Osttimors Präsident Ramos Horta, selbst Träger des Friedensnobelpreises, würde diesen für die EU heute nicht mehr vorschlagen. Sie wandle sich zunehmend von der Friedens- zur Kriegsunion. Eine APA-Meldung dazu wurde hierzulande nur von wenigen Medien übernommen. Kurz aufgetaucht im ORF-Teletext, war sie bald wieder verschwunden..
Wolfgang Koppler *
Mit schonungsloser Offenheit kritisiert Osttimors Präsident Ramos-Horta die EU, wie man einer APA-Meldung vom 14.9. sowie entsprechenden Artikeln in den OÖN und SN entnehmen kann. Und übt bittere Selbstkritik, diese je für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen zu haben.
Es geht ihm vor allem um den Gazakrieg. Er findet die Gleichgültigkeit, gegenüber dem, was mit den Palästinensern passiert, ekelerregend und stellt eine Doppelmoral fest: Im Ukrainekrieg, den Ramos-Horta von Anfang an als völkerrechtswidrigen Angriffskrieg verurteilt hat, seien laut Zahlen der UNO von Februar 2022 bis November 2024 2500 Kinder getötet oder verletzt worden, im Gazakrieg in einem ähnlichen Zeitraum von Oktober 2023 bis Mai 2025 bis 50000. Annalena Baerbock habe versucht, dafür Ausreden zu finden, und NATO-Generalsekretär Rutte habe gar die Völkerrechtswidrigkeit des israelischen Vorgehens bestritten. Er erklärt diese seltsame Zurückhaltung mit aus der Geschichte Europas entspringenden Schuldgefühlen. Spanien, welches das israelische Vorgehen von Anfang an dezidiert verurteilt hat, nimmt Ramos-Horta von seiner Kritik ausdrücklich aus.
Im Ukrainekrieg sieht Ramos-Horta auch eine Schuld des Westens durch die NATO-Osterweiterung. Wobei gerade ihm diesbezügliche Kritik zusteht, da er aufgrund der ebenfalls sensiblen geopolitischen Lage Osttimors Provokationen Indonesiens, Australiens oder gar Chinas und Indiens immer vermieden hat. Er sieht derzeit wenig Hoffnung auf ein baldiges Ende des Krieges, da beide Seiten die Vorschläge der jeweils anderen ablehnen würden. Jeder würde Verlierer sein.
Und In Sachen Klimawandel sieht er primär den Westen in der Pflicht, von dem die industrielle Revolution schließlich ausgegangen sei.
Seinen Ausführungen ist wohl wenig hinzuzufügen. Aber sie zeigen, dass es dringend an der Zeit wäre, die europäische Nabelschau zu beenden. Und Politikern des globalen Südens vielleicht ein bisschen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sie sehen die Dinge historisch unbelastet und daher möglicherweise objektiver.
Nachsatz: Vielleicht erklärt sich der Wechsel von Gleichgültigkeit und Aggressionsausbrüchen in unserer Geschichte aus dem Versuch, den Menschen in eine wie ein Uhrwerk funktionierende Maschine zu verwandeln.
www.nachrichten.at/politik/aussenpolitik/osttimors-praesident-ramos-horta-bereut-nobelpreis-fuer-eu;art391,4085433
* Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien