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Erkenntnisreiche ORF III – Doku

Wieder einmal verdient ORF III Lob und Anerkennung. Der Sender überzeugt immer wieder mit qualitativ hochwertigen Beiträgen zu „Kultur und Information“. Letzterer Bereich punktet im Besonderen mit Zeitgeschichte, wie auch die jüngste Doku der Serie „Baumeister der Republik“ belegt.*

Wolfgang Koppler

„Neutralität ist so etwas wie die legitime Ausrede, nicht nach jeder ausländischen Pfeife tanzen zu müssen“ – dieses Zitat stammt interessanterweise von Karl Gruber, Österreichs erstem Außenminister nach dem Krieg. Einem Mann, der eigentlich als ausgesprochen prowestlich galt und von dem man Derartiges nicht erwarten würde.

ORF III widmete ihm am Sonntag in der Reihe „Baumeister der Republik“ eine wirklich aufschlussreiche Dokumentation. Wer weiß schon, dass Gruber in Tirol bei den Sozialdemokraten sozialisiert wurde und erst im Wien der Zwischenkriegszeit zur Vaterländischen Front stieß ? Und dass er 1938 nach Berlin ging, um bei AEG unterzutauchen, wo es um die Produktion und Entwicklung kriegswichtiger Technik ging, was ihm die Möglichkeit bot, unentdeckt Kontakt mit den Amerikanern aufzunehmen ?
Gruber bewies Bauernschläue und Tatkraft auch bei der Übergabe Innsbrucks (das von den NS-Größen zuvor panikartig verlassen worden war) an die US-amerikanischen Truppen. Seine Einsetzung als Tiroler Landeshauptmann nach der provisorischen Gründung einer österreichischen „Staatspartei“, die später in der Tiroler ÖVP aufging, war dann nur noch Formsache. Ende 1945 war er bereits in Wien und wurde mit 36 Außenminister.

Selbstverständlich setzte er sich als Tiroler für Südtirol ein und erzielte das Gruber-De Gasperi-Abkommen, das Teil des Friedensvertrags der Alliierten mit Italien wurde und zumindest eine Basis für das später von Kreisky erzielte Südtirol-Paket darstellte. Wenngleich die Vereinbarung von 1946 ziemliche Unschärfen aufwies, weil Italien sie so interpretierte, dass die Autonomie das Trentino mit umfasst und die Südtiroler innerhalb des Autonomiegebiets minorisiert hätte, war damals wahrscheinlich nicht mehr erreichbar. Trotzdem hatte Gruber den richtigen Augenblick gewählt, um das Thema Südtirol mit Hilfe des Friedensvertrags zwischen den Alliierten und Italien zu internationalisieren. Und Österreich konnte in den 60-ern als zumindest international anerkannte Schutzmacht Südtirols daran anknüpfen.

Dass Gruber ebenso wie später Kreisky Politik als Kunst des Möglichen verstand, zeigte er auch in den Verhandlungen mit den Großmächten zur Vorbereitung des Österreichischen Staatsvertrags. Sein Abgang 1953 erfolgte dann zwar auf den ersten Blick wegen einiger Enthüllungen zur so genannten „Figlfischerei“. Tatsächlich aber wegen Raabs russlandfreundlicherem bzw. diesbezüglich pragmatischerem Kurs. Dass dieser Gruber dann als Botschafter nach Washington schickte, um dort die Eisenhower-Administration in Sachen Staatsvertrag und Neutralität zu „bearbeiten“, zeugt von großer staatspolitischer Klugheit beider Politiker.

Zum Abschluss vielleicht noch in Zitat von Bruno Kreisky (das wohl auch Gruber unterstreichen würde): „In Wien sagt man immer, da kann man nix machen. Ich halte das für falsch. Man kann immer etwas machen.“ Etwas, was die von augenblicklichen Stimmungen und Fatalismus getriebene Politik der letzten Jahrzehnte leider zu wenig beherzigt.

* https://on.orf.at/video/14295960/zeit-geschichte-baumeister-der-republik-karl-gruber

Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien