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Diplomatie mehr denn je gefordert

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist wie viele andere Kriege auch ein Informationskrieg. Propaganda für die eine oder andere Seite überwiegt je nach Standpunkt und Interessenslage. Westliche Politik und Medien haben sich nach jahrzehntelanger antirussischer Feindbildpflege konsequenterweise voll auf die Seite Kiews geschlagen und plädieren mehrheitlich für die Lieferung immer schwererer Waffen. Dabei überbieten sie einander an Kriegsrhetorik. Friedensrhetorik ist kaum zu vernehmen. Vor diesem Hintergrund ist bzw. wäre eine differenzierte und deeskalierende Annäherung an diese komplexe Causa höchst nötig und sinnvoll. Ein eher positives Beispiel dafür hat nun die Politikwissenschafterin Nina Chruschtschowa geliefert. Sie war jüngst Interview-Gast in der ZiB 2
(Einleitungstext Udo Bachmair)

Wolfgang Koppler *

Nina, Chruschtschowa, die Enkelin von Nikita Chruschtschow, die seit den 90-er Jahren in der USA lebt und zur Eröffnung der Salzburger Festspiele nach Österreich eingeladen wurde, war mir zwar schon seit längerem bekannt, ebenso ihre auch dem Westen gegenüber kritische Haltung. Trotzdem fürchtete ich angesichts der aufgeheizten Stimmung und des öffentlichen Druckes, dass auch sie langsam mürbe gemacht worden wäre.

Ich war angenehm überrascht. Dass sie den Angriffskrieg ablehnt, hat sie schon früher deutlich gemacht, indem sie betont hat, ihr Großvater hätte diesen Krieg niemals angefangen.

Sie lehnt aber die Kategorien Gut und Böse ab und sieht eine Mitverantwortung der USA und Europas. Die Diplomatie hätte nach den ersten Kriegsmonaten ausgesetzt, obwohl sie gerade in einem Krieg mehr denn je gefordert sei. Den Besuch des ukrainischen Außenministers Dmytro Kuleba in Peking bzw. die Vermittlungsbemühungen Chinas sah sie positiv und ließ aufhorchen, als sie meinte, dass es nun auch in der Ukraine Erwartungen gebe, den Krieg vielleicht bis Jahresende zu beenden.

Sie zeigte sich aber realistisch genug, die Chancen auf eine Friedenslösung aus heutiger Sicht als gering einzuschätzen. Die Haltung auf beiden Seiten hätte sich (Anm: nach Jahren unablässiger Kriegsführung und Propaganda) verhärtet und Putin sähe sich derzeit im Vorteil, zumal die Sanktionen nicht die vom Westen erhoffte Wirkung gezeitigt hätten.

Trotzdem sah sie Verhandlungen nicht als aussichtslos an, wobei sie es vermied, konkrete Lösungsvorschläge zu machen. Wohl deswegen, weil man im derzeitigen Stadium nichts präjudizieren sollte. Die Parteien müssen selbst den Kompromiss erarbeiten und ihre Schmerzgrenzen feststellen. Sie ließ aber anklingen, dass weder das Thema Neutralität noch Gebietsfragen unüberwindbare Hindernisse darstellten.

Angenehm wieder einmal die zurückhaltende und nur die wirklich notwendigen Fragen stellende ZiB 2-Moderatorin Marie-Claire Zimmermann. Mich störte lediglich die Bezeichnung „Kommunistenchef“ für Chruschtschow. Dem verstorbenen Staats- und Parteichef verdanken wir immerhin den Staatsvertrag, der in der sowjetischen Führung gar nicht so unumstritten war. Auch sein letztlich eleganter Kompromiss der zugegebenermaßen von ihm ausgelösten Kubakrise sollte nicht vergessen werden, da er zeigt, wie man mit ein bisschen Kreativität und Flexibilität auch aus scheinbar ausweglosen Situationen wieder herauskommt: Man entschloss sich hinter den Kulissen, nicht nur die russischen Raketen aus Kuba, sondern auch die amerikanischen aus der Türkei abzuziehen. Was im Westen lange Zeit verschwiegen wurde.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

„Menschlicher Müll“

Eine „Friedenmission“ hat Ungarns Premier Victor Orban über Kiew und Moskau bis nach Peking geführt. Politik und Medien der EU lehnen Orbans Vermittlungsgespräche zur Beendigung des Ukrainekriegs jedoch als Alleingang und bloße Ego-Show ab.

Wolfgang Koppler *

Man muss Orban nicht mögen und auch keine Sympathie für seine chauvinistischen Anwandlungen zeigen. Aber man kann – um Sahra Wagenknecht zu zitieren – mit ihm darin übereinstimmen, dass „der Himmel blau ist“. Umso erschreckender die Reaktionen einzelner Leser, die tiefe Einblicke in die menschliche Psyche bieten. Auch in die jener Menschen, die sich als bequeme Vertreter des Mainstream moralisch überlegen wähnen und dabei ihre eigenen Abgründe verdrängen. Als besonders übles Beispiel möchte ich nachstehendes Posting zitieren: „Bis jetzt werden ja nur Kinderkrankenhäuser und Geburtenstationen von russischen Raketen angegriffen. Einfach nur krank dieser Psychopath. Aber genauso pervers ist der menschliche Müll in Österreich, der die russischen Eroberer noch verteidigt! Wie kann ein normal denkender Mensch so eine Partei wählen! Unbegreiflich!“

Das Posting ist sehr aufschlussreich. Zunächst werden Kriegsgräuel geschildert, um die eigene Aggression zu rechtfertigen. Dann werden Andersdenkende, die für Verhandlungen eintreten, als „menschlicher Müll“ verunglimpft und Ihnen dann am Ende noch unterstellt, samt und sonders FPÖ-Wähler zu sein. Der Ausdruck „menschlicher Müll“ ist trotzdem verräterisch und zeigt, welche Aggressionen im ach so intellektuellen und sich moralisch gebenden Mainstream schlummern. Auch die Nazis fühlten sich ihren Opfern moralisch überlegen.

In den US-amerikanischen Experimenten „Die Welle“ und „Prison“ wurden diese unappetitlichen Seiten des westlichen Menschen anschaulich freigelegt. Aber bis heute will sich keiner damit auseinandersetzen. Dabei stand der Satz „homo homini lupus“ uns schon in der Antike Pate. Menschen zu Müll zu erklären, schaffte aber erst unsere moderne Industriegesellschaft.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Jurist und Journalist in Wien

Aggressiver ZDF-Moderator

Die jüngste Ausgabe der ZDF-Diskussionssendung Lanz war geprägt von beispielloser Einseitigkeit und Aggressivität des „Moderators“. Markus Lanz zeigte sich überschießend empört gegenüber der linken Politikerin Sarah Wagenknecht, die sich die „Provokation“ erlaubt hatte, Waffenstillstandsgespräche zur Beendigung des Ukrainekriegs zu fordern. Wagenknecht ihrerseits konterte den Attacken von Lanz beeindruckend brillant.

Wolfgang Koppler *

Wer wissen will, wie es um die Meinungsfreiheit in einem führenden europäischen NATO-Staat bestellt ist bzw. was Österreich diesbezüglich nach dem von vielen Journalisten so sehr herbei gesehnten NATO-Beitritt blüht, der möge einen Blick nach Deutschland werfen. Genauer gesagt, zum öffentlich-rechtlichen Sender ZDF, dessen Moderator Markus Lanz zusammen mit der Journalistin Dunz ein wunderbares Beispiel lieferte, wie man ohne Argumente dem Mainstream widersprechende Meinungen desavouiert. Nämlich gleich dem Boulevard mit dem Holzhammer.

In einem von Lanz geführten Talk wagte es Sahra Wagenknecht, im seit langem festgefahrenen Ukrainekrieg einen Waffenstillstand an der bestehenden Frontlinie und Friedensverhandlungen unter Vermittlung von China und Brasilien zu fordern, was von Lanz und Dunz nur zu Empörung und zur Behauptung führte: Dann wird die Ukraine untergehen.

Weshalb soll ein Waffenstillstand an einer seit langem – abgesehen von einigen Vorstößen der Russen in letzter Zeit – wenig veränderten Frontlinie, auf der sich auf beiden Seiten schwer bewaffnete Armeen gegenüberstehen, zu einem Untergang der Ukraine führen. Wo selbst viele Militärexperten wie der gewiss nicht russenfreundliche Markus Reisner eine eingefrorene Waffenstillstandslinie a la Nordkorea als Endergebnis des Krieges für nicht unrealistisch halten? Was die Möglichkeit der Nachrüstung und Erholung der Truppen während eines Waffenstillstands betrifft, so gilt dieser Vorteil wohl für beide Seiten und erst recht für die erschöpften und an Munitionsmangel leidenden ukrainischen Truppen. Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf die Forderung von Bundeskanzler Nehammer verweisen, der sich ebenfalls für Verhandlungen einsetzt. Das Sterben muss ein Ende haben..

Was spräche also gegen einen Waffenstillstand und Verhandlungen, deren Ergebnis angesichts der ja keineswegs nachlassenden Unterstützung des Westens keineswegs feststeht? Insbesondere wenn man in Betracht zieht, dass es Russland primär um die Neutralität der Ukraine geht, was auch von einigen amerikanischen Generälen vor kurzem angesprochen wurde.

Dass Wagenknecht – als Reaktion auf den Vorwurf ihrer Nichtteilnahme – Selenskyjs Rede im deutschen Bundestag als Jubelveranstaltung bezeichnete, brachte Wagenknecht auch noch die Bemerkung „Ist ja irre“ ein.

Jeden Tage sterben sinnlos hunderte Menschen, ohne dass dies jemandem irgendetwas bringt. Das Niedermachen Andersdenker und drehorgelartige Wiederholung von Phrasen kann man in diesem Zusammenhang wohl nur als zumindest gedankenlos bezeichnen. Um nicht auch noch in den Stil von Lanz zu verfallen.

Gerade in Österreich und Deutschland sollten wir in Sachen Meinungsfreiheit, Respekt und Nachdenklichkeit vielleicht etwas sensibler sein. Ganz gleich, worum es geht.

www.msn.com/de-at/nachrichten/other/tv-kolumne-wagenknecht-sorgt-bei-lanz-mit-ukraine-these-f%C3%BCr-entsetzen-das-ist-irre

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Wohnen als Reizthema

Politik und Medien haben das Reizthema „Leistbares Wohnen“ bisher weitgehend ausgeklammert. Angesichts der Wahlerfolge der KPÖ findet diese Causa nun aber mehr öffentliche Aufmerksamkeit.

Wolfgang Koppler *

Leistbares Wohnen, ein Thema, das bis jetzt eigentlich fast nur die KPÖ aufgegriffen hat. Es ist von anderen Parteien schlichtweg verschlafen worden. In Wien etwa hat sich die Wohnbauleistung trotz Zuzugs von 2021 bis 2023 von 16000 auf 9000 Wohnungen reduziert. Auch der soziale Wohnbau ging zurück. Und der Bau von Gemeindewohnungen hat offenbar überhaupt nur mehr symbolische Bedeutung, während Hunderte Millionen in Straßenverschönerungen, Musiktheater und Museumsbauten gesteckt werden.

Auch die Medien haben dieses Thema mehr oder weniger ignoriert. Erst die dramatische Lage auf dem Wohnungsmarkt – nicht nur in Österreich – und die Erfolge der KPÖ in Salzburg und Graz scheinen einigen Journalisten bewusst gemacht zu haben, dass es Menschen gibt, die auf eine Mietwohnung angewiesen sind. Und die sich eine Eigentumswohnung schlicht nicht leisten können. Oder den Kredit für den Eigenheimbau (der zudem zur Zersiedelung beiträgt). Unangenehm, dass man sich gelegentlich mit den Bedürfnissen des „Pöbels“ (laut Thomas Schmid) auseinandersetzen muss. Aber unter den Medienkonsumenten und Wählern finden sich halt leider auch viele solcher Menschen außerhalb der Seitenblicke-Gesellschaft. Menschen, die man doch nicht gänzlich ignorieren kann.

Immerhin, der ORF hat jetzt das Grundbedürfnis Wohnen entdeckt. Zunächst in der ersten Folge seines neuen Magazins „Weltweit“. Und nun sogar als Diskussionsthema in der jüngsten Ausgabe von „Im Zentrum“. Da war von wahrhaft erstaunlichen Zahlen die Rede. So sprach die Diskutantin Katharina Rogenhofer von 650.000 leerstehenden Wohneinheiten in Österreich. Was Jan Kluge vom neoliberalen Institut Agenda Austria prompt zu bagatellisieren suchte. Das seien großteils zeitweise Leerstände. Und im Übrigen rentiere sich halt das Vermieten zu wenig. Weil zu viel in den Markt eingegriffen würde.

Dass es im freifinanzierten Neubau (und dazu zählen immerhin Gebäude, die nach dem 30.6.1953 errichtet wurden) keinerlei Mietzinsbeschränkungen gibt, wurde nicht erwähnt. Ebenso wenig etwa, dass in den letzten Jahrzehnten von den privaten Bauträgern ein gewaltiges Überangebot von Büroflächen geschaffen wurde. Weil diese billig zu errichten sind und scheinbar noch mehr Mietertrag bringen. Wenn man sich einredet, sie doch noch anbringen zu können. Tatsächlich besteht schon seit langem kein Bedarf mehr und werden Büros zurückgegeben. Ein Umdenken bei den privaten Bauträgern hat aber nicht eingesetzt. Der Markt wird – nicht nur in diesem Bereich – von unvernünftiger Gier bestimmt. Nicht nur im Fall Benko.

Aber unverständig ist ja nur der Pöbel…

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Wieder ins Gespräch kommen

In die Endlosschleife der Interviews zu den russischen Präsidentschaftswahlen hat sich ein weiteres mit ähnlichem Inhalt eingereiht: In der ZiB2 kam jüngst Rüdiger Fritsch zu Wort, deutscher Ex-Botschafter in Moskau. Der Erkenntnisgewinn des von Armin Wolf geführten Gesprächs war überschaubar.

Wolfgang Koppler *

Solche Interviews sind meist entbehrlich, zumal man gerade bei einem Konservativen wie dem ehemaligen deutschen Botschafter in Moskau sich die Antworten ausrechen konnte. Trotzdem kann man – wenn man eine Art Vogelperspektive einnimmt und sowohl die russischen als auch die westliche Ansicht zu Putin, Russland und dem Ukrainekrieg unbefangen und unemotional zu beurteilen sucht – vielleicht zu neuen Schlüssen gelangen. Die russische und die westliche Seite sind einander nämlich nicht gar so unähnlich. Und wirken eigentlich wie Kleinkinder, die an einer Puppe ziehen und sie entzwei reißen.

Der Westen ist der Ansicht, dass der Krieg unbedingt gewonnen werden müsste. Alles andere wäre ein Katastrophe für die freie Welt. Auch Putin möchte den Krieg gewinnen (wobei ihm angesichts der wirtschaftlichen Probleme, die auch Fritsch erwähnte, insgeheim vielleicht Verhandlungen doch lieber wären, wie einige Signale aus den letzten Monaten zeigen). Seine Rhetorik im Hinblick auf Forderungen nach einem Sturz der ukrainischen Regierung oder gar eine Wiedereingliederung ins russische Reich oder das Spiel mit der atomaren Bedrohung nimmt selbst im Westen in Wirklichkeit niemand ernst. Dass er sich mit dem Angriff auf die Ukraine verschätzt hat, ist nichts Neues und wiederum eine Endlos-Rhetorik des Westens, die zu nichts führt.

Nicht ganz uninteressant waren Fritschs Hoffnungen auf einen Sturz Putins und seine Unsicherheit, wer dem 71-jährigen russischen Staatschef nachfolgen könnte. Er hatte natürlich – so wie wir alle – keine Ahnung, wer das sein könnte bzw. wie die Zukunft Russlands aussehen könnte. Als Alternative fiel ihm eigentlich nur Nawalny ein. Dieser ist erstens tot und wäre wahrscheinlich auch kein echter Hoffnungsträger gewesen. Sowohl von seinen ziemlich chauvinistischen Ansichten als wohl auch von seinen Fähigkeiten her. Das hat jetzt nichts mit unserem Mitgefühl und unserer Empörung über Haft und Tod Nawalnys zu tun.

Tatsächlich fällt so gut wie allen politischen Kommentatoren, wenn es um Alternativen zu Putin und die Zukunft Russlands geht, immer nur ein: Nicht-Putin, alles ist besser als Putin. Ein westlicher Experte sprach das sogar vor einigen Monaten ganz offen aus.

Auch mir ist klar, dass die Putin-Ära, die ich keineswegs beschönigen will, sich in nicht allzu ferner Zukunft ihrem Ende zuneigen wird. Da wir aber alle nicht wissen, was dann kommen wird und was sich im Hintergrund der Nomenklatura abspielt, sollte man mit Wünschen nach einem Umsturz eher vorsichtig sein. Zumal der Zerfall einer Atommacht und die Transformationsprozesse in einem seit Jahrhunderten autoritär geführten Staat unabsehbare Folgen haben können. Nicht nur für Russland selbst.

Auch aus diesem Grund sollte man sich auf Verhandlungen im Ukrainekrieg einlassen. Denn die Wahrscheinlichkeit eines friedlichen Machtwechsels in die Nach-Putin-Ära würde sich nach einem für beide Seiten tragbaren Frieden zumindest erhöhen. Denn gekränktes Nationalgefühl ist gefährlich. Gerade bei den diesbezüglich eher empfindlichen Russen- Mit denen man wieder ins Gespräch kommen sollte. Ganz ohne westliche Selbstgefälligkeit. Zumal es auch bei uns mit der Meinungsfreiheit nicht gar so weit her ist. Wie man gerade am Ukrainekrieg sieht.

* Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien.

Dem Blickfeld entrückt

Verdeckt vom Ukraine- und dem Gazakrieg sind andere Kriege und Konflikte aus dem Blickfeld westlicher Politik und Medien verschwunden. Besonders stiefmütterlich behandeln Medien den globalen Süden, im Besonderen Afrika, und dort im Speziellen die schlimme Situation im Sudan.

Wolfgang Koppler *

Was dort passiert, interessiert kaum. Oder wann wurde in der ZiB2 das letzte Mal über die katastrophale Lage in Somalia oder im Südsudan berichtet? Oder die Konflikte zwischen Ägypten und Äthiopien um das Wasser des Nil und einen geplanten Staudamm. Es ist auch kein wirkliches Thema für die EU oder die USA, die mehr damit beschäftigt sind, sich gegen den globalen Süden zu wappnen. Militärisch natürlich.

Selbst die unvermindert anhaltenden Kämpfe im Sudan und die katastrophale Lage dort sind etwa für die ZiB2 schon seit dem Sommer kein Thema mehr. Obwohl dort inzwischen 7,5 Millionen Menschen auf der Flucht sind und auch noch eine Hungersnot droht , weil die Kornkammer des Sudan, der Bundesstaat Jezira, von den Paramilitärs eingenommen wurde. Auch in der Hauptstadt Khartum fehlt es an Wasser, Strom und leistbaren Lebensmitteln. Als das islamistische Regime von Al Bashir gestürzt wurde, herrschte Jubel (auch im ORF). Der sehr bald der Ernüchterung wich. Die zivile Übergangsregierung musste weichen. Das Militär übernahm auch formal die Macht. Und dann brachen innerhalb des Militärs Kämpfe aus. Die regulären Streitkräfte unter Abdel Fattah Burjan gegen die arabischstämmigen rapid support Forces (RSF) von Mohammed Daglo. Es ist einerseits ein ethnischer Konflikt (arabischstämmiger RSF gegen schwarzafrikanische Gruppen), wie er sich schon bei Abspaltung des christlichen Südsudan abzeichnete. Wobei gerade im Sudan auch der Klimawandel eine große Rolle spielt, der den Kampf um Wasser und Weideland, insbesondere im Darfur-Konflikt verschärfte. Und damit Spannungen zwischen den Volksgruppen.

Andererseits werden diese Konflikte natürlich von außen geschürt. Weshalb trotz Hunger und Elend den Bürgerkriegsparteien nie die Waffen ausgehen. Schon in den Fällen der seinerzeitigen Abspaltung des christlichen Südsudan vor einigen Jahren spielten Rohstoffe wohl eine große Rolle. Im schon seit Jahren unabhängigen Südsudan etwa liegen 75 % der sudanesischen Ölreserven. Aber die Unabhängigkeit hat der Masse der Bevölkerung dort wenig gebracht. Die Menschen hungern und die FAO war aufgrund mangelnder Bereitschaft der Geberländer sogar zeitweise gezwungen, die Essensreserven zu kürzen. Zudem gibt es dort ebenfalls bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Gruppen. Das Interesse des Westens ist enden wollend. Hauptsache, der Südsudan ist unabhängig, und Al-Bashir ist weg.

Noch schlimmer die Situation im „Mutterland“ Sudan, wo selbst die humanitäre Hilfe immer schwieriger wird. Auch hier Unterstützung der Aufständischen von außen. In diesem Fall von den Vereinigten Arabischen Emiraten. Die die USA auf diplomatischem Weg einzubremsen suchen. Da es sich aber nicht um antiwestliche „Bösewichte“ wie den Iran oder Putin handelt, natürlich nur vorsichtig. Und die EU schläft überhaupt. Der Ukrainekrieg ist schließlich wichtiger. Und die bevorstehenden EU-Wahlen.

Immerhin darf das ZDF darüber berichten. Zumal auch größere Flüchtlingsbewegungen in Richtung Europa zu erwarten sind. Auch neuer Nährboden für Terror könnte angesichts des von Chaos, Elend und Kriegsverbrechen entstehen. Stichwort Somalia. In österreichischen Medien weitgehend Schweigen.

https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/sudan-krieg-vertreibung-100.html

https://www.deutschlandfunk.de/sudan-kaempfe-unruhen-militaer-102.html

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

4 zu 1 ausgewogen ?

Die Gestalter der ORF-Diskussionssendung Im Zentrum sehen sich immer wieder mit dem Vorwurf der einseitigen Zusammensetzung von Podiumsrunden konfrontiert. Vor allem bei Reizthemen wie der Debatte um Österreichs Neutralität oder den Kriegen im Nahen Osten und in der Ukraine. Letztere war Thema der jüngsten Podiumsdiskussion.

Wolfgang Koppler *

Wie stellt man sicher, dass bei einer Diskussionssendung ein bestimmtes Ergebnis herauskommt ? Und man doch nicht ganz einseitig erscheinen will ? Vor allem wenn man dummerweise an ein Objektivitätsgebot gebunden ist ?

Man lädt vier Gäste ein, deren Standpunkt man schon im Vorhinein kennt- Einen, der sicher nicht kommen wird (in diesem Fall der russische Botschafter). Und einen einzigen Andersdenkenden. So geschehen beim der sonntägigen ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ zum Thema: „Der Westen gegen Putin: Ist der Krieg noch zu gewinnen ?“ Schon der Titel erinnerte an Baerbocks Ausspruch vor dem Europarat, die den Westen im Krieg gegen Russland sah (wenn auch vom ORF etwas vorsichtiger formuliert).

Zu Beginn war natürlich von Putins Jahrespressekonferenz die Rede, wo er im Wesentlichen die Neutralität der Ukraine und ihre „Entnazifizierung“ gefordert hatte, eine Redewendung, die er schon letztes Jahr verwendet hatte. Und von der gescheiterten ukrainischen Frühjahrsoffensive. Signale von russischer Seite aus den letzten Monaten, die auf Gesprächsbereitschaft hindeuten, ließ man natürlich unerwähnt.

Oberst Markus Reisner vom Bundesheer trat nicht nur – wie zu erwarten – für mehr Waffenlieferungen ein (einen Krieg dürfe man nicht halbherzig führen) und hielt Verhandlungen für aussichtslos, sondern sprach auch noch von einem Konflikt zwischen dem Globalen Norden und dem globalen Süden (worunter er auch China und Indien verstand), der eine Aufrüstung des Westens, pardon des Globalen Nordens erforderlich mache.

Der ukrainische Botschafter Khymynets vertrat natürlich den Kurs der ukrainischen Führung, dass man bis zur Vertreibung des letzten russischen Soldaten aus dem ukrainischen Territorium kämpfen müsse, Verhandlungen sinnlos seien und die Ukraine die Freiheit des Westens verteidige. Putin sei gefährlich für die Zukunft Europas.

Martin Selmayr (Enkel zweier Generäle), der Vertreter der EU-Kommission in Wien, der sich von der Moderatorin auch noch ein Zaudern vorhalten lassen musste, erwähnte die Anstrengungen der EU und die jüngsten Ratsbeschlüsse zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen und zur Ausweitungen von Sanktionen und ging davon aus, dass auch die 50 Milliarden an weiterer Unterstützung für die Ukraine (ob mit oder Ungarns Unterstützung) in einigen Wochen beschlossen sein würden (die Welthungerhilfe und selbst die Entwicklungshilfe wären schon für einen Bruchteil der Mittel dankbar). In militärischer Hinsicht seien 1300 km Front von der russischen Armee auf die Dauer nicht zu halten (schätzungsweise 400.000 Tote sind offenbar nicht genug).

Die Historikerin Barbara Stelzl-Marx sprach von der politischen Zukunft Europas (die auf dem Spiel stehe), vom Konflikt der Werte (da war von anderen verwendete „Kampf der Werte“ noch ehrlicher), vom Verwandlungskünstler Putin. Diesem dürfe man nicht nachgeben, da er sonst seine Aggressionen fortsetzen würde. Moldawien könnte vielleicht das nächste Ziel sein. Immerhin strebe er die Wiederherstellung des Sowjetimperiums an. Putin wolle mit seiner Formel von der „Denazifizierung“, die er schon (zugegebenermaßen) sehr lange verwende, den „Großen Vaterländischen Krieg beschwören. Und was wird auf westlicher Seite beschworen ? Waren da nicht auch öfters Versatzstücke aus dem Zweiten Weltkrieg im Spiel ? Selenskyjs Churchill-Rede, „Blut, Schweiß und Tränen“ bei Timothy Garton Ash, Putin-Hitler-Vergleiche,,,

Alle versuchten zu begründen, warum man in keinem Fall nachgeben dürfe.

Friedensforscher Thomas Roithner verwies auf die Opfer und das menschliche Leid und damit auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Selbstverständlich verwies er auf die Völkerrechtswidrigkeit des Krieges und stellte dann die entscheidende Frage: Wie kommen wir da wieder raus, Er verwies auf mangelnden Weitblick der EU im Hinblick auf die kommenden US-Wahlen. und auch auf die in den UNO-Resolutionen erwähnte Möglichkeit von Verhandlungen. Man müsse und solle ein Verhandlungsergebnis gar nicht vorwegnehmen. Es reiche ein „Fahrplan“, um Gespräche in Gang zu bringen, Da hörte sogar Selmayr aufmerksam zu und erwähnte Verhandlungsbemühungen, die angeblich im Hintergrund laufen würden. Er verwies auf das Weltwirtschaftsforum im Jänner in Davos.

Man kann darauf wetten, dass auch im Jänner jede Äußerung russischer Politiker als Provokation oder zumindest als Verhandlungsunwille interpretiert werden wird. Die bis zu Befreiung von Kiew durchaus konstruktiv geführten (aber vom Westen wenig unterstützten) Verhandlungen verdrängt man. Wo sogar eine Neutralität mit Sicherheitsgarantien angepeilt wurde. Interessant ist aber, dass sogar der zwischenzeitig verstorbene Henry Kissinger, als er im heurigen Februar auf der Münchner Sicherheitskonferenz in einer Videoschaltung für eine Verhandlungslösung eintrat (wie er das schon seit dem Frühjahr 2022 getan hatte), sich die Bemerkung nicht verkneifen konnte: „Ich habe es schon lange gesagt. Man hat mich nicht gehört.“

Was für ein Glück für Politik und Medien, dass Kissinger tot ist. Und Macron im Juni auf eine US-freundlichen Kurs eingeschwenkt ist. Wenn da nicht bloß die vielen Toten wären. Die Hungernden. Die vielen Milliarden, die zu Bewältigung der Umweltkrise und in der Entwicklungszusammenarbeit fehlen. Die Radikalisierung. Bei uns im Westen und im verachteten globalen Süden. Nicht nur bei Randgruppen. Sondern bei vielen von uns,

Da kann man sich noch so einreden, dass Putin das Baltikum, Finnland, Schweden, Polen oder Moldawien angreifen könnte. Oder die Ukraine als Staat gefährden. Obwohl dies angesichts der geringen Wirtschaftskraft, aber auch der begrenzten Kapazitäten von Russlands Armee, die Mühe hat, den Donbass zu halten, wohl eher unwahrscheinlich ist. Und angesichts der (in Europa) seit Jahrzehnten auf eine Neutralität der – geopolitisch in einer äußerst heiklen Lage befindlichen – Ukraine fokussierten Interessen Russlands. Und jener des Westens an deren NATO-Mitgliedschaft. Die freilich keinen Krieg rechtfertigen. Weder auf russischer noch auf unserer Seite.

Seltsam, dass der völkerrechtswidrige Irakkrieg immer noch als gerechtfertigt angesehen wird. Und Ex-Präsident Bush im letzten Jahr noch eine Rede vor einem US-Think-tank hielt. Wo er dann den Irakkrieg mit dem Ukrainekrieg verwechselte. Während die etwas faireren Briten Tony Blair in der Versenkung verschwinden ließen. Inzwischen dürfte auch er schon verstanden haben, dass es nicht um den von ihm beschworenen „evil dictator“, sondern um westliche Interessen ging. Und nicht einmal die konnte man im Endeffekt verwirklichen.

* Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Manipulierender Journalismus

Wer lernen will, wie man unangenehme Nachrichten bekömmlich serviert oder auch einfach die Kunst, nicht anzuecken, beherrschen will, der sehe sich die Berichterstattung zum seit nunmehr 18 Monaten ausstehenden NATO-Beitritt Schwedens an.

Wolfgang Koppler *

Der Antrag auf einen Beitritt Schwedens zur NATO wurde bekanntlich im Mai 2022 gestellt. Damals erklärte man uns, der Beitritt sei eine Sache von wenigen Monaten und die Zustimmung sämtlicher NATO-Mitglieder reine Formsache. Obwohl die Türkei ihren Unmut schon zu erkennen gegeben hatte, da Erdogan Schwedens und Finnlands liberaler Umgang mit PKK-Sympathisanten und Erdogan-Gegnern ein Dorn im Auge war und ist.

Wie erklärt man nun den Medienkonsumenten die Bettelbesuche Stoltenbergs in Ankara und die Tatsache, dass nicht alles so läuft, wie es sich der Westen vorgestellt und man es dem einfachen Volk geschildert hat? Da gibt es – wie immer – mehrere Möglichkeiten: Verschweigen unliebsamer Tatsachen. Hat man etwa in der ZiB2 in den letzten Monaten etwas von den Schwierigkeiten Schwedens im Zusammenhang mit dem NATO-Beitritt gehört? Soweit ich mich erinnern kann, wurde im letzten Juli von der Zustimmung Erdogans berichtet und dass er die Sache nun dem türkischen Parlament vorlegen wolle. Das sei nur noch Formsache. Die Medien jubelten. Seither: Größtenteils Schweigen.

Um zu sehen, wie die Sache derzeit steht, muss man schon im Internet und in den Printmedien nachsehen. Und da zeigt sich, wie man Fakten ehrlich und wie man sie verdreht darstellt. Während die Tagesschau und der Spiegel letzte Woche korrekt berichten, dass der außenpolitische Ausschuss des türkischen Parlaments die Sache ohne konkreten Termin vertagt hätte, weil es Zweifel an der Umsetzung von Zusagen aus Stockholm gebe, zeichnet T-Online ein sehr optimistisches Bild: Unter dem Titel: „NATO-Beitritt von Schweden rückt näher“ und einem Videobild von Erdogan und Kristersson, welche sich die Hände schütteln, heißt es, dass eine „weitere Hürde genommen“ und die Sache in der Kommission für Außenbeziehungen beraten werde. Danach könne sie dem Parlament in Ankara zur Abstimmung vorgelegt werden. Ein Termin dafür stehe noch nicht fest…Von den Bedenken des außenpolitischen Ausschusses im Hinblick auf die Zuverlässigkeit der Schweden natürlich keine Rede.

Das Beste kommt dann noch zum Schluss: Der letzte Absatz des Berichts ist übertitelt mit „Mitgliedschaft im Mai beantragt“. Im Kleingedruckten erfährt man dann, dass es sich um den Mai 2022 handelt. Und weiters ist dann die Rede von einem monatelangen Tauziehen im Zusammenhang mit Schwedens Umgang mit der PKK. Was sich derzeit in der außenpolitischen Kommission tut und warum das Ganze noch nicht im Plenum des türkischen Parlaments liegt, bleibt im Dunkeln. Statt dessen der Hinweis, dass Finnland Anfang April als 31.Mitglied in der NATO willkommen geheißen wurde, Man muss ja schließlich die Hurrastimmung in Brüssel befeuern.

Eine gute Schule für Jungjournalisten. Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will…

*Gastautor Wolfgang Koppler hat dazu folgende Links übermittelt:

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/schweden-nato-beitritt-tuerkei-100.html

https://www.spiegel.de/ausland/tuerkei-verzoegert-abstimmung-zu-schwedens-nato-beitritt-a-e1ca99d0-72c7-44dc-a516-8b20008cf41c

https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/internationale-politik/id_100283130/nato-beitritt-von-schweden-weitere-huerde-in-der-tuerkei-genommen-.html

https://www.fr.de/politik/erdogan-stellt-klar-tuerkei-bleibt-beim-veto-gegen-schwedens-nato-beitritt-zr-92693135.html

https://www.rnd.de/politik/nato-beitritt-schweden-erdogan-laesst-die-nato-zappeln-tuerkei-verzoegert-zustimmung-FYZLBFROIBEZPKHUVBGW4JOGJY.html

Keiner wird gewinnen

Die ORF2-Sendung ECO hat sich kritisch mit illegalem Online-Glücksspiel und dem Abzocken von Spielern befasst. Aber auch der ORF selbst fördert mit Sendungen, wie etwa mit „Euro-Millionen“, indirekt die Spielsucht.

Wolfgang Koppler *

Egoismus und Gewinnstreben sind ja das antreibende Element unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft. Wer`s nicht glaubt möge beim Säulenheiligen der amerikanischen Nationalökonomie Adam Smith nachsehen. Oder bei Max Weber: Die puritanische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Die Auswüchse dieser durch den Neoliberalismus der letzten Jahrzehnte und die immer größeren technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten verschärften Ideologie sehen wir in Umwelt, Politik und – zerstörten Existenzen.

Im jüngsten ORF-Eco Spezial ein interessanter Beitrag zum Thema „Illegales Online-Glücksspiel-Wie Spieler abgezockt werden und der Staat zuschaut“. Es geht um Online-Glücksspielanbieter mit einer Lizenz im EU-Ausland, die in Österreich keine Berechtigung zum Angebot von Glücksspielen besitzen. Sie bieten trotzdem im Internet Glücksspiele an – von Sportwetten bis zu Online-Casinos. Rund zwei Drittel aller Spielverluste gehen auf das Konto illegaler Anbieter. Und unzählige Folgen von Spielsucht. Nicht nur hohe Verschuldung, auch Persönlichkeitsveränderungen, Depressionen bis zu Suizidgefahr sind die Folgen.

Tausende Klagen auf Rückzahlung der Verluste sind anhängig. Die Judikatur ist eindeutig und demgemäß sind bereits zahlreiche rechtskräftige Urteile österreichsicher Gerichte gegen die Anbieter ergangen. Sie müssten nach EU-Recht auch im Ausland vollstreckt werden. Etwa in Malta, einem Kleinstaat, in dem zahlreiche dieser Anbieter sitzen und rund 10 % seiner Einnahmen aus dem Glücksspiel rekrutiert. Malta hat trotzdem hochoffiziell die Vollstreckung dieser Urteile ausgesetzt. Wohl in dem Wissen, dass unsere Regierung niemals ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten wird.

Diese unternimmt nämlich auch im Inland nichts gegen diese illegalen Anbieter, obwohl einzig und allein die österreichische win2day (eine Tochter der Casinos Austria) eine diesbezügliche Lizenz besitzt. Finanzminister Brunner verweist – es wirkt fast höhnisch – darauf, dass man ja die illegalen Anbieter melden könne (zumal der größte Teil in Österreich nicht einmal Steuern zahlt). Österreich könnte aber sehr wohl Internetadressen sperren oder ein Werbeverbot einführen. Deutschland hat bereits Maßnahmen ergriffen – Österreich nicht. Brunner meint in einer Aussendung, man müsse abwägen und erwähnt dabei auch das Wort „Wettbewerb“ (auf Teufel komm raus ?). Obwohl selbst im Regierungsprogramm noch solche Maßnahmen angedacht waren.

Ein Verein, der – hochoffiziell – die Interessen dieser illegalen Anbieter vertritt, beruft sich auf die Dienstleistungsfreiheit. Die hier nicht greift. Aber greifen tut offenbar etwas anderes: Der Vertreter der Glücksspielanbieter erklärte, wenn man die Tätigkeit dieser Anbieter erschwere, dann könnten sie nicht mehr den Sport unterstützen.

Seltsam, dass sich – abgesehen von ein paar Stimmen in dem hervorragend gemachten Beitrag – so gar kein Protest erhebt. Weder aus Sportlerkreisen noch aus seriösen Kreisen der Wirtschaft (die es vielleicht auch noch gibt), von Juristen oder der Kirche. Eines von vielen Zeichen der Bankrotterklärung unserer Gesellschaft.

Eine kleine Kritik am ORF und anderen Fernsehanstalten muss ich trotzdem anbringen: Millionenshow und Euro-Millionen fördern leider auch die Geldreligion und Spielsucht. Früher galten große Gewinne im Fernsehen als unmoralisch (weshalb man bei Sendungen wir EWG maximal 8000 Mark (!) gewinnen konnte). Vielleicht sollte man zu diesen Grundsätzen wieder zurückkehren.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Bruno Kreisky aktuell

Bruno Kreiskys Idee eines Marshallplans für die Dritte Welt erscheint aktueller denn je. Unser Gastautor hat sich dieser komplexen Thematik angenommen:

Wolfgang Koppler *

Zufällig überflog ich die Beiträge der Vereinigung für Medienkultur aus den letzten Wochen, als mir der Artikel „BRICS-Staaten für globale Entwicklungsbank“ vom 19.9. ins Auge stach. Hans Högl nimmt darin dankenswerter Weise Bezug auf einen Aufsatz von Thomas Roithner in der Furche zum von unseren Medien – insbesondere im Ukrainekrieg – stark vernachlässigten Thema Geoökonomie und erwähnt den Plan der BRICS-Staaten zur Schaffung einer „New Development Bank“ als Gegengewicht zu den von den USA nach wie vor forcierten Brettonwoods-Institutionen Weltbank und IWF zur Finanzierung von Entwicklungs- und Infrastrukturprojekten in den so genannten „ärmeren Ländern“.

Nur wenigen Journalisten dürfte bekannt sein, dass schon seit mehr als 60 Jahren die Idee eines Marshallplans für die Dritte Welt (wie man den globalen Süden damals nannte) existiert. Sie stammt von Bruno Kreisky, weshalb der Plan 1984 nach ihm benannt wurde. Sein diesbezügliches Engagement wurde schon in seiner Jugendzeit geweckt im Zuge der damals aktuellen antikolonialen Bewegung und später verstärkt durch seine Begegnung mit Nehru. Anfang der 60-er Jahre kam es auf seine Initiative zu einer Konferenz für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft und in der Folge zur Gründung des bis heute existierenden Wiener Instituts für Entwicklungsfragen.

Kreisky war der Ansicht, dass der ERP-Fonds aus dem Marshallplan, der (West-)Europa wirtschaftlich wieder auf die Beine geholfen hatte (und der durch Kreditrückzahlungen bis heute immer wieder aufgefüllt wird) zumindest teilweise umgewidmet werden sollte, um die Finanzierung von Infrastrukturprojekten in Entwicklungsländern zu ermöglichen. Wobei Kreisky dabei Summen in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Dollar vorschwebten, die von Europa als Ganzes aufgebracht werden sollten (vielleicht etwas sinnvoller als der Ukrainekrieg). Dazu konnten die USA und Europa sich bis heute nicht entschließen. Statt dessen führen die oft für wenig zweckmäßige Projekte verwendeten Kredite der Weltbank (Stichwort: Festhalten an Brettonwoods) zu immer weiterer Verschuldung des globalen Südens. Der Zinsanstieg der letzten Jahre verstärkt diese Armutsfalle. Kein Wunder, dass die BRiCS-Staaten nach Auswegen aus dem Finanzsystem des Westens suchen (wobei Staaten wie China und Russland natürlich ihre eigenen Interessen verfolgen, was aber nichts an der Problematik von Brettonwoods für den globalen Süden ändert):

Zum Schluss einige Sätze aus Kreiskys Biographie „Im Strom der Politik“ (S 261 ff.), die nach wie vor hochaktuell erscheinen:

„Die Welt ist so klein geworden, dass politische Grenzen der Solidarität von Mensch zu Mensch nicht Einhalt gebieten können…Ich war der Ansicht, dass man den Entwicklungsländern, je nach ihrem Reifegrad mit einer multilateralen Vereinbarung helfen müsse, die ihnen angemessene Infrastruktur zu schaffen…Dass ich mit meiner Empfehlung den Ausbau des Eisenbahnnetzes voranzutreiben, zuletzt nicht falsch lag, geht daraus hervor, dass die Schulden der Länder der Dritten Welt zum großen Teil auf die während vieler Jahre sehr hohen Ölpreise zurückzuführen sind…“

Und vielleicht noch etwas von Kreisky zum Thema Visionen:
„Aber eines hat die Imagination dem Kleinmut des Krämers voraus: Sie schafft langfristige Perspektiven, für die es sich einzusetzen lohnt.“

Wer Visionen hat, braucht also nicht unbedingt einen Arzt.

Abgesehen von einigen zeitbezogenen Stellen sind Kreiskys Ausführungen nach wie vor sehr aktuell. Vielleicht sollten einige Journalisten und Politiker -unabhängig von ihrer politischen Einstellung – vielleicht weniger Kreisky-Bashing betreiben und statt dessen einmal seine Biographie zur Hand nehmen. Es kann nicht schaden, wieder ein gutes Buch zu lesen. Es beißt nicht.

* Mag. Wolfgang Koppler lebt als Jurist und freier Journalist in Wien