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Gaza: Rückblick mit Entsetzen

Im jüngsten ZiB2-Studiogespräch ist Außenministerin Beate Meinl-Reisinger von Anchor Armin Wolf ziemlich in die Zange genommen worden. Der Grund: Ihre Unterschrift unter eine Erklärung von AußenministerInnen zu Gaza. Meinl-Reisinger musste sich für die Unterstützung einer ohnehin eher milden Kritik am barbarischen Vorgehen des israelischen Regimes rechtfertigen.

Shoura Zehetner-Hashemi *

Mitleid mit Spitzenpolitiker*innen ist eher nicht mein Fall, aber nach dem ZIB2 Interview mit Außenministerin Meinl-Reisinger war es fast soweit. Natürlich nur fast. Was ist passiert? Die österreichische Außenministerin hat, offenbar ohne tiefergehende koalitionsinterne Absprache, gemeinsam mit 27 anderen Aussenminister*innen einen realpolitisch relativ unwichtigen Brief unterzeichnet, in dem ein Ende des „Krieges“ in Gaza, die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und das Zulassen humanitärer Hilfe gefordert wird. Im Grunde nicht mehr als das absolute Minimum während eines laufenden Völkermords.

Warum dann die Aufregung? Weil einige österreichische Medien, die seit 2 Jahren nicht in der Lage sind, den Mut zur journalistischen Wahrhaftigkeit aufzubringen, einen „Paradigmenwechsel“ oder sogar eine totale österreichische „Kursänderung“ in der Nahostpolitik in diesem völlig nichtssagenden Brief sehen. Und weil einer der Regierungspartner, die Österreichische Volkspartei, sich lieber an Deutschland orientiert hätte – einem jener Staaten, die den Brief gar nicht unterzeichnet haben, weil ihnen offenbar sogar die Forderung nach der Einhaltung des humanitären Völkerrechts zu weit ging.

Natürlich gab es, wie immer, auch massive Kritik von der IKG und vom selbsternannten Schutzpatron Israels, Wolfgang Sobotka. Und da saß nun Beate Meinl-Reisinger und musste sich in der ZIB2 bei Armin Wolf dafür rechtfertigen, dass sie es gewagt hatte, diesen Brief zu unterschreiben. Es war, ehrlich gesagt, traurig mit anzusehen wie sie fast darum gebettelt hat, dass man ihr die Freundschaft zu und Solidarität mit Israel doch glauben möge.

Ich möchte in aller Klarheit daran erinnern, dass der israelische Staat aktuell einen Völkermord begeht und wir alle eines Tages auf Sendungen wie die heutige mit Entsetzen zurückblicken werden.

* Shoura Zehetner-Hashemi ist Generalsekretärin von Amnesty Österreich

„Klare Haltung“?

Österreichs Politik und Medien halten sich bzgl. Kritik an Israels überschießender militärischer Gewalt in Gaza sowie den Plänen zur Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern auffallend zurück. Nach einem Appell von Altbundespräsident Heinz Fischer hat Österreichs Regierung endlich eine Stellungnahme abgegeben, verbunden jedoch mit einer eher verhaltenen Ermahnung der israelischen Führung.

Udo Bachmair *

Israels rechtsextreme Regierung setzt den Angriffskrieg gegen Gaza unvermindert fort. Mehr als 50.000 Palästinenser und Palästinenserinnen, unter ihnen zahlreiche Kinder, sind bereits Opfer des brutalen Vorgehens des Netanjahu-Regimes geworden. Ganz zu schweigen von der unendlichen Zahl an Verletzten und Verkrüppelten. Manche Medien und politische Akteure außerhalb Österreichs und Deutschlands sprechen offen und unverblümt von Völkermord.

Völlig anders Österreichs Regierung: Sie hat sich nach langer Zeit des Zuschauens und einseitiger Parteinahme nun zu eher sanfter Kritik an Israels Führung durchgerungen: Netanjahu möge doch so nett sein, geht da sinngemäß hervor, das Völkerrecht zu beachten, dem etwa die geplante „Umsiedelung“ (beschönigendes Wort für „Vertreibung“) widerspreche. Eine im Vergleich zu anderen EU-Staaten übervorsichtige Kritik an der gewalttriefenden und menschenverachtenden Politik des israelischen „Kriegskabinetts“.

Österreichs Regierung habe mit dieser Kritik eine „klare Haltung“ gezeigt, lässt Außenministerin Beate Meinl-Reisinger verlauten. Doch eine klare Haltung, auch Israel zu verurteilen für seine Gräueltaten und nicht nur die Hamas, sieht wohl anders aus. Einem potentiellen Kriegsverbrecher mit solcher Zurückhaltung zu begegnen, spricht ebenfalls für sich. Kommt hinzu, dass es erst des Appells von Altbundespräsident Heinz Fischer bedurft hatte, dass die Regierung sich überhaupt mit deren „klarer Haltung“ zu Wort meldete.

Ein Trauerspiel bzw. Armseligkeit einer österreichischen Außenpolitik, deren Selbstverständnis sich bereits seit Jahren wegbewegt von einer aktiven Friedens- und Neutralitätspolitik.

* Der Kurzkommentar von Udo Bachmair ist wortgleich, allerdings mit dem Titel „Trauerspiel einer österreichischen Außenpolitik“, heute auch in der Tageszeitung „Die Presse“ erschienen. Eine längere Fassung findet sich in der Internetzeitung „Unsere Zeitung-die Demokratische“

Verabschiedung von Fritz Edlinger

Fritz Edlinger ist vergangenen Freitag (17.1.2025) unter Teilnahme einer großen Trauergemeinde am Friedhof Wien-Neustift beigesetzt worden. Die von ihm verantwortete außenpolitische Zeitschrift INTERNATIONAL wird laut jüngsten Informationen dennoch weiter erscheinen.

Udo Bachmair

Zur Erinnerung: Fritz Edlinger, Herausgeber und Chefredakteur von INTERNATIONAL, Präsident der Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen, ist am 8. 12. 2024 völlig unerwartet verstorben. Der Tod des renommierten Journalisten und Publizisten hinterlässt in Österreichs Medienlandschaft und Politik eine kaum zu schließende Lücke.

Es ist ein Mensch mitten aus dem Leben gerissen worden, der sich mit großer Leidenschaft und unermesslicher Energie für Frieden und Solidarität eingesetzt hat. Seine Empathie für Notleidende galt insbesondere für das schwer geprüfte palästinensische Volk. Er prangerte das brutale Vorgehen Israels in Gaza offen als Kriegsverbrechen sowie als „Völkermord“ an. Ein Begriff, der von UNO-Kreisen über Amnesty International bis hin zu Medien außerhalb Österreichs und Deutschlands als eindeutig belegbar betrachtet wird.

Fritz Edlinger ist in Wort und Tat zudem für eine engagierte Neutralität Österreichs eingetreten. Er hat immer wieder vor einer drohenden Aushöhlung der Neutralität gewarnt. Als aktives Mitglied der von Ex-Botschafterin Gabriele Matzner angeführten „Initiative engagierte Neutralität“ ist er einer der zahlreichen Unterzeichner eines Appells an die österreichische Bundesregierung, diese möge sich auf eine Friedens- und Neutralitätspolitik besinnen, die es Österreich ermögliche, als Mediator in Konfliktfällen, Beispiele Nahost und Ukrainekrieg, zu fungieren.

Fritz Edlinger kann angesichts seines viel zu frühen Ablebens sein großes Engagement nicht mehr weiterführen. Jedoch bleibt ein kleiner Trost für seine hinterbliebenen Freundinnen und Freunde: Das hervorragende Magazin INTERNATIONAL, für das Fritz unermüdlich, gleichsam Tag und Nacht, gearbeitet hat, wird jüngsten Informationen zufolge weiter erscheinen.

INTERNATIONAL bleibt erhalten als „kritische und unabhängige außenpolitische Zeitschrift, die dem Nord-Süd-Dialog, der aktiven Neutralität, Friedensförderung und Multipolarität verpflichtet ist“, teilt der neue Chefredakteur des Blatts, der Historiker und Publizist Dieter Reinisch, mit.

Im Übrigen war Fritz Edlinger nicht nur ein persönlicher Freund, sondern auch ein Freund unserer Vereinigung für Medienkultur, die er auf verschiedenen Ebenen unterstützte.

Lautes Schweigen

Gaza in Schutt und Asche, unermessliches Leid der Zivilbevölkerung, mehr als 20.000 Todesopfer, unter ihnen zahlreiche Kinder: Politik und Medien lassen Mitgefühl und Kritik vermissen. Es herrscht „Lautes Schweigen“, wie es die deutsche Tageszeitung TAZ kürzlich auf den Punkt gebracht hat.

Udo Bachmair

Zu Israels brutaler Kriegsführung in Gaza fehlen Politikerinnen und Politikern offenbar die Worte. Im Gegensatz zum Ukraine-Krieg und zum Hamas-Massaker, zwei verurteilungswürdige Verbrechen, zu dem sich Medien und Politik zu recht empört äußern, herrscht zum Angriffskrieg gegen Gaza „lautes Schweigen“. Unter anderen drückten weder der deutsche noch der österreichische Bundespräsident in ihren Neujahrsansprachen Bedauern oder gar Kritik am israelischen Kriegsregime aus.

Das „laute Schweigen“ beklagt auf brillante und treffende Weise auch ein Kommentar der renommierten deutschen Tageszeitung TAZ*. Darin zitiert Autor Daniel Bax u.a. die US Agentur Associated Press. Sie spricht von einem Negativrekord sondergleichen. So gehöre die Aggression Israels im Gazastreifen schon jetzt „zu den tödlichsten und zerstörerischsten der jüngeren Geschichte“ In knapp drei Monaten habe Israels Armee mehr Zerstörung angerichtet als Assads Armee im syrischen Aleppo in den vier Jahren zwischen 2012 und 2016, Russlands Armee im ukrainischen Mariupol oder die US-geführte Koalition in ihrem dreijährigen Feldzug gegen den IS in Mossul und Rakka.

Der Kommentator der TAZ bezieht sich auch auf den US-Sender CNN. Fast die Hälfte der Bomben, die Israels Armee über Gaza abwerfe, seien sogenannte „dumme“, unpräzise Bomben, die viele Zivilisten töteten. Die New York Times berichtete, Israels Armee habe einige dieser „dummen“ 2.000-Pfund-Bomben über Gebieten abgeworfen, die sie vorher zu angeblich sicheren Schutzzonen für die Zivilbevölkerung erklärt habe, auch über Flüchtlingslagern.

Solche Recherchen sucht man in deutschen und österreichischen Leitmedien vergeblich. „Statt ihre Leserinnen und Leser zu informieren, missionieren sie. Als vierte Gewalt fallen sie aus“, lautet der TAZ-Befund.

Wie anders in anderen Teilen der Welt über Israels Kriegsführung gedacht wird, zeigt Südafrikas Vorstoß, das Land jetzt wegen „Völkermord“ vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu verklagen. Südafrikas 84-seitige Anklageschrift versucht zu belegen, dass es sich bei der massiven Zerstörung und den vielen Toten im Gazastreifen um das Ergebnis einer gezielten Strategie handle.

Dabei wäre ein sofortiger humanitärer Waffenstillstand ein Gebot der Stunde. Als einer von ganz wenigen Staaten stimmte Österreich in der UNO-Vollversammlung bekannterweise gegen eine Feuerpause. Eine Schande für einen neutralen Staat, der künftig nicht mehr mit einem Wohlwollen der internationalen Gemeinschaft rechnen kann, Ort internationaler Konferenzen zu sein.

Auch eine gemeinsame europäische Außenpolitik liegt in Trümmern, wie Jean Asselborn, Luxemburgs Ex-Außenminister beklagt. Er warnte daher schon vor einem Monat: „Die Geschichte wird uns das nicht verzeihen.“

Fest steht aber laut TAZ-Kommentator Daniel Bax schon jetzt, dass es im Gaza-Krieg „deutliche Anzeichen für massive Kriegsverbrechen gibt – nicht nur seitens der Hamas bei ihrem Massaker am 7. Oktober und ihren ständigen Raketenangriffen, sondern auch seitens der israelischen Armee, durch die kollektive Bestrafung und ihr Dauerbombardement der Zivilbevölkerung von Gaza.“ Selbst US-Präsident Joe Biden hat das israelische Kriegskabinett davor gewarnt, sich durch ihr „willkürliches Bombardement“ zu isolieren.

Doch sowohl Deutschland als auch Österreich bleiben ohne Wenn und Aber bei ihrer Unterstützung der rechtsradikalen Regierung Israels.

„Der Rest der Welt hört ihr lautes Schweigen und sieht ihr bewusstes Wegschauen. Er nimmt deutsche Politikerinnen und Politiker nicht mehr ernst, wenn sie von Menschenrechten sprechen“, so die Schlussfolgerung der TAZ-Analyse.

• Der gesamte Essay von TAZ-Redakteur Daniel Bax ist unter folgendem Link abrufbar:

https://taz.de/Israels-Krieg-in-Gaza/!5981361/

Eine empfehlenswerte Zeitschrift, für die die brutale Kriegsführung Israels ebenfalls kein Tabu ist, ist INTERNATIONAL:

www.international.or.at

Friede und Krieg

Hans Högl

Folgende Zitate notierte ich vor Jahren. Sie sind auch für das Heute in Osteuropa gültig.

„Besser ein mittelmäßiger Frieden als ein glücklicher Krieg“. Das sagte Maria Theresia zu Joseph II. am 8. Juni 1778

Jacob Burckhardt: „Der Friede ist nur eine kleine Atempause bis zum nächsten Völkermord.“

Golo Mann: „So ist der Mensch, dass er hin und her schwankt zwischen Egoismus und dem Wunsche, über sich hinauszugehen, in einer großen gemeinsamen Sache sich auszulöschen.“