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KPÖ und mediale Irritationen

Medien und Politik tun sich mitunter schwer mit ihren (Vor-)Urteilen über den sensationellen Erfolg der KPÖplus bei der Salzburger Landtagswahl vom vergangenen Sonntag.

Wolfgang Koppler *

Schon interessant, wie man die KPÖ in der ORF-ZiB am Sonntag zusammen mit der FPÖ noch als „Rand-Erscheinungen“ abtat. Und deren Spitzenkandidaten Dankl mehr oder weniger überging. Und das trotz eines – für eine viele Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit verschwundenen Partei – phänomenalen Ergebnisses. Das ist, wie wenn die Grünen in den 80-er Jahren vom Stand weg mehr als 11 % gemacht hätten. Und das, obwohl die Partei wegen ihrer Vergangenheit verfemt und nicht im Trend war.

Nunmehr widmet sich sogar der Standard in einem längeren Artikel diesem Phänomen. Und versucht dies durch die das von der KPÖ aufgegriffene heiße Thema „Wohnen“ und die völlig unbelastete Herkunft des Spitzenkandidaten Kay-Michael Dankl (der ursprünglich Teil der von Glawischnig gefeuerten Jungen Grünen war) zu erklären.

Das Interview mit Dangl in der ZiB2 (das wohl auch für den ORF nicht mehr zu vermeiden war) ergab ein etwas anderes Bild. Natürlich ging es um die von Salzburger KPÖ aufgegriffenen und beim Wähler gut angekommenen Themen. Aber etwas ließ doch aufhorchen. Natürlich wurde der klug argumentierende junge Mann auch gefragt, weshalb er denn Mitglied einer Partei ein könne, die sich immer noch kommunistisch nenne, nach all den Erfahrungen mit dem realen Sozialismus und den historischen Belastungen. Die Antwort ließ aufhorchen. Dankl verwies auf den Ursprung von Sozialismus und Marxismus im 19.Jahrhundert – auf die Ideen, die dahinter stünden. Dass hätte nichts mit deren Missbrauch zu tun, zumal man sich heute zur Demokratie und auch zur EU bekenne. Deren Reform dringend nötig sei (wobei selbst eine solche Kritik bei uns schon beinahe ein Tabubruch ist). Womit er auf die Ideale von Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität verwies. Auf die historischen Wurzeln des Marxismus in der ersten Hälfte des 19.Jahrhundertes. Und auf die jüdisch-christliche Herkunft von Marx und dessen Ideen. Wie immer sie auch missbraucht wurden.

Da fiel selbst ZiB2-Moderator Martin Thür nichts mehr ein. Und auch der Politologe Filzmaier versuchte am Sonntag den Erfolg fast nur mit dem Thema Wohnen zu erklären. Obwohl er dann zugeben musste, dass der Spitzenkandidat in diesem Fall eine ganz wesentliche Rolle gespielt hatte. Idealismus und persönliche Bedürfnislosigkeit ist manchen Journalisten und Politologen genauso fremd wie unseren Politikern. Weshalb Idealisten derzeit offenbar fast nur mehr in der KPÖ zu finden sind. Wo es nichts zu holen gibt. Das betretene Schweigen, als Rudolf Nagiller vor etlichen Jahren anlässlich des Erfolgs des KPÖ-Politikers Ernest Kaltenegger in Graz die Politiker der etablierten Parteien in einer Gesprächsrunde des ORF nach derartig engagierten Kollegen fragte, sprach Bände. Ganz egal, wo man politisch steht.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

NATO-Beitritt statt Neutralität

Ein bezeichnendes Licht auf die Qualität unseres „Qualitätsjournalismus“ wirft die derzeitige Diskussion zur „sicherheitspolitischen Neuorientierung“ unseres Landes, in Wirklichkeit nichts anderes als die Forderung nach Abschied von der Neutralität und NATO-Beitritt. Denn selbstverständlich würde es nicht bei einer Bündnisfreiheit bleiben.

Wolfgang Koppler

Da wird die Moralkeule geschwungen, wie etwa im Standard und der ZiB2 des ORF und beklagt, dass „bei dem schon ein Jahr währenden Blutbad“ in der Ukraine (die zugegebenermaßen ungeschickt argumentierende) EU-Ministerin Edtstadler immer noch einen „offenen Diskurs“ verweigern würde (Standard). Und geradezu empört gefragt, was wäre, wenn alle neutral wären (Armin Wolf). Als ob ein NATO-Beitritt Österreichs irgendetwas an dem dortigen Gemetzel ändern würde, außer die innen- und außenpolitischen Spannungen zu verschärfen. Und als ob die derzeitige Eskalation noch nicht genug wäre. Oder die Bettelbesuche von Erdogan-Versteher Stoltenberg in Ankara.

Und zum Überdruss wird das sattsam bekannte Trittbrettfahrer-„Argument“ strapaziert, was im Ergebnis nichts anderes heißt, als dass sich unsere Politiker am Interesse der NATO orientieren sollten, das lästige Loch in deren Aufmarschgebiet zu schließen. Statt am Interesse ihres Landes. Denn ein sicherheitspolitischer Mehrwert für Österreich ist nicht ersichtlich. Nicht einmal das Bundesheer kann einen solchen Mehrwert wirklich darlegen, sondern gibt teilweise sogar offen zu, dass man um das Heeresbudget in den nächsten Jahren fürchtet, wenn die Diskussion abflaut. Die Konsequenzen eines nicht mehr rückgängig zu machenden NATO-Beitritts unter der Defacto-Führungsmacht USA (unter Präsidenten wie Bush und Trump) werden überhaupt ausgeklammert.

Und dann gibt es noch die völkerrechtliche Seite der Angelegenheit. Da wird zwar jeden Tag hundert Mal auf die Völkerrechtswidrigkeit des russischen Angriffskriegs verwiesen. Geht es aber um Österreichs Neutralität, ist das Völkerrecht schlichtweg „Blunzn“. Der einzige Journalist, der auf die völkerrechtliche Seite der Angelegenheit verwiesen hat, ist der Boulevardjournalist Richard Schmitt. Eine Schande für den so genannten Qualitätsjournalismus (ganz unabhängig davon, welche Auffassung man vertritt).

Und als Jurist darf ich vermerken: Er hat Recht. Die Notifikationstheorie gilt nach wie vor. Unsere Neutralität wurde sämtlichen Staaten notifiziert, mit der Möglichkeit zum Widerspruch. Schon die Aushöhlung der Neutralität im Zuge des EU-Beitritts und die Novellierung des Art 23 f BVG (Petersberg-Maßnahmen) war im Prinzip völkerrechtswidrig, wie auch eine sehr interessante Arbeit einer Grazer Juristin aus dem Jahr 2011 beweist.* Die Beendigung der Neutralität oder gar der Beitritt zu einem Militärbündnis wäre es umso mehr. Und der bekannte Einwand, dass uns die Neutralität aufgezwungen worden wäre, müsste eigentlich dazu führen, dass ein Großteil der völkerrechtlichen Vereinbarungen null und nichtig wäre, da sich nur selten zwei gleichmächtige Vertragspartner gegenüberstehen. Da könnte man zahlreiche Kriege wieder aufflammen lassen.

* https://unipub.uni-graz.at/obvugrhs/content/titleinfo/222526/full.pdf

Hinzugefügt sei ein Hinweis (von Udo Bachmair) auf einen weiteren brillanten Beitrag von Univ. Prof. Heinz Gärtner zum Thema „Engagierte Neutralität“:

https://www.derstandard.at/story/2000144314288/engagierte-neutralitaet-glaubwuerdig-und-nuetzlich

Medial aufgeheizte Kriegsstimmung

Der Angriff Russlands auf die Ukraine jährt sich nun das erste Mal. Anlass für militärische Durchhalteparolen nahezu aller Medien zugunsten eines ukrainischen Sieges auf dem Schlachtfeld. Befürworter von Verhandlungslösungen kommen hingegen nur eingeschränkt zu Wort, wie etwa in der jüngsten ORF-Sendung Im Zentrum.

Wolfgang Koppler *

Jahrestage sind manchmal schon gefährlich, wenn sie an Vergangenes erinnern. Emotionen werden aufgewühlt, Positionen verhärten sich und statt ehrlicher und sachlicher Aufarbeitung kommt es nur zur großen Keilerei – zumindest verbal. Lernprozesse bleiben dabei regelmäßig auf der Strecke.

Gerade deshalb wollte ich mir die Diskussion zu diesem traurigen „Jubiläum“ bei „ORF-Im Zentrum“ eigentlich nicht mehr ansehen. Noch dazu, wenn drei eindeutig festgelegte Diskussionsteilnehmer (der ukrainische Botschafter in Wien, eine polnische EU-Abgeordnete, Oberst Reisner vom Bundesheer) – von der Moderatorin meist noch mit entsprechenden Fragen unterstützt – nur zwei Verhandlungsbefürwortern (der linken Abgeordneten Demirel und dem Journalisten Seipel) gegenüberstanden, die man des Öfteren nicht einmal ausreden ließ.

An Argumenten zunächst nicht allzu viel Neues. Botschafter Khymynets vertrat natürlich die Position der ukrainischen Führung: Verhandlungen erst bei vollständigem Abzug der russischen Armee. Schadensersatz durch Russland und Verfolgung der russischen Kriegsverbrechen. Das Land, das sich verteidige, habe Recht auf jede Hilfe. Würde die Ukraine mehr Hilfe bekommen, könnten weitere Gebiete befreit werden. Ähnlich die polnische EU-Abgeordnete Thun. Sie sprach im Wesentlichen davon, dass man auf die Ukrainer hören und sie bedingungslos unterstützen müsse.

Die linke EU-Mandatarin Demirel bestritt natürlich nicht, dass es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg handle, verwies aber auch auf völkerrechtswidrige Angriffe der NATO und vor allem auf die Auswirkungen des Krieges, die weit über die Ukraine hinausgingen. Im Übrigen hätte selbst die Ukraine in den ersten Kriegsmonaten verhandelt. Sie verglich – durchaus treffend – die Stimmungslage mit jener vor dem ersten Weltkriegs. Auch damals glaubten alle an den gerechten Krieg. Wer`s nicht glaubt, möge bei Stefan Zweig und Karl Kraus nachlesen.

Der Journalist und Dokumentarfilmer Seipel meinte, man sollte sich trotz des Krieges immer noch die Gründe auch der anderen Partei ansehen. Im Übrigen würde man derzeit Notlieferungen statt Verhandlungen betreiben, sodass wohl Letztere sinnvoller seien.

Oberst Reisner vertrat natürlich die Position des Westens bzw. jene von NATO und EU, aber einige Äußerungen ließen doch aufhorchen: So schimmerte durch, dass die Positionen Russlands vor dem Krieg (auf die Seipel Bezug nahm) nicht völlig unverständlich waren, wenn er meinte, dass „Russland auch anders als mit einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg hätte reagieren können“. Russland hätte der Ukraine nun einen Abnützungskrieg aufgezwungen und es bestehe die Gefahr, dass die Unterstützungsbereitschaft des Westens nachlasse. Was Verhandlungen betrifft, so wolle Russland jetzt nicht verhandeln, das sei „vielleicht im März noch so gewesen, aber jetzt nicht mehr“ (Seltsam: Major Feichtinger hat die damaligen Verhandlungsergebnisse vor einigen Tagen in der ZiB2 noch als Friedensdiktat bezeichnet).

Die Moderatorin Claudia Reiterer sprach schließlich von einer verminten Diskussion (was angesichts der Forderung nach Streuminen und deren fürchterlichen Auswirkungen etwas deplatziert wirkte), verwies aber dann doch auf die Politologin Ursula Schröder: Weg von der Dichotomie. Entkoppelung der Diskussion über Waffenlieferungen von jener über Verhandlungen. Waffenlieferungen ohne Verhandlungen machen wenig Sinn.

Es muss ja kein entweder oder sein. Hat wirklich jemand in den letzten Monaten ernsthaft mit den Russen verhandelt? Mit Putin und Selenskyj Tacheles geredet? Wenigstens im Hintergrund? Glaubt jemand ernsthaft angesichts des militärischen und wirtschaftlichen Potentials des Westens und der in den Medien genügend aufgeheizten Kriegsstimmung an ein „Im Stich-Lassen“ der Ukraine? Ist nicht eine Eskalation viel wahrscheinlicher?

Vielleicht doch ein Ansatz zu einem Lernprozess. Statt Churchill gegen Peter den Großen antreten zu lassen. Im 21.Jahrhundert.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

Ein Videotipp :

Aufzeichnung einer differenzierenden Debatte zum Thema „Ukrainekrieg und die Berichterstattung westlicher Medien“ im Presseclub Concordia in Wien.
Eine Veranstaltung der Vereinigung für Medienkultur :