Politik und Medien beschäftigt zurzeit nur ein Thema: Der Amoklauf von Graz und die dramatischen Folgen stehen zurecht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Darüber hinaus aber lässt ähnliche Anteilnahme für die täglichen Todesopfer des Ukraine- und des Gazakriegs zu wünschen übrig, oder auch für Menschen hierzulande, die von inhumanem Handeln betroffen sind.
Wolfgang Koppler *
„Lichter der Liebe in dunkelster Stunde“ titelt die Boulevardzeitung „Heute“ zu einem Bild mit Menschen in Graz, die vor einem Meer von Kerzen stehen. Und die Oberösterreichischen Nachrichten ÖÖN drucken – etwas nüchterner – auf der Titelseite einen Aufruf des Bundespräsidenten zum Zusammenhalt ab – auf schwarzem Grund. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig fordert dann noch im Gemeinderat „als Antwort auf Hass und Gewalt ein umso stärkeres Bekenntnis zu Zusammenhalt und Respekt.“
Noch nie war das Wort Zusammenhalt so oft zu hören wie jetzt. Und überall zeigt man Anteilnahme und Betroffenheit. Selbst unsere Fußballer müssen angesichts der tragischen Ereignisse in Graz ihren 4:0-Erfolg gegen Montenegro zu einer „Randnotiz“ erklären. Und man hält überall Schweigeminuten ab. Sogar beim Nova Rock Festival ist eine solche geplant – das kostet nichts und macht sich gut, zumal die Veranstaltung ansonsten wie geplant ablaufen kann.
Man zeigt Herz, weil es sich so gehört. Ob man wirklich eines hat, ist eine andere Frage. Vielleicht sollte man Journalisten wie Lesern einmal den Besuch einer Bettenstation in einem Seniorenheim empfehlen. Da gibt es Leute, die bekommen nie Besuch. Die Stadt Wien sucht sogar ehrenamtliche Helfer – mit wenig Erfolg natürlich. Davon, wie unmenschlich es des Öfteren in Wirtschaft und Politik zugeht, will ich gar nicht reden. Und von unser aller Bequemlichkeit, die uns hindert, gegen Unfairness den Mund auf zu machen.
Da ist Kerzen anzünden einfacher. Und Schweigeminuten abzuhalten.
Ich will jetzt nicht behaupten, dass man mit mehr Engagement Amokläufe verhindern kann. Aber es könnte unsere Gesellschaft menschlicher machen. Und vielleicht doch den einen oder die andere vom Durchdrehen abhalten. Einen Versuch wär’s wert.
* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien
Danke! Ich empfinde das zurzeit auch so – wieder einmal wäre weniger mehr.