Afrika medial unterbelichtet

Ein leider sträflich vernachlässigtes Thema im ORF ist Afrika, wenn man man von den leider nur selten ausgestrahlten Beiträgen der engagierten ORF-Korrespondentin Margit Maximilians absieht.

Wolfgang Koppler *

Da muss man schon einmal auf andere Sender ausweichen. Der Pragmaticus mit Moderator Roger Köppel von der Zürcher Weltwoche widmete sich am Sonntag Abend auf ServusTV mit interessanten Interviewpartnern dem in den nächsten Jahrzehnten schon von der Bevölkerungsentwicklung, aber auch von den Rohstoffen her immer bedeutsamer werdenden Kontinent. Und den Fehlern, die Europa auch in der postkolonialen Ära hier immer wieder passiert sind. Etwa der Zwang zur Öffnung afrikanischer Märkte, um diese mit eigenen Waren zu überschwemmen. Und die lokalen Märkte zu ruinieren. Stichwort: Subventionierte Lebensmittel aus der EU.

Oder eine Entwicklungshilfe, die einfach Schulen oder Krankenhäuser hinstellte mit fix und fertig importierter Ausstattung, die dann sehr rasch verschwand. Wie ein ehemaliger deutscher Botschafter feststellte. Hier zeigte der am Ende der Sendung zu Wort gekommene österreichische Entwicklungshelfer Ablinger von der auf privater Basis arbeitenden ICEP., dass vor allem Mikrokredite einen sehr günstigen Effekt haben: Menschen erhalten Startkapital als Kleinunternehmer, stellen andere an, bilden sie aus und auf diese Weise multipliziert sich die Starthilfe über ihre Familien und die ihrer Mitarbeiter. Darin war er sich sogar mit dem eher skeptischen Exbotschafter Seitz einig.

Was wie wirtschaftliche Kooperation im Großen betrifft, hinkt Europa – wie schon so oft – China hinterher. Zumal China vor allem in Rohstoffförderung investiert und Kredite und Infrastrukturprojekte im Paket anbietet. Wobei die Weiterverarbeitung natürlich bei chinesischen Unternehmen bleibt. Europa könnte sich hier vielleicht als besserer Partner anbieten, indem es sich etwas mehr auf die afrikanische Wirtschaft schaut – was ja angesichts der Migrationsthematik auch im eigenen Interesse wäre. Aber auch hier bleibt es bei Visionen: Wie dem in Deutschland schon lange diskutierten und auch von Kreisky vorgeschlagenen Marshallplan für Afrika.

Interessant auch, wie unterschiedlich sich die Situation in den mehr als 50 afrikanischen Ländern gestaltet. Während etwa Ghana und Kenia eine relativ positive wirtschaftliche und politische Entwicklung aufweisen, herrscht im Sudan Bürgerkrieg und auch im übrigen Sahel weitgehend Elend. Faktum ist jedenfalls: Afrikas Bevölkerung weist ein Durchschnittsalter von 25 auf, Europa eines von 47 Jahren. Und angesichts der europäischen Überalterung wird geregelte Migration immer wichtiger.

Fazit: Ein hochinteressanter Beitrag zu einem sonst in den Medien eher stiefmütterlich behandelten Thema. Einziger Wermutstropfen: Die gerade in Afrika sich immer stärker auswirkende Klimakrise wurde eher stiefmütterlich behandelt und nur im Rahmen der in den nächsten Jahren wohl zunehmend erforderlichen Katastrophenhilfe behandelt. Das kann aber das Problem zunehmender Dürren einerseits und Überschwemmungen anderseits bei steigenden Bevölkerungszahlen wohl nicht lösen. Trotzdem: Der Grundgedanke, dass Afrika auf eigenen Beinen steht und vor allem die Selbsthilfe zu fördern ist, scheint bestechend.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Scheinwelt der Logarithmen

Die boomende Gamingindustrie und allfällige Chancen für Österreich, sich dort eine Marktnische zu sichern, waren Gegenstand der jüngsten ORF-Sendung Eco-Spezial.

Wolfgang Koppler *

Zunächst eine eher ernüchternde Bestandsaufnahme: Weltweit 50 neue Spiele pro Tag, Milliardenumsätze und ein Markt, der von Konzernen wie Sony und Microsoft dominiert wird. Österreichische Kleinunternehmen in diesem Sektor müssen sich bei der einschlägigen Gamingmesse mit dem Stand der Wirtschaftskammer begnügen. Man kann zwar mit etwas Kreativität überleben – aber zu einem hohen Preis. Ein seit 10 Jahren auf dem Markt befindlicher Spieleentwickler schildert seinen Arbeitstag als Selbständiger: Er beginnt um 9 Uhr früh und endet um 2 Uhr nachts. Zwar scheint ihm die Arbeit Spaß zu machen, aber andere in dieser Branche Tätige enden sehr oft im Burnout. Crunch nennt man das in diesem Fall. Und das bei bereits Millionen gamenden Österreichern. Und einer Künstlichen Intelligenz, die zwar nicht die kreativen Tätigkeiten und somit die eigentliche Spieleentwicklung, aber sehr viele Hilfstätigkeiten bei der Ausarbeitung übernehmen kann.

Etwas seltsam, dass im Beitrag auch noch Werbung für diesen – für Gesellschaft und Umwelt wohl nicht unbedingt nützlichen – Sektor gemacht wird. Während man für sinnvolle und wichtige Tätigkeiten händeringend nach Leuten sucht, psychische Probleme und Kontaktarmut zunehmen und Europa auf Elektroautos, Solarzellen und bald vielleicht auch noch in der Wasserstofftechnik auf China angewiesen ist. Und uns Treibhauseffekt, Kriege und die Spaltung unserer Gesellschaft über den Kopf zu wachsen drohen. Vom zunehmenden Analphabetismus und den Menschen, die in unserer Gesellschaft auf der Strecke bleiben, schlichtweg abgehängt werden, gar nicht zu reden.

Nichts für ungut. Aber vielleicht wäre etwa ein Beitrag über den gewaltigen Energieverbrauch immer größerer Server für die Künstliche Intelligenz doch etwas passender gewesen. Oder wie die US-Techgiganten seit Jahren eine halbwegs vernünftige Besteuerung verhindern. Während die EU für Trump auch noch die letzten Minizölle abschafft – um selber 15 %-Einfuhrzoll zu zahlen. Oder vielleicht auch über Kinder, die kaum je eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben werden. Da ist es natürlich einfacher, sich in die digitale Welt der Gamer zu flüchten.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Volksbegehren zur Parteienfinanzierung

Von Medien wenig beachtet wird zurzeit ein Volksbegehren zur Änderung der Parteienfinanzierung vorbereitet. Nicht zuletzt eine Studie des Momentum-Instituts** über Eigentumsverhältnisse österreichischer Medien unterstreicht die Notwendigkeit von Alternativen, was etwa mit überschüssigem Geld für Parteien geschehen sollte.

Ilse Kleinschuster *

Viel Geld fließt in Parteien, die wenig damit anzufangen wissen, die nach wie vor ihre propagandistische Parteipolitik damit fördern. Fortbildung an den politischen Akademien geschieht nicht immer zum Nutzen der Allgemeinheit und im Sinne eines zukunftsorientierten Parteiprogramms. Die gegenwärtige Strukturkrise wird so nicht zu bewältigen sein.

Ich finde, dass es ein sinnvolleres Medienförderungsgesetz braucht, wenn wir Medienvielfalt und Demokratie stärken wollen. Es sollte guter Journalismus gefördert werden und der ist immer auch von den existentiellen Lebensbedingungen für Journalist*innen abhängig.

Wenn nicht-profitorientierte Medien einen Teil von der überschüssigen Parteienförderung abbekämen, wäre das schon um einiges besser als wenn Parteien per teuren Inseraten Einfluss auf die öffentliche Meinung im profitorientierten Boulevard nehmen. Müsste es nicht ohnehin verboten sein, gefällige und abhängig machende Berichterstattung zu erkaufen?

Das oben erwähnte Volksbegehren scheint mir ein gutes Beispiel dafür zu sein, wie es gelingen kann, die Menschen zum Mitdenken zu bringen: Pro & Contra werden auf der Webseite aufgezeigt und es wird zur Diskussion eingeladen.
Ich habe mich also auf der Webseite von ig-demokratie.at schlau gemacht und eine Unterstützungserklärung am Gemeindeamt unterschrieben.

Volksbegehren

** https://www.moment.at/story/medien-oesterreich-eigentuemer/

* Gastautorin Ilse Kleinschuster ist besonders engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft und lebt in Wien

Propaganda statt Fakten

Sie war früher einmal auch für den ORF, konkret für die Ö1-Journale, eine gefragte Nahostkorrespondentin: Kristin Helberg. Sie scheint in Vergessenheit geraten zu sein oder entspricht einfach nicht dem gängigen medialen Kurs.. Auf Facebook hat Helberg nun ihre Sicht der unerträglichen Vorgänge in und um Gaza veröffentlicht. Ihr Bericht sei Ihnen nicht vorenthalten:

Kristin Helberg

Vor zwei Jahren – am 22. September 2023 – stand Ministerpräsident Netanjahu vor der UN-Vollversammlung mit einer Karte von „Israel vom Jordan bis zum Mittelmeer“. Heute wissen wir, wie ernst er es meinte. Dies ist zum Alptraum für die Palästinenser geworden. Und obwohl die Tatsachen offensichtlich sind, plappern deutsche Politiker noch immer israelische Propaganda nach:

“Wenn die Hamas die Geiseln freilässt und die Waffen niederlegt, ist der Krieg vorbei.”
Falsch, denn es geht nicht um die Geiseln oder die Hamas, sondern um Groß-Israel vom Jordan bis zum Mittelmeer.

“Die Lage in Gaza ist katastrophal, aber die Hamas ist schuld.”
Falsch, Israel konnte weder eine militärische Nutzung von Krankenhäusern noch die Beschlagnahmung humanitärer Hilfe durch Hamas beweisen.

“Es gibt keine Hungersnot in Gaza.”
Doch, denn ein paar volle Marktstände und ein funktionierendes Restaurant beweisen nicht, dass zwei Millionen Menschen genug zu essen haben.

“Israel verteidigt westliche Werte gegen islamistische Terroristen.”
Auch falsch, denn diese Regierung macht Israel gerade zu einer ethno-religiösen Autokratie, sie schränkt zivilgesellschaftliches Engagement ein, verfolgt Kritiker, unterdrückt Oppositionelle.

Abgesehen davon, dass sich deutsche Bundestagsabgeordnete mit solchen Aussagen vor den eigenen gut informierten Wählern (zwei Drittel befürworten parteiübergreifend Sanktionen gegen Israel), im Ausland und in Israel selbst lächerlich machen, entlarven sie damit auch einen tiefsitzenden Rassismus und ihre Unfähigkeit, Propaganda von Fakten zu unterscheiden. In Gaza steht nicht „Aussage gegen Aussage“, vielmehr werden die Verlautbarungen einer Kriegspartei seit 23 Monaten von unabhängigen Menschenrechtsorganisationen, internationalen Gerichten, UN-Ermittlern, israelischen Medien und sämtlichen humanitären Hilfsorganisationen widerlegt.

Statt Behauptungen israelischer Regierungsvertreter zu wiederholen, sollten deutsche Politiker ihnen zuhören, sie ernst nehmen und die Inhalte mit den Prinzipien des Grundgesetzes, der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts abgleichen. Netanjahus Regierung sagt offen, was sie vorhat: palästinensische Lebensgrundlagen in Gaza zerstören, möglichst viele Menschen vertreiben, das Gebiet wiederbesetzen und besiedeln, die Westbank annektieren, einen palästinensischen Staat verhindern, ein jüdisch-suprematistisches Groß-Israel schaffen. Übersetzt in internationales Recht heißt das: Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Genozid.

Hype um 3 Nonnen

Die drei widerspenstigen Nonnen von Stift Goldenstein sind seit Wochen Thema in den Medien. Mit durchwegs positiver Resonanz. Sogar der wanderlustige Elch Emil ist vorübergehend in den Hintergrund getreten (zumal man es auch in Oberösterreich wohl nicht wagen wird, ihn betäubt nach Südböhmen zu bringen).

Wolfgang Koppler *

Der Freiheitsdrang der drei alten Damen berührt uns ebenso wie ihr Widerstandsgeist. Der von Lebensfreude zeugt. Und in unserer Gesellschaft ebenso selten anzutreffen ist wie gesundes Selbstbewusstsein. Kein Wunder, dass die Vertreter des Ordens darob ebenso wenig erbaut sind wie der als kommissarischer Verwalter des – bereits aufgelösten – Stifts eingesetzte Propst von Reichersberg. Wobei man hinzufügen muss, dass auch in weltlichen Institutionen Widerspruch gegen Maßnahmen, die angeblich zum Wohl der Untertanen getroffen wurden, meist auf wenig Gegenliebe stößt. Ob in Politik, Medien oder Wirtschaft. Da bleibt man stur bei einmal getroffenen Entscheidungen, auch wenn schon längst klar ist, dass daraus mehr Schaden als Nutzen entsteht. Sich einzugestehen, dass man vielleicht einen Fehler gemacht hat und die Kritiker nicht ganz unrecht haben – kommt nicht in Frage !

Aber zurück zu den Nonnen: Bemerkenswert ist, dass diese sich schon seit Anfang vorigen Jahres im Pflegeheim der Franziskanerinnen befanden. Sie hatten also genug Zeit, festzustellen, ob sie sich dort wohlfühlen oder nicht. Die Entscheidung, sie dort hinzubringen, wurden wegen zweier Krankenhausaufenthalte getroffen. Und wohl auch, weil man das Ministift mit den betagten Damen schon längst schließen wollte. Unwillkürlich musste ich an eine ORF-Doku vor einigen Jahren denken, in der die Auflösung eines Wienerwaldklosters beschlossen wurde, obwohl die Klosterschwestern sich trotz fortgeschrittenen Alters ausgesprochen wohlfühlten, zumal sie ihr ganzes Leben dort verbracht hatten.

Was im gegenständlichen Fall hinzu kommt, ist die Problematik von Pflegestationen ganz allgemein. Auch bei bestem Bemühen des Pflegepersonals sind deren Kapazitäten begrenzt. Noch Gehfähige landen vielleicht schneller im Rollstuhl oder gar im Pflegebett als es sein müsste, weil niemand da ist, der sie besucht und mit ihnen etwas unternimmt, sie in Bewegung hält. Der eine oder die andere ist dann allein im Zimmer, mit Nahrung und Medizin versorgt, aber einsam. Übrigens: Die Bettenstation des Hauses Leopoldau, die wirklich vorbildlich ist, sucht ehrenamtliche Helfer…

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Ukraine und Gaza: EU-Doppelmoral

Osttimors Präsident Ramos Horta, selbst Träger des Friedensnobelpreises, würde diesen für die EU heute nicht mehr vorschlagen. Sie wandle sich zunehmend von der Friedens- zur Kriegsunion. Eine APA-Meldung dazu wurde hierzulande nur von wenigen Medien übernommen. Kurz aufgetaucht im ORF-Teletext, war sie bald wieder verschwunden..

Wolfgang Koppler *

Mit schonungsloser Offenheit kritisiert Osttimors Präsident Ramos-Horta die EU, wie man einer APA-Meldung vom 14.9. sowie entsprechenden Artikeln in den OÖN und SN entnehmen kann. Und übt bittere Selbstkritik, diese je für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen zu haben.

Es geht ihm vor allem um den Gazakrieg. Er findet die Gleichgültigkeit, gegenüber dem, was mit den Palästinensern passiert, ekelerregend und stellt eine Doppelmoral fest: Im Ukrainekrieg, den Ramos-Horta von Anfang an als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verurteilt hat, seien laut Zahlen der UNO von Februar 2022 bis November 2024 2500 Kinder getötet oder verletzt worden, im Gazakrieg in einem ähnlichen Zeitraum von Oktober 2023 bis Mai 2025 bis 50000. Annalena Baerbock habe versucht, dafür Ausreden zu finden, und NATO-Generalsekretär Rutte habe gar die Völkerrechtswidrigkeit des israelischen Vorgehens bestritten. Er erklärt diese seltsame Zurückhaltung mit aus der Geschichte Europas entspringenden Schuldgefühlen. Spanien, welches das israelische Vorgehen von Anfang an dezidiert verurteilt hat, nimmt Ramos-Horta von seiner Kritik ausdrücklich aus.

Im Ukrainekrieg sieht Ramos-Horta auch eine Schuld des Westens durch die NATO-Osterweiterung. Wobei gerade ihm diesbezügliche Kritik zusteht, da er aufgrund der ebenfalls sensiblen geopolitischen Lage Osttimors Provokationen Indonesiens, Australiens oder gar Chinas und Indiens immer vermieden hat. Er sieht derzeit wenig Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges, da beide Seiten die Vorschläge der jeweils anderen ablehnen würden. Jeder würde Verlierer sein.

Und In Sachen Klimawandel sieht er primär den Westen in der Pflicht, von dem die industrielle Revolution schließlich ausgegangen sei.

Seinen Ausführungen ist wohl wenig hinzuzufügen. Aber sie zeigen, dass es dringend an der Zeit wäre, die europäische Nabelschau zu beenden. Und Politikern des globalen Südens vielleicht ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sie sehen die Dinge historisch unbelastet und daher möglicherweise objektiver.

Nachsatz: Vielleicht erklärt sich der Wechsel von Gleichgültigkeit und Aggressionsausbrüchen in unserer Geschichte aus dem Versuch, den Menschen in eine wie ein Uhrwerk funktionierende Maschine zu verwandeln.

www.nachrichten.at/politik/aussenpolitik/osttimors-praesident-ramos-horta-bereut-nobelpreis-fuer-eu;art391,4085433

* Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Vernunftsbefreite Politik

Einmal mehr versuchte Armin Wolf mit kritischen Fragen Aufklärung in der Sache. Passendes Beispiel dafür das jüngste ZiB-2-Interview mit Familienministerin Claudia Plakolm zum bevorstehenden Kopftuchverbot für unter 14-jährige. Ungerührt von Wolfs Einwänden erging sich die rechte Nachwuchshoffnung der ÖVP in stets wiederholten Stehsätzen. Sie gestand jedoch ein, dass es sich bei dem Reizthema um Symbolpolitik handle..

Wolfgang Koppler *

Das gestrige Zib2-Interview, das Armin Wolf mit Claudia Plakolm führte, sowie der vorangehende Beitrag zum selben Thema zeigten vor allem eines: Die Kluft zwischen Praktikern und Experten auf der einen und der Politik auf der anderen Seite.

Alle 5 Parteien befürworten das Verbot und zwar unisono mit denselben Stehsätzen. Lehrer, Sozialarbeiter und Religionsvertreter sehen das Verbot ausgesprochen skeptisch, Juristen zweifeln an der Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des VfGH. Lehrer etwa wären zur Anzeige gezwungen, auch wenn das Mädchen das Kopftuch freiwillig trägt. Dass das nicht gerade das Vertrauen zwischen der Schülerin und der Lehrerin und erst recht nicht das zwischen ihren Eltern und der Schule fördert, liegt auf der Hand. Wer mit türkischen Migranten zu tun hatte, der weiß, dass dort Mädchen aus säkularen Familien meist problemlos Umgang mit Kopftuch tragenden Gleichaltrigen pflegen und eine gewisse Toleranz die Integration fördert. Und damit auch den Lernerfolg und das Gefühl, hier in einer echten Demokratie zu leben.

Plakolm hingegen antwortete auf die ihr von Wolf entgegengehaltenen Argumente der Praktiker mit fast eingelernt klingenden Glaubenssätzen. Das Kopftuch als Symbol der Unterdrückung von Frauen, und auch wenn es nicht so deutlich ausgesprochen wurde, die Gefahr eines politischen Islam (dem man so vielleicht sogar in die Hände spielt) Dem VfGH würde insofern Rechnung getragen, als nun auch private Schulen erfasst seien. Was Lehrer, Sozialarbeiter und Psychologen dazu sagen, zählt wenig.

In diesem Fall muss man dem ORF wirklich Lob aussprechen. Es zeigt aber auch, wie sich die Politik zunehmend von Vernunft und Praxis entfernt. Auch in vielen anderen Themen.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist, er lebt in Wien.

Sichtbar und ansprechbar

Kürzlich fiel mir eine ein paar Wochen alte Ausgabe des „Spiegel“ in die Hand. Es war überraschend, wie einfühlsam und gleichzeitig zeitkritisch etliche der Artikel waren.

Wolfgang Koppler*

Einer der Artikel handelte von der Neuaufstellung des „Bündnis Sahra Wagenknecht“ nach dessen knappem Scheitern bei der letzten Bundestagswahl. Die Partei hat ihre Büros in Berlin zwar geräumt, doch in Ostdeutschland ist sie nicht nur in einigen Landtagen vertreten, sondern versucht dort einen Neubeginn. In Form einer Politik zum Anfassen, wie sie auch die KPÖ durchaus erfolgreich in Salzburg und Graz betreibt. Politiker des BSW nehmen sich der Sorgen der Menschen an, veranstalten gutbesuchte Treffen in kleineren Lokalen, in denen sich „Basispolitiker“ ihrer Sorgen annehmen. Bei ein paar Bierflaschen geht es genauso etwa um einen kaputten Heizkessel wie auch um Wangenknechts Friedenskurs, der angesichts des allgemeinen Aufrüstungsgetöses bei den von Zukunftssorgen geplagten Menschen in Ostdeutschland gut ankommt. „Sichtbar und ansprechbar sein“, nennt das Landtagsabgeordneter Henschel-Thöricht, der selbst solche Runden veranstaltet.

Kein Wunder, dass ein ehemaliger SPD-ler, der an einer solchen Runde teilnahm, sich die Bemerkung nicht verkneifen konnte, dass es ein bisschen wie bei den alten Sozialdemokraten sei.
Und ebenfalls kein Wunder, dass das BSW in Sachsen seit Jahresbeginn seine Mitgliederzahl verdoppeln konnte. Und dass sich auch schon Menschen finden, die in Sahras Fußstapfen treten wollen, wie etwa eine 41-jährige Historikerin an der Universität Halle, die meint, die Idee BSW, hätte es verdient, „dass wir weitermachen“. Und es wäre die Aufgabe der Medien, ihr Gehör zu verschaffen. Die gegenwärtigen Krisen böten dazu eine gute Gelegenheit. Wo man doch angesichts vieler nicht gerade überzeugender Spitzenpolitiker und der angeblichen „Zeitenwende“ sowieso nicht weiß, wohin man sich wenden soll (um mit Herrn Karl zu sprechen). Da kann man sich doch ausnahmsweise einmal auf sein Rückgrat besinnen.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Nötiges Umdenken

Kann eine KI-generierte Gesellschaft mithilfe einer neuen Verteilungsordnung der Ergebnisse unseres Wirtschaftens auf den richtigen Weg gebracht werden? Dieser Frage hat sich der Romancier Peter Rosei in einem vom STANDARD veröffentlichten Essay gewidmet.*

Ilse Kleinschuster

Künstliche Intelligenz als „ein Werkzeug, das uns zum Umdenken zwingt“ wird hier nicht nur als ein vom Autor angedachtes Tool für eine Wohlfahrts-Gesellschaft propagiert. Auch die Standard-Redaktion vermittelt lobenswerterweise durch die Veröffentlichung dieses Essays Möglichkeiten über einen notwendigen gesellschaftlichen Wandel öffentlich nachzudenken: in dem Sinne als „dieses Umdenken in Richtung einer umfassenden Befreiung von geisttötender Arbeit, nicht aber zu der Errichtung eines Reichs der Faulheit und Geistlosigkeit führen könnte, – wenn wir es nur anders wollten.“

Immer wieder in der Geschichte sind neue Denkräume entstanden, haben sich Denkschulen gebildet, die wieder anders oder ausgeweitet wurden, bald kulturell, bald sozial, bald ökonomisch – und meist ging das nicht ohne ideologische Konflikte ab. Heute sei der ideologische Raum, in dem die KI auftaucht und eingesetzt wird, der Kapitalismus, ist Peter Rosei überzeugt. Und weil hier grundlegend die Parameter profitabel oder nicht profitabel gelten, sollten wir gewarnt sein: Die Arbeitswelt werde durch den massenhaften, ungelenkten Einsatz der KI zu einem Raum, in dem Menschen, die keinen Mehrwert schaffen, den Boden unter den Füßen verlieren.

Als wichtigen Schritt zur Veränderung sieht der Autor ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) als Baustein im Transformationsprozess mit dem Ziel, ein „Gutes Leben für Alle“ zu schaffen. Es ist hier und jetzt nicht mein Anliegen, ein Plädoyer für das BGE zu lancieren, ich wollte lediglich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass ein so kluger Mensch wie Peter Rosei sich Gedanken über das Dilemma macht, dass durch einen ungelenkten KI-Wahn bald nicht mehr einzubremsen sein wird. – Rosei fragt: „Wäre es nicht denkbar, das unter Einsatz der KI erwirtschaftete Ergebnis, um nicht zu sagen: unseren Reichtum, anders einzusetzen als bisher? Schon die Bewohner von Thomas Morus’ Utopia ließen sich in der Hinsicht einiges einfallen. Die Vorstellung, eine durch Maschinenarbeit begünstigte Menschheit könnte bei weitem kürzere Arbeitszeit das gleiche ökonomische Ergebnis erwirtschaften wie im alten und früheren Zustand, findet sich zum Beispiel auch bei John Maynard Keynes – auch dort übrigens aufgefasst als Vision einer Befreiung des Menschen.“

Es geht Rosei aber nicht nur um Jobverlust, sondern er weiß offensichtlich auch um die Problematik des enormen Energieverbrauchs, den der rasante Ausbau der Digitalisierung und da gehört KI dazu, mit sich bringt und er verweist auf die Wiederkehr der Atomkraftanlagen, deren fragewürdige Betriebssicherheit und die ungeklärte Endlagerung der Abfälle.
Nicht zuletzt verweist er auch auf die unseriöse Methode der Datenspeicherung, der wir uns alle ausgesetzt sehen: „Bis dato gibt es keine internationale Konvention, die die Urheber schützen, ihnen ein Entgelt für die von ihnen geleistete Arbeit sichern würde – auch in weitere Zukunft ist nichts dergleichen in Aussicht.“
Noch immer liegen, um Bert Brecht zu paraphrasieren, die Mühen der Ebene in weiter Ferne, die Mühen der Berge türmen sich vor uns auf.

* https://www.derstandard.at/story/3000000284581/die-ki-als-neues-werkzeug-das-zum-umdenken-zwingt.

Klimaschutz als Menschenrecht

Klimaschutz kann erst dann zu einem Menschenrecht werden, wenn der gesellschaftliche Wandel sich vollzogen hat – weg von der „Wirtschaft wie bisher“ in Richtung eines stark sozial-ökologisch-betonten Wirtschaftens.

Ilse Kleinschuster *

Kürzlich hat mich die Schlagzeile „Menschenrechte verpflichten zu Klimaschutz“ überrascht (www.derstandard.at/story/3000000280575/muessen-staaten-fuer-klimaschaeden-zahlen)

Zunehmende Gefährdung durch den steigenden Meeresspiegel habe demnach die Regierung des Inselstaates Vanuatu im Südpazifik zu rechtlichen Schritten bewegt: Auf Initiative einer Studierenden-NGO habe der Staat eine Kampagne gestartet, um zwei heikle juristische Fragen vor den Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag zu bringen :

1.: Inwieweit sind Staaten nach internationalem Recht dazu verpflichtet, Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen?
Internationale Übereinkommen wie das Pariser Klimaabkommen und das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht verpflichteten Staaten dazu, Maßnahmen für den Schutz des Klimas zu ergreifen. Nach dem Internationalen Recht der UN-Charta (der Menschenrechtserklärung) seien also Staaten verpflichtet, diesbezüglich die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. – Was aber tun, wenn der Vertrag auf internationaler Ebene nicht rechtlich verbindlich durchgesetzt werden kann?. Auch das Gutachten des IGH sei nicht rechtlich verbindlich, besitze aber immerhin weitreichende Bedeutung, so der Autor des Standard-Artikels.

JA, es ist bekannt, dass weltweit Einzelpersonen und NGOs mit rechtlichen Mitteln für mehr Klimaschutzmaßnahmen kämpfen, dies auch oft mit ihrem Leben bezahlen. Und JA, es ist erfreulich, dass in den letzten Jahren einige Klimaklagen Erfolg hatten, so z.B. die der Niederlande, Deutschlands und die der Schweiz. Diese hat kürzlich einen aufsehenerregenden Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ausgefochten. Die Schweizer Regierung wurde verurteilt, weil sie zu wenig gegen die Klimakrise unternommen habe. Es ist zu hoffen, dass weitere Urteile, die jetzt noch ausständig sind, der rechtlichen Pflicht, die sich letztlich aus den Grund- und Menschenrechten ableiten lasse, gerecht werden.

2.: Inwieweit sollen Staaten für Schäden haften, die durch die Klimakrise verursacht worden sind?
Tja, darüber wird wohl noch lange diskutiert werden. Die Aussicht, dass Staaten zur Schadenszahlungen an andere Staaten verpflichtet werden, wird oft an der Beweisführung eines Ursache-Wirkung Zusammenhangs scheitern, so ist zu befürchten. Der lauterwerdende Slogan ACT NOW! sollte nicht überhört werden

Ein weiterer Artikel aus der Feder eines renommierten Ökologen an der Universität Wien (Wissenschaftler des Jahres 2022 in Österreich und Mitglied des Biodiversitätsrats) war betitelt mit „Große Umweltversprechen, aber wo bleiben die Taten?“ (www.derstandard.at/story/3000000280021/grosse-umweltversprechen-aber-wo-bleiben-die-taten) – Franz Essl kritisiert darin die EU-Kommission wegen ihrer widersprüchlichen Haltung. Es zeige sich deutlich, wie großartige Versprechen wie eben der Green Deal aus einer falsch verstandenen EU-Sparpolitik heraus nicht eingehalten würden. Nur 6,5 Prozent des EU-Budgets würden derzeit für Umweltpolitik ausgegeben, und eine angemessene Steigerung sei nicht geplant. In einem Offenen Brief haben daher jüngst mehr als 1600 Forscherinnen und Forscher die EU-Kommission aufgefordert, den derzeit diskutierten Finanzplan deutlich zu revidieren.

Dass Attacken von rechts auf das EU-Klimaziel dessen Erreichen schwer machen -, kein Wunder.
Was da erschwerend dazukommt, ist die Tatsache, dass ewig politische Lippenbekenntnisse zwar dem „Volk“ gelten, die tatsächliche Politik aber den reichen Eliten. Visionen einer Weiterentwicklung der Gesellschaft (siehe Grüner Deal der letzten EU-Kommission!) treten in den Hintergrund, Solidarität und Gerechtigkeit verlieren als politische Ziele an Bedeutung. Stattdessen wird die Politik zusehend an den Interessen der Besitzenden (Industrieunternehmen, Eliten) ausgerichtet“, so Christoph Streissler (AK-Zeitschrift „Wirtschaft und Umwelt“ (2/2025). Noch seien keine konkreten Veränderungsvorschläge für das EU-Klimagesetz in Sicht, aber diese Attacken von rechts müssten alle Gegenkräfte herausfordern, darauf zu achten, dass die ambitionierte Zielsetzung der EU nicht auf dem Altar der Wettbewerbsfähigkeit geopfert wird.

Leicht verzweifelt frage ich mich: Wie können Klimaschutz und Menschenrechte unter einen Hut gebracht werden? Klagen und Proteste werden langsam verstummen, wenn niemand mehr weiß, an wen sie erfolgreich gerichtet werden können. Ich sehe jedenfalls keine Institution, die den Klagen „ökologischer Krieger“ wirklich gerecht werden kann, keine Entität, die sich den Fragen der Ökologisierung wirklich widmet, die wirklich Widerstand leistet gegenüber der aktuellen Ökonomisierung, diesem mörderischen Zerstörungssystem..

Gastautorin Ilse Kleinschuster ist aktives Mitglied der Zivilgesellschaft