Islam unter Generalverdacht

Feindbild Islam von Medien und Politik neu belebt

Udo Bachmair

( veröffentlicht in der soeben erschienenen Ausgabe der Zeitschrift „International“ )

Was Europa braucht, sind aufgeklärte, informierte und dialogbereite Menschen. Was Europa nicht braucht, sind Hetzer gegen Gläubige einer Weltreligion“. Eindringliche Worte des evangelischen Superintendenten Hansjörg Lein im Vorfeld der ersten Wiener Pegida-Demonstration im Februar in Wien. Der Appell Leins ist bisher weithin ungehört geblieben. Zu stark ist die Meinungsführerschaft jener Medien und politischen Akteure, in deren Interesse Szenerien angeblich zunehmender islamistischer Bedrohung liegen.

Befeuert wird die antiislamische Stimmungsmache vor allem von Boulevardmedien. Besonders auffällig wieder einmal die die „Krone“. Das Blatt mit der größten Dichte an rechtspopulistischen Glossisten hat sich rechtzeitig vor der erwähnten Demo gleichsam zum Sprachrohr entwickelt und ist damit indirekt einmal mehr auch zum FPÖ-Propaganda-Organ geworden. So glänzte die erste Sonntagskrone im Februar mit „Aufklärung“ über Pegida. Der rechten Bewegung werden im Gegensatz zu Kritikern aus dem linken, linksliberalen und christlichen Bereich hehre Beweggründe zugebilligt. Die Fans der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung“ ( in der „Krone“ keine Anführungszeichen gesetzt…) werden als harmlos und gemäßigt gezeichnet. Demnach sind die Pegida-Anhänger „Menschen, die völlig offen, ohne ihre Gesichter zu vermummen, durchs Land marschieren“. Unter Bezugnahme auf eine angeblich wissenschaftliche Studie schwärmt das Massenblatt davon, dass der „typische Pegida-Anhänger gut gebildet“ sei. Dass sich in die erste heimische Pegida-Demonstration auch mehrere Rechtsradikale gemischt haben, wird in wohlweislich ignoriert. Ebenso die Polizeiauskunft, dass die linke Gegendemonstration ohne Zwischenfälle verlaufen ist. Das Boulevard-Blatt empört sich hingegen darüber, dass die verhassten Linken, allen voran die „Offensive gegen Rechts“, die Pegida-Versammlung gestört hätten. Zur Abrundung der „Aufklärung“ zitiert das Blatt wie so oft wieder einmal FPÖ-Chef Strache: „ Pegida ist eine seriöse Bürgerrechtsbewegung. Es ist ungeheuerlich, diese Menschen, die sich um die Zukunft ihrer Heimat und unserer Kultur sorgen, als rechtsextrem zu diffamieren“. Und die „linken Chaoten“ sind natürlich Sympathisanten islamistischer Terroristen…

Das Feindbild Islam wird bewusst oder unbewusst auch in manchen „Qualitätsmedien“ gepflegt. Dabei wird der Islam immer wieder mit Terror und religiöser Intoleranz assoziiert. Solche Negativassoziationen werden durch sinnlose und verabscheuungswürdige Gewalttaten wie die von Paris oder Kopenhagen weiter bestärkt. Beispiel: Ein Wochenmagazin („Profil“) provozierte auf dem Cover mit der großen Überschrift „Was den Islam gefährlich macht. Eine Religion auf Leben und Tod“, dazu ein Terrorbild aus Paris. Zwar enthielt der nachfolgende Artikel auch differenzierende Passagen, doch was in den Köpfen vieler Menschen durch Sätze dieser Art verankert bleibt bzw. bestärkt wird, sind antiislamische Stereotypen.

Einer islamophoben Stimmungslage entsprungen scheint auch das umstrittene Islamgesetz, das trotz großer Bedenken Ende Februar im Parlament in Wien beschlossen wurde. Dieses Gesetz „festigt die Ungleichbehandlung“, so der Tenor der Kritik. Im Vergleich zu anderen Religionsgesetzen enthalte es „geradezu dramatische Schlechterstellungen (Generalverdacht, Verbot der Auslandsfinanzierung, keine Subventionen etc.), die jede für sich eine Ablehnung rechtfertigen“ (Neos-Sprecher Niko Alm, Der Standard, 25.2.) Es steht zu befürchten, dass das neue Islamgesetz keinen Beitrag zu dem in Österreich traditionell guten Verhältnis zwischen den Religionsgemeinschaften leistet.

Bewusst oder unbewusst Islamophobie fördernd ist ein bestimmter Sprachgebrauch, der sich in Politik und Medien breitgemacht hat. Er lässt die Grenzen zwischen Islam und Islamismus immer wieder verschwimmen. Beispiel: Eine Anne Will – Talkshow zum IS- Terror (18.2., ARD). Im Gegensatz zur Moderatorin schaffte es der frühere Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo während der einstündigen Diskussion kein einziges Mal, vor der ständig wiederholten Bezeichnung „Islamischer Staat“ die Beifügung „sogenannt“ zu setzen. Zudem war die Rede von „islamischem Terrorismus“ statt von „islamistischem Terrorismus“. Ein Beispiel von mehreren im öffentlichen Diskurs.

Ein ähnlich internalisiertes „Wording“ ist beim Begriff „Integrationsunwilligkeit“ zu registrieren. Bemerkenswert, dass er nahezu ausschließlich im Zusammenhang mit Muslimen verwendet wird. Eine oftmals verwendete Definition, die „über viele Jahre von der FPÖ gebraucht wurde und nun in die politische Mitte gelangt ist“, konstatiert Sprachsoziologin Ruth Wodak. Es werde zudem ein kausaler Zusammenhang zwischen „Integrationsunwilligen“ und potenziellen (islamistischen) Attentätern konstruiert.

Die Forderung nach unabdingbarer Meinungsfreiheit bekräftigen Medien und Politik nachdrücklich besonders dann, wenn es um schrankenlose Kritik am Islam geht. Doch wie weit dürfen Tabubrüche auf Kosten religiöser und anderer Minderheiten gehen ? Inwieweit schränkt die Inanspruchnahme totaler Freiheit die anderer ein ? Ist die Schmähung eines Religionsgründers durch eine Karikaturenzeitschrift mit Meinungsfreiheit zu rechtfertigen ? Auch Islamanhänger haben Anspruch darauf, dass ihre religiösen Gefühle nicht verletzt werden. Dieser Aspekt bedürfte jedenfalls größerer politischer und medialer Sensibilität.

„Der real existierende Journalismus schmiegt sich geschmeidig an die herrschenden politischen Zerrbilder. Im Falle Charlie Hebdo sah er seine Aufgabe darin, vorhandene Islamfeindbilder beflissen aufzunehmen und zu verstärken“, so kürzlich Peter Vonnahme, ehemaliges Mitglied der deutschen Neuen Richtervereinigung. Nach den Attentaten auf Charlie-Karikaturisten in Paris werden jedenfalls eifrig antiislamische Ressentiments bedient. Ungeachtet der Erkenntnisse, dass die Morde von Paris von geistig Verwirrten begangen worden sind, wahrscheinlich fernab von ihrer Religion. Westliche Medien aber nehmen die Pariser und auch Kopenhagener Attentate unter der Devise „Wir sind die Guten“ (in Abgrenzung zu Moslems und islamischen Ländern) zum Anlass, freiheitliche, demokratische Werte zu feiern. Auch wenn diese im Namen der „Terrorbekämpfung“ nach US-Vorbild auch in der EU Schritt für Schritt abgebaut werden…

Dass im Namen von Freiheit und Demokratie auch gemordet und gefoltert wird, thematisieren westliche Mainstream-Medien und Politik hingegen kaum. Hunderttausende Tote in Afghanistan, im Irak, in Libyen, in Gaza, in Syrien etc. als Opfer von Kriegsverbrechen, zudem zahlreiche Menschen, die durch ferngesteuerte US-Drohnen sterben müssen, sind nicht Anlass genug für Großdemos. Wo bleiben angesichts völkerrechtswidrige NATO-Kriege die Millionenaufmärsche ?

Medien und Politik spielen gerne das Spiel von Gut und Böse. Hier die Anständigen, erfüllt von humanitären westlichen Werten, dort die Terroristen und Aggressoren. Das zurzeit deutlichste Beispiel sind dafür sind Berichte und Analysen zum Konflikt rund um die Ukraine. Im propagandistischen Kampf gegen Russland entsteht der Eindruck journalistischer und politischer Gleichschaltung. Journalisten mit verinnerlichter US-Sicht der Welt stellen Russland oftmals als Reich des Bösen dar. So sprang kürzlich in einem „Presse“-Leitartikel folgender Satz ins Auge: „Putins Russland ist das Reich eines Despoten“. Punktum. Keine Frage: Konstruktive Kritik am autoritären Politikmodell Putins ist berechtigt. Nur: Einseitig hetzerische Berichterstattung gießt zusätzlich Öl ins Feuer eines ohnehin schon äußerst gefährlichen Konflikts. Mit journalistischer Ethik und Verantwortung kompatibler wäre wohl, (wieder) für einen Dialog mit Russland einzutreten. Brandgefährlich sind bisher nur halbherzig kritisierte Pläne, das Regime in Kiew unter dem politischen Hassprediger Jazenjuk mit hochmodernen US-Waffen aufzurüsten. Ein derartiger Schritt könnte die moskaufreundlichen Rebellen und Russland zu neuen riskanten Reaktionen verleiten.

Als Lösungsansatz sieht der profunde Analytiker Univ. Prof. Heinz Gärtner einen neutralen Status der Ukraine. Der Direktor des Instituts für Internationale Politik erklärt: „Alle Seiten sollten das Denken in Blöcken vermeiden, weil es das Denken blockiert“ („Die Presse“ 21.2.)

Feind-Bilder abzubauen gilt es gerade auch in der Islamdebatte. So fiele das Schüren von Ängsten gegen eine „drohende Islamisierung“ auf weniger fruchtbaren Boden. Die schon erwähnte Boulevardpresse hat ja in Schwarzweißmalerei eine Meisterschaft entwickelt. Sie kann jedoch nur das widerspiegeln und verstärken, was sich an Vorurteilen und mangelnder Aufklärung bereits in den Köpfen vieler Menschen eingenistet hat. So halten 51 Prozent der Österreicher/innen laut einer Studie den Islam für eine Bedrohung. Gerade deshalb sollten Bewegungen wie Pegida, für die sich auch Menschen instrumentalisieren lassen, die keinen Hang zu extremistischen Positionen erkennen lassen, besonders ernsthaft analysiert werden.

In der jüngsten Resolution der „Plattform Christen und Muslime“ heißt es treffend: „Was heute dringend notwendig ist, sind verständnisvolles Zusammenleben und gemeinsames Auftreten gegen Islam- und Fremdenfeindlichkeit sowie Aktionen der Begegnung und Vertrauensbildung“.

 

 

 

 

2 Gedanken zu „Islam unter Generalverdacht

  1. Bin von diesem Artikel sehr begeistert ! – Meiner Meinung sollte der von ihnnen zitierte Satz aus der jüngsten Resolution der „Plattform Christen und Muslime“ groß an verschiedenen digitalen Orten (wie sie ja immer zahlreicher, meist zu Werbezwecken, uns präsentiert werden) aufscheinen.

  2. Bin von diesem Artikel sehr begeistert ! – Meiner Meinung nach sollte der von ihnen zitierte Satz aus der jüngsten Resolution der „Plattform Christen und Muslime“ groß an verschiedenen digitalen Orten (wie sie ja immer zahlreicher, meist zu Werbezwecken, uns präsentiert werden) aufscheinen.

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