Archiv der Kategorie: Medienkritik

Kampagne gegen El-Gawhari

Kritiker am brutalen Vorgehen Israels in Gaza werden umgehend als Antisemiten denunziert. Mit einer Welle an Vorwürfen sieht sich auch der Nahostkorrespondent des ORF, Karim el Gawhari konfrontiert.

Udo Bachmair

Der Hauptvorwurf gegen den renommierten und durchaus sachlich berichtenden ORF-Journalisten Karim El-Gawhari besteht darin, dass er zu israelkritisch und zu gazafreundlich sei.

„Es ist Zeit, dass Konsequenzen gezogen werden“ droht etwa der PR-Berater Daniel Knapp auf X (vormals Twitter). Viele User:innen stimmen überein mit Äußerungen wie „Dass der ORF noch immer an ihm festhält, ist mir ein Rätsel“.

Karim El- Gawhary hält sich laut der Zeitschrift JOURNALIST:IN de facto gänzlich raus, egal, wie unsachlich und untergriffig die Attacken gegen ihn seien. Vermutlich werde seitens des ORF empfohlen, auf die Attacken nicht einzugehen, um sie nicht aufzuwerten.

„Dr. Media“ zitiert dazu El Gawhari selbst: „Der Grund, warum ich selten antworte, ist, dass ich die Twitter- Blase schon länger nicht mehr allzu ernst nehme. Die Angriffe gegen mich haben oft Kampagnen-Charakter“.

Der von israelischer und jüdischer Seite attackierte, von den meisten ORF-KonsumentInnen jedoch sehr geschätzte Korrespondent grundsätzlich: „„Ich versuche einfach seit 30 Jahren als Journalist im Nahen Osten und seit 20 Jahren als ORF-Korrespondent meine Arbeit zu machen und will mich da nicht von den X oder Twitter-,Experten ohne Grenzen‘ ablenken lassen. Ich hoffe, dass meine Arbeit dabei für sich spricht.“

Ohne Bildschirm

Hans Högl – Resumé eines medienpädagogischen Beitrages

Eine Suite des Hotels „Wasnerin“ bei Bad Aussee ist bewusst ohne Telefon, Handyempfang, WLAN, TV und Radio schreibt das Bregenzer Magazin „Original“ . Ziel ist, zur Ruhe zu kommen, den Geist zu klären und die Verbundenheit mit der Natur zu stärken.

Das Magazin empfiehlt:

1. Offline-Zeiten und „bildschirmfreie Zonen“
Es gilt klare Offline-Zeiten (Offline-Rituale) in den Tagesablauf zu integrieren.

2. Digitalen Minimalismus:
Apps reduzieren. Es gilt, wesentliche Technologien gezielt zu nutzen, unnötige Apps zu deinstallieren oder löschen. Wer braucht ständige Push-Nachrichten! Für soziale Medien lohnt es, feste Zeiten einzuplanen, z.B. die Mittagspause. Dadurch gewinnt man Energie.

3. Natur als Rückzugsort.
Tipp: Bewusst Zeit in der Natur verbringen. Dies baut Stress ab und fördert das Wohlbefinden.

4. Retreats und medienfreie Urlaube

Es gibt „Digitale Detox Retreats“ in ruhigen, naturnahen Umgebungen.
An diesen Orten gibt man seine digitalen Geräte ab.

Journalismus und Wahrheit

„Was ist wahr?“ war die Fragestellung der diesjährigen Fresacher Toleranzgespräche. In diesen Tagen erscheint das dazugehörige Jahrbuch. Einer der darin enthaltenen Beiträge widmete sich der „Wahrheitsfindung im Journalismus“.

Udo Bachmair *

Die Inanspruchnahme einer absoluten Wahrheit (im theologischen Sinn) ist und kann nicht Gegenstand journalistischer Arbeit sein. Seriösem Journalismus geht es vielmehr um den Versuch einer größtmöglichen Annäherung an die Wahrheit. Ein solcher Versuch kann u.a. mittels Recherchen aus einer Vielfalt auch alternativer Quellen erfolgen sowie durch unermüdliches Bemühen um Differenzierung. Dazu gehört nicht zuletzt ständiges Hinterfragen von Wirkung und Bedeutung traditionellen und wiederholt verwendeten Sprachgebrauchs.

