Schlagwort-Archiv: Symbolpolitik

Vernunftsbefreite Politik

Einmal mehr versuchte Armin Wolf mit kritischen Fragen Aufklärung in der Sache. Passendes Beispiel dafür das jüngste ZiB-2-Interview mit Familienministerin Claudia Plakolm zum bevorstehenden Kopftuchverbot für unter 14-jährige. Ungerührt von Wolfs Einwänden erging sich die rechte Nachwuchshoffnung der ÖVP in stets wiederholten Stehsätzen. Sie gestand jedoch ein, dass es sich bei dem Reizthema um Symbolpolitik handle..

Wolfgang Koppler *

Das gestrige Zib2-Interview, das Armin Wolf mit Claudia Plakolm führte, sowie der vorangehende Beitrag zum selben Thema zeigten vor allem eines: Die Kluft zwischen Praktikern und Experten auf der einen und der Politik auf der anderen Seite.

Alle 5 Parteien befürworten das Verbot und zwar unisono mit denselben Stehsätzen. Lehrer, Sozialarbeiter und Religionsvertreter sehen das Verbot ausgesprochen skeptisch, Juristen zweifeln an der Vereinbarkeit mit der Rechtsprechung des VfGH. Lehrer etwa wären zur Anzeige gezwungen, auch wenn das Mädchen das Kopftuch freiwillig trägt. Dass das nicht gerade das Vertrauen zwischen der Schülerin und der Lehrerin und erst recht nicht das zwischen ihren Eltern und der Schule fördert, liegt auf der Hand. Wer mit türkischen Migranten zu tun hatte, der weiß, dass dort Mädchen aus säkularen Familien meist problemlos Umgang mit Kopftuch tragenden Gleichaltrigen pflegen und eine gewisse Toleranz die Integration fördert. Und damit auch den Lernerfolg und das Gefühl, hier in einer echten Demokratie zu leben.

Plakolm hingegen antwortete auf die ihr von Wolf entgegengehaltenen Argumente der Praktiker mit fast eingelernt klingenden Glaubenssätzen. Das Kopftuch als Symbol der Unterdrückung von Frauen, und auch wenn es nicht so deutlich ausgesprochen wurde, die Gefahr eines politischen Islam (dem man so vielleicht sogar in die Hände spielt) Dem VfGH würde insofern Rechnung getragen, als nun auch private Schulen erfasst seien. Was Lehrer, Sozialarbeiter und Psychologen dazu sagen, zählt wenig.

In diesem Fall muss man dem ORF wirklich Lob aussprechen. Es zeigt aber auch, wie sich die Politik zunehmend von Vernunft und Praxis entfernt. Auch in vielen anderen Themen.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist, er lebt in Wien.

„Wie kann man nur so sein?“ Eine bittere Nachweihnachtsgeschichte

Sie waren auch zur Weihnachtszeit in Dreck, Nässe und Kälte. Und werden es auch im Neuen Jahr sein: Die Kinder von Lesbos. Trotz aller Appelle auch aus dem Medienbereich bleibt Österreichs Regierungschef hart.

Udo Bachmair

Was habt ihr damals 2020/2021 unternommen, um unermessliches Flüchtlingsleid zu lindern ? Was habt ihr damals unternommen, um vor allem die zahllosen Kinder, die auf Lesbos unter unfassbaren Bedingungen dahinvegetieren müssen, zu retten ? Bange Fragen, die spätere Generationen an die Adresse von uns heutigen (Un-?)Menschen stellen werden..

Österreich, eines der reichsten Länder Welt, bleibt unbarmherzig dabei: Es werden keine Kinder aus Lesbos aufgenommen. Trotz Bereitschaft von NGOs, der kleinen Regierungsparrei, und auch vieler Bürgermeister jener Partei, die heute den Regierungschef stellt. Sie würden genügend Kapazitäten für die ärmsten der ärmsten Flüchtlingskinder bereitstellen.

Weitgehend Empathie-befreit verfügt ein demokratisch gewählter Kanzler ein Veto gegen aktive Flüchtlingshilfe. Trotz Unterstützung sogar der Kronenzeitung für die Aufnahme einer begrenzten Zahl von Kindern in Not. Die sogenannte „Hilfe vor Ort“ greift nicht bzw. fungiert aus vordergründig politischen Gründen lediglich als Symbolpolitik.

Woher rührt die auch von anderen Medien und Politikern registrierte „Kaltschnäuzigkeit“ und „Hartherzigkeit“ des Regierungschefs und seiner gehorsamen türkisen Gefolgschaft ? Der Grund dürfte nicht nur in einer Missachtung christlicher und humaner Grundsätze liegen, sondern auch in der Überlegung, sich die Rechtspopulisten für eine nächste Koalition warmzuhalten.

„Ihr Kinderlein, kommet“ haben wohl auch einige Türkise am Weihnachtsabend gesungen. „Das neue Jahr zu beginnen, indem man eine Anzahl verzweifelter und traumatischer Kinder aufnimmt, und ihnen eine Zukunft ermöglicht, wäre ein guter Neustart“, formulierte es kürzlich Barbara Coudenhove-Kalergi in einem Zeitungskommentar.

Und Antonia Gössinger, renommierte Chefredakteurin der Kleinen Zeitung Kärnten, sagt in einem Standard-Interview zur leidigen Causa : „Dass eine früher christlich-soziale Partei einfach zuschaut und sagt, wir wollen nicht einmal 30 Kinder in Österreich aufnehmen, ist für mich unerträglich. Das raubt mir den Schlaf, wenn ich mir vorstelle: Wie kann man so sein?“