Archiv der Kategorie: Gastbeiträge

Nachrichten besser verstehen

 
Hans Högl:Hinweis auf Text im Blog „Perspective Daily“ 2. Februar 2025 

So werden politische Nachrichten besser verstanden: Ein einfacher Satzbau und weniger komplizierte Wörter helfen bereits. Immer mehr Medien und Politiker:innen erkennen die Vorteile. 

„Welches der beiden folgenden Beispiele findest du auf Anhieb leichter zu verstehen?
»Aktuell sind in der Landesverwaltung rund 6 Prozent Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmer mit Behinderungen beschäftigt. Im Zukunftsvertrag haben sich CDU und GRÜNE darauf verständigt, sicherzustellen, dass mindestens fünf Prozent der Neueinstellungen in der Landesverwaltung Menschen mit Behinderungen sind.«
Oder:
»In NRW arbeiten aktuell etwa 6 Prozent Menschen mit Behinderungen in der Landes-Verwaltung.
Die CDU und die Grüne haben einen Zukunfts-Vertrag.
Hier steht:
Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landes-Verwaltung müssen mindestens 5 Prozent Menschen mit Behinderungen sein.«

Ö1-Im Gespräch als Lichtblick

Selten, aber doch gibt es sie noch jenseits des medialen Mainstreams: Differenzierende Berichte und Analysen zu komplexen Themen wie zur dramatischen Lage in Gaza und dem Westjordanland. Beispiel dafür die journalistische Auswertung eines bemerkenswerten Referats der Nahostexpertin Francesca Albanese, die an der Universität Wien ein Referat gehalten hat sowie kürzlich in der Ö1-Reihe Im Gespräch interviewt worden ist.

Peter Öfferlbauer *

Die UN-Berichterstatterin für die besetzten Gebiete Westbank und Gaza Francesca Albanese sprach an der Uni Wien am 6.12., worüber u.a. DER STANDARD am 7.12. umfangreich berichtete und feststellte: So scharfe Kritik an der israelischen Kriegsführung in Gaza bekommt man in Wien selten öffentlich zu hören.

Die ORF stories berichten bereits 37 Minuten nach Beginn der in zwei weitere volle Hörsäle übertragenen Veranstaltung nur kurz und knapp und titeln: Kritik am Auftritt der UNO-Berichterstatterin... In früheren Zeiten hätte man wahrscheinlich auf Ö1 dazu ein Journalpanorama hören können, das ist mit dem heutigen, ziemlich undifferenzierten Mitstricken an der westlichen Konsensfabrik kaum zu erwarten.

Umso erfreulicher (auch für das für den ORF immer noch gültige Objektivitätsgebot), dass die Reihe Im Gespräch doch immer wieder Gäste mit erhellenden, weiteren Aspekten und Informationen bringt, wie man sie aus Wien eher selten öffentlich zu hören bekommt, so am 24. und 30.1. eben Francesca Albanese. Das ist in dieser von Peter Huemer begonnenen Sendereihe gute Tradition. Ich erinnere mich, dass damals zum Jugoslawienkrieg erstaunlich anderes zu hören war als aus den täglichen Sendungen. Hoffentlich gibt es noch viele solcher Lichtblicke!

• Gastautor Dr.Peter Öfferlbauer, ehemaliger AHS-Lehrer, ist Politik- und Medienanalyst und lebt in Wels

Zum Nachdenken

„Trump: Gefahr oder Chance“ war das Thema der sonntägigen Diskussionsrunde in ORF2, die nun nicht mehr unter „Im Zentrum“, sondern als „Das Gespräch“ firmiert. Die Diskussionsteilnehmer, u.a. Arbeitsminister Kocher, die Schweizer Politologin Claudia Bruhswiler sowie der Anwalt und USA-Kenner Robin Lumsden kamen dabei zu nicht uninteressanten Schlüssen.

Wolfgang Koppler *

Zu Beginn ging es um die von Trump angedrohten Importzölle, die natürlich- werden sie umgesetzt – in der EU erzeugte Waren in den USA teurer und somit weniger wettbewerbsfähig machen würden. Kocher sprach von einem Gegensatz zwischen einer „interessengelenkten“ und einer „moralgelenkten“ Außen- und Wirtschaftspolitik und forderte besonnenes Abwarten. Der erhobene Zeigefinger auf europäischer Seite sei hier wenig sinnvoll, da er die Positionen nur verhärten würde. Im Endeffekt würden Importzölle beispielsweise das Preisniveau in den USA und damit Inflation und Zinsen erhöhen, was auch nicht im Sinne Trumps sei. Es ließen sich als durchaus Kompromisse finden.

Auch Lumsden meinte, mit Moral sei Trump nicht beizukommen. Er plädierte angesichts eines Marktes mit 600 Millionen Menschen (wobei er sich offenbar auf Gesamteuropa bezog) für mehr Selbstbewusstsein und Zusammenhalt über nationalstaatliche Egoismen hinweg. Trumps Drohungen sah er es eher als Bluff, weil sich dieser sehr wohl der Auswirkungen etwa von Schutzzöllen auch auf die eigene Wirtschaft bewusst sei. Er plädierte ebenso wie Kocher für Pragmatismus. Vieles, was Trump ankündigen würde, sei primär „viel Lärm“.

Kocher wiederum wies darauf hin, dass nicht nur Trumps Ankündigungen, sondern auch seine Behauptungen oft überzogen seien. So gebe es zwar einen europäischen Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA, aber umgekehrt auch einen Dienstleistungsüberschuss, nämlich im digitalen Bereich, der von US-Konzernen dominiert würde. Hier hätten die Europäer die Möglichkeit auf US-Schutzzölle mit Digitalsteuern zu antworten. Wobei er natürlich für Besonnenheit und Verhandlungen plädierte. Statt Eskalation.

Das Thema Digitalsteuern und Internetregulierung führte dann natürlich zu den „Tech-Milliardären“ wie Elon Musk, Jeff Bezos, Marc Zuckerberg usw., die natürlich an Abgaben und Regulierung wenig Interesse haben. Bemerkenswerterweise nannte der durchaus nüchterne Anwalt Lumsden sie Oligarchen mit nicht unbeträchtlichem Einfluss auch auf das politische Geschehen. Auch wenn die Politologin Claudia Bruhswiler dies abschwächte und sie als sich gegenseitig doch irgendwie in Schach haltende Clique erfolgshungriger Männer ansah.

Dass über die Gefahren wirtschaftlicher Machtkonzentration und das Erfordernis einer – vielleicht weniger an (Schein-) Moral, sondern an Interessen und (vielleicht auch an einem neuen Menschenbild orientierten) Neuorientierung Europas diskutiert wurde, ist möglicherweise eine Chance. Wenn wir uns alle mehr in eine solche Diskussion einbringen. Zum Nachdenken.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Zügelung des freien Markts

„Donald Trump und das Ende der Globalisierung“ hieß die jüngste Folge des ORF-Wirtschaftsmagazins ECO in ORF2.

Wolfgang Koppler *

Der ORF-Beitrag wirkte auf mich etwas widersprüchlich. Da wurden vor allem die Vorteile der Globalisierung bzw. des weltweiten Wettbewerbs für unseren Wohlstand hervorgehoben. Und Nachteile kleingeredet. Der Verlust von Arbeitsplätzen durch die Verlagerung von Produktionen sei nur vorübergehend und würde durch die Schaffung neuer, hochqualifizierter Jobs wieder ausgeglichen. Und die Proteste seien sowieso verstummt. Von Umweltbelastungen durch weite Transportwege war nicht die Rede. Auch nicht von der demokratiepolitisch äußerst bedenklichen Macht der Großkonzerne, ihrem Einfluss auf Medien und Politik. Und auch nicht die Verdrängung etwa des stationären Handels durch Onlinehandel von kaum kontrollierbaren Billigprodukten uva. Die Finanzkrise 2008 wurde überhaupt unter den Tisch gekehrt. –

Aber immerhin durfte der ehemalige Bundeskanzler Christian Kern dann in einem Interview feststellen, dass der freie Markt nicht von selber funktioniere und Regulierung benötige. Wie das im weltweiten Wettbewerb – mit einer die Macht einzelner Staaten weit übersteigenden Wirtschaftsmacht von Konzernen – funktionieren solle, erklärte er nicht. Vielleicht könnte eine gewisse Abschottung von Großmächten wie den USA und China zu einem eigenständigeren und selbstbewussteren Europa führen. Mit sinnvollen Regulierungen, die anderen als Vorbild dienen können. Und einer geringeren Abhängigkeit von anderen Märkten. Vielleicht zeigt zunehmende Eigenständigkeit, dass grenzenloses, rein quantitatives Wachstum nicht alles ist. Weil wir uns damit letztendlich ruinieren. Ökologisch, sozial, wirtschaftlich und seelisch.

Und was Russland und China betrifft: Wer sagt, dass Russland sich auf ewig an China bindet und sich Europa nicht wieder zuwenden kann? Gehört es letztlich nicht auch zu Europa, wenn man zu einem vernünftigen Verhältnis findet und die Feindbilder nicht von beiden Seiten aufgeschaukelt werden?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Nachhaltiges Wirtschaften gefragt

„Würde mich so freuen, wenn ich unrecht hätte“ sagte kürzlich gegenüber dem STANDARD die engagierte Klimaforscherin Sigrid Stagl. Sie wünscht sich, dass man ihr Buch „Introduction to Ecological Economics“ irgendwann „Introduction to Economics“ nennen könnte.

Ilse Kleinschuster *

Während sich zurzeit die österreichischen Tageszeitungen mit Meldungen zur Regierungsbildung überschlagen und ich unschlüssig in der Trafik stehe, ob ich mir überhaupt eine Zeitung kaufen soll, fällt mein Blick auf die erste Seite des STANDARD und ich erspähe rechts oben in dem kleinen Kastl auf der ersten Seite das Bild einer Frau, die ich sehr schätze. Also kaufe ich das Blatt. Darin entdecke ich ein Interview mit der als ‚Klimaforscherin‘ bekanntgewordenen Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien Sigrid Stagl, die für ihr Engagement in der Wissenschaftskommunikation als Wissenschaftlerin des Jahres 2024 ausgezeichnet worden ist:

https://www.derstandard.at/story/3000000251610/pionierin-der-klimaoekonomie-sigrid-stagl-ist-wissenschafterin-des-jahres

Ich erinnere mich, dass ich sie vor 17 Jahren bei einer Podiumsdiskussion sprechen hörte. Das Beeindruckende an ihr war ihre einfache Sprache, in der sie erklärte, warum sie es für notwendig erachte, dass es – im Unterschied zur allgemeinen Wirtschaftslehre – in der ökologischen Ökonomie für unrichtig gelte, die Dimensionen der Umwelt mit Geld zu bewerten. Sie hatte damals noch einen leichten englischen Akzent, nachdem sie gerade aus den USA und anschließend aus England zurückgekommen war, wo es auf diesem Gebiet die ersten Universitäts-Fakultäten gab, die sich dieser Thematik widmeten.

Heute, nach so vielen Jahren unzähliger Diskussionen um nachhaltiges Wirtschaften – tja, warum ‚Nachhaltigkeit‘ denn nicht und nicht nachhaltiger werde! – sind wir am Ende der Fahnenstange angelangt. Es steht die Frage als Elefant im Raum, wie die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu einem fairen „Green Deal“ führen könnten.

Ich finde es daher großartig, dass dieses Gespräch in einer Tageszeitung abgedruckt worden ist. Es zeigt, wie Alternativen überall in der Welt schon lange angedacht sind, aber systematisch unterdrückt werden, weil das Scheitern der herkömmlichen kapitalistischen Wirtschaftslehre sich die Wirtschaft- und Finanzeliten nicht eingestehen wollen (können).

Tja, es würde auch mich freuen, wenn ich unrecht hätte.

* Ilse Kleinschuster ist Journalistin und aktives Mitglied der Zivilgesellschaft. Sie lebt in Wien.

Die ganze Geschichte

Eine hochinteressante, aber leider wenig beachtete Doku-Reihe des ORF: Österreich – die ganze Geschichte. **

Wolfgang Koppler *

Die auf ORFIII ausgestrahlte Folge „Scheuende Pferde“ über einen folgenschweren Attentatsversuch eines bosnisch-serbischen Attentäters auf den österreichisch-ungarischen Statthalter in Bosnien im Jahr 1910 ist besonders sehenswert. Weil sie zeigt, wie wenig Europa die Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts aufgearbeitet hat. So leiden wir noch heute unter Konflikten, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert haben. Und vielleicht sogar noch weiter zurückreichen. Die Konflikte am Balkan und die tiefe Kluft zwischen West- und Osteuropa, vor allem aber die antirussischen Ressentiments sind nur zu verstehen, wenn man auf die Zeit vor dem Beginn des 1.Weltkriegs zurückblickt.

Als Reaktion auf die allzu verstandesbetonte Aufklärung, deren Grenzen an den Auswüchsen der französischen Revolution sichtbar geworden waren, hatte die Romantik die Gefühle, Leidenschaften und Sehnsüchte des Menschen entdeckt (und in der Spätromantik dann auch seine Abgründe). Es entstanden jene politischen und weltanschaulichen Bewegungen, die uns bis heute beschäftigen: Sozialismus, Liberalismus und Nationalismus. Letzterer hatte im Gefolge der napoleonischen Kriege auch Deutschnationalismus und Panslawismus zur Folge. Während der Deutschnationalismus sich von einer romantischen Bewegung hin zu einer von Überlegenheitsdünkel geprägten Deutschtümelei entwickelte, führte der Panslawismus zur Wiederentdeckung einer lange Zeit verschütteten Kultur. So musste etwa die tschechische Schriftsprache (ähnlich wie das Hebräische) von Linguisten und Historikern im 19.Jahrhundert wiederentdeckt und neu entwickelt werden, da das Tschechische nur mehr von einfachen Leuten gesprochen wurde. Die sich unterdrückt fühlenden Slawen entwickelten neues Selbstbewusstsein. Zumal sie meist von anderen Völkern bzw. Reichen dominiert wurden. Ob es die Slawen in Österreich-Ungarn oder die Serben im Osmanischen Reich waren.

Als Serbien im 19:Jahrhundert seine Unabhängigkeit erlangte, sahen sich die in Bosnien lebenden Serben von Österreich-Ungarn unterdrückt. Zumal die Habsburger 1908 Bosnien-Herzegowina nach dessen schon 30 Jahre zuvor erfolgten Besetzung auch noch okkupiert hatten. Die dort immer schon großteils zur Unterschicht zählenden Serben wollten nicht anstelle des Osmanischen Reiches eine neue, ihnen fremde (nicht orthodoxe) Großmacht als Herrscher. Die Folge waren miteinander unter dem Titel „Junges Bosnien“ agierende Rebellengruppen, die auch Attentate verübten. Der obgenannte Attentatsversuch führte zu weiteren Attentaten, die in jenem von Sarajewo 1914 gipfelten. Das hatte bekanntlich den ersten Weltkrieg zur Folge. Dass Gavrilo Princip in Serbien immer noch als Held gefeiert wird, sollte zu denken geben..

Wenn es am Schluss der Doku heißt, dass Vergangenheitsbewältigung anders aussieht, so muss man hinzufügen, dass auch die österreichische Seite ihre Schuld am 1.Weltkrieg bis heute nicht aufgearbeitet hat. Etwa jenen im Staatsarchiv zu findenden Brief von Franz Josef, in dem dieser meint, der Krieg müsse rasch erklärt werden. Weil die serbische Regierung das österreichische Ultmatum vielleicht doch noch annehmen könnte. Oder unsere allzu sehr an Brüssel und Berlin orientierte Außen- und Wirtschaftspolitik. Während wir etwa Prag, Bratislava und Budapest ziemlich stiefmütterlich behandeln.

Und was den Ukrainekrieg betrifft: Vielleicht liegt eine seiner Ursachen in einer Abwertung Osteuropas. Während die Ukrainer darum kämpfen, als Europäer anerkannt zu werden, wenden sich die Russen zunehmend mit Verachtung von Europa ab. Oder sagen wir besser: Von Brüssel. Obwohl sowohl die Ukraine als auch Russland letztlich zu Europa gehören.
Oder wo sonst liegt Moskau ? Geographisch und kulturell ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

** Die erwähnte ORF-Doku ist unter folgendem Link abrufbar:

https://tv.orf.at/program/orf3/oesterreic7462.html

Besinnliche Weihnachten

Politik und Medien überbieten einander zurzeit in Analysen und Kommentaren zum Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Magdeburg. Und immer wieder bei Attentaten dieser Art taucht dabei der Begriff „Hass“ auf.

Wolfgang Koppler *

Es ist traurig, wenn man zu Weihnachten über den Hass schreiben muss. Aber es ist notwendig.

Das Attentat von Magdeburg hat viele verwirrt. Ein 50-jähriger Arzt richtet am Weihnachtsmarkt von Magdeburg ein Blutbad an. Eines jener Attentate, die von man von jungen Islamisten gewohnt ist. Aber der Mann war kein Islamist. Er stammt zwar aus Saudiarabien und die saudiarabischen Behörden hatten vor ihm gewarnt. Aber er war offenbar Antiislamist und vertrat Positionen, wie sie auch die AfD vertritt.

Verwirrend oder auch wieder nicht. Der Gerichtspsychiater Reinhard Haller hat schon vor Jahren in einer Fernsehdiskussion darauf verwiesen, dass psychisch kranke Attentäter ihren Hass überall festmachen können, so wie etwa der UNA-Bomber sich als Umweltaktivist verstand. Die Aggression ist offenbar zuerst da und sucht sich ein Ventil. Etwas, das Freud in seinem „Unbehagen in der Kultur“ schon im Jahr 1930 feststellte. Er ging davon aus, dass wir Menschen unsere Aggression letztlich nur gegen die anderen oder uns selbst richten können (letzteres vor allem in Form von Schuldgefühlen).

Meist richten wir die Aggression aber gegen die anderen. Und suchen dafür eine Begründung. Ein Feindbild, welches das Böse verkörpert, das wir in uns selbst tragen. Das kann jemand oder etwas sein, das uns wirklich bedroht oder gegen das wir kämpfen müssen. So lange wir das mit angemessenen Mitteln tun, ist dagegen auch nichts einzuwenden. Sehr oft trifft unser Hass aber Unschuldige. Menschen, denen wir alle möglichen schlechten Eigenschaften anhängen oder die wir zumindest als wesentlich „böser“ bzw. verabscheuungswürdiger einstufen als sie in Wirklichkeit sind. Das ist vor allem beim Hass oder auch nur der Abneigung gegen ganze Gruppen regelmäßig der Fall.

Ob es die Rechten, die Linken, die „Juden“, die „Ausländer“, die „Islamisten“, die „Russen“ sind. Unser Hass trifft regelmäßig Menschen, die – ebenso wie wir höchst unterschiedlich sind und in denen wir das „Böse“ verkörpert sehen. Auch wenn die meisten von uns dabei Gott sei Dank keine Attentate begehen. Aber zum Hass sind die meisten von uns fähig – selbst wenn er nur unterschwellig zutage tritt. Man sieht es auch wieder im Ukrainekrieg.

In diesem Sinne: Besinnliche Weihnachten.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist, er lebt in Wien

Erster Lehrstuhl für Gendermedizin

Frauen und Männer zeigen oft andere Krankheitsbilder, was die Medizin lange vernachlässigte. Das ändert sich nun – auch mit einem ersten Schweizer Lehrstuhl für Gendermedizin. Die wirklich notwendige Gleichheit der Gehälter wird im Unterschied der Geschlechter transparent.

Hans Högl mit einem Zitat aus dem Zürcher Tagesanzeiger:

„Starke Schmerzen in der Brust, im linken Arm und plötzliche Atemnot: Mit diesen Symptomen würden die meisten Menschen den Notfall aufsuchen – denn sie können bekanntlich auf einen Herzinfarkt hindeuten. Dennoch werden viele Herzinfarkte zu spät entdeckt – unter anderem, weil Frauen typischerweise andere, weniger bekannte Symptome wie Übelkeit oder Schmerzen im Oberbauch zeigen.

Umgekehrt werden Depressionen bei Männern häufiger nicht diagnostiziert – etwa weil sie teils von der als typisch wahrgenommenen Symptomatik wie Bedrücktheit abweichen oder sich durch gesellschaftlich geprägte Rollenbilder weniger in Behandlung begeben.

Diese Unterschiede zwischen den Geschlechtern fanden in der Medizin lange kaum Beachtung – mit Folgen für die Diagnose, die Behandlung und die individuelle Gesundheit. Die Gendermedizin will diese Lücke schlie?en. Seit diesem Jahr gibt es an der Universität Zürich den ersten Schweizer Lehrstuhl in diesem Gebiet (lesen Sie hier das Interview mit Professorin Carolin Lerchenmüller).

Warum halten sich Geschlechterklischees in der Medizin hartnäckig? Und was hat es mit dem Gender-Data-Gap auf sich? Darüber spricht Annik Hosmann, Teamleiterin im Ressort Zürich und Host des Podcasts «Tages-Anzeigerin», in einer neuen Folge des täglichen Podcasts «Apropos»“.

Syrien: Anlass zur Hoffnung?

Berichte aus Syrien und die Kommentare dazu beherrschten in den letzten Tagen die Medien. Offen bleibt das weitere Schicksal des schwergeprüften Landes.

Wolfgang Koppler *

In die Erleichterung über Assads Sturz mischt sich auch Unsicherheit über die Zukunft des von 13 Jahren Bürgerkrieg zerrissenen Landes, wie auch El-Gawharys jüngster ZiB2-Kommentar zeigte. Und der auf den ersten Blick an die Vorgänge in Afghanistan 2021 erinnernde rasche Vormarsch islamistischer Gruppierungen in Verbindung mit dem Sturz eines verhassten Diktators weckt natürlich auch Ängste vor einer Entwicklung ähnlich wie in Libyen.

Aber da Weihnachten vor der Tür steht, sollte man sich vielleicht zurücklehnen und zunächst das unbestreitbar Positive sehen. Die Gefahr eines Flächenbrands im Nahen Osten scheint vorerst gebannt. Netanjahu sieht den Iran durch den Sturz Assads und die teilweise Ausschaltung der Hisbollah geschwächt. Ebenso die Hamas, mit der er ohne Gesichtsverlust einen Deal abschließen kann. Ob ihn nicht doch noch die Hybris befällt und er immer noch die Hamas auslöschen und den Iran angreifen will, steht natürlich in den Sternen. Aber das diesbezügliche Risiko scheint derzeit minimiert.

Die Feindbilder Iran und Russland sind momentan beinahe aus den Medien verschwunden, zumal sich beide Mächte – wenn auch nicht ganz freiwillig – aus dem Konflikt herausgehalten und Vernunft bewiesen haben. So setzten beide auf Verständigung mit den neuen Machthabern in Syrien. Auch wenn dies ihrer momentanen Schwäche geschuldet ist, so zeigt es doch, dass sowohl in Moskau als auch in Teheran keine Verrückten, sondern offenbar klug kalkulierende Politiker sitzen. Wie auch die Zurückhaltung des Iran bei seinen militärischen Aktionen gegenüber Israel gezeigt hat.

Auch das Verhältnis zu islamischen Ländern insgesamt könnte sich vielleicht ein bisschen entkrampfen. Dialog statt bloß Sanktionen könnte das Stichwort sein. Und man sollte realistische Erwartungen haben: Ein halbwegs stabiler innen- und außenpolitischer Friede und erträglichere Verhältnisse für die Menschen in vielen Ländern dort wäre schon ein großer Fortschritt.

Und Al-Julani – ich bediene mich hier der vereinfachten Schreibweise – von der HTS scheint ein durchaus wandlungsfähiger Pragmatiker zu sein, der weiß, dass er den Westen beim Wiederaufbau Syriens braucht. Sein rascher Vormarsch, bei dem er versuchte, Menschenleben zu schonen und seine Zusage, mit den anderen Religionen und Ethnien kooperieren zu wollen, gibt zumindest Anlass zur Hoffnung. Wenngleich natürlich niemand sagen kann, wie sich die unterschiedlichen Kampfgruppen verhalten werden, wenn sie einmal an der Macht sind, Und dasselbe gilt natürlich für Julani selbst. Aber die gesunde Skepsis des Nahost-Experten Peter Neumann, wie er sie im ZiB2-Interview gezeigt hat, sollte nicht wieder in die alte Schwarz-Weißmalerei ausarten- Mit den altbekannten Feindbildern von Putin bis zum Islam.

Vor allem aber erleichtert es Verhandlungen im Ukrainekrieg, wenn sich die Spannungen zwischen den Großmächten im Nahen Osten und damit auch insgesamt reduziert haben. Und die Augen der Welt einmal mehr auf Syrien und den Nahen Osten als auf Selenskyj gerichtet sind.
Die Welt besteht nämlich nicht nur aus Europa. Und Gerechtigkeit erschöpft sich nicht darin, dass man irgendeinem echten oder vermeintlichem Bösewicht das Handwerk legt. Sondern wirklich etwas zum Besseren verändert.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Ukrainekrieg und Propaganda

Nur Russland betreibe Kriegspropaganda, das Aggressionsopfer Ukraine hingegen nicht. Westliche Medien sind sich darin zu weiten Teilen einig. Es werden vornehmlich Politiker und Experten zitiert, die Russland schon vor Kriegsbeginn undifferenziert als Feind taxiert haben. In diese Richtung weist auch eine jüngste veröffentlichte APA-Meldung *

Wolfgang Koppler **

In ihrem 2022 im Betz-Verlag erschienenen Buch „Narzissten wie wir“ entlarvt die Psychologin Katharina Ohana unsere Gesellschaft als infantil-narzisstisch. Obwohl wir uns gerne als aufgeklärte Vernunftmenschen sehen, so sind wir doch von unseren persönlichen Erfahrungen und Gefühlen bestimmt und – ich darf ergänzen – auch von Bequemlichkeit und Herdentrieb.

Ein gutes Beispiel ist der Ukrainekrieg. Kaum ein Qualitätsmedium erlaubt sich, von der allgemeinen Kriegspropaganda abzuweichen. Und selbst die Nachrichtenagenturen – wie ich es schon in der (zu meiner Zeit noch nicht nur an den MINT-Fächern orientierten) Oberstufe des Gymnasiums gelernt habe – sorgen dafür, dass kritische Stimmen in den Medien nicht allzu laut werden. Ein beredtes Beispiel ist der untenstehende APA-Bericht unter dem Titel „Osteuropa-Historiker Karl Schlögel: Russland ist der Feind“.

Schlögel, der im scheinbar objektiven Bericht als einer der „profiliertesten Kenner Russlands“ ausgewiesen wird, fordert darin von Deutschland eine grundsätzliche Korrektur seiner Russlandpolitik, wobei er eigentlich nur die schon sattsam aus den Medien bekannten und stets auf Neue wiederholten Argumente angeführt werden: Russland hat einen Krieg in Europa angefangen. Und Deutschland (bzw. der Westen) müsse verteidigungsbereit sein, zumal hier nicht nur die Ukraine, sondern auch Europa gefährdet sei. Erinnert irgendwie an einen Kindergarten: Der Peter hat angefangen. Ist nur leider blutiger Ernst – auf beiden Seiten. Und erinnert beklemmend an die Kriegspropaganda des Ersten Weltkriegs.

Schlögel nimmt dann auch noch Bezug auf den deutschen Bundestagswahlkampf, um die Deutschen auf das gemeinsame Feindbild (das nun nicht mehr nur Putin, sondern auch Russland ist) einzuschwören. Der Ernst der Lage und die „Zeitenwende“ seien noch gar nicht ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Die Frage „Krieg und Frieden“ werde ein zentraler Punkt im deutschen Bundestagswahlkampf sein. Man dürfe nicht glauben, dem entgehen zu können, indem man die Ukraine auffordere, „Ruhe zu geben und Frieden zu machen“. Dass Schlögel Parteien wie das Bündnis Sahra Wagenknecht (das für Verhandlungen eintritt), als eine Art nützliche Idioten betrachtet, die sich von Putin instrumentalisieren ließen, versteht sich von selbst.

Dass der Historiker am Ende des Berichts nicht nur vor Putin, sondern auch vor Russland als Ganzes warnt, weil auch die „russische Kultur“ im Dienst des Krieges stehe, zumal die „zivilen Kräfte“ durch Stalin, zwei Weltkriege usw. schon stark dezimiert worden seien, überrascht da ebenfalls nicht.

Selbstredend kritisiert er auch das Telefonat von Scholz mit Putin und fordert von Deutschland auch die Lieferung weitreichender Waffen, wobei er natürlich wieder einmal emotionalisierend auf die Situation in der Ostukraine Bezug nimmt. Dass die Kriegshölle dadurch kaum erträglicher werden dürfte, wird tunlichst übergangen.

Man bekommt den Eindruck nicht los, dass sich einige in Europa und den USA vor dem Frieden geradezu fürchten. Wenn der Katzenjammer um die leeren Staatskassen, die Wirtschaftskrise und die hohen Energiepreise losbricht. Und man sich den wirklich drängenden Fragen einer in Wirklichkeit multipolaren Welt stellen muss, wie der Klimakrise, dem Hunger und dem Auseinanderdriften unserer Gesellschaften (die man nicht dauernd nur mit Feindbildern zusammenhalten kann).

Und bei Schlögel fällt auf, dass er als Student sich bei Maoisten und Anarchisten betätigte, wie man seinem Wikipedia-Eintrag entnehmen kann. Mir fällt dazu nur der Kommentar Hans-Joachim-Kulenkampffs zu der durchaus ähnlichen Wandlung Yves Montands in den 80-ern ein: Ich war nie so weit links wie er, darum bin ich jetzt nicht so weit rechts wie er. Zur Erklärung: Der Kommunist Montand warnte in den 80ern in der Fernseh-Doku „La Guerre“ vor einem russischen Einmarsch in Frankreich. Zu einem Zeitpunkt, als die Sowjetunion kurz vor dem Zusammenbruch stand.

* https://www.msn.com/de-at/nachrichten/kultur/osteuropa-historiker-karl-schl%C3%B6gel-russland-ist-der-feind/ar-AA1uEkoK?ocid=msedgdhp&pc=HCTS&cvid=43462c9af9cf4261bdd151f30037a4e2&ei=16

** Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Politik- und Medienanalyst und lebt in Wien