Einige Beispiele dafür:

Menschen, die die wachsende Kriegsrhetorik in Politik und Medien ablehnen und auf Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen im Ukrainekrieg drängen, als „Putinunterstützer“ und „russische Trolle“ verächtlich zu machen, auch wenn sie gleichzeitig den Krieg gegen die Ukraine klar verurteilen, erscheint als eine der Verzerrungen von Wahrheit in der Berichterstattung. Sich in die jeweilige Interessens- und Bedrohungslage von Kriegsgegnern hineindenken zu können und daraus differenzierende Schlüsse zu ziehen, würde wahrheitsorientierten Qualitätsjournalismus ausmachen.

Ein Krieg ist immer auch ein Informationskrieg und beide Kriegsparteien machen Kriegspropaganda, unabhängig davon, wer nun der Aggressor und wer das Opfer ist.

westliche Medien stellen ukrainische Kriegspropaganda meist als Fakten dar, hingegen alles, was von russischer Seite kommt, als völlig unglaubwürdig und propagandistisch. Freilich ist es für journalistische Arbeit schwieriger denn je, auf seriöse Quellen zurückgreifen zu können, auch wenn ehrliche Absicht dazu besteht. Seriöse Quellen im Informationskrieg sind nämlich kaum eruierbar. Aber es wäre zumindest wünschenswert, Quellen zum Kriegsverlauf überhaupt anzugeben, was leider in Medien selten passiert.

Schon Jahre vor dem Krieg haben westliche Medien und PolitikerInnen Russland beharrlich zu einem Feindbild mit aufgebaut. Dazu tragen auch einzelne Begriffe und Worte bei, wie sie auch in der sogenannten objektiven Nachrichtensprache verwendet werden. So fällt wahrscheinlich nur wenigen auf, dass Äußerungen von russischen Politikern tendenziell mit Prädikaten wie „behaupten“, „unterstellen“, etc. versehen werden. Wenn ein US- oder EU-Politiker eine Stellungnahme abgibt, lauten die Prädikate „betonen“, „bekräftigten“, „erklären“ etc. also positiv geladene Begriffe.

Abermals sei bekräftigt, dass ein Angriffskrieg im 21.Jahrhundert in Europa ein absolutes „No Go“ sein sollte. Großmachtphantasien mit einem realen Krieg erzwingen zu wollen, ist menschenrechtlich und völkerrechtlich strikt abzulehnen. Krieg und Gewalt sind per se Verbrechen, besonders ein aggressiver militärischer Überfall. Das heißt aber nicht, dass automatisch nur der Aggressor Kriegsverbrechen begeht und Kriegspropaganda verbreitet.

Apropos „Angriffskrieg“: Dieser vor allem von APA und ORF ständig wiederholte Begriff wird kontraproduktiv dann, wenn er allzu inflatiönär verwendet wird. Denn es könnte dadurch bei MedienkonsumentInnen der Eindruck eines von oben verordneten und verpflichtenden Wordings entstehen. Die Bezeichnung „US-Angriffskrieg“ etwa für den Überfall der USA auf den Irak und andere Staaten der letzten Jahrzehnte wäre in westlichen Medien wohl auch heute noch unerwünscht bis verpönt.. US-Kriege waren nach offizieller Lesart ja meist „Befreiungskriege“..

Ähnlich beliebt in Politik und Medien ist die häufige Verwendung des Attributs „Terror“. Es ist wahr, dass etwa die Hamas zu Recht als Terrororganisation bezeichnet werden muss. Das grässliche Massaker vom 7. Oktober hat dies eindeutig bestätigt. Die Bevölkerung von Gaza dürfte das allerdings anders empfinden. Ihre Wahrheit besteht darin, die israelische Regierung wegen des brutalen Vorgehens im Gazastreifen als „Terrorregime“ zu betrachten. Niemals würden jedoch westliche Medien einen solchen Sprachgebrauch für Israels Regierung verwenden, was ja auch nicht wirklich seriös wäre.

Jedenfalls mehren sich Tendenzen, nahezu jede Kritik an der politisch weit rechts stehenden israelischen Führung mit der Keule des Antisemitismus zu beantworten. Dieser immer wiederkehrende Vorwurf gegen politische und journalistische Kritiker Israels verharmlost im Übrigen den wahren, den rassistisch motivierten Antisemitismus.

