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Von Medienplattformen gegängelt?

Ob in Kaffeehäusern oder Öffis oder sonst wo beobachtet: Immer weniger bis gar keine Zeitungen werden mehr gelesen. Belegt auch von Studien, dass bis zu 40-jährige UserInnen Printmedien und auch traditionelle elektronische Medien weitgehend ignorieren. Junge Menschen sind stattdessen umso mehr im Internet unterwegs, sie geraten dort aber in neue mediale Abhängigkeiten. Und es stellen sich für sie u.a. die Fragen: „Pay Content versus Quality Content?“ oder „Wieviele Netflixe darf ein Online-Medium kosten?“:

Ilse Kleinschuster *

Plagt viele junge Menschen diese Frage, weil sie sich frei von medialer Zwangs-Berichterstattung bzw. – Unterhaltung fühlen wollen, weil sie die Fesseln eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks ablehnen, aber letztlich doch mit den Streaming-Diensten nicht ganz zurechtkommen?

Waren Online-Medien nicht zunächst einmal gratis und haben sie nicht erst im Lauf der Jahre Bezahl-Content im Mainstream fix etabliert?

Geht’s hier letztlich nicht auch um die Frage, inwieweit wir uns von den großen Medienplattformen gegängelt fühlen (sollten), wenn wir erkennen, wie sie uns reinlegen. Und was wohl eine Befreiung aus ihren Fängen kosten würde?!? Meredith Whittaker, Präsidentin von Signal, einer Non-Profit-Organisation, die nicht gewinnorientiert arbeitet, was kein Nice-to-have sei, wie sie sagt, sondern ein fundamentaler Teil der eigenen Integrität. Denn wäre dem nicht so, so müsste man laut Whittaker das gleiche Geschäftsmodell anwenden wie die meisten Großen der Branche: das Monetarisieren von persönlichen Daten. ttps://www.derstandard.at/story/3000000195689/signal-chefin-warum-vertrauen-wir-konzernen-die-bloss-an-ihre-aktionaere-denken

Diese Frage zur Integrität der medialen Plattformen und damit des gestörten Vertrauens in objektive Berichterstattung (sofern diese überhaupt objektiv sein kann) beschäftigt mich schon lange, aber jetzt umso mehr seit ich mit Werbung für das neue Online-Medium „JETZT“ förmlich überflutet werde. Brauch‘ ich das? – bis heute bin ich mir nicht ganz sicher. Warum soll ich Abonnentin werden von etwas was ich noch nicht kenne. Da unterstütze ich doch lieber das Team von „Unsere Zeitung – die Demokratische“, einer online-Zeitung, die sich 10 Jahre bewährt hat. Ich hoffe, es gibt sie noch länger!
Seit es ‚meine‘ „Wiener Zeitung“ nicht mehr in der Print Version gibt, kauf‘ ich mir abwechselnd eine von den gängigen Tageszeitungen in der Trafik. Hin und wieder leiste ich mir auch eine von der Sorte premium Qualität.

Am 6.6. 2025 ist das neue FEUILLETON herausgekommen – ich habe die Print-Version um 6 Euro in meiner Trafik erstanden und schätzte mich glücklich, gleich einen Artikel von Bernhard Baumgartner darin zu entdecken. Der Titel lautet: Wie viele Netflixe darf ein Online-Medium kosten? DIE STREAMING-DIENSTE haben die Realität von Pay-Content etabliert. Aber sie haben damit auch eine Grenze gesetzt. Diese liegt bei ihrem monatlichen Abopreis. https://feuilleton.online/sites/site0329/media/downloads/das_feuilleton_mediadaten_2025.pdf

Tja, ich liebe ihn, diesen Qualitätsjournalismus – und bin froh, dass es ihn noch gibt, diesen ‚premium‘ Journalismus, wie er einst in der gedruckten Wiener Zeitung üblich war, mit seinem Fokus auf intellektuellem, kreativ und witzig gestaltetem Journalismus abseits des üblichen Nachrichtengeschehens. Er hat mich in jungen Jahren als politischer Mensch geprägt. Und man darf nicht vergessen, dass seine Inhalte von Menschen erstellt werden, die davon leben müssen, d.h. dafür ein Gehalt wollen.

Hin und wieder gebe ich auch gerne mehr als 3 Euro für die Erste österreichische Boulevardzeitung, den AUGUSTIN, aus.

#Netflix, diesen Kanal hab‘ ich zwar (mein Enkel hat mich an- oder sagt man eingeschlossen), aber ich nutze ihn nicht. Mein TV-Bedarf ist vornehmlich gedeckt mit ORF, 3-Sat und ARTE.

Tagsüber höre ich gern Radio (ORF-Ö1). Vergangenen Donnerstag habe ich auf ORF-Ö1 ‚Doublecheck‘ gehört, da ist mir manches klarer geworden: „Die Gründung eines neuen Mediums in Österreich erfordert mehr als nur Mut. Die Bereitschaft für journalistische Inhalte zu zahlen, ist gering und das Vertrauen in die Branche lässt zu wünschen übrig. Gleichzeitig profitieren etablierte Medienunternehmen von großzügigen Förderungen und Inseratenschaltungen. Das Digitalmedium „JETZT“ ist dennoch überzeugt, dass es Bedarf für innovative Ansätze gibt. Derzeit werden Mitglieder gesucht, um den Start zu ermöglichen – ob dies gelingt, wenn man die Katze im Sack kaufen muss? Skepsis ist angebracht, insbesondere nach dem kürzlichen Aus des Medienprojekts „tageins“, das nach knapp zwei Jahren aufgeben musste. Konstruktiver, ruhiger Journalismus funktioniere einfach nicht. Doch es gibt auch positive Beispiele: Das inklusive Medium „andererseits“ beweist, dass Erfolg möglich ist, wenn Vision und Engagement stimmen. #doublecheck hat bei denen, die noch hoffen, und jenen, die die Hoffnung vorerst begraben mussten, nachgefragt.“ https://oe1.orf.at/player/20250605/797329/1749141503145

Also, soweit ist’s für mich jetzt klarer. Ich bin ja auch der Meinung, dass die Medienpolitik durch einen offenen Beteiligungsprozess gesteuert werden soll. Und ja, dieser sollte möglichst demokratisch sein, denn die Medien sind eine unabdingbare Notwendigkeit für das Funktionieren unserer Demokratie. Am funktional ‚bequemsten‘ scheint mir halt ein (gebührenpflichtiger) öffentlich-rechtlicher Rundfunk und eine öffentlich-rechtliche Tageszeitung – aber das ist wohl eine Utopie!

Nun, zumindest aber wünsche ich mir zunächst eine radikale Reform unseres derzeitigen ORF – ich unterstütze daher die Initiative zum offenen Online-Beteiligungsprozess „ORF 2032“ – www.unser-orf.at

* Gastautorin Ilse Kleinschuster ist Journalistin und aktives Mitglied der Zivilgesellschaft und der Vereinigung für Medienkultur

In eigener Sache

Die nächste Hauptversammlung der Vereinigung für Medienkultur findet am 5.12.2024 ab 15.30 Uhr im Presseclub Concordia statt

Udo Bachmair

Die HAUPTVERSAMMLUNG unserer Vereinigung am kommenden Donnerstag (5.12.), zu der Sie als Mitglieder bzw. InteressentInnen in der Bankgasse 8 herzlich eingeladen sind, steht im Zeichen neuer Aktivitäten und Perspektiven. Nach den in Bezug auf öffentliche Veranstaltungen lähmenden Covid-Jahren schafft die nun glücklicherweise wieder normalisierte Situation neue positive Bedingungen auch für die Tätigkeit der Vereinigung, wenngleich sich die budgetäre Lage und die damit einhergehende eher bescheidene Zahlungsmoral unserer Mitglieder kaum gebessert hat. Da wir uns nach wie vor dazu bekennen, strikt unabhängig zu bleiben, verzichten wir auf Sponsorengelder. Vor diesem Hintergrund ein großes Danke an unsere ehrenamtlich engagierten Autoren und Autorinnen der zahlreichen Veröffentlichungen auf unserer Website www.medienkultur.at

Bilanz und Ausblick

Die Bilanz bezüglich Veranstaltungen seit der letzten Hauptversammlung ist durchaus beachtlich. Herausgegriffen sei etwa die aktive Teilnahme unserer Vereinigung an einer gut besuchten Podiumsdiskussion im März 2024 im Amerlinghaus in Wien zum Thema Krieg und Frieden und die Rolle der Medien sowie im September2024 in Kooperation mit den Gewerkschaftern gegen Atomenergie und Krieg eine Diskussionsveranstaltung zum Reizthema Neutralität oder NATO. Zusätzlich habe ich als Hauptverantwortlicher unserer Vereinigung an den Fresacher Toleranzgesprächen Im Mai 2024 teilgenommen, die sich dieses Mal dem Thema „Wahrheit und Journalismus“ gewidmet haben (siehe dazu den detaillierten Beitrag auf unserer Website)

Die erfolgreichste Eigenveranstaltung unserer Vereinigung seit der letzten Hauptversammlung war zweifellos die große Podiumsdiskussion im renommierten Presseclub Concordia zur westlichen Berichterstattung über den Ukraine-Krieg. Der Andrang war enorm, mehrere BesucherInnen mussten leider abgewiesen werden, da es doppelt so viele Anmeldungen wie freie Plätze gab. Die Aufzeichnung der Podiums- und Publikumsdiskussion hatte via Youtube und Dorf TV mehr als 1000 Abrufe im Internet zu verzeichnen. Das hat nicht zuletzt die öffentliche Aufmerksamkeit für die Vereinigung für Medienkultur erhöht.

Als nächste größere Veranstaltung geplant ist eine Podiumsdiskussion zur Nahost-Berichterstattung. An einem weiteren von mir moderierten Abend wird es in Kooperation mit der Evangelischen Akademie um die Frage „Wie politisch darf Kirche sein?“ gehen.

In der Bilanz keineswegs fehlen darf die weiter gestiegene Zahl an Veröffentlichungen auf unserer Website. Vorwiegend Analysen, Kommentare zu Themen im Spannungsfeld von Politik und Medien, im Besonderen Medienkritik, Medienpolitik, Buchrezensionen, etc.. Da möchte ich besonders hervorheben das Engagement von Hans Högl, Wolfgang Koppler, Ilse Kleinschuster und anderen AutorInnen.

Namens der Vereinigung für Medienkultur sind außerdem mehrere Gastkommentare in Tageszeitungen, Zeitschriften, Magazinen und der reichweitenstarken Internetzeitung „Unsere Zeitung“ erschienen. Beispiele dafür Kommentare im Kurier, im Standard, in der Presse zu Entwicklungen im und des ORF, im Besonderen etwa zu inkompatiblem Verhalten eines Stiftungsrates namens Westenthaler sowie zum beliebten ORF-Bashing, das den besonders auch demokratiepolitischen Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konterkariert.
Analysen in Magazinen von INTERNATIONAL, einem renommierten außenpolitischen Blatt, bis hin zur Zeitschrift SPINNRAD, Organ des Versöhnungsbundes oder FRIEDEN HEUTE, einer ebenfalls engagierten Monatsschrift zur Thematik „Kriegsrhetorik statt Friedensbemühungen in Politik und Medien“ komplettieren die auch öffentliche Präsenz der Vereinigung für Medienkultur.

Wir sind auch künftig bemüht, für Mitarbeit in unserer Vereinigung zu werben. Dabei geht es vor allem auch darum, junge engagierte Menschen zu gewinnen, die unsere Website mit Beiträgen bereichern. Das ist allerdings recht schwierig, trotz der Bemühungen auch von Publizistikprofessor Fritz Hausjell, Studierende für regelmäßige Mitarbeit zu motivieren. Wir werden jedoch nicht aufgeben und auch in diese Richtung weiterarbeiten.

Zu Ihrer Info liegt für die bevorstehende Hauptversammlung der Vereinigung für Medienkultur ein neuer alter Wahlvorschlag vor:

>> Udo Bachmair als Präsident
>> Hans Högl und Fritz Hausjell als Vizepräsidenten
>> Christine Grabner, Hermine Schreiberhuber, Franz Schlacher und Karl Heinz Wingelmaier als weitere Präsidiumsmitglieder

Herzlichen Dank im Voraus für Ihre wohlwollende Unterstützung !

Medien-Politik im Abseits?

Die Zukunft von Medien angesichts wachsender Probleme und fehlerhafter Entwicklungen ist eine der drängendsten Fragen, die nicht nur seitens der Politik einer Lösung harren.

Ilse Kleinschuster *

Noch immer, also genau neun Monate nach der „völlig unnötigen Einstellung der der Republik gehörenden Wiener Zeitung“ (Fritz Hausjell) – ‚meiner‘ abonnierten Tageszeitung, vermisse ich sie. Gerne denke ich an die Zeit zurück, in der ihre tägliche Lektüre mir geholfen hat, die Welt in ihrer Schönheit aber auch mit all ihren Widersprüchen besser verständlich zu machen.

Die Frage, die sich Clemens Pig stellt „Muss es denn wirklich eine Vision bleiben, dass Journalismus dazu dient Welterklärungen zu demokratisieren und nicht als Einbahnstraße zu begreifen“ bewegt auch mich (Clemens Pig, u.a. geschäftsführender Vorstand der Austria Presse Agentur (APA) und Autor von „Hat die Wa(h)re Nachricht eine Zukunft?“. Er sieht die APA als „Gedächtnis der Nation und andererseits als medialen Pulsschlag der Republik.“ Er wünscht sich jedoch mehr Selbsterkenntnis im Journalismus, um die Bedürfnisse und Erwartungshaltung der Menschen in Bezug auf die Medien zu verstehen und darauf entsprechend einzugehen. Als Politikwissenschafter und kritischer Journalist ist er Mitbegründer von Media-Watch – Institut für Medienanalysen GmbH, das von der APA 2001 erworben wurde. Dort gibt es seither ein eigenes Ressort für Fact-Checking, d.h. dort werden Versuche unternommen, so nahe als möglich an normative Konzepte wie Wahrheit und Objektivität heranzukommen.)

Nun aber, wo unsere Welt in den letzten Jahren im Zuge der Globalisierung immer komplexer wird, fühlen sich viele Menschen abgehängt. Die Komplexität zu simplifizieren wird immer schwieriger und es erfordert dafür Meister des journalistischen Handwerks. Zeitungen mit Redaktionen, die sich unabhängig nennen, setzen sich unweigerlich einem mörderischen Wettlauf zwischen Schnelligkeit und Richtigkeit aus. Am Ende sollte sich natürlich immer die Richtigkeit durchsetzen. Wenn nun aber Fakten-Check aus Zeitmangel wegfällt, kommt es unweigerlich zu Massenmedien mit „medialer Einigkeit“ – was die Demokratie gefährdet (siehe Richard David Precht und Harald Welzers Buch „Die vierte Gewalt – Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist“).

Wenn es also bei uns in Österreich nicht zu einem totalen Verfall der APA als unabhängiger Nachrichtenagentur kommen soll, dann muss sich diese neue Geschäftsfelder erschließen. Das kann das multimediale Verbreiten von Pressemeldungen sein, aber auch professionelle Medienbeobachtung und damit in Zusammenhang die Erstellung von Qualitätskriterien für neue Medienförderung. Dafür sollte es aber mehr staatliche Unterstützung geben, denn unabhängiger Agenturjournalismus ist ein wesentlicher Baustein für eine freie Medienwelt und damit für eine liberale Demokratie.

In seinem Gastkommentar „Visionen für analogen Journalismus!“ (DIE FURCHE vom 29. Februar 2024) schreibt Fritz Hausjell: „Wie weit nach unten soll die tagesaktuelle Medienvielfalt noch gehen, bis endlich spürbar von Medienwirtschaft und Medienpolitik gegengesteuert wird? Neugründungen von tagesaktuellen journalistischen Digitalmedien sind Mangelware oder aus unterschiedlichen Gründen (Partei- und andere Interessensnähe, journalistische Substandards), sehr mangelhafte Ersatzangebote für die Verluste im Printbereich.“ Nun, Fritz Hausjell ist ein angesehener Medienhistoriker und Medienwissenschaftler an der Universität Wien und ich vertraue seiner Kritik an Österreichs Printmedien: „Die Branche hat kaum in Forschung und Entwicklung investiert. Und Versuche, Journalismus in der digitalen Welt auf eine ausreichend finanzierte Basis zu stellen, blieben bescheiden.“

Offensichtlich, so schließe ich daraus, sind es schwere Versäumnisse im Bereich der Medien-Politik, die zu einem verhängnisvollen Vertrauensverlust in die gesamte Politik geführt haben.

Es seien daher Medienmanager gewarnt,
wenn sie ihre journalistische Tätigkeit nach wie vor gerne als Vierte Gewalt im Staate sehen wollen, dann sollten sie alle Möglichkeiten wahrnehmen und erweitern, um ihre Aufgabe als Watchdogs besser erfüllen zu können. Hier und jetzt – in Anbetracht der Notlage, so denke ich -, wäre es ihre noble Aufgabe im Namen des Gemeinwohls als verantwortungsvolle Whistleblower zu fungieren, d.h. als Verhinderer einer zunehmenden Infragestellung der demokratischen Bedeutung von Parlamenten.

Ich meine, erst wenn Journalisten imstande sind, unseren Volksrepräsentanten zu helfen, Alarm zu schlagen, sich mehr um die Lösung langfristiger Probleme zu bemühen, diese nicht durch kurzfristiges Denken in Wahlzyklen in den Hintergrund zu verdrängen, werden sie verdienterweise als die Vierte Gewalt im Staat und als Meister öffentlicher Machtüberwachung anerkannt werden.

Es wird jetzt von verantwortungsvollen Politikern die Zivilgesellschaft oft zur Hilfe gerufen, wenn es darum geht, vertrackte Probleme ins Visier zu nehmen, wie z.B. in Hinblick auf Künstliche Intelligenz, Steuerparadiese, Umweltverschmutzung, Seuchen, Menschen auf der Flucht, unregulierter Waffenhandel und endlose Zermürbungskriege.

Warum braucht es jetzt immer öfter für jedes Problem außerparlamentarische Initiativen und warum werden Bürgerräte angefordert – statt den Ruf nach Qualitätsjournalismus, nach konstruktivem Journalismus lauter werden zu lassen? Ich glaube, erst wenn diesem Ruf auf breiterer Basis Folge geleistet wird, müsste uns um die demokratische Bedeutung von Parlamenten nicht mehr so bange sein. Dann könnten wir vielleicht eher wieder Demokratie ‚neu‘ denken. Bestenfalls aus der Perspektive von Bürgern, die sich emanzipieren wollen, weil sie darin eine Garantie sehen – die Garantie für ihre Freiheit vor räuberischer Macht in all den abstoßenden Ausprägungen, einschließlich ‚unseres‘ rücksichtslosen Umgangs mit der ERDE, auf und von der wir leben.

* Gastautorin Ilse Kleinschuster ist Journalistin und engagierte Akteurin der Zivilgesellschaft. Sie lebt in Wien

Alle gegen den ORF

Der ORF entwickelt sich zunehmend zum Feindbild kommerzieller Medienhäuser.

Udo Bachmair

„Wenn ich als ORF-Reporterin Straßeninterviews mache bzw. machen will, werde ich immer wieder beschimpft“ so klagte mir gegenüber kürzlich eine Betroffene. „Luxusverdiener“ ( in Wahrheit im Schnitt keine 2000 Euro im Monat für freie Mitarbeiterinnen ) sowie „Rotfunk“ ( in Wahrheit überwiegend VP-nahe Ressortchefs und ein von Kurz/Co. durchgedrückter ORF-Generaldirektor) sind noch das Harmloseste und Mindeste an Vorwürfen, denen ORF-Redakteure ausgesetzt sind.

Selbstverständlich müssen es Redakteure und die ORF-Führung aushalten, für Fehlentwicklungen und Fehlentscheidungen immer wieder Kritik einstecken zu müssen. Anlässe dafür gibt es fürwahr genug. Etwa wenn Ausgewogenheitskriterien für die Berichterstattung zu außenpolitischen Themen, wie etwa zum Ukraine-Krieg, kaum eingehalten werden. Die ukrainische „Informationspolitik“ wird vor allem in ZiB 1-Sendungen als faktenbasiert dargestellt, die russische hingegen als reine Propaganda.

Nun ist der ORF selbst und zwar von einer breiten Phalanx an privaten Medienhäusern Opfer eines Mainstreams geworden. Private Medien fürchten um Wettbewerbsnachteile, unter anderem wegen der Umstellung auf die (in anderen Ländern längst übliche) Haushaltsabgabe und der Möglichkeit, verpasste Sendungen künftig länger als eine Woche nach Ausstrahlung via Mediathek abrufen zu können. Die dem ORF auferlegte Einschränkung des Textanteils des Onlineangebots („blaue Seite“) bedeutet im Übrigen eine weitere Reduktion von Qualitätsjournalismus.

Vergessen bei der nunmehr laufenden medialen Anti-ORF-Kampagne wird die Frage, welchen grundsätzlichen Wert gerade auch in demokratiepolitischer Hinsicht man einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk beimisst bzw. beimessen sollte. Das duale Mediensystem – einerseits öffentlich-rechtlich, andererseits privat bzw. kommerziell – macht durchaus Sinn auch bezüglich eines fairen Wettbewerbs. Eine Seite, nämlich den ORF, zu verdammen, kann jedoch keinen Beitrag zu einer sachlichen Debatte über eine missglückte Medienpolitik der Regierung leisten.

Gruß zum Jahreswechsel 2022/2023

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde der Vereinigung für Medienkultur !

Auf diesem Wege Ihnen / Dir viel Glück, Gesundheit und Erfolg für 2023 ! !

Besuchen Sie uns auch 2023 auf unserer Website www.medienkultur.at , wo Sie wieder zahlreiche Kommentare und Analysen zum Themenfeld Politik und Medien unter besonderer Berücksichtigung von Medienkritik und Medienpolitik finden können.

Es ist gelungen, auch weitere Gastautoren zu gewinnen, die eine gute Ergänzung zu den Stammautoren Hans Högl und Udo Bachmair darstellen. Wir planen, 2023 den Stab an AutorInnen weiter auszubauen, der vermehrt auch Studierende vorwiegend aus den Bereichen Publizistik/Kommunikationstheorie und Politikwissenschaft umfassen soll.

In unserer Hauptversammlung am 13. Dezember 2022 ist ein bemerkenswerter personeller Zugang beschlossen worden. Dabei ist Univ. Prof. Dr. Fritz Hausjell einstimmig ins Präsidium der Vereinigung für Medienkultur gewählt worden. Der renommierte Publizistik- und Kommunikationswissenschafter übt damit die Funktion eines der beiden Vizepräsidenten der Vereinigung aus.

Die nächste größere Veranstaltung unserer Vereinigung ist eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung :

Wo: Presseclub Concordia, Bankgasse 8, A-1010 Wien

Wann: 24. Jänner 2023 Beginn: 18.30 Uhr

Thema: Westliche Medien und der Ukraine-Krieg.

Als Diskussionsteilnehmer bereits fix sind der journalistisch vorbildliche ORF-Korrespondent Mag. Christian Wehrschütz, der renommierte Politikwissenschaftler Prof. Dr. Heinz Gärtner sowie der engagierte Friedensforscher Prof.Dr. Werner Wintersteiner.

Anmeldung unter stifter@medienkultur.at Herzlich willkommen !

2023 werden uns zusätzliche Kosten dadurch erwachsen, dass der Presseclub für Veranstaltungen seine Räumlichkeiten nicht mehr gratis zur Verfügung stellt. Auch in diesem Zusammenhang möchten wir Sie / Euch an den Mitgliedsbeitrag erinnern.*Sollte dessen Begleichung schon erfolgt sein, ein herzliches Dankeschön! Wenn nicht, bitte untenstehende Daten beachten:

*Erste Bank IBAN AT 31 2011 1300 0310 1325 ( Vereinigung für Medienkultur )

Mit Dank und einem PROSIT NEUJAHR

Udo Bachmair (namens der Vereinigung für Medienkultur)

Wie die „Wiener Zeitung“ überleben kann

Auch wenn aus vielen Bereichen der (Zivil-)Gesellschaft Unterstützung für die von der Einstellung bedrohte „Wiener Zeitung“ signalisiert wird, ist vor allem medienpolitische Kreativität nötig, damit die älteste Tageszeitung der Welt überlebt.

Franz Schlacher

(Hervorhebungen im Text durch den Autor dieses Beitrags.)
Vielen Dank an die FURCHE-Redaktion für die Abdruckgenehmigung für die Originalzitate.

In seinem Artikel „Wiener Zeitung“ neu (FURCHE, 15. April 2021, S. 21) skizziert Fritz Hausjell, Medienhistoriker und Medienwissenschafter an der Universität Wien, wie die Wiener Zeitung doch noch gerettet werden könnte.

Hintergründe

Fritz Hausjell bedauert, dass die für Medienpolitik Zuständigen in der Regierung beharrlich schweigen, obwohl medienpolitische Kreativität gefragt wäre.
Dass es klassischen Medien schlecht gehe, liege unter anderem daran, dass sie durch schwere Wirtschaftskrisen und nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie erhebliche Teile ihrer Werbeeinnahmen verloren haben. Zusätzlich verschieben sich immer mehr Werbegelder in den Onlinemedien-Bereich und in die Social-Media.

Journalismus werde seither in den meisten Ländern in weniger von einander
unabhängigen Titeln angeboten und durch schwächer ausgestattete Redaktionen erarbeitet. Zugleich wüchsen die Aufwendungen der Public Relations von Unternehmen, Organisationen und Regierungen, die damit den Journalismus zu steuern versuchen.

Fritz Hausjell:

„Diese Mittel werden ohne nachvollziehbare Kriterien vergeben und entziehen sich einer Plausibilitätskontrolle. In einer wirtschaftlich sehr schwierigen Zeit stellt dies ein klassisches Einfallstor für inhaltliche Wünsche seitens der Regierung gegenüber Medien dar und sorgt zum Teil für publizistisches Wohlverhalten.

Für eine liberale Demokratie ist diese Schwächung des klassischen Journalismus aus mehreren Gründen gefährlich: Der Wettbewerb der besten politischen Ideen wird nicht mehr in der gesamten Vielfalt publizistisch begleitet. […] Die wichtige Kritik- und Kontrollfunktion des klassischen Journalismus schrumpft auf wenige Medien, die entweder das Risiko eingehen, auf Regierungsinserate zu verzichten, und auf vermehrten Publikumszuspruch durch weiterhin kritischen Journalismus setzen oder sich anders finanzieren.“

Eine „Ideenskizze“ von Fritz Hausjell zur Rettung der Wiener Zeitung:

Laut dieser „Ideenskizze“ bieten sich mehrere Wege an:

„Die Wiener Zeitung

organisationsrechtlich in eine öffentliche Stiftung transferieren und anstelle der wegfallenden verpflichtenden öffentlichen Ausschreibungen und Bilanzen von börsennotierten Unternehmen

eine Grundfinanzierung aus einer Medienhaushaltsabgabe, die vorerst noch als Rundfunkbeitrag (GIS) eingehoben wird. Für diese privilegierte Finanzierung respektiert sie dann eine niedrig eingezogene Obergrenze im Bereich der Einnahmen aus kommerzieller Werbung, um gegenüber den Mitbewerbern am klassischen tagesaktuellen Print- und Onlinemarkt keine Wettbewerbsvorteile zu haben.

Ein Entwicklungslabor für den klassischen tagesaktuellen Journalismus, der weiterhin gedruckt und zugleich in verschiedenen digitalen Kanälen distribuiert wird, sollte sie sein.

Für die publizistische Unabhängigkeit sorgen:

a) eine mittelfristige Absicherung der finanziellen Mittel auf jeweils zehn Jahre,

b) ein Stiftungsrat, der zu einem Drittel aus Personen mit politischer Nähe (in der Stärke der parlamentarischen Verhältnisse) und je einem Drittel aus Fachleuten aus Medien sowie fachlich relevanten Wissenschaften (jeweils ohne politische Nähe) besteht, und

c) das entsprechend adaptierte Redaktionsstatut.

Zugleich erhält die neue Wiener Zeitung einen
publizistischen Auftrag: Sie soll unparteilichen Journalismus leisten, der Regierung wie den Oppositionen gleichermaßen prüfend äquidistant gegenübersteht. Sie soll nach modernsten Antworten auf die publizistischen Herausforderungen suchen.“

Medienkompetenz der Jungen fördern

Um die Erfolge der Innovationen breit und laufend testen zu können, wird die neue Wiener Zeitung allen 15- bis 20-Jährigen für zumindest sechs Jahre kostenlos im Abo (Print wie digital) zur Verfügung gestellt. Zudem wird ein zweites Gratis-Abo einer frei wählbaren (sonst kostenpflichtigen) Zeitung zur Verfügung gestellt, wobei jedes Jahr eine andere Zeitung zu wählen ist. Dadurch lernen Erst- und Jungwähler zumindest die Hälfte der derzeit noch „lebenden“ Tageszeitungen ausführlich kennen.

Damit leistet sich die Gesellschaft eine Versachlichung der Debatten und steuert frühzeitig gegen eine Teilung der Republik in gut und schlecht informierte Bürger. Die Wiener Zeitung würde von der unterschätzten Tageszeitung der Republik zu einem noch moderneren Medium der republikanischen Gesellschaft. Medienkompetenz in der jungen Generation bekäme einen Schub, Fake News und Propaganda täten sich deutlich schwerer und demokratische Entscheidungen hätten ein besseres Fundament.“

Im Spannungsfeld von Politik und Medien

Immer wieder werden Fragen zur „Blattlinie“ des Webauftritts der Vereinigung für Medienkultur laut. Im Folgenden der Versuch einer Einordnung und Kursbestimmung.

Udo Bachmair

Wie der Name der Vereinigung schon sagt, steht Medienkultur im Vordergrund. Da dieser Begriff vielfach als schwammig interpretiert wird, ein paar Gedanken zur Konkretisierung: Das thematische Spektrum umfasst generell das Spannungsfeld zwischen Medien und Politik. In diesem Kontext dominieren konstruktive Medienkritik sowie medienpolitische und medienphilosophische Analysen, im Besonderen Reflexionen über die Verantwortung von Medien. Dabei steht vor allem die demokratiepolitisch so bedenkliche besonders weite Verbreitung von Boulevardmedien im Fokus. Inhaltliche Rahmenkriterien wie Humanität, Demokratie und Menschenrechte sind Leitschnur des Internetauftritts der Vereinigung für Medienkultur (VfMk).

Profundes Aufspüren von Fehlentwicklungen, konsequente Kritik an Halbwahrheiten, Fake-News sind wesentliche Pfeiler der Arbeit der VfMk. Als Vorbilder dafür dienen Plattformen wie „Dossier“, „Kobuk“ oder „Nachdenkseiten“. Sie beziehen ihr Profil aus der investigativen Aufbereitung von Fakten und Hintergründen. Der Anspruch auch der VfMk besteht darin, differenzierenden Qualitätsjournalismus zu betreiben und zu fördern. Sie ist bestrebt, sich inhaltlich vom (rechtspopulistischen) Boulevard-Medien-Mainstream deutlich abzuheben sowie thematische Beliebigkeit von VfMk-Veröffentlichungen künftig zu reduzieren.

Bei emotional besonders besetzten Themen, wie etwa der Migration, ist die VfMk um Zurückhaltung bemüht bzw. um sachlich orientierte Beiträge, um nicht ein weiteres Sprachrohr für Shitstorms und Hasspostings zu sein. Das überlässt die VfMk anderen, auch um den Preis einer geringeren Reichweite. Seriosität gilt als wichtiger Baustein unserer Aktivitäten insgesamt. Diese Grundhaltung durchzieht Analysen wie Kommentare, Rezensionen wie Programmtipps sowie Veranstaltungen gleichermaßen. Letztere werden trotz Corona weiter gemeinsam mit unserem Kooperationspartner Pressecclub Concordia an Ort und Stelle durchgeführt, natürlich mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen.

( Udo Bachmair ist Hauptverantwortlicher der Vereinigung für Medienkultur )

Wer kennt diesen schon? Heinz H. Thiele

Hans Högl

Wer kennt den schon?  Heinz Thiele – wurde er bisher je in Österreichs größeren Medien genannt? Ja, jetzt  weil er sich in den Lufthansa-Deal mischt. Er besitzt 15,5  % der Lufthansa-Aktien und ist laut Forbes der achtreichste Deutsche mit einem Familienvermögen von 11,4 Milliarden Dollar.

Wir erfahren in Österreichs Medien von Menschen, die sich in den Vordergrund spielen, aber kaum irgendwann von derart einflussreichen relativ unauffälligen Größen.

 

 

 

 

 

Medienförderung: Qualität vor Quantität

Presseclub Concordia (Wien)

Der Presseclub Concordia hat heute in einer Online-Pressekonferenz seine zentralen Forderungen für die Vergabe von (staatlicher) Medienförderung, die auch für die Corona-Sonderförderung gelten, wiederholt.

– Förderung von unabhängigem, professionellem Journalismus in allen Medien
Anzahl der redaktionell tätigen Journalist*innen als Förderkriterium (kurzfristig, mittelfristig Vergabe durch ExpertInnenjurys)
– Mitgliedschaft beim Österreichischen Presserat, Vorhandensein ethischer Richtlinien wie Redaktionsstatuten als Voraussetzung für Förderung
– Berücksichtigung von Digitaljournalismus und digitalem Vertrieb
– Berücksichtigung von Wochenzeitungen und Magazinen
Unterstützung qualitätsvoller Inhalte statt Kompensation von Werbeausfällen

Details entnehmen Sie dem Vortrag von Concordia Vorstandsmitglied Univ.-Prof. DDr. Karmasin, der in Kürze auf der Concordia Website abrufbar ist.

Presseclub mit viel Engagement

Udo Bachmair

Der renommierte Presseclub Concordia setzt sich seit langem für qualitativ hochwertigen und unabhängig kritischen Journalismus ein. Er nimmt auch immer wieder Stellung zu medienpolitischen Fragen und bereichert die medienpolitische Debatte mit eigenen profunden Vorschlägen.

Der Presseclub Concordia, Kooperationspartner der Vereinigung für Medienkultur, hat seit einem Jahr eine neue sehr engagierte Geschäftsführerin: Dr. Daniela Kraus. Hier von ihr ein paar Anmerkungen zu der auch demokratiepolitisch so wichtigen Thematik :

Liebe Freunde und Freundinnen der Concordia :

Daniela Kraus

“Wir bekennen uns zu einer Medienpolitik, die Grundwerte wie Pluralismus, Unabhängigkeit, Medien- und Pressefreiheit sowie Innovation sicherstellt und fördert.“

Das ist nicht etwa aus unserem Vereinsstatut, sondern der Beginn des Medienkapitels im türkis-grünen Regierungsabkommen. Im Programm finden sich einige konkrete Maßnahmen, die langjährigen Forderungen der Concordia entsprechen.

So dürfte es unter der neuen Regierung nun endlich zur längst überfälligen Entsorgung des Amtsgeheimnisses und einem zeitgemäßen Informationsfreiheitsgesetz kommen. Dieses Bürgerrecht auf Einsicht in amtliche Dokumente ist vor allem für Journalist*innen zentral, damit sie ihrer Kontrollfunktion gerecht werden können.

Auch zu einer ”unabhängigen Finanzierung” des ORF bekennt sich die Regierung. Die von der FPÖ vehement geforderte Budgetfinanzierung ist damit erst einmal vom Tisch. Wir sind überzeugt, dass man noch mehr für die Unabhängigkeit des ORF tun muss – zum Beispiel mittels einer Gremienreform den parteipolitischen Einfluss im Stiftungs- und Publikumsrat vermindern.

Eine Reform der Medienförderung wird im Regierungsprogramm auch angekündigt, dabei mangelt es aber an konkreten Zielsetzungen. Wir finden, die Medienförderung soll vor allem die Stärkung von unabhängigem und qualitätsvollem Journalismus zum Ziel haben.

Die Concordia wird die Entwicklungen weiter genau beobachten und thematisieren.

Daniela Kraus