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Medienkampagne gegen die Neutralität

In Berichten und Kommentaren mehren sich jene Stimmen, die Österreichs Neutralität als überholt betrachten. Experten, die dies anders sehen, sind in unseren Medien eher nicht willkommen. Doch es gibt Ausnahmen.

Udo Bachmair

Beim Medienkonsum der vergangenen Wochen fällt die zunehmende Tendenz in der Berichterstattung auf, die österreichische Neutralität als nicht mehr sinnvoll darzustellen. In der veröffentlichten Meinung dominieren Argumente, die letztlich zur Aufweichung der Neutralität führen sollen. Gleichzeitig fehlt den meisten Neutralitätsskeptikern der Mut, offen auszusprechen, dass die einzige Alternative zu der bei Österreichs Bevölkerung höchst populären Neutralität der Beitritt zur NATO wäre.

Während im Social Media-Bereich auch warnende Argumente vor einer Abkehr von Österreichs Neutralität und einem NATO-Beitritt zu finden sind, wird man diesbezüglich in Printmedien oder auch in ORF-Beiträgen kaum fündig. Es kommen nahezu ausschließlich neutralitätsskeptische und NATO-nahe Stimmen vor, die die Neutralität am liebsten über Bord werfen würden. Differenzierend argumentierende Persönlichkeiten, wie etwa der frühere Bundesheergeneral Wolfgang Greindl oder der besonders profunde Politikwissenschaftler Heinz Gärtner kommen hingegen kaum zu Wort.

Mit einer positiven Ausnahme überrascht hingegen die renommierte deutsche Wochenzeitschrift ZEIT. Sie hat ein höchst bedenkenswertes Interview mit Univ. Prof. Gärtner veröffentlicht.

Gärtner sieht im Beitritt Österreichs zur European Sky Shield Initiative rechtlich keine Neutralitätsverletzung, wenngleich das österreichische Bundesheer damit NATO-tauglicher gemacht werden solle. Der Politologe befürchtet aber Gefahren für unser Land. Raketen des künftigen Luftabwehrsystems könnten nicht nur ein Schutz, sondern auch zu einem „Magneten“ werden:

„Man weiß ja noch nicht genau, welche Waffen Österreich am Ende kaufen wird, aber die Rede bei Sky Shield ist zum Beispiel von solchen, die 20 bis 80 Kilometer weit fliegen können. Diese können nicht nur als Defensiv-, sondern auch als Offensivwaffen betrachtet werden – und damit zu einem Ziel werden. Ein potentiell feindlicher Staat könnte versuchen wollen, sie zu vernichten“

Prof. Gärtner hebt in dem ZEIT-Interview die Funktion des neutralen Staates als Vermittler in Konfliktsituationen hervor. Österreichs Außenpolitik hat sich ja von dieser noch zu Kreiskys Zeiten vorbildlichen Rolle Österreichs bereits sehr weit entfernt :

„Nach einem Ende des Krieges in der Ukraine sollte es einen Prozess geben – wie die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa in Helsinki 1975. Die Nato-Staaten werden diese Funktion nicht übernehmen können. Österreich oder die Schweiz aber schon“

Und dann im Interview die erwartete und immer wieder in den Medien gestellte Frage: Ist die Neutralität noch zeitgemäß ? Heinz Gärtner dazu klar: „Ja, natürlich“:

Heinz Gärtner plädiert in dem Gespräch mit ZEIT-Redakteur Florian Gasser für das Konzept einer „engagierten Neutralität“, indem er ausführt:

„Wir müssen uns so viel wie möglich einmischen und so viel wie notwendig raushalten. Das ist etwas anderes als die traditionelle isolationistische Position, die etwa die FPÖ noch vertritt. Die wollen still sitzen und sich nirgendwo beteiligen. Das ist das Gegenteil einer engagierten Neutralität. Österreich sollte sich diplomatisch unbedingt stärker engagieren. Wir müssen uns wieder mehr einsetzen und uns auch wieder stärker bei Friedensmissionen der UN beteiligen.“

Auch im neutralen Irland läuft zu diesem Thema eine rege Debatte. Dort dürfte man jedoch im Widerstand gegen eine Aufweichung der Neutralität schon weiter sein als in Österreich. Als besonders laute und beherzte Stimme pro Neutralität erweist sich in Irland die linke EU-Abgeordnete Clare Daly. Sie ist als Hauptrednerin und Organisatorin einer Neutralitätskonferenz vehement gegen Versuche der irischen Regierung aufgetreten, Abstriche von der Neutralität zu machen.

Näheres zur Neutralitätsdebatte in Irland hat Fritz Edlinger, Herausgeber und Chefredakteur der renommierten Zeitschrift INTERNATIONAL zur Verfügung gestellt:

www.international.or.at/wp-content/uploads/2023/07/Reinisch_Irl-Neutraliaetsdebatte_International_2023-07-01.pdf

Fragwürdige grüne Medienpolitik

Der Vorstoß der grünen Regierungspartei für eine zentrale ORF-Finanzierung aus dem Bundesbudget lässt demokratie- und medienpolitische Alarmglocken schrillen.

Udo Bachmair

Nach der FPÖ und anderen, die den ORF stärker an die Kandare nehmen wollen, sind nun auch die Grünen dafür, dass der ORF aus dem Budget des Bundes finanziert wird. Mit entsprechenden Äußerungen gegenüber KURIER und STANDARD schlägt die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger all jene Bedenken in den Wind, die von der Gefahr einer verstärkten Regierungsabhängigkeit des ORF ausgehen.

Die ORF-Führung müsste demnach jedes Jahr zum Finanzminister pilgern und darum betteln, die Finanzierung des ORF ( mit entsprechendem Wohlverhalten ? ) weiter garantiert zu bekommen. Der Vorschlag Blimlingers, ein derartiges Finanzierungsmodell könnte ja durch eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat abgesichert werden, kann jedoch Befürchtungen rund um einen drohenden Verlust der Unabhängigkeit des ORF kaum entkräften.

Der ORF gehört gleichsam dem Publikum und nicht der Regierung. Blimlinger sei daran erinnert, dass einige den Grünen durchaus nahestehende Persönlichkeiten und Initiativen etwa bei der „Alternativen Medienenquete“ 2019 einer Finanzierung des ORF via Bundesbudget eine klare Absage erteilt haben, nicht zuletzt aus demokratiepolitischen Gründen. Wären die Grünen in Opposition, würden sie gegen derartige Pläne Sturm laufen..

Ebenso würden sie konsequent daran arbeiten, die ORF-Gremienreform, wie die Entpolitisierung des Stiftungsrates, vehement voranzutreiben. Dazu treffend Daniela Kraus vom Presseclub Concordia, die im Gegensatz zu ÖVP-Medienministerin Raab in Medienfragen als hoch kompetent gilt, im KURIER : „Detaillierte Vorschläge liegen auf dem Tisch, allein es fehlt der politische Wille der Parteien-spätestens wenn sie an der Macht sind“.

Und weil sie an der Macht sind, finden die Grünen auch nichts dabei, dem schon von Sebastian Kurz erwünschten Ende der renommierten Wiener Zeitung als täglich erscheinendes Blatt zuzustimmen. Der Widerstand auch in den eigenen grünen Reihen gegen ein Aus für ein teils regierungskritisches Medium hat bisher nichts gefruchtet. Ein „Kulturgut“ ist damit verloren gegangen und die Medienlandschaft ist weiter verarmt.