Als einer der Begriffe, der ebenfalls als verzerrte Wahrheit daherkommt bzw. umgedeutet wird, gilt das Wort Frieden. Ein ursprünglich positiv geladener Begriff, der im Umfeld zunehmender Kriegsrhetorik zum „Friedensdiktat“ oder „Diktatfrieden“ mutiert und damit abgewertet wird.

Höchst bedenkliche Begriffe, die sich ohne größere Empörung bereits langsam aber sicher eingeschlichen haben, sind aus der Nazi-Zeit entlehnte Bezeichnungen, wie „Systemparteien“, „Volksverrat“, „Fahndungsliste“, Lügenpresse, etc.. Politische Kampfbegriffe wie „EU-Wahnsinn“ oder die Kronenzeitungs-Rubrik mit „EU-Theater“ als Überschrift auf der Leserbrief-Seite, sowie etwa auch die schon zur Gewohnheit gewordene Verknüpfung von Migration mit der Beifügung illegal, verfehlen ihre fatale Wirkung ebenfalls nicht.

Beispiele, die noch beliebig fortzusetzen wären, Begriffe und Formulierungen, die jedenfalls nicht der Wahrheitsfindung dienen, sondern diese weitgehend erschweren. Dabei wären ein inhaltlich abwägender und objektiver Journalismus sowie eine Abrüstung der Worte auch im Bereich der Politik von hoher demokratiepolitischer Relevanz.

* Udo Bachmair nahm als langjähriger ORF-Redakteur und Präsident der Vereinigung für Medienkultur an den Fresacher Toleranzgesprächen zum Leitthema Wahrheit teil.

Ukrainekrieg und Propaganda

Nur Russland betreibe Kriegspropaganda, das Aggressionsopfer Ukraine hingegen nicht. Westliche Medien sind sich darin zu weiten Teilen einig. Es werden vornehmlich Politiker und Experten zitiert, die Russland schon vor Kriegsbeginn undifferenziert als Feind taxiert haben. In diese Richtung weist auch eine jüngste veröffentlichte APA-Meldung *

Wolfgang Koppler **

In ihrem 2022 im Betz-Verlag erschienenen Buch „Narzissten wie wir“ entlarvt die Psychologin Katharina Ohana unsere Gesellschaft als infantil-narzisstisch. Obwohl wir uns gerne als aufgeklärte Vernunftmenschen sehen, so sind wir doch von unseren persönlichen Erfahrungen und Gefühlen bestimmt und – ich darf ergänzen – auch von Bequemlichkeit und Herdentrieb.

Ein gutes Beispiel ist der Ukrainekrieg. Kaum ein Qualitätsmedium erlaubt sich, von der allgemeinen Kriegspropaganda abzuweichen. Und selbst die Nachrichtenagenturen – wie ich es schon in der (zu meiner Zeit noch nicht nur an den MINT-Fächern orientierten) Oberstufe des Gymnasiums gelernt habe – sorgen dafür, dass kritische Stimmen in den Medien nicht allzu laut werden. Ein beredtes Beispiel ist der untenstehende APA-Bericht unter dem Titel „Osteuropa-Historiker Karl Schlögel: Russland ist der Feind“.

Schlögel, der im scheinbar objektiven Bericht als einer der „profiliertesten Kenner Russlands“ ausgewiesen wird, fordert darin von Deutschland eine grundsätzliche Korrektur seiner Russlandpolitik, wobei er eigentlich nur die schon sattsam aus den Medien bekannten und stets auf Neue wiederholten Argumente angeführt werden: Russland hat einen Krieg in Europa angefangen. Und Deutschland (bzw. der Westen) müsse verteidigungsbereit sein, zumal hier nicht nur die Ukraine, sondern auch Europa gefährdet sei. Erinnert irgendwie an einen Kindergarten: Der Peter hat angefangen. Ist nur leider blutiger Ernst – auf beiden Seiten. Und erinnert beklemmend an die Kriegspropaganda des Ersten Weltkriegs.

Schlögel nimmt dann auch noch Bezug auf den deutschen Bundestagswahlkampf, um die Deutschen auf das gemeinsame Feindbild (das nun nicht mehr nur Putin, sondern auch Russland ist) einzuschwören. Der Ernst der Lage und die „Zeitenwende“ seien noch gar nicht ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Die Frage „Krieg und Frieden“ werde ein zentraler Punkt im deutschen Bundestagswahlkampf sein. Man dürfe nicht glauben, dem entgehen zu können, indem man die Ukraine auffordere, „Ruhe zu geben und Frieden zu machen“. Dass Schlögel Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (das für Verhandlungen eintritt), als eine Art nützliche Idioten betrachtet, die sich von Putin instrumentalisieren ließen, versteht sich von selbst.

Dass der Historiker am Ende des Berichts nicht nur vor Putin, sondern auch vor Russland als Ganzes warnt, weil auch die „russische Kultur“ im Dienst des Krieges stehe, zumal die „zivilen Kräfte“ durch Stalin, zwei Weltkriege usw. schon stark dezimiert worden seien, überrascht da ebenfalls nicht.

Selbstredend kritisiert er auch das Telefonat von Scholz mit Putin und fordert von Deutschland auch die Lieferung weitreichender Waffen, wobei er natürlich wieder einmal emotionalisierend auf die Situation in der Ostukraine Bezug nimmt. Dass die Kriegshölle dadurch kaum erträglicher werden dürfte, wird tunlichst übergangen.

Man bekommt den Eindruck nicht los, dass sich einige in Europa und den USA vor dem Frieden geradezu fürchten. Wenn der Katzenjammer um die leeren Staatskassen, die Wirtschaftskrise und die hohen Energiepreise losbricht. Und man sich den wirklich drängenden Fragen einer in Wirklichkeit multipolaren Welt stellen muss, wie der Klimakrise, dem Hunger und dem Auseinanderdriften unserer Gesellschaften (die man nicht dauernd nur mit Feindbildern zusammenhalten kann).

Und bei Schlögel fällt auf, dass er als Student sich bei Maoisten und Anarchisten betätigte, wie man seinem Wikipedia-Eintrag entnehmen kann. Mir fällt dazu nur der Kommentar Hans-Joachim-Kulenkampffs zu der durchaus ähnlichen Wandlung Yves Montands in den 80-ern ein: Ich war nie so weit links wie er, darum bin ich jetzt nicht so weit rechts wie er. Zur Erklärung: Der Kommunist Montand warnte in den 80ern in der Fernseh-Doku „La Guerre“ vor einem russischen Einmarsch in Frankreich. Zu einem Zeitpunkt, als die Sowjetunion kurz vor dem Zusammenbruch stand.

* https://www.msn.com/de-at/nachrichten/kultur/osteuropa-historiker-karl-schl%C3%B6gel-russland-ist-der-feind/ar-AA1uEkoK?ocid=msedgdhp&pc=HCTS&cvid=43462c9af9cf4261bdd151f30037a4e2&ei=16

** Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Politik- und Medienanalyst und lebt in Wien

Streit um Klimawandel

Die Klimafrage berührt existentiell den Menschen. Darum sieht das deutsche Verfassungsgericht in der Lösung der Klimafrage ein Staatsziel. Die Kipp-Punkte des Klimawandels greift u.a. das Buch von Axel Bojanowski auf (2024): „Was Sie schon immer übers Klima wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten. Der Klimawandel zwischen Lobbygruppen und Wissenschaft“ – Neu-Isenburg (Westend Verlag).

Hans Högl

Besonders zentral sind die Kapitel 41/42. Für den Autor ist der Klimawandel real, er weist aber auf Grenzen der Meteorologie hin. Es geht um die Frage, ob der Temperaturanstieg auf der Erde zu einer Katastrophe führt und zwar, wenn es vorher zu unwiderruflichen Kipp-Punkten durch Temperaturanstieg kommt (S. 264).

Das Pariser Klimaabkommen (2015) forderte eine 1,5-Grad-Grenze für die Erderwärmung. Diese Forderung und Passage gelangte am Morgen des letzten Konferenz-Tages in Paris in den Text. Wie – weiß man nicht. Es meldete BBC: Verhandler der Marshallinseln hatten die 1,5 Marke gefordert, um am Leben zu bleiben und wollten die Industrieländer zum Klimaschutz verpflichten. Doch Chinesen, Saudis und Argentinier waren gegen die 1,5 Marke. Der IPCC, der UN-Weltklimarat, sah ungenügende Evidenz für die Forderung. Ebenso viele Experten ( vgl. S. 265). Doch die Klimaaktivisten konnten plakatieren: „Wir sind die letzte Generation vor den Kipp-Punkten“ .

Der IPCC-Chef erklärte: Die Europäer belasten sich mit einer unerfüllbaren Aufgabe. Auch französische Wissenschafter sahen in den 1,5 Grad ein „unmögliches Ziel“. Doch Tony Blair half schon 2005 beim G-8-Gipfel dem Thema auf die Sprünge, und 2004 hatte Hans Joachim Schellhuber in Stockholm vor dem Temperaturanstieg gewarnt- als Direktor des PIK. In der angesehenem Wissenschaftszeitschrift „Nature“ war man vorsichtiger, und sie verwendete das Stichwort „Perspektive“. Auch der Schweizer Klimatologe Thoma Stocker, Vorsitzender des 5.UN-Klimareports, warnte zur Vorsicht: „Die Klimawissenschaft weiß noch zu wenig über Klipp-Punkte, sagte er zur „ZEIT“ (Ende 2022)..

Doch der „Spiegel“ dramatisierte und schrieb: Es gibt „Ernteausfälle, Wüstenbildung, Wasserknappheit, Völkerwanderungen, Eisbären auf Schollen“. Von Wissenschaftszweifeln berichten Medien ungern – weder internationale Organisationen noch Politiker. Die Wissenschaft kennt Kipp-Punkte im Laufe von Milliarden Jahren auf der Erde (S. 272), doch heutige Modelle würden nicht ausreichen, dies für das Jetzt genau festzustellen. Aber das populärwissenschaftliche Wort „Kipp-Punkte“ war nicht mehr wegzubringen. Auch die UN0 nützt es.

Unsicherheiten sind für viele Medien Fremdworte. Doch der Publizist Stephan Ruß-Mohl erinnert an die Qualität des Buchautors. Dieser war Chefredakteur der angesehenen Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“, und Ruß-Mohl weiß, dass Medien anstelle von Erderwärmung und Klimawandel mit Vorzug von „Erderhitzung und Klimakatastrophe“ reden.

Ruß-Mohl gab seiner „Furche“- Rezension den Titel „Klima-Apokalypse als Medienereignis“, doch die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb wählte als Furche-Aufhänger „Geschickt in die Irre geführt“. Und sie unterstellt dem Buchautor Effekthascherei und eventuell „gezielte Desinformation“ .

Dieser Text zeigt, wie korrekt dieser Buchtext das Problem Kipp-Punkte darlegt und wie verkürzt dies in nicht wenigen Medien passiert. Lob verdient die Wiener Wochenzeitung „Die Furche“, da sie in der gleichen Nummer zwei unterschiedliche Buchrezensionen zu einem einzigen Buch brachte.

Nicht d i e Medien sind fehlerhaft, denn Wissenschaftsmagazine haben sorgfältig berichtet. Doch deren Auflage ist gering. Es stellt sich für Medien die Frage, inwiefern das Publikum unklare Aussagen aufnimmt und akzeptiert. Das Thema ist komplex: Ist etwas zu differenziert greifen Medien es nicht auf. Darum ist die öffentliche Sprechweise oft übertrieben.-Aber sollte nicht anders gefragt werden: Der Rückgang der Gletscher und andere Ereignisse belegen den Klimawandel, und ist es darum nicht pragmatisch und sinnvoll, jetzt alles zu tun, um diesen zu stoppen, anstelle Zweifel der Wissenschafter an den Kipp-Punkten darzulegen?

Westliche Meinungsfreiheit..

Mit der Meinungsfreiheit steht es auch im Westen nicht zum Besten. Inhaltlicher Mainstream in vielen Politikfeldern dominiert.

Wolfgang Koppler *

Jüngst in der ZiB 2 ist über die Verurteilung von Hongkonger Regimekritikern zu langen Haftstrafen berichtet worden, zudem über schwindende Meinungsfreiheit dort. Auch die chinesische Wirtschaftskrise würde die einst so florierende Stadt zunehmend erfassen.

Die Wirtschaftskrise erfasst wohl auch uns. Nur was die Meinungsfreiheit betrifft, macht es der Westen geschickter. Offiziell kann man zwar vieles sagen und schreiben, aber nicht in den wirklich relevanten Medien. Man darf sich dafür in irgendwelchen Blogs und in den sozialen Medien austoben oder am Stammtisch. Die wirklich maßgebenden Kreise können dann den so genannten Pöbel umso mehr tabuisieren. Notfalls fangen Protestparteien den Unmut auf, die – wenn sie einmal an der Macht sind, natürlich auch nichts ändern. Vor allem nichts am Neoliberalismus und in jenen Bereichen, die den Eliten wirklich am Herzen liegen: Wirtschafts- und Steuerpolitik. Damit sie weiterhin möglichst ungeniert ihren Wohlstand mehren können, auf Kosten von Mensch und Umwelt. Feindbilder kann man austauschen. Ob man sich an Putin oder an den Islamisten abarbeiten darf, ist nicht so wichtig, solange die unteren Schichten sich ablenken lassen. Von Korruption und unendlichem Gewinnstreben.

Meinungsmanipulation in den Medien und gesellschaftliche Ächtung sind weitaus wirksamer als Haftstrafen. Und Leser sind ja sowieso nur Vollidioten, wie der Herausgeber eines Qualitätsblattes vor längerer Zeit völlig ungeniert durchblicken ließ. Aber die Narzissten an der Macht sind weitaus gefährlicher als die Ohnmächtigen. Und letztere sind wenigstens gezwungen, sich von Zeit mit sich auseinander zusetzen, wenn sie von der Realität gebeutelt werden. Die Mächtigen nicht einmal dann, wenn sie pleite geben. Die gehen nach wie vor auf Kosten irgendwelcher Stiftungen auf die Jagd. In ihrem Anhang Politiker, die auch gerne so reich wären. Was für eine Gesellschaft.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Medien- und Politikanalyst und lebt in Wien

Das Gezerre um die Steuern

„Dreiklang der Macht – Neustart oder Notlösung“ lautete der Titel der jüngsten ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ im Vorfeld der Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos. Einig war man sich schon zu Beginn zumindest darin, dass es sich angesichts der mehr als angespannten Budgetsituation und der keineswegs rosigen Wirtschaftslage mehr um eine Sanierungs- als eine Reformkoalition handeln dürfte.

Wolfgang Koppler *

Besonders beim Thema Steuern zeigte sich wieder einmal ein Ungleichgewicht unter den Diskussionsteilnehmern. Einzig Karl Schlögl (früherer SPÖ-Spitzenpolitiker) setzte sich auch für Sanierungsschritte von der Einnahmenseite her ein. Während Karl Ochsner von der Industriellenvereinigung und Jan Kluge von der neoliberalen Agenda Austria und – mit Ausnahme einer Erhöhung der Mineralölsteuer – auch die ehemalige Neos-Abgeordnete Irmgard Griss erwartbar dagegen plädierten. Dies, obwohl das gegenwärtige Budgetloch wohl kaum nur über Ausgabenkürzungen zu stopfen sein wird, was auch Christoph Badelt vom Fiskalrat schon vor längerer Zeit zugestanden hat. Wohl auch deswegen vermied man es in der Diskussion weitgehend, konkrete Zahlen zu nennen.

Dabei hat allein die von den Medien bejubelte – und vom keineswegs „linken“ Christoph Badelt ursprünglich kritisierte- Abschaffung der kalten Progression allein im Jahr 2924 3,65 Milliarden Euro gekostet. Entnehmen kann man dies sogar der Website des Finanzministeriums, das eine diesbezügliche „Ersparnis“ der Steuerzahler bejubelt. Dass diese „Ersparnis“ an Steuern natürlich eine Einnahmenkürzung darstellt, die man jetzt anderswo wieder herein bekommen muss, sagen uns Finanzministerium und Medien natürlich nicht. Ebenso wird verschwiegen, dass eine vernünftige Vermögensbesteuerung auch den Faktor Arbeit entlasten könnte.

Aber genauso wie beim Ukrainekrieg kann man zu diesem Thema überall dasselbe nachlesen: Steuern senken und Ausgaben kürzen. Keine neuen Steuern und wenn noch so viel Geld fehlt. Ohne darüber nachzudenken, wie das in der Praxis funktionieren soll. Als Beispiel möge der nachstehende Standardartikel** zur Abschaffung der Kalten Progression dienen. Es finden sich dort interessanterweise keinerlei Ausführungen zu den Kosten. Und dafür jede Menge Jubel. Der ist uns jetzt hoffentlich vergangen.

Um mich nicht falsch zu verstehen: Selbstverständlich muss ausgabenseitig etwas geschehen. Und selbstverständlich müssen Steuergelder effizienter eingesetzt werden. Dass man auch mit einer Abgabenquote effizient wirtschaften kann, zeigt etwa das sogar von Jan Kluge von Agenda Austria zitierte Beispiel Dänemark. Aber ein derartiges Budgetloch nur ausgabenseitig schließen zu wollen, ohne mehr Schaden als Nutzen zu stiften, scheint mir Schimäre.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

** https://www.derstandard.at/story/3000000236280/kalte-progression-naechste-entlastung-vor-beschluss

Eine medienpolitische Schande

In Deutschland kursieren Pläne, den Sender 3sat mit ARTE zu verschmelzen und damit abzuschaffen. Der Widerstand dagegen wächst.

Udo Bachmair

3sat verteidigt zurecht den Ruf eines anspruchsvollen gemeinsamen Kultur- und Informationsprogramms Österreichs, Deutschlands und der Schweiz. Gerade in Österreich würde das Aus für 3sat seriöse öffentlich-rechtliche Inhalte – noch dazu im Umfeld einer ausufernden Boulevardisierung der Medienlandschaft – spürbar schwächen.

Sollte das Aus für den renommierten TV-Senders 3sat tatsächlich ernsthaft in Erwägung gezogen und realisiert werden, wäre dies wahrlich eine medienpolitische Schande.

Widerstand gegen die umstrittenen Pläne könnte jedoch erfolgreich sein. Bereits mehr als 130.000 Personen haben laut einer Meldung der Salzburger Nachrichten die Petition „Rettet 3sat!“ unterschrieben: www.innn.it

Im Petitionstext heißt es dazu unter anderem:
„Wir brauchen 3sat als Plattform für kritische Debatten, als Bühne für kreative Vielfalt und als Stimme der europäischen Kultur“.
Die Kulturgewerkschaft younion hält die Sender 3sat und ARTE für „unverzichtbare Medien, die aus kultur- und demokratiepolitischen Gründen nicht in Frage gestellt werden dürfen“.

Auch die IG Autorinnen Autoren meldete sich bereits vor Tagen zu Wort und kritisierte, dass u.a. der Bachmann-Wettbewerb seinen Sendeplatz und seine Senderanbindung verlieren könnte.
„Höchst fraglich ist auch, ob ein sich so kritisch mit innerdeutschen und österreichischen Verhältnissen auseinandersetzendes Kulturmagazin wie ‚Kulturzeit‘ in einem solchen anderen Senderzusammenhang überhaupt Platz finden kann“, so die Interessensgemeinschaft. Der Rückbau sei „jedenfalls vollkommen unverständlich“.

Nochmals der Link zur Petition : www.innn.it

Palästina-Botschafter als Feindbild

Ein vom ZiB2-Anchor Armin Wolf korrekt moderiertes Streitgespräch hat in Politik und Medien dennoch für ziemliches Aufsehen gesorgt. Allen voran polemisierte der scheidende ÖVP-Spitzenpolitiker Wolfgang Sobotka gegen den ins ORF-Studio eingeladenen palästinensischen Botschafter und schwang die sattsam bekannte Antisemitismus-Keule.

Wolfgang Koppler *

Der TV-Aufreger der Woche war wohl die ZiB2-Konfrontation des palästinensischen Botschafters mit dem Sprecher der israelischen Armee, die einander nichts schuldig blieben. Sogar Nationalratspräsident Sobotka schaltete sich ein und witterte Antisemitismus. Er sah wohl eine letzte Chance, sich vor seinem Abgang noch schnell zu profilieren. Angesichts seiner schlechten Umfragewerte wohl nicht ganz unverständlich.

Tragisch, dass der kurz vor einem Flächenbrand stehende Nahostkrieg – und als solchen muss man die immer blutigeren Auseinandersetzungen zwischen Hamas, Hisbollah und Israel inzwischen wohl bezeichnen – in einem neutralen Staat wie Österreich derart missbraucht wird. Und noch tragischer, dass manche Politiker und Journalisten Österreichs problematische Vergangenheit, die neben historischer Aufarbeitung eigentlich zu einem besonderen Verantwortungsbewusstsein für Menschenrechtsverletzungen gleich welcher Art führen müsste, dazu nutzen, sich dadurch in Szene zu setzen, dass sie Netanjahu und der israelischen Rechten eine Art Blankoscheck ausstellen. Um eine ganze Region ins Unglück und das eigene Land ins Verderben zu stürzen.

Hamas und Hisbollah müssen vernichtet werden. Koste es, was es wolle. Selbstverständlich war der blutige Überfall der Hamas am 7. Oktober des Vorjahres ein Terrorakt. Aber je blutiger und risikoreicher dieser Antiterrorkrieg wird, desto mehr verblassen die Geschehnisse des 7. Oktober in den Köpfen vieler Menschen, vor allem bei jenen, die ums nackte Überleben kämpfen und mit diesem Terrorakt nichts zu tun haben. Und selbst wenn man um den Preis zigtausender Toter die Hamas aus dem Gazastreifen vertreiben könnte, würde sie woanders weiterexistieren und vielleicht würde an ihre Stelle eine noch radikalere Organisation treten. Da sind sich zahlreiche Experten einig.

Man kann das Böse nicht mit unlauteren Mitteln bekämpfen, ohne sich selbst ins Unrecht zu setzen und damit dem Gegner in die Hände zu spielen. Wir sind nicht Gott. Und auch Jahwe musste seinen Zorn letztlich bändigen. Um jenem Volk eine Chance zu geben, das er liebte und auserkoren hatte. Das gilt nicht inzwischen nicht nur für Israel, sondern für uns alle. Wir sind Menschen und keine Götter, Gerieren wir uns als solche, werden wir zum Teufel. Was selbstverständlich auch für andere Kriege gilt.

https://www.derstandard.at/story/3000000240388/nach-zib-2-mit-palaestina-botschafter-orf-chef-weist-kritik-sobotkas-zurueck

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Friedensfreunde als „Kriegstreiber“?

„Putin ist ein Krimineller, ein Mörder“ – bekräftigt der oppositionelle russische Politiker und Journalist Wladimir Kara-Mursa in nahezu jedem der zahlreichen Interviews für westliche Medien. Im jüngsten ZiB2-Interview prognostizierte Kara-Mursa einen möglicherweise kurz bevorstehenden Sturz des Putin-Regimes.

Wolfgang Koppler *

Regimewechsel in Russland kämen plötzlich, sowohl das Zarenregime als auch die Sowjetunion seien plötzlich untergegangen. Niemand wäre darauf vorbereitet gewesen. Und so würde es auch das nächste Mal sein. Niemand würde wissen, wann, wo und unter welchen Umständen Vladimir Putin seine Macht verlöre. Aber es werde geschehen, meint Putins schärfster Kritiker Kara-Mursa im gestrigen ORF-ZiB2-Interview.

Da ist wohl etwas dran. Allerdings entstand weder aus dem Untergang des Zarenreichs noch aus dem der Sowjetunion eine dauerhafte Demokratie. Nach Zar Nikolaus kamen nach einem kurzen bürgerlichen Intermezzo Lenin und Stalin an die Macht. Und nach der Wende und Boris Jelzin kam Vladimir Putin an die Reihe. Jener Zar Putin, den Kara-Mursa nun so heftig bekämpft.

Die Wahrscheinlichkeit, dass nach dem Ende der Putin-Ära in Russland eine wirklich dauerhafte und stabile Demokratie entsteht, ist also eher gering. Wobei sogar unsere Demokratien zunehmend unter Druck geraten. Auch unter den Belastungen des Ukrainekriegs, die die Spaltung unserer Gesellschaften weiter vorantreiben.

Dass Kara-Mursa dann am Ende des Interview alle jene, die „Verständnis für Valdimir Putin und seine Positionen“ hätten, also im Endeffekt alle, die nicht für eine Fortsetzung des Krieges ohne jegliche Verhandlungen sind, als „Kriegstreiber“ bezeichnet, spricht Bände.

Bei allem Verständnis für sein persönliches Schicksal. Hier geht es nicht um Sympathien oder Antipathien, auch nicht um die Sanktionen, sondern um einen Krieg, der bis jetzt wohl mehr als halbe Million Menschen das Leben gekostet hat, um unzählige Versehrte und Traumatisierte und um Kollateralschäden in allen Teilen der Welt, wie etwa den zunehmenden Hunger, für dessen Linderung nicht einmal mehr genug Geld zur Verfügung gestellt wird. Im Gegensatz zum Ukrainekrieg, der bis jetzt weit mehr als 100 Milliarden Dollar gekostet hat.

Dass dies von Kara-Mursa nicht erwähnt wird, spricht Bände. Und sein Statement inmitten einer zunehmend aufgeheizten Stimmung ist höchst problematisch.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien