrund bestimmter geschichtlicher Erfahrungen vielleicht etwas stärker ausfallen mag. Und der Mainstream und erst recht die Regierung bei uns in der Wortwahl meist etwas vorsichtiger sind. Aber auch bei uns droht die politische Mitte abhanden zu kommen. Man denke etwa an Gaza und den Ukrainekrieg.

Ein bisschen mehr Verständnis für die jeweils andere Seite, sei es der innenpolitische Gegner oder eine vom Mainstream (ob zu Recht oder zu Unrecht) scheel angesehene Regierung eines fremden Staates, würde so manchen Dialog vielleicht wieder in Gang bringen. Dann brauchen wir vielleicht nicht mehr den Kommunismus, Putin oder sonst jemanden als ständiges Feindbild. Und könnten uns unseren eigenen blinden Flecken widmen.

Der Link zum Artikel in der Wiener Zeitung :

https://www.wienerzeitung.at/a/die-ursachen-des-hasses-in-der-slowakei

* Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist in Wien.

CO 2- Preisschild wirkt

Metastudie beweist: CO2 Preisschild reduziert bis 21 % den Ausstoß. Kurz gefasst von Hans Högl- entnommen dem Blog „Perspective Daily- heute 26.5. 2024

Eine Metastudie hat nun bewiesen, dass CO2-Bepreisung Emissionen um bis zu 21% reduzieren kann. Dies belegt eine in Nature Communications veröffentlichte Metastudie. Dafür wurden Ergebnisse von 80 Untersuchungen zum Thema systematisch ausgewertet. CO2-Bepreisung kann Emissionen um 5–21% reduzieren.

Es spielt eine geringere Rolle, ob die Bepreisung durch Steuern oder Emissionshandel erfolgt. Es gibt allerdings viele CO2-Bepreisungssysteme, deren Effekt noch nicht ausreichend untersucht wurde.

Dabei sollte jedoch nicht vergessen werden, dass CO2-Bepreisung auch zu höheren Preisen für Endkund:innen führt – zum Beispiel bei nicht vermeidbaren Konsum wie Heizen.

Möglichkeit einer Karthasis

Der Antrag des Internationalen Strafgerichtshofes auf Haftbefehl gegen Israels Kriegs-Premier Netanjahu hat eine Welle von Empörung und Unverständnis in österreichischen Medien ausgelöst.

Walter Baier *

Der Spin, den die österreichischen Medien ihren Berichten über den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes gegen Benjamin Netanjahu geben, ist, nicht über dessen Begründung, das heißt die im Gaza-Streifen von der israelischen Armee begangenen Verbrechen zu reden, sondern über die Schutzbehauptungen des Beschuldigten. Dabei ist das Argument, dass durch den gleichzeitig erlassenen Haftbefehl gegen die Hamas-Führer eine Gleichsetzung erfolge, in zweierlei Hinsicht falsch. Erstens, weil bei der Unzahl der täglich ausgestellten Haftbefehle bisher niemand auf die abstruse Idee gekommen ist, es sei eine Gleichartigkeit der verfolgten Delikte unterstellt. Und zweitens, weil Massenmord eben Massenmord, Kriegsverbrechen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eben Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind. Punkt. Der Versuch davon abzulenken, kommt einem Eingeständnis der Sachverhalte gleich.

Im Falle Netanjahus reden wir von der politischen Verantwortung für 35.000 tote Palästinenser*innen, zwei Drittel Zivilist*innen, darunter 10.000 getötete Kinder, dem Erdboden gleichgemachte Städte und eine auf viele Jahre unbewohnbare Landschaft. Ob dies von der internationalen Gemeinschaft als ein Völkermord qualifiziert wird, wird der Internationale Strafgerichtshof demnächst entscheiden. Allein, dass diese Beschuldigung vom Gericht als plausibel zugelassen wurde, zeigt, was Netanjahu aus Israel gemacht hat.
Die Haftbefehle gegen die Verantwortlichen sind in beiden Fällen sachlich gerechtfertigt. Israel und die wahren Freund*innen des israelischen Volks sollten sie als Möglichkeit einer notwendigen Katharsis verstehen.

* Dr. Walter Baier ist Friedensaktivist und Politiker sowie Autor zahlreicher Veröffentlichungen vorwiegend zu Themen des Sozialismus. Seit 2022 ist er Vorsitzender der Europäischen Linken.

Verlorenes Urvertrauen

Regelmäßig zu den Feiertagen zeigt uns der ORF, dass Unterhaltung nicht nur aus Krimis bestehen muss. Und strahlt den einen oder anderen guten Film aus.

Wolfgang Koppler *

Zu den ausgestrahlten Filmen zählt auch die Verfilmung von Hermann Hesses „Narziss und Goldmund“ durch Stefan Ruzowicki.

Die meisten von uns haben das Buch irgendwann einmal als Jugendliche gelesen. Und wieder vergessen. Dabei behandelt das Buch und natürlich erst recht Ruzowickis Film das zentrale Thema der europäischen Kultur: Unser verloren gegangenes Urvertrauen. Symbolisiert durch Goldmunds und letztlich auch Narziss‘ Suche nach der Mutter. Der Intellektuelle Narziss findet sie nicht und selbst der Künstler Goldmund vermag sie in unserer lieblos-materialistischen Gesellschaft nicht zu entdecken. Wenngleich er mit seinen Kunstwerken, in die er sein Herzblut steckt, seinen Mitmenschen wenigstens eine Ahnung davon zu geben vermag. Doch selbst sein größtes Kunstwerk, ein allzu sinnlicher Altar, wird von einem wahnsinnigen Mönch zerstört.

Materialismus und Rationalismus auf der einen, und weltfremde, leibfeindliche Ideale auf der anderen haben uns Europäer bis heute fest im Griff. Wir werden immer noch zerrieben zwischen Plato und Aristoteles, außerhalb und innerhalb der Kirche.

Mehr als ein Wort des Mitgefühls, wie in Wolfram von Eschenbachs „Parzival“ oder Goldmunds vergebliche Suche nach der Mutter ist für uns bis heute nicht drin. Urvertrauen und Liebe sind vor allem unserer intellektuellen Elite etwas höchst Befremdliches. Obwohl wir sie alle irgendwann einmal erfahren haben. Aber es hat keine Bedeutung in unserer Werteskala. Dafür hat unser kopflastiges Schul- und Erziehungssystem schon gesorgt.

Daher sollte man sich solche Filme unbedingt ansehen. Und einmal darüber nachdenken oder nachspüren, was uns Europäern seit der Antike meistens fehlt.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Verhaltene mediale Kritik

Laut Bibel sollten wir eigentlich das Salz der Erde sein. Aber unsere Medien bevorzugen anscheinend salzlose Kost.

Wolfgang Koppler *

Da können sich viele Menschen am freien Markt keine Wohnung mehr leisten, Ausmietfirmen treiben ihr Unwesen, der Klimawandel wird nur halbherzig bekämpft und der globale Süden stöhnt angesichts des Ukrainekriegs unter der Last stark gestiegener Lebensmittelpreise, während Israel trotz Protesten seinen Gazakrieg unerbittlich vorantreibt. Die mediale Kritik dazu fällt äußerst verhalten aus.

Und welche Meldungen dominieren derzeit im Internet, worüber sorgt sich unser Journalismus? Dass Unbekannte ein 1,20 m tiefes Loch in Schäubles letzte Ruhestätte gegraben haben. Sogar der deutsche Staatsschutz wurde eingeschaltet, wie sogar Qualitätsmedien wie FAZ und Standard zu berichten wissen.
Aber man kann es genauso gut in Gratiszeitungen wie OE24 nachlesen.

Wozu brauchen wir eigentlich noch Qualitätsjournalismus? Als Baldrian der Erde?

Kein Wunder, wenn die Leser in die sozialen Medien abwandern und sich gegenseitig aufhetzen. Aber nicht einmal Kritik an den sozialen Medien und dem schrankenlosen Gewinnstreben der Internetgiganten scheint mehr möglich. Macht nichts, man kann sich immerhin noch für eine Erhöhung der Presseförderung einsetzen. Ob das unsere Printmedien retten wird ?

Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Bezirksblätter besser verfügbar

Eine Anregung, Wiener Bezirkszeitungen für Interessierte leichter zugänglich zu machen, ist erfüllt worden.

Hans Högl

Die Bezirkszeitungen können oft nicht privat zugestellt werden, da sie als Werbung gelten, und viele solche ablehnen. Darum regte ich vor einiger Zeit bei der Redaktion des Bezirkes Hernals an, man möge doch die doch manchmal informativen Bezirkszeitungen in Cafés usw. zur freien Entnahme auflegen. Ich freue mich, dass dies nun geschieht. Bei der Bezirkszeitung fand man keinen Anlass, sich beim Initiator zu bedanken.

Ähnlich erging es mir, als ich beim ORF anregte, Nachrichten in einfacher Sprache für die vielen Menschen mit mangelnden Deutschkenntnissen zu publizieren. Ich wusste um solche Sendungen wegen meiner Kontakte nach Schweden, wo dies praktiziert wird. Von Seiten des ORF bekam ich, ihn daran erinnernd, verständnislose Zurechtweisungen.

Mit der Keule des Antisemitismus

Langsam wird es unerträglich. Jeder Versuch, eine sachliche Debatte über den Krieg Israels gegen Gaza zu führen, wird abgewürgt von der sattsam bekannten Antisemitismus-Keule.

Udo Bachmair

Jede noch so berechtigte Kritik an der gewaltsamen Überreaktion Israels auf das ebenfalls zu verurteilende grausame Massaker der Hamas gilt als antisemitisch. Sogar ein gemäßigter humanistischer Intellektueller wie der jüdische Philosoph Omri Boehm, der gestern auf dem Judenplatz besonders versöhnliche Worte fand, wird als antisemitisch verunglimpft. Vor dem Hintergrund eines indirekten Gewaltaufrufs seitens des früheren Chefs der israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Musicant, Eier auf den Redner zu werfen. Dabei will Boehm nichts anderes als einen gemeinsamen Staat mit Gleichberechtigung für Israelis und Palästinenser, um damit der ewig scheinenden Gewaltspirale ein Ende zu setzen.

Das interessierte eine kleine Schar proisraelischer AktivistInnen nicht, die mit Transparenten, die die Sicht auf den Redner verstellten sowie Fernsehjournalisten an ihrer Arbeit hinderten, von der Rede Boehms abzulenken versuchten. Man stelle sich umgekehrt vor, jemand hätte mit palästinensischen Losungen eine Veranstaltung und journalistische Arbeit gestört, die Polizei wäre sofort eingeschritten.. Es ist wahrlich unerträglich, jeglicher Kritik am brutalen militärischen Vorgehen Israels in Gaza, das mittlerweile weit über 30.000 Todesopfer gefordert hat, mit der Keule des Antisemitismus zu begegnen.

Vor diesem Hintergrund sind besonnene und differenzierende Stimmen gerade in hoch emotionalisierten Zeiten wie diesen nötiger denn je. Stellvertretend dafür ein Facebook-Eintrag des Politikwissenschafters und Kulturanthropologen Univ. Prof. Thomas Schmidinger kürzlich auf Facebook:

Derzeit zeigt sich sehr deutlich, dass aus der Shoah und den anderen Verbrechen der Nazis sehr unterschiedliche Lehren gezogen werden können. Einerseits kann man daraus die universalistische Konsequenz ziehen, dass man immer und überall gegen Unterdrückung und Verfolgung ethnischer, religiöser, sozialer oder sexueller Gruppen auftritt und weltweit für die Menschenrechte aller Menschen konsequent eintritt. Andererseits kann man daraus die partikularistische Konsequenz ziehen, dass der jüdische Staat Israel immer und überall Recht hat und die Handlungen der Regierung dieses Staates jedenfalls zu verteidigen sind. Der politische Mainstream in Österreich und Deutschland hat sich offensichtlich parteiübergreifend für letzteres entschieden und geht dabei so weit, auch die Versuche der israelischen Rechtsregierung, Kritik an deren Politik grundsätzlich mit dem Verdacht des Antisemitismus abzuschmettern, zu übernehmen.

Wenn auch gemäßigte jüdische KritikerInnen der israelischen Kriegsführung in Gaza bereits delegitimiert werden und von österreichischen und deutschen PolitikerInnen unter Antisemitismusverdacht gestellt werden, dann läuft meines Erachtens in dieser Debatte etwas gewaltig schief. Dieser deutsch-österreichische Sonderweg scheint mir nichts anderes als ein identitätspolitischer Versuch zu sein, sich seiner eigenen historischen Verantwortung durch Externalisierung des Antisemitismusvorwurfes zu entledigen.

Offener Brief an die Ö1-Information

Der ORF wäre verpflichtet, auch in der außenpolitischen Berichterstattung auf Ausgewogenheit und Differenzierung Bedacht zu nehmen. Wenn es ums Thema Ukrainekrieg geht, gelingen diese Vorgaben nur selten. Eines der Beispiele dafür ist ein Beitrag mit besonderer Schlagseite von Markus Müller jüngst im Ö1-Mittagsjournal, Gegenstand des folgenden offenen Briefes an die Ö1-Information:

An die Redaktion des Radiosenders Ö1

von Sylvia Stuckenberg *

ORF-Redakteur Markus Müller-Schinwald beschuldigt den Neutralitätsforscher Pascal Lottaz im Mittagsjournal von Ö1 vom 19.4.2024 Kreml-Propaganda zu betreiben. Als Grund werden dessen Äußerungen zu den Friedensverhandlungen im März 2022 in Istanbul herangezogen. Lottaz sagt, dass die Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland vom Westen torpediert worden seien.
Und das sei der Beweis, dass er im Dienste Moskaus stünde, so der Journalist.

Schauen wir uns das einmal genauer an. Als Vermittler bei den Friedensverhandlungen in Istanbul traten Erdogan (türkischer Staatspräsident), Bennett (damaliger israelischer Premierminister) und Gerhard Schröder (ehemaliger deutscher Bundeskanzler) auf. Alle drei waren sich am Ende der Verhandlungen einig, dass die russischen und die ukrainischen Unterhändler einer umfassenden Friedenslösung sehr Nahe gekommen waren.

Die Ukraine würde einem Neutralitätsstatus zustimmen und auf eine Aufnahme in die Nato verzichten und im Gegenzug dafür Sicherheitsgarantien von einem wesentlichen Teil der westlichen Staaten ( sogenannte Garantiestaaten) erhalten. Und Russland erklärte sich bereit die Integrität der Ukraine mit Ausnahme der Krim zu gewährleisten. Ein Waffenstillstand sei damals, so Bennett, in greifbarer Nähe gewesen, beide Seiten waren zu erheblichen Zugeständnissen bereit, Großbritannien und die USA hätten den Prozess beendet und auf eine Fortsetzung des Krieges gesetzt.
Bennett weiter: …die Ukrainer haben den Frieden nicht vereinbart, weil sie es nicht durften. Die mussten bei allem, was sie berieten, erst bei den Amerikanern nachfragen. Auch Mevlüt Cavusoglu , damaliger türkischer Außenminister, äußerte sich in ähnlicher Weise. In einem Interview mit der CNN Türk am 20.4.2022 sagte er:“ Einige Nato Staaten wollten, dass der Ukraine Krieg weitergeht, um Russland zu schwächen.“

Im Rahmen der Verhandlungen wurde von der ukrainischen Delegation am 29. März 2022 ein Positionspapier vorgelegt, das zum Istanbuler Kommunique wurde. Die ukrainischen Vorschläge wurden von der russischen Seite in einem Vertragsentwurf umgesetzt. Michael von der Schulenburg, der ehemalige UN Assistant Secretary-General (ASG) in UN Friedensmissionen schreibt, dass “die Nato bereits am 24.März 2022 auf einem Sondergipfel beschlossen hätte, diese Friedensverhandlungen (zwischen der Ukraine und Russland) nicht zu unterstützen“. Nach von der Schulenburg hatte es sich bei den russisch-ukrainischen Friedensverhandlungen um eine historisch einmalige Besonderheit gehandelt, die nur dadurch möglich war, weil sich Russen und Ukrainer gut kennen und die „gleiche Sprache sprechen“

Die Washington Post berichtet am 5.4., dass in der Nato die Fortsetzung des Krieges gegenüber einem Waffenstillstand und einer Verhandlungslösung bevorzugt wird:“ Für einige in der Nato ist es besser, wenn die Ukraine weiterkämpfen und sterben als einen Frieden zu erreichen, der zu früh kommt oder zu einem zu hohen Preis für Kiew und das übrige Europa“ Selenskyj solle“ so lange weiterkämpfen, bis Russland vollständig besiegt ist“.

Am 9.4. traf Boris Johnson unerwartet in Kiew ein und wies laut dem britischen Guardian vom 28.4. den ukrainischen Präsidenten Selenskyj an „keine Zugeständnisse an Putin zu machen“ Er brachte die Botschaft mit nach Kiew, dass selbst, wenn Selenskyj bereit wäre gegen Sicherheitsgarantien eine Verhandlungslösung mit Russland zu finden, es der Westen nicht ist!

Auch die NZZ meldet am 12.4., dass die britische Regierung unter Johnson auf einen militärischen Sieg der Ukraine setzt. Der Guardian Kolumnist Simon Jenkins warnte, dass „Liz Trust riskiert, den Krieg in der Ukraine für ihre eigenen Ambitionen anzufachen“

Die US Zeitschrift Responsible Statecraft zitiert die Zeitschrift „Foreign Affairs“: diese schreibt am 2.9.22:“ Laut mehreren ehemaligen hochrangigen US-Beamten, mit denen wir gesprochen haben, schienen sich russische und ukrainische Unterhändler im März 2022 auf die Umrisse einer vorläufigen Zwischenlösung geeinigt zu haben……..aber der Westen ist nicht zu einem Ende des Krieges bereit.“

Eine tragfähige Lösung von beiden Seiten, Ukraine und Russland, ein ausverhandelter Vertragsentwurf war finalisiert und im letzten Augenblick von den USA und Großbritannien torpediert worden. Alle anwesenden Diplomaten berichten über diesen Verlauf.

Wie kommt nun Herr Müller-Schinwald dazu, diese Darstellung als russische Propaganda zu bezeichnen? Hat er nur nicht sorgfältig recherchiert oder steht eine Absicht dahinter?

Sehr erstaunlich ist die Tatsache, dass Herr Müller-Schinwald als einzige Referenz für seine Behauptung ein Mitglied einer Nato-Denkfabrik zitiert. Herr Kalensky vom Zentrum für hybride Bedrohung diskreditiert Herrn Pascal Lottaz. Diese Zentren werden auch als Exzellenzzentren bezeichnet. Sie wurden 2003 von der Nato als zivile Einrichten für Schulungen u.a. gegründet. Bis heute gibt es 26 solcher Zentren, die auch eine Einbindung von nicht Nato-Staaten vorsehen. Es ist die einzige Nato/EU Institution. Das Konstrukt ist sehr undurchsichtig, wäre es aber Wert, genau beleuchtet zu werden.

Ich denke seriöser Journalismus sieht anders aus. In kürzester Zeit hätte Herr Müller-Schinwald unendlich viele Quellen aus der ganzen Welt zusammentragen können und damit die Aussage von Pascal Lottaz bestätigen können. Aber es muss wohl die Frage gestellt werden, warum gerade jetzt ein seriöser Neutralitätsforscher als russischer Spion „enttarnt“ wird, oder bestenfalls wie Herr Müller Schinwald meint als „nützlicher Idiot“ einzustufen sei.

Als öffentlich rechtlicher Rundfunk sind Sie verpflichtet mit Sorgfalt und ausgewogen zu berichten. Im übrigen gebietet dies auch die journalistische Ethik.

Erlauben Sie mir noch eine persönliche Anmerkung. Wenn ich als Ärztin mit einer Problemstellung überfordert bin, wird der Patient an einen Fachkollegen zugewiesen. Da fange ich nicht an herumzupfuschen. Das gilt auch für den Journalismus. Auch dort werden mit solch unprofessionellen Berichten Existenzen aufs Spiel gesetzt.

* Dr. Sylvia Stuckenberg ist Journalistin und Medizinerin und lebt in Lochau in Vorarlberg. Zitate in ihrem offenen Brief stammen aus der Berliner Zeitung, vornehmlich aus der Analyse „Wie die Chance für eine Friedensregelung vertan wurde“ (erschienen 19.11.2023).