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Kriegsrhetorik und Aufrüstungshysterie

Und wieder einmal eine ORF-Podiumsdiskussion mit Schlagseite. Einmal mehr war eine Runde zu Krieg und Frieden einseitig zusammengesetzt. Drei gegen Einen : Drei mit Kriegsrhetorik, ein einziger hingegen, der in der TV-Sendung „Das Gespräch“ für Diplomatie und Waffenstillstandsverhandlungen plädierte. Dabei wäre der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in außenpolitischen Fragen zur Ausgewogenheit verpflichtet.

Wolfgang Koppler *

Die gestrige Diskussionsrunde „Das Gespräch“ in ORF2 bewies wieder einmal, dass man – ebenso wie im Vorgängerformat „Im Zentrum“ – vor einer ausgewogenen Gästeliste bei heiklen Themen eher zurückscheut. Mag sein, dass auch noch andere zur Diskussion geladen waren – aber man rechnete – wie auch in anderen Fällen – wohl nicht mit ihrem Kommen. Faktum ist, dass beim Thema „Europäische Aufrüstung“ wieder einmal drei weitgehend übereinstimmende Diskutanten den Brüsseler Mainstream vertraten und nur einer tapfer dagegenhalten dürfte.

Wobei man Diskussionsleiter Tobias Pötzelsberger zugestehen muss, dass er sich selbst um Objektivität bemühte und von seinen persönlichen Erfahrungen aus seinem Politologiestudium erzählte, in dem noch vom „Friedensprojekt Europa“ die Rede war. Klar, dass die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des EU-Parlaments Strack Zimmermann ebenso wie Franz Stefan Gady und ein Vertreter des Bundesheeres mit den Versatzstücken aus dem Kalten Krieg (auf den mehrmals Bezug genommen wurde) antworteten: Frieden durch Stärke.

Wie die geplanten 800 Milliarden für die Aufrüstung zu finanzieren wären und welche Auswirkungen dies auf unsere Gesellschaft als auch auf den globalen Süden hat, wenn wieder einmal Gelder in die Rüstung fließen, mit denen man das Elend, aber auch gesellschaftliche Spannungen und vielleicht auch Terror- und Kriegsgefahr wesentlich effektiver mindern kann. davon war weniger die Rede.

Dafür wurde die Gefahr eines russischen Überfalls auf das Baltikum beschworen, wobei Gady sich auch eher kryptisch auf Geheimdienstinformationen bezog und vor allem auf den nachlassenden Schutz der USA. Dass die US-Kriege der letzten Jahrzehnte eher weniger zur allgemeinen Sicherheitslage beigetragen haben als zu deren Verbesserung, blieb natürlich unerwähnt. Immerhin gestand man zu, dass auch die Diplomatie eine gewisse Rolle spielen müsse – aber natürlich erst nach einer gewaltigen Erhöhung der Militärbudgets.

Der durchaus differenziert argumentierende Chefredakteur der Zürcher „Weltwoche“, Roger Köppel, konnte sich da nur selten Gehör verschaffen und wurde von Strack-Zimmermann auch noch der Verharmlosung Putins verdächtigt. Man kennt das schon. Dabei verwies er durchaus zurecht auf eine allgemeine Kriegs- und Aufrüstungshysterie. Und meinte, dass man sich vielleicht auch mit Interessenlagen und der Vorgeschichte von Kriegen auseinandersetzen sollte. Und dass das Blutvergießen in der Ukraine endlich ein Ende finden müsse.

Wie sagte doch schon Freud: Die Stimme der Vernunft ist leise. Vor allem in Zeiten des Kriegs und der Orientierungslosigkeit.

* Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist in Wien

Zum Nachdenken

„Trump: Gefahr oder Chance“ war das Thema der sonntägigen Diskussionsrunde in ORF2, die nun nicht mehr unter „Im Zentrum“, sondern als „Das Gespräch“ firmiert. Die Diskussionsteilnehmer, u.a. Arbeitsminister Kocher, die Schweizer Politologin Claudia Bruhswiler sowie der Anwalt und USA-Kenner Robin Lumsden kamen dabei zu nicht uninteressanten Schlüssen.

Wolfgang Koppler *

Zu Beginn ging es um die von Trump angedrohten Importzölle, die natürlich- werden sie umgesetzt – in der EU erzeugte Waren in den USA teurer und somit weniger wettbewerbsfähig machen würden. Kocher sprach von einem Gegensatz zwischen einer „interessengelenkten“ und einer „moralgelenkten“ Außen- und Wirtschaftspolitik und forderte besonnenes Abwarten. Der erhobene Zeigefinger auf europäischer Seite sei hier wenig sinnvoll, da er die Positionen nur verhärten würde. Im Endeffekt würden Importzölle beispielsweise das Preisniveau in den USA und damit Inflation und Zinsen erhöhen, was auch nicht im Sinne Trumps sei. Es ließen sich als durchaus Kompromisse finden.

Auch Lumsden meinte, mit Moral sei Trump nicht beizukommen. Er plädierte angesichts eines Marktes mit 600 Millionen Menschen (wobei er sich offenbar auf Gesamteuropa bezog) für mehr Selbstbewusstsein und Zusammenhalt über nationalstaatliche Egoismen hinweg. Trumps Drohungen sah er es eher als Bluff, weil sich dieser sehr wohl der Auswirkungen etwa von Schutzzöllen auch auf die eigene Wirtschaft bewusst sei. Er plädierte ebenso wie Kocher für Pragmatismus. Vieles, was Trump ankündigen würde, sei primär „viel Lärm“.

Kocher wiederum wies darauf hin, dass nicht nur Trumps Ankündigungen, sondern auch seine Behauptungen oft überzogen seien. So gebe es zwar einen europäischen Handelsbilanzüberschuss gegenüber den USA, aber umgekehrt auch einen Dienstleistungsüberschuss, nämlich im digitalen Bereich, der von US-Konzernen dominiert würde. Hier hätten die Europäer die Möglichkeit auf US-Schutzzölle mit Digitalsteuern zu antworten. Wobei er natürlich für Besonnenheit und Verhandlungen plädierte. Statt Eskalation.

Das Thema Digitalsteuern und Internetregulierung führte dann natürlich zu den „Tech-Milliardären“ wie Elon Musk, Jeff Bezos, Marc Zuckerberg usw., die natürlich an Abgaben und Regulierung wenig Interesse haben. Bemerkenswerterweise nannte der durchaus nüchterne Anwalt Lumsden sie Oligarchen mit nicht unbeträchtlichem Einfluss auch auf das politische Geschehen. Auch wenn die Politologin Claudia Bruhswiler dies abschwächte und sie als sich gegenseitig doch irgendwie in Schach haltende Clique erfolgshungriger Männer ansah.

Dass über die Gefahren wirtschaftlicher Machtkonzentration und das Erfordernis einer – vielleicht weniger an (Schein-) Moral, sondern an Interessen und (vielleicht auch an einem neuen Menschenbild orientierten) Neuorientierung Europas diskutiert wurde, ist möglicherweise eine Chance. Wenn wir uns alle mehr in eine solche Diskussion einbringen. Zum Nachdenken.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien