Schlagwort-Archive: Deal-Maker

Selbstvergöttlichung

Die Unberechenbarkeit und der Narzissmus von US-Machthaber Donald Trump bieten ausreichend Stoff für kritische Äußerungen in Medien und Politik. Auch andere autoritäre politische Führer geben zunehmend Anlass zur Sorge.

Wolfgang Koppler *

Wir alle haben Trump zwar für einen extremen Narzissten, aber doch auch für einen Deal-Maker gehalten. Und angenommen, dass er, wenn er etwas ankündigt bzw. androht, in Wirklichkeit nur mit dem Säbel rasselt, aber dann doch irgendwie einlenkt. Ob im Zollstreit mit der EU oder bei militärischen Einsätzen. Sein Vorgehen in seiner ersten Amtszeit, wo er – mit Ausnahme eines eher symbolischen Bombardements in Syrien – sich aus Kriegen eher heraushielt und auch innenpolitisch mehr verbal als wirklich radikal vorging, legte diesen Schluss nahe.

Mit der Umgehung des Kongresses durch den Einsatz von Dekreten, dem Einsatz der Nationalgarde gegen die eigene Bevölkerung und der nunmehrigen Bombardierung des Iran ist klar, dass Trumps erste Amtszeit mit seiner nunmehrigen „Herrschaft“ nicht vergleichbar ist. Die USA bewegen sich nun auch augenscheinlich in Richtung Diktatur. Und Europa und Israel detto. Es ist eine Entwicklung, die in Wirklichkeit schon Ende der 70- Jahre mit dem Neoliberalismus von Thatcher und Reagan in Gang bekommen ist. Grenzenlose Freiheit für die Wirtschaft, zunehmende Rechtlosigkeit des einfachen „Untertanen“.

Je mehr die Angst vor dem Kommunismus schwand, desto mehr konnte man auf Sozialstaat und Demokratie verzichten. Und als „Elite“ in Wirtschaft, Politik und Medien seinen infantilen Narzissmus ausleben. Jene Selbstvergöttlichung des Menschen, wie sie schon in der Antike an der Wiege Europas Pate stand. Die zwar ästhetisch ansprechenden, aber kalten und leblosen griechischen und römischen Statuen legen ebenso Zeugnis davon ab wie die Philosophie eines Aristoteles, der Gott zum unbewegten Beweger des Alles, eine Art Uhrmacher dekretierte, dem man nur auf die Schliche kommen müsse. Immerhin: Wir haben mit diesem materialistisch-rationalistischen Denken die Atombombe entdeckt. Und die künstliche Intelligenz, mit der wir uns überflüssig machen. Damit uns die Welt trotzdem nicht zu kalt und unwirtlich vorkommt, dürfen sich schöngeistige Seelen auf ein abstraktes Wahres, Gutes und Schönes berufen und sich einem weltfremden Kunstgenuss und Fortschrittsglauben hingeben.

So lange Trump, Musk, Netanjahu, Merz und Putin es zulassen. Und wir uns vor dem Klimawandel in klimatisierte Räume flüchten können.

Das ist wohl nicht jene Weisheit, die Sokrates suchte. Auch der bekämpfte suchte schon mit der Laterne nach „Menschen“ und bekämpfte vergeblich den infantilen europäischen Narzissmus. Damals in Form der egozentrischen Sophisten. Heute nennt man sie Intellektuelle.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien