Archiv der Kategorie: Gastbeiträge

Urteil gegen Mietwucher

Mietwucher fordert ungemindert und meist auch ungehindert seine Opfer. In der Schweiz hat man darauf nun offenbar einen anderen Blick geworfen, wie ein Gerichtsurteil zeigt.

Wolfgang Koppler *

Ein interessantes Urteil des Schweizer Bundesgerichts: Eine Vermieterin wurde wegen stark überhöhter Untermieten wegen Mietwuchers zu zwei Jahren bedingter Haftstrafe verurteilt. Das ist noch kein wirklich starkes Zeichen gegen zweifelhafte Investoren, an die man sich bei uns im Westen nicht so richtig vorzugehen traut – außer es lässt sich (wie etwa im Fall Benko) doch nicht mehr vermeiden. Abendessen und Jagdausflüge mit illustren Reichen sind schließlich wichtiger.

Aber es ist ein Signal. Und in Österreich – wo der Wuchertatbestand mehr oder weniger totes Recht ist – völlig undenkbar. Hier wird Derartiges von Medien und etablierter Politik mehr oder weniger unter der Decke gehalten. Und allenfalls nebenbei erwähnt. Bezeichnend auch, dass sich der untenstehende Artikel** in der Boulevardzeitung „Heute“ fand. Und nicht in einer der „Qualitätsmedien“. Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen von Politik und Qualitätsmedien abwenden.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

** https://www.msn.com/de-at/nachrichten/ausland/wucher-vermieterin-kassiert-freiheitsstrafe/ar-AA1AXMB8?ocid=msedgdhp&pc=HCTS&cvid=1e257bc66d37475e96947d7d26cf2c96&ei=13

Medientagung in Linz

„Demokratieverhandlungen für den digitalen Raum der Freiheit“ ist Thema einer bemerkenswerten Tagung am 21.03.2025 in Linz

Erwin Leitner *

Wir erleben derzeit einen tiefgreifenden Medienwandel. Seit mehr als einem Jahrzehnt gehören Social-Media-Anwendungen zu unserem Alltag, bestimmen als Big-Tech-Plattformen zunehmend die kognitive Orientierung und gefährden mit Fake News, Manipulation und Desinformation immer häufiger das demokratische Gefüge (Infodemie).

Gleichzeitig ist mit der vernetzten Welt das Versprechen verbunden, dass alle Beteiligten ihre eigenen Wahrnehmungen, Interpretationen und Meinungen gleichberechtigt veröffentlichen können. Tatsächlich übernehmen Algorithmen die Bewertung und vermitteln ein falsches Bild von Partizipation, die nur auf Zustimmung hofft und vielfach geteilt werden will.

Im Rahmen der Tagung wird die Partizipation in heutigen Demokratien aus der Perspektive der Digitalisierung beleuchtet, neue Möglichkeiten der Medienaneignung im Hinblick auf das demokratische Ideal der Mündigkeit diskutiert mit dem Ziel, das Bewusstsein für eine demokratiepolitische Neuerschließung des digitalen Raums und seiner Freiheiten auf breiter öffentlicher Basis zu stärken.

Vorträge. Worshops. Podiumsdiskussion. Buffet
Eintritt frei. Anmeldung erwünscht.

* Mag. Erwin Leitner ist Gründer und Bundessprecher der Initiative „mehr Demokratie: erwin.leitner@mehr-demokratie.at

Verengtes Meinungsspektrum

In Medien und Politik häufen sich neutralitäts-kritische und NATO-freundliche Stimmen. Auch im öffentlich-rechtlichen ORF, der auch in der außenpolitischen Berichterstattung auf Objektivität Bedacht nehmen müsste. Der folgende Beschwerdebrief eines bekannten Ex-ORF-Journalisten an den zuständigen Chefredakteur steht stellvertretend für wachsende Kritik auch an mangelnder Ausgewogenheit jüngster Ö1-Mittagsjournale.

Klaus Ther *

Ö1-Mittagsjournale der letzten Tage ** haben bei mir Fragen ausgelöst, sie hatten starke Schlagseiten, die an der Objektivität, der unsere Anstalt verbunden sein müsste, zumindest zweifeln lassen.

Beispiel: Das Interview mit Franz-Stefan Gady, ein – salopp gesagt – „NATO Freak“, der kann endlos lang zu Wort kommen, hatte Prämissen, die nie hinterfragt werden. Das westliche Bündnis sichere Frieden und Stabilität in der EU, die lange Vorgeschichte des Ukraine-Konflikt bleibt unreflektiert und wird nicht angesprochen.
Es wird ständig suggeriert: Alles begann mit der Aggression Russlands. Die daraus abgeleitete Militarisierung der Gesellschaft wird als alleinige Sicherheitsgarantie für unsere Zukunft gesehen. Kein Hinterfragen dieses Mainstream- Klischees.

Am Tag darauf dann im MiJ: Christoph Chorherr, Helmut Brandstätter und ein ÖVP-Mann zum Thema, alle vertreten Ansichten, die das Ende der bisherigen Neutralität Österreichs latent implizieren. Keine Gegenstimme, kein Audiatur et altera pars. Das ist ärgerlich! Das Mittagsjournal als subkutan bellizistischer Transmissionsriemen. Könnte man zugespitzt behaupten?!

Eine solche Verengung des Meinungsspektums ist das wirklich wünschenswert!? Nur weil Leute aus 3 Parteien zu Wort kommen.

Würde mich interessieren, wie Sie das sehen? Unsere Anstalt hat m. E. besseres verdient. So werden wir uns nur Ärger derer zuziehen, die den öffentlich rechtlichen Auftrag einschränken wollen.

* Dr. Klaus Ther, langjähriger ORF-Redakteur, nun freier Journalist.

** Bezugnahme auf die Ö1-Mittagsjournale vom 24. und 25.2.2025

EU ohne Lösungskompetenz?

Schuldzuweisungen statt Lösungsansätzen dominieren Medienberichte und EU-Politik rund um den Ukrainekrieg.

Wolfgang Koppler *

Interessant, wie sich die EU und mit ihr die Medien angesichts der sich nun ankündigenden Wende der US-Politik und einer sich auch in der Ukraine abzeichnenden Kriegsmüdigkeit winden. Hieß es bis jetzt, Abwehrkampf um beinahe jeden Preis und Verhandlungen seien unmoralisch, tauchen da und dort Berichte über die Folgen des Kriegs, ungeheure Zerstörungen und die Sinnhaftigkeit von Verhandlungen auf.

Anderseits wird die fehlende Einbindung der Ukraine in die Verhandlungen beklagt und wieder einmal der ukrainische Journalist und Hardliner Denis Trubetskoy interviewt, der den Krieg fortführen möchte und sich wünscht, dass die EU auch noch die USA als Rüstungslieferant und Finanzier ersetzen möge. Was angesichts der militärischen und finanziellen Kapazitäten Europa eher unrealistisch ist, wie Experten zugestehen.

Noch bevor die Verhandlungen überhaupt richtig begonnen haben, werden sie desavouiert. Wie wäre es, wenn sich die Europäer mit eigenen Lösungsvorschlägen einbringen würden ?

Aber es gibt ja immer noch die Hoffnung auf Aufrüstung und eine EU-Armee. Warum nicht gleich auf Kriegswirtschaft umstellen ?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist. Er lebt in Wien.

War da was ?

Der Mainstream der Berichterstattung über den Ukrainekrieg war und ist vielfach geprägt von Kriegsrhetorik. Nun aber taucht in Medien und Politik zunehmend der Begriff Frieden auf, verbunden mit der Hoffnung auf baldige Waffenstillstandsgespräche.

Wolfgang Koppler *

Angesicht der Turbulenzen um die Regierungsbildung in Österreich und der nahezu allgemeinen Erleichterung, dass es doch nicht zum risikoreichen und die allgemeine Spaltung verschärfenden Experiment einer Kickl-Regierung kommt, ging in Politik und Medien etwas sehr Wichtiges unter: Offenbar unmittelbar bevorstehende Verhandlungen zum Ukrainekrieg.

