Einen nach wie vor aktuellen Blickwinkel auf Afrika bietet das 2011 im dtv-Taschenbuchverlag München erschienene Buch von Volker Seitz mit dem Titel „Afrika wird arm regiert oder wie man Afrika wirklich helfen kann“
Hans Högl
Im Sinne der Medienkultur greife ich auch Bücher und Zeitschriften auf und nicht nur „Massen“-Medien (NB. der Name „Massen“-Medien ist fragwürdig). So berichte ich von Erfahrungen, die der deutsche Diplomat Volker Seitz – er war 17 Jahre auf Posten in Afrika -in Buchform wiedergab: „Afrika wird arm regiert oder wie man Afrika wirklich helfen kann“. Zwar wurde dies vor Jahren publiziert, aber die Konsequenzen daraus sind längst nicht gezogen. Afrika -reich an Rohstoffen, Energiereserven und Arbeitskräften – bleibt noch immer in Armut gefangen.
Das Ende der Kolonialzeit liegt ungefähr 50 Jahre zurück, und Kolonialismus kann nicht mehr für alle Miseren als Ursache herhalten (S. 75) und dass präsidiale Vertraute der Regime Einfluss für persönliche Bereicherung nutzen. Es gibt – laut Seitz- afrikanische Länder, die Korruption erfolgreich bekämpft haben (und sie ist nicht naturgegeben), und er hat viele verantwortungsbewusste Afrikaner kennen gelernt.
Ich greife aus dem Text (Umfang: 239 Seiten) aus aktuellen Gründen primär Aussagen zu Medien und Migration auf. „Das überall empfangene Satellitenfernsehen“ zeigt von Europa verführerische Bilder ( S. 125), was u.a. Migration hervorruft. Die jungen Afrikaner sind gut informiert. Nachrichten kommen auch von Radio France International, BBC und afrikanischen Sendern. Seitz: Wir müssen einen anderen Blick auf Afrika werfen. Ein Buchmarkt ist nur zögernd im Entstehen, dabei gibt es exzellente Autorinnen (wie Marie N`Diaye, deren Vater aus Senegal stammt). Der Dokumentarfilm „Sisters in Law“ (gezeigt in Cannes) zeigt die Durchsetzung des Rechtsstaates in Kamerun (S.205).
In vielen Ländern Afrikas sind Schulen kostenfrei, verschwiegen wird, dass oft Klassen mit 100 Schülern von schlecht bezahlten Lehrkräften unterrichtet werden. Doch die Kosten für Schulbücher und Uniformen können viele Eltern aus ländlichen Regionen nicht aufbringen (S.77). Doch in Ruanda sorgt die Regierung für ein gutes Lernumfeld, da haben Jugendliche die Chance, der Armut zu entgehen. Andernorts sorgen Kirchen und Stiftungen (z.B. von Siemens) und kleinere Initiativen für Schulen und geben behinderten Kindern eine Chance. Besonders benachteiligt sind Mädchen, so im Niger, wo wenige eingeschult werden (S.77).
Der Zustrom von illegalen Einwanderern nach Europa geht auch auf den lange großzügigen Umgang mit dem Aufenthaltsrecht in Italien und Spanien zurück. In Spanien arbeiten viele in der Landwirtschaft (S. 127).
Viele junge Afrikaner kehren nach ihrer Ausbildung nicht in die Heimat zurück. Es ist ein Unsinn, „dass auf den britischen Inseln mehr Ärzte und Krankenschwestern aus Ghana tätig sind als in Ghana selbst“. Allein aus Uganda wanderten in letzter Zeit 500 Ärzte und Krankenschwestern ab – in arabische Staaten (!), nach Europa, aber auch nach Südafrika.
Dieser Brain könnte gestoppt werden. Man sollte sich fragen, warum Botswana, Mauritius und Benin dieses Problem nicht oder in geringem Ausmaß haben (S. 129). Bei der NASA ist ein malischer Wissenschafter tätig (S. 204).
Der Diplomat Seitz fordert eine radikale Änderung der Entwicklungspolitik. Die reichen Länder sollten ihre Hilfe direkt für Gesundheit, Bildung und Landwirtschaft überweisen und nicht für Budgethilfen. Insofern ist auch die magische Zahl von 0,7 % des BIP für Entwicklungs- Zusammenarbeit (EZ), wie es so schön heißt, fragwürdig, zu der sich Industrieländer 1970 verpflichtet haben (S. 73). Wie kein anderes Land belegt Tansania das Scheitern, obwohl es geradezu ideale Voraussetzungen hat. Seitz hebt im Vorwort den „großartigen Einsatz der Kirchen hervor“- so in Simbabwe.
Als Verfasser dieser Zeilen lernte ich im Ausbildungsprojekt „Globales Lernen“ Länder in Westafrika (Ghana, Togo und Benin) kennen. Immer wieder baten mich Afrikaner um Hilfe zum Auswandern. Ich leitete eine Befragung auf Kap Verde im Rahmen der österreichischen Entwicklungspolitik, Musiker baten mich, für eine Gruppe eine Fahrt nach Europa zu organisieren und zu sponsern. Am meisten befasste ich mich mit Lateinamerika (vor allem Brasilien) und war vier Jahre im Lateinamerika-Kolleg (in Löwen/Belgien, wo viele Latinos studierten und lebten.