Keine Zukunft für Zukunftsfragen?

Wie jüngst in den Niederlanden ist ein Rechtsruck auch bei der bevorstehenden EU-Wahl wahrscheinlich bzw. wird medial herbeigeschrieben. Eine unheilvolle Entwicklung, wenn die Gefahr fehlender Mehrheiten für Zukunftsfragen besteht.

Ilse Kleinschuster *

Die Berichterstattung zur POLITIK im KURIER von 24. Nov. 2023 treibt mir Schweiß auf die Stirn und lässt mich wieder einmal am Verstand der Menschen zweifeln.

Schon das Titelblatt zeigt den Gewinner und Populisten Wilders – mit Sektglas auf seinen Triumpf anstoßend – und darunter steht „Die Parallelen zu Österreich sind unverkennbar.“
Oder, Seite 8, Großes Bild vom lächelnden Wilders, betitelt „Warum Wilders?“ – Nicht nur wird da in einer Schlagzeile großartig verkündet, dass Geert Wilders, der seit 20 Jahren sein Unwesen in den Niederlanden treibt, jetzt zum PVV-Parteichef gewählt ist und „seinen Höhenflug“ erlebt, sondern – und ich finde es politisch nicht korrekt – wird da in einem Satz gleich auch vom Höhenflug der deutschen AfD und der FPÖ in Österreich berichtet.

Dann ist auf selbiger Seite noch ein kurzer Kommentar aus Brüssel „Blockade von Rechtsaußen? In Brüssel wachsen Sorgen! Nach Wilders‘ Triumpf rückt klarer Rechtsruck bei Europawahlen 2024 näher. Fehlen bald die Mehrheiten für Zukunftsfragen?“

Solche Prophezeiungen ein Jahr vor den Nationalratswahlen in Österreich sind mir einerseits unheimlich – könnten sie nicht all jenen Bürgern*innen, die „politische Idioten“ (gr., nicht vom Fach) sind, Wasser auf ihre Mühlen sein? – Ich meine, wo diese ohnedies schon durch schlechte Parteipolitik total verunsichert sind, ja, sich von laufenden Lösungs-Ankündigungen, die dann nicht eingehalten werden (können), gefoppt fühlen.

Andererseits ist vielleicht die Frage, ob bald Mehrheiten für Zukunftsfragen fehlen würden, hier suggestiv gestellt? doch eine, die uns Bürger*innen mehr beschäftigen sollte.

Immer mehr gibt mir das Selbstverständnis, mit dem oft behauptet wird, wir lebten ja in einer repräsentativen Demokratie und da wäre eben das Wahlrecht die einzige Möglichkeit einer Partei seine Stimme zu geben. Das sei zwar sehr unbefriedigend, aber was können wir schon tun, außer eventuell gar nicht zur Wahl zu gehen.

Ich finde das in einer Zeit, in der wir zunehmend unter globalen Spannungen leben, nicht mehr tragfähig. Ich habe Kenntnis von vielen guten Lösungsvorschlägen, die auch immer wieder öffentlich vorgestellt und im Kleinen praktiziert werden. Wenn ich auch nicht weiß, welcher Weg der beste und schnellste wäre, so höre ich mir doch solche Vorschläge gerne an und versuche sie weiterzugeben. Der letzte, der mich sehr berührt hat, war zum Thema „Herstellung gemeinschaftlicher Handlungsfähigkeit“ durch Demokratie, vorgestellt von Nutt Los, er spricht hier von Demokratie als Befriedungstechnik:

* Gastautorin Ilse Kleinschuster ist engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft

2 Gedanken zu „Keine Zukunft für Zukunftsfragen?

  1. Nachtrag: Nutt Los meint, es würde die Frage nach Mehrheiten für Zufkunftsfragen erst gelöst werden können, wenn wir eine Verfassungsänderung – natürlich auf demokratischem Weg – herbeigeführt haben. Dass wir dann mit der Idee, Bürger, die per Los ins Parlament zur vorübergehenden Mitarbeit geholt werden, weniger „Machtpolitik ohne Prinzipien mit einer autoritären Grundnote“ haben würden, das kann ich mir schon gut vorstellen. https://www.derstandard.at/story/3000000196831/die-notwendige-ent-kurzung-der-oevp

  2. Ja – wiederum ein gutes Beispiel, die Demokratie zu thematisieren, wo doch BP Van der Bellen die Schönheit und Eleganz der österreichischen Bundesverfassung vor einigen Jahren so betonte.

    Warum in allen sich als demokratisch bezeichnenden Staaten die Parteien als Garant einer guten Lösungsfindung zum Wohl aller sich als Inbegriff der Demokratie etablierten, ist wohl aus dem entwicklungsgeschichtlichen Kampf von Gruppierungen gegeneinander zu verstehen. Diese Entwicklung aus dem Gegeneinander kann daher dauerhaft nicht zum Guten führen. So braucht man sich auch gar nicht über die gegenwärtig weiteren Geschehnisse die Haare raufen. Es braucht eine tiefgreifende Systemänderung.

    Schade, dass Nutt Los die Kommentare bei seinem Kanal deaktiviert hat. Diskurse wären interessant. Seine Demokratie ist eine durch das Los bestimmte Parlamentszugehörigkeit. Diese Variante ist wohl bekannt. Weniger bekannt und interessant sind dagegen im demokratischen Konnex Hinweise zur Isonomie (Gleichheit) und „wir müssen uns immer wieder neu kennenlernen“.
    Wie allerdings seine weiteren Hinweise ’nicht gegen Wahlen zu sein‘ und ‚es auch gewählte PolitikerInnen brauche‘, zusammenwirken, scheint mir noch erklärungsbedürftig.

    Machtgleichheit erfordert aber auch ein faires Arbeitsverechnungssystem und eine Grundversorgung für alle mit einem entsprechenden (Geld)Buchungssystem, um an der aktiven Einbringung der Fähigkeiten stets teilnehmen zu können – PolitikerInnen werden dafür ja bezahlt. Auch Moderationen oder Mediationen wären im Diskurs sinnvoll. Teils könnte man sich bei massiven Beteiligungen auch mit Ideeneinbringungen Online, in Verbindung mit dem Systemischen Konsensieren, behelfen oder in kleineren Kreisen soziokratische Modelle zur Anwendung bringen.

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