Fast hatte man den Eindruck, dass sei den Medien ganz recht. Ersparte man sich doch die Peinlichkeit, bei vielen eine 180-Gradwendung in der diesbezüglichen Berichterstattung allzu offen zur Schau stellen zu müssen. Dass man zu diesem Thema am Rande in der ZiB2 des ORF eine eher selten ins Bild kommende Kommentatorin interviewte, war vielleicht nur Zufall.

Hab‘ ich richtig gehört, Putin ist zu Verhandlungen bereit ? Und man fasst ins Auge, auf eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine gegen entsprechende europäische Sicherheitsgarantien zu verzichten ? Oder hatte ich da eine Halluzination ? Wurde nicht genau über diese Themen zu Beginn des Krieges verhandelt und scheiterte das Ganze nicht ?

Eigentlich gar nicht so schwer zu überprüfen. Die Rache der Journalisten an den Politikern ist bekanntlich das Archiv. Die Rache der Leser an den Journalisten ist ihr Gedächtnis.
Und vielleicht darf man das Wort Frieden wieder benützen – ohne es mit desavouierenden Zusätzen zu versehen.

Nichts für ungut. Aber wenigstens ein Blick in die eigenen Artikel der letzten Jahre könnte so manchem Medienprofi nicht schaden.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist in Wien

Zuversicht für die Zukunft?

„Haben Sie noch Zuversicht für die Zukunft?“ lautete kürzlich in der Zukunftsbeilage der Tageszeitung STANDARD eine der Fragen an die Transformationsforscherin Maja Göpel.*

Ilse Kleinschuster **

Maja Göpel antwortet auf die Frage nach der Zukunft mit einem Zitat von Hanna Arendt: „Das Gute hat nie komplett gewonnen – aber das Böse auch nicht. Das sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen. Während es in der Natur echte Kipppunkte gibt, von denen es kein kurzfristiges Zurück mehr gibt, gilt das für gesellschaftliche Entwicklungen nicht. Der soziale Wandel ist viel schneller möglich – und damit bleibt die Zukunft immer offen für Veränderung“.

Hat es Kipppunkte im öffentlichen Diskurs immer schon gegeben und kann (soll) ich zuversichtlich bleiben, dass sich auch diese – meiner Meinung nach für kommende Generationen nichts Gutes versprechende – „Zeitenwende“ durch eine starke, öffentliche Debatte sich noch zum Guten wenden lässt?!?
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Aktuell wird ja die politische Debatte primär in den USA von Menschen beherrscht, die aufgrund ihres Reichtums die Medien beherrschen. Es sind Menschen, die daran interessiert sind, dass Fake News, alternative Fakten und dreiste Lügen salonfähig werden und so zu Kipppunkten im öffentlichen Diskurs führen. In einer „Nachrichtenwüste“ wie den US-amerikanischen Staaten entwickeln sie sich schnell zu destruktiven Influencern in der Politik (z.B. Jeff Bezos, der vor vier Jahren Amazon gekauft hat, sich zunächst aus dem Redaktionellen herausgehalten hat, aber im Vorjahr dem Blatt eine Wahlempfehlung verboten hat). Diese Kipppunkte sind in den USA wohl annähernd erreicht. Europa sollte jetzt alles daransetzen, sich noch rechtzeitig dieser Gefährdung zu entziehen.

