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Vorbildliches ORF-Weltjournal

Der im jüngsten Weltjournal-Spezial des ORF gezeigte US-Beitrag zu „Netanjahu, die USA und der Weg in den Gaza-Krieg“ ließ betreffend Objektivität, Detailgenauigkeit und Engagement kaum Wünsche offen.

Wolfgang Koppler *

Die erwähnte Sendung zeigt, was Journalismus sein könnte und wie weit wir in Österreich und Deutschland davon entfernt sind.

In etwas weniger als anderthalb Stunden wurden die Geschichte des Gaza-Konflikts und die Ursachen des gegenwärtigen grauenhaften Krieges ebenso wie die diesbezüglich oft problematische Haltung der USA verständlich, differenziert und einfühlsam geschildert. Er beschäftigte sich vor allem mit dem Aufstieg und letztlich dem Scheitern Benjamin Netanjahus, der das Osloer Abkommen und eine Zweistaatenlösung von Anfang an ablehnte und an Stelle einer Kooperation mit den Palästinensern auf militärische Stärke und Scheinsicherheit setzte. Und letztlich zum Getriebenen statt zum Akteur wurde.

Mit diesem Konzept versuchte er schon Rabin zu desavouieren, dessen Friedensbemühungen er als schädlich für Israel ansah. Rabins Ermordung kostete ihn vorübergehend die Gunst der Wähler. Erst Hamas-Attentate brachten Bibi wieder Popularität. 1996 wurde er erstmals Regierungschef und später Minister in Sharons Kabinett, aus dem er austrat, als dieser die israelische Armee aus dem Gazastreifen zurückzog und diesen abriegelte.

Sharons Fall ins Koma machte dann den Weg frei für Netanjahus neuerlichen Aufstieg an die Regierungsspitze. Angriffe aus dem Gazastreifen beantwortete er regelmäßig mit Luftangriffen und Militäraktionen („Rasenmähen“). Seine Siedlungspolitik wurde zwar von den US-Präsidenten Clinton, Bush und erst recht Obama kritisiert, aber nie wirklich behindert. Bis dann Trump die amerikanische Botschaft nach Jerusalem verlegte und den Likud-Hardliner auch noch beim Siedlungsbau ermutigte.

Der Beitrag zeigt interessante Interviews mit Vertretern der Palästinenser, kritischen israelischen Journalisten ebenso wie etwa mit Trumps US-Botschafter in Jerusalem. Der bis heute ebenso wenig vom Nahostkonflikt und dem Palästinenserproblem zu verstehen scheint wie sein ehemaliger Chef Trump, der meinte, mit einigen Milliardeninvestitionen im Westjordanland die Palästinenser befriedigen zu können.

Ein Beitrag, aus dem nicht nur amerikanische, sondern vielleicht auch Brüsseler Politiker etwas lernen könnten. Trotz oder gerade unserer historischen Verantwortung wegen. Vor allem, wie sich Emotionen einerseits und selbstgefällige Empathielosigkeit mit den Betroffenen anderseits auf beiden Seiten zu einem gefährlichen Gebräu entwickeln können. Vor allem, wenn man dabei vernünftige Interessenabwägung und Selbstbescheidung aus dem Augen verliert. Auch im Ukrainekrieg.

Sehenswert. Auch für Journalisten. www.tvthek.orf.at/profile/Weltjournal/1328

*Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Kultur der Unmenschlichkeit

Das neue ORF-Magazin „Weltweit“ hat kürzlich ein interessantes Thema aufgegriffen: Die Spekulation auf dem Internationalen Wohnungsmarkt.

Wolfgang Koppler *

Jahrzehnte lang haben Politik und Medien diese Entwicklung verschlafen. So wie überhaupt die Auswüchse des Neoliberalismus. Dieser wurde ja in den 80-ern und 90-ern sogar begrüßt. Auch von vielen Journalisten. Jens Tschebull etwa forderte meiner Erinnerung nach damals im Profil die Abschaffung der wettbewerbsverzerrenden Wohnbauförderung und den völlig freien Wohnungsmarkt. Für jene, die sich das nicht leisten könnten, müsse man halt Obdachlosenheime errichten. Nicht einmal die letztlich vom Staat eingedämmte Finanzkrise 2008 konnte an dieser Vergötzung des Marktes wirklich etwas ändern.

Und das Elend breiter Bevölkerungsschichten, wie es sich etwa in den USA abzeichnet, schon gar nicht. Diejenigen, die sich dort kein Eigenheim leisten können, sind auf die Mietwohnungen am freien Wohnungsmarkt angewiesen. Und der ist in der Hand international agierender Immobilieninvestoren. Im Beitrag wurde ein Mieter gezeigt, der sich ergebenislos über eine Rattenplage beschwerte. Und das bei Mieten von 2000 Dollar für eine Einzimmerwohnung. Kein Wunder, dass in den USA immer mehr in den seinerzeit so genannten „Thatcher-Betten“ auf der Straße landen.

Global Players wie Blackstone (Immobilien im Wert von mehr als 900 Milliarden Dollar) machen sich aber auch in Europa breit. Etwa in Dänemark, Deutschland, den Niederlanden und sogar Schweden. Horrende Mieten, die sich bei jeder Neuvermietung noch einmal steigern. Beschwerden über Missstände werden von der Hausverwaltung ignoriert. Geht man damit an die Öffentlichkeit, wird seitens des Vermieters mit Polizei und Kündigung gedroht.

Dass derartige Unternehmen von Demokratie und Meinungsfreiheit nicht viel halten, mussten auch die Journalisten von „Weltweit“ bei ihren Recherchen erfahren. Sie erhielten schon nach kurzer Zeit ein Mail von Blackstone, das ihnen zeigte, wie sie bei ihren Recherchen in den USA beobachtet wurden. Die von ihnen kontaktierten Mieter seien natürlich nur Querulanten…

Die Sozialdemokraten haben das Thema Wohnen in den letzten Jahren verschlafen, wie die deutsche Ministerin für Wohnen und Bau in dem Beitrag ganz offen zugab, Die Konservativen sowieso. Treffend die Bemerkung eines Mieters: Das Recht auf Wohnung wurde durch das Recht auf Spekulation ersetzt.

In dem hochinteressanten Beitrag hat mir allerdings eines gefehlt: Die Beschäftigung mit der Situation In Österreich, wo die Situation zwar noch besser ist, aber der soziale Wohnbau in den letzten Jahren angesichts steigender Bau- und Grundkosten und zu geringer Wohnbauförderung fast zum Erliegen gekommen ist. Und Kritik an der EU fehlte ebenfalls. Mit dem Thema Wohnen beschäftigt sich man dort allenfalls dann, wenn man Angst um den Wettbewerb hat. So mussten die Niederlande ihre Wohnbauförderung kürzen: Wegen Wettbewerbsverzerrung. Griechenland ist da geradezu vorbildlich: Dort gibt es überhaupt keinen sozialen Wohnbau mehr. Wieder einmal ein Zeichen, was in der EU Vorrang hat: Profit und Wettbewerb.

Dass sich diese Situation durch den Ukrainekrieg und die geplante europäische Aufrüstung verschärfen wird, ist klar. Denn die Gelder werden anderswo fehlen. Für Waffen ist ja immer Geld da. Seltsamerweise auch bei den Sparefrohs. Eine Kultur der Unmenschlichkeit.

https://www.swiss-architects.com/de/architecture-news/meldungen/wohnbauforderung-in-gefahr

https://www.derstandard.at/story/2000110039625/eu-laender-wohnbeihilfen-statt-wohnbaufoerderung

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als freier Journalist und Jurist in Wien

KPÖ und mediale Irritationen

Medien und Politik tun sich mitunter schwer mit ihren (Vor-)Urteilen über den sensationellen Erfolg der KPÖplus bei der Salzburger Landtagswahl vom vergangenen Sonntag.

Wolfgang Koppler *

Schon interessant, wie man die KPÖ in der ORF-ZiB am Sonntag zusammen mit der FPÖ noch als „Rand-Erscheinungen“ abtat. Und deren Spitzenkandidaten Dankl mehr oder weniger überging. Und das trotz eines – für eine viele Jahrzehnte in der Bedeutungslosigkeit verschwundenen Partei – phänomenalen Ergebnisses. Das ist, wie wenn die Grünen in den 80-er Jahren vom Stand weg mehr als 11 % gemacht hätten. Und das, obwohl die Partei wegen ihrer Vergangenheit verfemt und nicht im Trend war.

Nunmehr widmet sich sogar der Standard in einem längeren Artikel diesem Phänomen. Und versucht dies durch die das von der KPÖ aufgegriffene heiße Thema „Wohnen“ und die völlig unbelastete Herkunft des Spitzenkandidaten Kay-Michael Dankl (der ursprünglich Teil der von Glawischnig gefeuerten Jungen Grünen war) zu erklären.

Das Interview mit Dangl in der ZiB2 (das wohl auch für den ORF nicht mehr zu vermeiden war) ergab ein etwas anderes Bild. Natürlich ging es um die von Salzburger KPÖ aufgegriffenen und beim Wähler gut angekommenen Themen. Aber etwas ließ doch aufhorchen. Natürlich wurde der klug argumentierende junge Mann auch gefragt, weshalb er denn Mitglied einer Partei ein könne, die sich immer noch kommunistisch nenne, nach all den Erfahrungen mit dem realen Sozialismus und den historischen Belastungen. Die Antwort ließ aufhorchen. Dankl verwies auf den Ursprung von Sozialismus und Marxismus im 19.Jahrhundert – auf die Ideen, die dahinter stünden. Dass hätte nichts mit deren Missbrauch zu tun, zumal man sich heute zur Demokratie und auch zur EU bekenne. Deren Reform dringend nötig sei (wobei selbst eine solche Kritik bei uns schon beinahe ein Tabubruch ist). Womit er auf die Ideale von Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität verwies. Auf die historischen Wurzeln des Marxismus in der ersten Hälfte des 19.Jahrhundertes. Und auf die jüdisch-christliche Herkunft von Marx und dessen Ideen. Wie immer sie auch missbraucht wurden.

Da fiel selbst ZiB2-Moderator Martin Thür nichts mehr ein. Und auch der Politologe Filzmaier versuchte am Sonntag den Erfolg fast nur mit dem Thema Wohnen zu erklären. Obwohl er dann zugeben musste, dass der Spitzenkandidat in diesem Fall eine ganz wesentliche Rolle gespielt hatte. Idealismus und persönliche Bedürfnislosigkeit ist manchen Journalisten und Politologen genauso fremd wie unseren Politikern. Weshalb Idealisten derzeit offenbar fast nur mehr in der KPÖ zu finden sind. Wo es nichts zu holen gibt. Das betretene Schweigen, als Rudolf Nagiller vor etlichen Jahren anlässlich des Erfolgs des KPÖ-Politikers Ernest Kaltenegger in Graz die Politiker der etablierten Parteien in einer Gesprächsrunde des ORF nach derartig engagierten Kollegen fragte, sprach Bände. Ganz egal, wo man politisch steht.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und lebt in Wien

Ein Krieg gegen Russland ?

„Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander“. Deutlicher als beim Europarat jüngst in Straßburg hätte die deutsche Außenministerin es nicht aussprechen können.

Wolfgang Koppler *

Auch wenn meist nur von der Unterstützung der Ukraine die Rede ist, so sieht sich der Westen längst im Krieg gegen Russland. Zur „Verteidigung der Demokratie“. Und sogar die deutschen Grünen sind von einer extrem pazifistischen Partei zu einer fast schon fanatischen Kriegspartei geworden. Putin sieht es natürlich spiegelverkehrt – Russland oder vielmehr er selbst – gegen den Westen. Beide Seiten benötigen Feindbilder, um die Bevölkerung auf eine Fortsetzung des Krieges und diesbezügliche Opfer einzuschwören. Und innenpolitische Spannungen vergessen zu machen.

Wobei Russland angesichts seiner wirtschaftlichen und militärischen Schwierigkeiten eher verhandlungsbereit scheint als der Westen, wie man auch an einigen diesbezüglichen Aufforderungen von Seiten Russlands aus der letzten Zeit sieht. Dass solche von Politik und Medien Im Westen unter Hinweis auf „Maximalforderungen“ beider Seiten (hier Verzicht auf Donbass, Cherson und Saporischschja – dort Verhandlungen erst bei völligem Abzug der Russen) als unrealistisch abgetan oder gar nicht in Betracht gezogen werden, ist pure Heuchelei. Jede Lohnverhandlung zwischen den Sozialpartnern wird vom selben Zeremoniell eingeleitet und kein Mensch käme auf den Gedanken, solche Verhandlungen deshalb als aussichtslos einzustufen. Und sie durch Streik, Aussperrungen und Straßenkämpfe zu ersetzen.

Jetzt kommt natürlich der Einwand, das „wir“ uns seit zehn Monaten im Krieg befinden. Und dass sich die souveräne Ukraine gegen den Angreifer verteidigen muss. Diese gebetsmühlenartige Formel (die viele Journalisten wahrscheinlich schon als Textbaustein im Computer haben) verdeckt nur das, was sich bei einem Krieg zwangsläufig immer auf beiden Seiten abspielt: Hass – Feindschaft – Gewalttätigkeit, jene Eskalation, die Heinz Gärtner bei der vielbeachteten Podiumsdiskussion der Vereinigung für Medienkultur kürzlich im Presseclub Concordia so treffend beschrieben hat. Jeder Krieg treibt zum Äußersten. Und immer sehen sich beide Seiten (zumindest was deren politische und militärische Führung betrifft) im Recht. Oder warum ist das Wort Angriffskrieg im Fall des Irakkriegs niemandem eingefallen ? Auch dann nicht, als sich die Massenvernichtungswaffen nicht und nicht finden ließen ? Und warum hat die ukrainische Führung in den ersten Kriegsmonaten selbst ernsthaft verhandelt und jetzt nicht mehr ?

Putin ist schuld. Die Zauberformel gegen Hunger in Afrika, Schuldenberge, Frackinggas, Kohlereaktivierung und Hunderttausende Tote. Verhältnismäßigkeit ? Dieser Begriff ist zu kompliziert für unseren politischen und medialen Kindergarten.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Gastautor und Jurist und lebt in Wien.

Christian Wehrschütz in Gefahr

Appell von ORF- Korrespondent Wehrschütz an Regime in Kiew

Udo Bachmair

ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz hat vor allem für seine Berichterstattung aus der Ukraine vorbildliche journalistische Verdienste erworben. Er macht sich als einer der wenigen (westlichen) Journalisten ein Bild auch „vor Ort“, besonders auch in den umkämpften Gebieten der Ostukraine. Prorussische Rebellen hatten dort „Volksrepubliken“ ausgerufen als Reaktion auf die Vernachlässigung dieser Regionen durch Kiew, die auch immer wieder Ziele militärischer Aggressionen seitens der ukrainischen Zentralregierung geworden sind.

Reportagen und Analysen von Wehrschütz zeichnen sich durch differenzierende Betrachtungsweise und engagierte Recherchebemühungen aus. Im Gegensatz zu manchen seiner westlichen Korrespondentenkollegen, die in Schwarz-Weiß-Malerei einseitig dem Feindbild Russland die Hauptschuld am Ukraine-Konflikt anlasten. Diesem antirussischen Reflex setzt Wehrschütz eine ausgewogene und besonnene Berichterstattung entgegen, die den Dialog fördert und nicht Putin allein zum Bösewicht der Welt stempelt.

Diese Haltung könnte Wehrschütz nun in höchste Gefahr bringen. Aus diesem Grund hat der renommierte ORF-Journalist einen Appell an die Regierung in Kiew gerichtet. Hier der Wortlaut :

„In eigener Sache: die ukrainische Organisation Миротворець (Friedensstifter) hat die Daten von mehr als 4000 Journalisten und ihren Mitarbeitern im Internet veröffentlicht, die auf dem Territorium der prorussischen Rebellen von DONEZK akkreditiert sind. Dazu zählen auch meine beiden Mitarbeiter und ich. Vermutlich wurde in DONEZK ein Computer geknackt, so kamen die Daten dann „irgendwie“ an diese Organisation. Wer ihren Untertitel liest, der versteht sofort, dass damit auch alle Journalisten, die in DONEZK tätig waren und sind, in die Nähe von Terroristen gerückt werden! Die Staatsführung der Ukraine hat bisher nicht reagiert, aber ein Abgeordneter der Regierungspartei „Volksfront“ hat die Veröffentlichung all unserer Daten ausdrücklich begrüßt! Bekanntermaßen gab es in der Ukraine Fälle von Morden an Journalisten! Bedroht sind sie nicht nur im Kriegsgebiet. Eine besonders leichte „Zielgruppe“ sind Journalisten, die so wie ich in Kiew ein Büro haben, denn unser Beruf bringt es mit sich, dass wir in die Öffentlichkeit gehen. Bedroht sind in meinem Fall aber auch meine beiden ukrainischen Mitarbeiter aus DONEZK, die nicht nur auf diesem Gebiet tätig sind! „Friedensstifter“ ist eine bekannte Organisation, die bereits mehrfach „Proskriptionslisten“ von „Terroristen“ veröffentlich hat. Sollte die Staatsführung in Kiew tatsächlich einen Weg in Richtung EU gehen wollen, hat sie auch unsere Sicherheit als Journalisten zu gewährleisten! Ich fordere daher die Ukraine zu einer eindeutigen Reaktion auf! Meine tagtägliche Sicherheit kann ohnehin niemand wirklich garantieren! ORF und Außenministerium sind über den Vorfall informiert. Erforderlich ist eine klare internationale Reaktion.

Christian Wehrschütz“