Brasilien nach der Wahl

Die Präsidentenwahl in Brasilien ist geschlagen. Dem neuen alten Präsidenten Lula bleibt vor allem im Bereich Soziales noch viel zu tun.

Hans Högl

Während Bolsonaros Anhänger das Wahlergebnis nicht anerkennen wollen, laufen Brasiliens demokratische Institutionen tadellos. Drei Stunden nach der Wahllokale stand am Sonntag das Wahlergebnis fest – im fünftgrössten Land der Welt mit 215 Millionen Bürgern. Kurz danach schon erklärten die Spitzen von Abgeordnetenhaus, Senat und Oberstem Gericht, dass die Wahl sauber verlaufen war. Am Tag danach begannen die Bürokratien in Brasilia, den Machtwechsel vorzubereiten.

Lula hat zur Zeit seiner Präsidentschaft viel getan, um Armen zu helfen. Hier bleibt weiter noch viel zu tun. Ich erinnere mich an eine brasilianische Univ.-Professorin, die ich in Wien bei einem Kongress vor Lulas 1. Präsidentschaft kennenlernte, dass sie anlässlich von Besuchen in Wiener Sozialeinrichtungen ein unglaubliches Worte sagte: „Ihr lebt in einem Paradies“.

Tatsache ist, dass in vielen Ländern des Südens und bei deren Intellektuellen keine Vorstellung davon besteht, in welchem Ausmaß in den Ländern der immer noch bestehenden sozialen Marktwirtschaft in Europa soziale Einrichtungen bestehen (Kranken-,Sozial-, Arbeitslosenversicherung). Selbst US-StudentInnen schütteln unglaublich den Kopf über vorhandene Studienunterstützungen. Solches wird in den USA als kommunistisch bezeichnet.

Menschen aus dem globalen Süden würden sich die Hände vor Glück reiben über die vorhandenen Sozialleistungen, die es in Österreich, Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien gibt. Interessanterweise kommt dies in Europa bei bestimmten Kreisen überhaupt nicht in den Blick. Es fehlt ein historischer Vergleich. Wer konnte sich damals wie heute einen Urlaub am Roten Meer leisten. Vor der Republik doch nur Großbürger und Adelige. Solches wird völlig übersehen. Welche Breitenwirkung der Wohlstand in Republiken und europ. Industriestaaten genommen hat, wird übersehen. Doch es gibt dennoch viel Unzufriedenheit über vorhandene Ungleichheit und manche nützten dies, um Neid zu schüren und Agitation.

Ein Gedanke zu „Brasilien nach der Wahl

  1. Ihre Feststellung am Ende Ihrer Betrachtung verursacht bei mir nicht bloß Unbehagen, sondern auch massiven Widerspruch:

    „Menschen aus dem globalen Süden würden sich die Hände vor Glück reiben über die vorhandenen Sozialleistungen, die es in Österreich, Deutschland, den Niederlanden und Skandinavien gibt. Interessanterweise kommt dies in Europa bei bestimmten Kreisen überhaupt nicht in den Blick.

    > Ihr Ziel ist Agitation.“

    Die Frage muß erlaubt sein, wie weit die Sozialsysteme sich entwickelt hätten ohne die „Agitation“ der Sozialdemokraten zu den Zeiten Bismarcks. Deutschland und Österreich wären meiner Vermutung nach nicht viel weiter als Brasilien oder die USA in sozialen Belangen. Von „sozialer“ Marktwirtschaft zu sprechen ist in diesen Zeiten beinahe schon verwegen.

    Letztlich drängt sich die Einschätzung auf, daß mit den angestellten Abwärtsvergleichen das Ziel der Ruhigstellung verfolgt wird. Um Irrtümern vorzubeugen: Es kann nicht ernstlich eine Wohlstandsvermehrung geben in unbegrenztem Wachstum. Aber es ist möglich, die Plünderungen der Kolonialzeit zu heilen und doch einen vertretbaren Wohlstand zu wahren weltweit. Zu den Themen zu empfehlen die Werke des „Agitators“ Jean Ziegler.

    Schließlich bleibt der Eindruck, daß mit dem Artikel Stillstand erreicht werden soll. Stillstand, der die bestehenden Verhältnisse betoniert und weltweit die Schere zwischen Arm und Reich weiterhin aufklaffen läßt. Mit wachsendem Tempo, wie die jüngste Zeit erweist.

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