Es ist für viele Menschen schwer zu verstehen warum der Staat zum Feindbild der Populisten geworden ist. War es die zu starke Bevormundung „von oben“, vonseiten eines Beamtenapparats mit rechtsstaatlich organisierter Infrastruktur, die von der „ach so aufgeklärten Bürgerschaft“ als restriktiv empfunden worden ist? Da frage ich mich aber schon, beginnt Freiheit nicht mit der Anerkennung von Sein und Sollen? Fehlt es da nicht oft an Perspektivenwechsel, um einen Standpunkt zu finden, von dem aus wir die Erfüllung von zwei oder mehreren Werten erkennen können? Freiheit kann doch nicht nur bedeuten, dass die Regierung uns in Ruhe lässt, aber auch nicht, dass wir die Regierung einfach in Ruhe lassen. Tja, denn zumindest zu meiner Vorstellung von Freiheit gehört auch, für möglichst viele Menschen die Voraussetzung für Glück (wellbeing) zu schaffen.

Nun, der sogenannte Libertäre propagiert Rationalität. Wenn nun Libertäre und ihre Vasallen die wissenschaftliche Propaganda der Fossil-Oligarchen verbreiten, stellen sie sich damit nicht gegen jene Faktizität, wie sie bereits weltweit durch die durch den Klimawandel ausgelöste Katastrophen dokumentiert wird. Wenn nun Fakten (Tatsachen) nicht zählen, dann siegen „aufwieglerische Verbände“, was bedeutet, dass Tyrannen und Oligarchen immer gewinnen. Timothy Snyder sagt: „Um den wenigen Lügen etwas entgegenzusetzen, müssen wir letztlich Millionen kleiner Wahrheiten produzieren.“ (In: „Über Freiheit“, C.H.Beck)

Nun, ist es aber nicht so, dass Fakten sich von selbst dokumentieren, sondern dass Fakten uns brauchen, um von ihnen zu berichten. Mit uns meine ich Menschen, die genau wissen was Fakten bedeuten, nämlich dass diese Bedingungen für Freiheit sind. Wird mit dem Wort Faktizität (Wahrheitsfindung!) nicht ausgedrückt, dass es Arbeit gibt, die sozial sein muss, und zwar in dem Sinn, dass Gemeinschaften die Tatsachenermittlung für Einzelne möglich und attraktiv machen? Faktizität erfordert demnach Institutionen, allen voran für investigative Berichterstattung, konstruktiven Journalismus, kurz: Qualitätsmedien. Ich glaube, um den derzeitigen Veränderungsprozess infrage zu stellen und um der Krisensituation noch rechtzeitig Herr zu werden, braucht es vieler solcher Gemeinschaften.

Wir brauchen daher mehr unabhängige Gemeinschaften wie z.B. den Presseclub Concordia in Wien www.concordia.at, aber natürlich auch die Vereinigung für Medienkultur www.medienkultur.at.

Der Link zum Interview mit Maja Göpel :

https://www.derstandard.at/story/3000000255085/transformationsforscherin-goepel-populisten-haben-die-zukunft-fuer-sich-besetzt

** Gastautorin Ilse Kleinschuster ist Journalistin und engagiertes Mitglied der österreichischen Zivilgesellschaft

Nachrichten besser verstehen

 
Hans Högl:Hinweis auf Text im Blog „Perspective Daily“ 2. Februar 2025 

So werden politische Nachrichten besser verstanden: Ein einfacher Satzbau und weniger komplizierte Wörter helfen bereits. Immer mehr Medien und Politiker:innen erkennen die Vorteile. 

„Welches der beiden folgenden Beispiele findest du auf Anhieb leichter zu verstehen?
»Aktuell sind in der Landesverwaltung rund 6 Prozent Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmer mit Behinderungen beschäftigt. Im Zukunftsvertrag haben sich CDU und GRÜNE darauf verständigt, sicherzustellen, dass mindestens fünf Prozent der Neueinstellungen in der Landesverwaltung Menschen mit Behinderungen sind.«
Oder:
»In NRW arbeiten aktuell etwa 6 Prozent Menschen mit Behinderungen in der Landes-Verwaltung.
Die CDU und die Grüne haben einen Zukunfts-Vertrag.
Hier steht:
Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Landes-Verwaltung müssen mindestens 5 Prozent Menschen mit Behinderungen sein.«

Ö1-Im Gespräch als Lichtblick

Selten, aber doch gibt es sie noch jenseits des medialen Mainstreams: Differenzierende Berichte und Analysen zu komplexen Themen wie zur dramatischen Lage in Gaza und dem Westjordanland. Beispiel dafür die journalistische Auswertung eines bemerkenswerten Referats der Nahostexpertin Francesca Albanese, die an der Universität Wien ein Referat gehalten hat sowie kürzlich in der Ö1-Reihe Im Gespräch interviewt worden ist.

Peter Öfferlbauer *

Die UN-Berichterstatterin für die besetzten Gebiete Westbank und Gaza Francesca Albanese sprach an der Uni Wien am 6.12., worüber u.a. DER STANDARD am 7.12. umfangreich berichtete und feststellte: So scharfe Kritik an der israelischen Kriegsführung in Gaza bekommt man in Wien selten öffentlich zu hören.

Die ORF stories berichten bereits 37 Minuten nach Beginn der in zwei weitere volle Hörsäle übertragenen Veranstaltung nur kurz und knapp und titeln: Kritik am Auftritt der UNO-Berichterstatterin... In früheren Zeiten hätte man wahrscheinlich auf Ö1 dazu ein Journalpanorama hören können, das ist mit dem heutigen, ziemlich undifferenzierten Mitstricken an der westlichen Konsensfabrik kaum zu erwarten.

Umso erfreulicher (auch für das für den ORF immer noch gültige Objektivitätsgebot), dass die Reihe Im Gespräch doch immer wieder Gäste mit erhellenden, weiteren Aspekten und Informationen bringt, wie man sie aus Wien eher selten öffentlich zu hören bekommt, so am 24. und 30.1. eben Francesca Albanese. Das ist in dieser von Peter Huemer begonnenen Sendereihe gute Tradition. Ich erinnere mich, dass damals zum Jugoslawienkrieg erstaunlich anderes zu hören war als aus den täglichen Sendungen. Hoffentlich gibt es noch viele solcher Lichtblicke!

• Gastautor Dr.Peter Öfferlbauer, ehemaliger AHS-Lehrer, ist Politik- und Medienanalyst und lebt in Wels

Zum Nachdenken

„Trump: Gefahr oder Chance“ war das Thema der sonntägigen Diskussionsrunde in ORF2, die nun nicht mehr unter „Im Zentrum“, sondern als „Das Gespräch“ firmiert. Die Diskussionsteilnehmer, u.a. Arbeitsminister Kocher, die Schweizer Politologin Claudia Bruhswiler sowie der Anwalt und USA-Kenner Robin Lumsden kamen dabei zu nicht uninteressanten Schlüssen.

Wolfgang Koppler *

Zu Beginn ging es um die von Trump angedrohten Importzölle, die natürlich- werden sie umgesetzt – in der EU erzeugte Waren in den USA teurer und somit weniger wettbewerbsfähig machen würden. Kocher sprach von einem Gegensatz zwischen einer „interessengelenkten“ und einer „moralgelenkten“ Außen- und Wirtschaftspolitik und forderte besonnenes Abwarten. Der erhobene Zeigefinger auf europäischer Seite sei hier wenig sinnvoll, da er die Positionen nur verhärten würde. Im Endeffekt würden Importzölle beispielsweise das Preisniveau in den USA und damit Inflation und Zinsen erhöhen, was auch nicht im Sinne Trumps sei. Es ließen sich als durchaus Kompromisse finden.

Auch Lumsden meinte, mit Moral sei Trump nicht beizukommen. Er plädierte angesichts eines Marktes mit 600 Millionen Menschen (wobei er sich offenbar auf Gesamteuropa bezog) für mehr Selbstbewusstsein und Zusammenhalt über nationalstaatliche Egoismen hinweg. Trumps Drohungen sah er es eher als Bluff, weil sich dieser sehr wohl der Auswirkungen etwa von Schutzzöllen auch auf die eigene Wirtschaft bewusst sei. Er plädierte ebenso wie Kocher für Pragmatismus. Vieles, was Trump ankündigen würde, sei primär „viel Lärm“.

Kocher wiederum wies darauf hin, dass nicht nur Trumps Ankündigungen, sondern auch seine Behauptungen oft überzogen seien. So gebe es zwar einen europäischen Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA, aber umgekehrt auch einen Dienstleistungsüberschuss, nämlich im digitalen Bereich, der von US-Konzernen dominiert würde. Hier hätten die Europäer die Möglichkeit auf US-Schutzzölle mit Digitalsteuern zu antworten. Wobei er natürlich für Besonnenheit und Verhandlungen plädierte. Statt Eskalation.

Das Thema Digitalsteuern und Internetregulierung führte dann natürlich zu den „Tech-Milliardären“ wie Elon Musk, Jeff Bezos, Marc Zuckerberg usw., die natürlich an Abgaben und Regulierung wenig Interesse haben. Bemerkenswerterweise nannte der durchaus nüchterne Anwalt Lumsden sie Oligarchen mit nicht unbeträchtlichem Einfluss auch auf das politische Geschehen. Auch wenn die Politologin Claudia Bruhswiler dies abschwächte und sie als sich gegenseitig doch irgendwie in Schach haltende Clique erfolgshungriger Männer ansah.

Dass über die Gefahren wirtschaftlicher Machtkonzentration und das Erfordernis einer – vielleicht weniger an (Schein-) Moral, sondern an Interessen und (vielleicht auch an einem neuen Menschenbild orientierten) Neuorientierung Europas diskutiert wurde, ist möglicherweise eine Chance. Wenn wir uns alle mehr in eine solche Diskussion einbringen. Zum Nachdenken.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Zügelung des freien Markts

„Donald Trump und das Ende der Globalisierung“ hieß die jüngste Folge des ORF-Wirtschaftsmagazins ECO in ORF2.

Wolfgang Koppler *

Der ORF-Beitrag wirkte auf mich etwas widersprüchlich. Da wurden vor allem die Vorteile der Globalisierung bzw. des weltweiten Wettbewerbs für unseren Wohlstand hervorgehoben. Und Nachteile kleingeredet. Der Verlust von Arbeitsplätzen durch die Verlagerung von Produktionen sei nur vorübergehend und würde durch die Schaffung neuer, hochqualifizierter Jobs wieder ausgeglichen. Und die Proteste seien sowieso verstummt. Von Umweltbelastungen durch weite Transportwege war nicht die Rede. Auch nicht von der demokratiepolitisch äußerst bedenklichen Macht der Großkonzerne, ihrem Einfluss auf Medien und Politik. Und auch nicht die Verdrängung etwa des stationären Handels durch Onlinehandel von kaum kontrollierbaren Billigprodukten uva. Die Finanzkrise 2008 wurde überhaupt unter den Tisch gekehrt. –

Aber immerhin durfte der ehemalige Bundeskanzler Christian Kern dann in einem Interview feststellen, dass der freie Markt nicht von selber funktioniere und Regulierung benötige. Wie das im weltweiten Wettbewerb – mit einer die Macht einzelner Staaten weit übersteigenden Wirtschaftsmacht von Konzernen – funktionieren solle, erklärte er nicht. Vielleicht könnte eine gewisse Abschottung von Großmächten wie den USA und China zu einem eigenständigeren und selbstbewussteren Europa führen. Mit sinnvollen Regulierungen, die anderen als Vorbild dienen können. Und einer geringeren Abhängigkeit von anderen Märkten. Vielleicht zeigt zunehmende Eigenständigkeit, dass grenzenloses, rein quantitatives Wachstum nicht alles ist. Weil wir uns damit letztendlich ruinieren. Ökologisch, sozial, wirtschaftlich und seelisch.

Und was Russland und China betrifft: Wer sagt, dass Russland sich auf ewig an China bindet und sich Europa nicht wieder zuwenden kann? Gehört es letztlich nicht auch zu Europa, wenn man zu einem vernünftigen Verhältnis findet und die Feindbilder nicht von beiden Seiten aufgeschaukelt werden?

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien