Archiv der Kategorie: Gastbeiträge

Bewegt euch !

Im Zeiten rückläufiger Abonnenten- und Leserzahlen – vor allem bei den Printmedien – wäre das Verhältnis zu den Lesern und Leserinnen besonders wichtig.

Wolfgang Koppler *

Die Medienkonsumenten werden ja sehr oft von den Journalisten und Journalistinnen mehr oder weniger ignoriert und bestenfalls als notwendiges Übel betrachtet. Schließlich kann man ja nicht nur von Presseförderung und Inseraten leben.

Ihre Meinung zählt sowieso nicht und den Kontakt mit ihnen vermeidet man wie der Teufel das Weihwasser. Oder ist es Ihnen schon einmal gelungen, mit einem Journalisten oder gar Chefredakteur in Kontakt zu treten? Wenn auch nur schriftlich? Eben. Vor Jahrzehnten konnte man – mit etwas Nachdruck – noch einen Chefredakteur oder eine Redakteurin, etwa beim ORF, ans Telefon bekommen. Heutzutage erreichen Sie eher eine Privataudienz beim Papst.

Ein Meinungsaustausch zwischen Journalisten und gewöhnlich Sterblichen findet so nicht statt. Und so sehen auch viele Artikel aus. Abgehoben von den weitgehend ignorierten Lesern. Und des Öfteren auch abgehoben von Hausverstand und Realität.

Aber immerhin gibt es noch Leserbriefe und Chats und das eine oder andere Medium, das gelegentlich darauf eingeht und den Austausch mit seinen Lesern und Leserinnen pflegt. So wie jüngst wieder die Krone in einem Artikel unter dem Titel „Sobotka klebt schlimmer als die Klimakleber“. Da wurden Lesermeinungen widergegeben, die um einiges amüsanter und treffender sind, als das, was man sonst in den Medien zu hören bekommt. Der Vergleich mit den Klimaklebern ebenso wie die Enttäuschung über das Schweigen des Bundespräsidenten.

Man muss die Menschen gern haben, hat schon Victor Adler einem Journalisten der Arbeiterzeitung empfohlen, der es nicht verstand, die Leser anzusprechen und mit ihnen einen Dialog auf Augenhöhe zu führen. Was nicht heißt, das man ihnen immer nach dem Mund redet. Aber sie jedenfalls ernst nimmt. Die Krone macht das manchmal gar nicht so schlecht.

www.msn.com/de-at/nachrichten/other/sobotka-klebt-schlimmer-als-die-klimakleber/ar-AA1kq3zB?ocid=msedgdhp&pc=HCTS&cvid=433a13254241422d99b2f070acfa938f&ei=19

* Mag. Gastautor Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Keine Zukunft für Zukunftsfragen?

Wie jüngst in den Niederlanden ist ein Rechtsruck auch bei der bevorstehenden EU-Wahl wahrscheinlich bzw. wird medial herbeigeschrieben. Eine unheilvolle Entwicklung, wenn die Gefahr fehlender Mehrheiten für Zukunftsfragen besteht.

Ilse Kleinschuster *

Die Berichterstattung zur POLITIK im KURIER von 24. Nov. 2023 treibt mir Schweiß auf die Stirn und lässt mich wieder einmal am Verstand der Menschen zweifeln.

Schon das Titelblatt zeigt den Gewinner und Populisten Wilders – mit Sektglas auf seinen Triumpf anstoßend – und darunter steht „Die Parallelen zu Österreich sind unverkennbar.“
Oder, Seite 8, Großes Bild vom lächelnden Wilders, betitelt „Warum Wilders?“ – Nicht nur wird da in einer Schlagzeile großartig verkündet, dass Geert Wilders, der seit 20 Jahren sein Unwesen in den Niederlanden treibt, jetzt zum PVV-Parteichef gewählt ist und „seinen Höhenflug“ erlebt, sondern – und ich finde es politisch nicht korrekt – wird da in einem Satz gleich auch vom Höhenflug der deutschen AfD und der FPÖ in Österreich berichtet.

Dann ist auf selbiger Seite noch ein kurzer Kommentar aus Brüssel „Blockade von Rechtsaußen? In Brüssel wachsen Sorgen! Nach Wilders‘ Triumpf rückt klarer Rechtsruck bei Europawahlen 2024 näher. Fehlen bald die Mehrheiten für Zukunftsfragen?“

Solche Prophezeiungen ein Jahr vor den Nationalratswahlen in Österreich sind mir einerseits unheimlich – könnten sie nicht all jenen Bürgern*innen, die „politische Idioten“ (gr., nicht vom Fach) sind, Wasser auf ihre Mühlen sein? – Ich meine, wo diese ohnedies schon durch schlechte Parteipolitik total verunsichert sind, ja, sich von laufenden Lösungs-Ankündigungen, die dann nicht eingehalten werden (können), gefoppt fühlen.

Andererseits ist vielleicht die Frage, ob bald Mehrheiten für Zukunftsfragen fehlen würden, hier suggestiv gestellt? doch eine, die uns Bürger*innen mehr beschäftigen sollte.

Immer mehr gibt mir das Selbstverständnis, mit dem oft behauptet wird, wir lebten ja in einer repräsentativen Demokratie und da wäre eben das Wahlrecht die einzige Möglichkeit einer Partei seine Stimme zu geben. Das sei zwar sehr unbefriedigend, aber was können wir schon tun, außer eventuell gar nicht zur Wahl zu gehen.

Ich finde das in einer Zeit, in der wir zunehmend unter globalen Spannungen leben, nicht mehr tragfähig. Ich habe Kenntnis von vielen guten Lösungsvorschlägen, die auch immer wieder öffentlich vorgestellt und im Kleinen praktiziert werden. Wenn ich auch nicht weiß, welcher Weg der beste und schnellste wäre, so höre ich mir doch solche Vorschläge gerne an und versuche sie weiterzugeben. Der letzte, der mich sehr berührt hat, war zum Thema „Herstellung gemeinschaftlicher Handlungsfähigkeit“ durch Demokratie, vorgestellt von Nutt Los, er spricht hier von Demokratie als Befriedungstechnik:

* Gastautorin Ilse Kleinschuster ist engagiertes Mitglied der Zivilgesellschaft

Manipulierender Journalismus

Wer lernen will, wie man unangenehme Nachrichten bekömmlich serviert oder auch einfach die Kunst, nicht anzuecken, beherrschen will, der sehe sich die Berichterstattung zum seit nunmehr 18 Monaten ausstehenden NATO-Beitritt Schwedens an.

Wolfgang Koppler *

Der Antrag auf einen Beitritt Schwedens zur NATO wurde bekanntlich im Mai 2022 gestellt. Damals erklärte man uns, der Beitritt sei eine Sache von wenigen Monaten und die Zustimmung sämtlicher NATO-Mitglieder reine Formsache. Obwohl die Türkei ihren Unmut schon zu erkennen gegeben hatte, da Erdogan Schwedens und Finnlands liberaler Umgang mit PKK-Sympathisanten und Erdogan-Gegnern ein Dorn im Auge war und ist.

Wie erklärt man nun den Medienkonsumenten die Bettelbesuche Stoltenbergs in Ankara und die Tatsache, dass nicht alles so läuft, wie es sich der Westen vorgestellt und man es dem einfachen Volk geschildert hat? Da gibt es – wie immer – mehrere Möglichkeiten: Verschweigen unliebsamer Tatsachen. Hat man etwa in der ZiB2 in den letzten Monaten etwas von den Schwierigkeiten Schwedens im Zusammenhang mit dem NATO-Beitritt gehört? Soweit ich mich erinnern kann, wurde im letzten Juli von der Zustimmung Erdogans berichtet und dass er die Sache nun dem türkischen Parlament vorlegen wolle. Das sei nur noch Formsache. Die Medien jubelten. Seither: Größtenteils Schweigen.

Um zu sehen, wie die Sache derzeit steht, muss man schon im Internet und in den Printmedien nachsehen. Und da zeigt sich, wie man Fakten ehrlich und wie man sie verdreht darstellt. Während die Tagesschau und der Spiegel letzte Woche korrekt berichten, dass der außenpolitische Ausschuss des türkischen Parlaments die Sache ohne konkreten Termin vertagt hätte, weil es Zweifel an der Umsetzung von Zusagen aus Stockholm gebe, zeichnet T-Online ein sehr optimistisches Bild: Unter dem Titel: „NATO-Beitritt von Schweden rückt näher“ und einem Videobild von Erdogan und Kristersson, welche sich die Hände schütteln, heißt es, dass eine „weitere Hürde genommen“ und die Sache in der Kommission für Außenbeziehungen beraten werde. Danach könne sie dem Parlament in Ankara zur Abstimmung vorgelegt werden. Ein Termin dafür stehe noch nicht fest…Von den Bedenken des außenpolitischen Ausschusses im Hinblick auf die Zuverlässigkeit der Schweden natürlich keine Rede.

Das Beste kommt dann noch zum Schluss: Der letzte Absatz des Berichts ist übertitelt mit „Mitgliedschaft im Mai beantragt“. Im Kleingedruckten erfährt man dann, dass es sich um den Mai 2022 handelt. Und weiters ist dann die Rede von einem monatelangen Tauziehen im Zusammenhang mit Schwedens Umgang mit der PKK. Was sich derzeit in der außenpolitischen Kommission tut und warum das Ganze noch nicht im Plenum des türkischen Parlaments liegt, bleibt im Dunkeln. Statt dessen der Hinweis, dass Finnland Anfang April als 31.Mitglied in der NATO willkommen geheißen wurde, Man muss ja schließlich die Hurrastimmung in Brüssel befeuern.

Eine gute Schule für Jungjournalisten. Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will…

*Gastautor Wolfgang Koppler hat dazu folgende Links übermittelt:

https://www.tagesschau.de/ausland/europa/schweden-nato-beitritt-tuerkei-100.html

https://www.spiegel.de/ausland/tuerkei-verzoegert-abstimmung-zu-schwedens-nato-beitritt-a-e1ca99d0-72c7-44dc-a516-8b20008cf41c

https://www.t-online.de/nachrichten/ausland/internationale-politik/id_100283130/nato-beitritt-von-schweden-weitere-huerde-in-der-tuerkei-genommen-.html

https://www.fr.de/politik/erdogan-stellt-klar-tuerkei-bleibt-beim-veto-gegen-schwedens-nato-beitritt-zr-92693135.html

https://www.rnd.de/politik/nato-beitritt-schweden-erdogan-laesst-die-nato-zappeln-tuerkei-verzoegert-zustimmung-FYZLBFROIBEZPKHUVBGW4JOGJY.html

Aufschrei einer engagierten Christin

Die niederländisch/deutsche Dominikanerschwester Yosé Höhne Sparborth hat deutliche Worte gegen das Massensterben in Gaza gefunden. Sie appelliert an Medien und Politik, darauf einzuwirken, weiteres Blutvergießen sofort zu stoppen. Im Folgenden ein Text der Autorin, den uns Adalbert Krims zur Verfügung gestellt hat.

Yosé Höhne Sparborth *

Vor drei Wochen beendete ich eine Bibelstunde mit der Bemerkung:

„Seit 75 Jahren lassen wir Europäer das palästinensische Volk stellvertretend erleiden und „büßen”, was wir Europäer dem jüdischen Volk Jahrhundertelang erleiden ließen mit dem beschämenden Tiefpunkt des Holocaust. 75 Jahre lang schon schauen „wir” europäische Völker zu, wie das palästinensische Volk die Rechnung serviert bekommt und die Folgen zu tragen hat für dieses jahrhundertelange europäische Verbrechen.

Eigentlich schon lange, aber jedenfalls jetzt sollten also europäische Politiker alles tun, um Netanyahu zu stoppen bei diesem langsamen Massenmord. Alles tun, bis beide Völker eigenen Lebensraum erlangen und als Nachbarn leben können. Keine weiteren „Interessen” des „Westens” dürfen hier noch berücksichtigt werden oder die westliche Politik bestimmen. Es reicht jetzt! Es reichte schon lange!

Unbegreiflich ist für mich ist, wie deutsche Politiker nicht durchschauen, dass sie eine neue historische Schuld auf sich laden! Deutschland organisiert in diesen Tagen, Wochen, ein „Wieder”!
Wieder ein Volk, das dem nationalen deutschen Volksempfinden geopfert wird… Und manche europäische Politiker machen mit. Oder schauen zu.

Ich, ursprünglich als Deutsche geboren, mit niederländischem Pass, Tochter eines deutschen Antifaschisten (und einer Niederländerin), der Dachau erleben musste, weil er sich weigerte, Juden zu entlassen, weil er nicht mitmachte mit dem allgemeinen Judenhass. Ich muss mich wieder einmal schämen für mein Volk, das mehr zu eigenen Gefühlen steht als zu den realen Verhältnissen im Nahen Osten. Ist dieses Volk unfähig zu lernen aus der Geschichte?

* Die Dominikanerschwester Yosé Höhne Sparborth war in der niederländischen katholischen Basisbewegung, später in der Friedensbewegung aktiv.

Fenster nach Europa

Laut Kremlchef Wladimir Putin will Russland das Fenster nach Europa trotz Windes weiter geöffnet halten. Ein Signal an den Westen?

Wolfgang Koppler *

Es war eine interessante – von vielen Medien verschwiegene – APA-Meldung unter dem Titel „Für Putin bleibt Fenster nach Europa offen“. Sie bezieht sich auf eine Aussage Putins jüngst beim Internationalen Kulturforum in St. Petersburg: Auch wenn darüber nachgedacht werde, das Fenster zuzudrücken, werde dies nicht geschehen, äußerte sich Putin dort laut Staatsagentur TASS.

Auch wenn Putin sich dabei übertrieben souverän gab („Wir haben keinen Konflikt mit der europäischen Gesellschaft, aber Russland erlebt mit der europäischen Elite schwere Zeiten.“), so ist es doch auch ein Signal an den Westen: Wir können auch ohne euch leben, bzw. ihr könnt uns gern haben. Aber wir sind gesprächsbereit. Dass dabei vom Ukrainekrieg und von Verhandlungen nicht explizit die Rede ist, ist klar. Kein Politiker wird seine Karten offen auf den Tisch legen. Schon gar nicht, wenn er sich in einem festgefahrenen Krieg befindet. Aber zusammen mit einigen anderen Signalen aus jüngster Zeit ist es ein ziemlich deutliches Zeichen von Verhandlungsbereitschaft.

Auch wenn beide Seiten in der Öffentlichkeit auf ihren Standpunkten beharren, wäre jetzt wirklich die Zeit gekommen, über Kompromisse nachzudenken. Zum Beispiel Ausverhandlung der bereits zu Beginn des Krieges angedachten Neutralität mit Sicherheitsgarantien. Autonomie und Entmilitarisierung von Luhansk, Donezk, Saporischyja und Cherson (nach Rückzug von russischer und ukrainischer Armee) sowie Verzicht auf die Krim.

Aber zuerst: Waffenstillstand und Verhandlungen. Beide Seiten wissen längst, dass sie den Krieg nicht oder zumindest nur unter ungeheuren Opfern gewinnen können. Und wenn bei den Verhandlungen nichts herauskommt, kann man ja immer noch im Frühjahr weiterschießen. Und was Biden betrifft: Er könnte einen Erfolg dringend brauchen. Und das heißt vor allem: ein stabiler Frieden. Oder wollen wir, dass Trump 2025 wieder im Weißen Haus sitzt ? Wie hat er laut Frankfurter Rundschau neulich gesagt ? Er sei der einzige Mensch, dessen Aussicht mit jeder Anklage steigen und steigen..

Die USA und Europa hätten ihn wirklich verdient. Gegen ihn ist Till Eulenspiegel ausgesprochen langweilig. Vielleicht arbeiten Politik und Medien gerade deswegen – bewusst oder unbewusst – auf ein solches Szenario hin…

• Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Journalistische Sprachregelung

„Glossar Berichterstattung Nahostkonflikt. Zur internen Nutzung“ ist der Titel eines dem „Nachdenkseiten“-Autor Albrecht Müller vorliegenden Papier der ARD. Ein Papier voll mit Sprachregelungen für Journalistinnen und Journalistinnen der deutschen öffentlich-rechtlichen Anstalt. Ein demokratie- und medienpolitischer Skandal, so die Kritik.

Albrecht Müller *

Damit Sie dieses Papier schnell in Händen haben, verzichte ich auf eine ausführliche Wiedergabe. Auf Kommentierung kann ich verzichten. Die Texte sprechen für sich selbst und gegen das Demokratieverständnis der ARD:

Auf den Seiten 3 und 4 lesen wir das Folgende:

Glossar Berichterstattung Nahostkonflikt (zur internen Nutzung)

Wie macht es die Tagesschau? (E-Mail-Auszüge)

„(…) nach unserem Austausch in der 10:30 Uhr heute noch mal ein Blick auf die Formulierungen in der Berichterstattung über Nahost. Wie bereits gestern geschrieben, müssen wir das von Tag zu Tag anschauen, beispielsweise ob und wie wir das Wort „Krieg“ verwenden. Heute gibt es diese Hinweise und Bitten:

Wir sprechen weiterhin von „Angriff/en aus Gaza auf Israel“ oder „Terrorangriff/e auf Israel“. Es kann aber auch „Krieg gegen Israel“ verwendet werden.

Was unbedingt vermieden werden muss, sind Worte wie „Gewaltspirale“ – und auch „Eskalation in Nahost“ beschreibt die aktuelle Lage seit Samstag nicht ausreichend. Die Situation ist komplexer.

Bitte passt auch auf wie wir das Wort „Angriff“ genau verwenden: In dieser Situation sind es „Gegenangriffe von Israel auf Gaza“. Es ist verkürzt zu sagen oder schreiben „Angriffe auf Israel und Gaza“.“

(…)

„Als Reminder zudem die Rundmail von gestern:

Unsere AG Sprache beschäftigt sich in diesen Tagen noch mal intensiv mit Begriffen und Beschreibungen zur Nahost-Berichterstattung. Bitte alle, die bei uns schreiben und oder moderieren einmal die Beispiele unten durchlesen. Damit vermeiden wir Missverständnisse oder Fehler. Außerdem bei Übernahme von Agenturtexten bitte genau überlegen, ob die Formulierungen von dpa und Co. korrekt sind. Die Kolleginnen und Kollegen machen auch nicht immer alles richtig…“

(…)

„Hamas-„Kämpfer“ bitte vermeiden!

Wie bereits von der Chefredaktion festgelegt, sollten wir nicht euphemistisch von Hamas-„Kämpfern“, sondern von Terroristen schreiben und sprechen. Als Synonyme bieten sich „militante Islamisten“, „militante Palästinenser“. „Terrormiliz“ oder ähnliches an.

Die antisemitische Hamas wird international weitgehend als terroristische Organisation eingestuft.

Auch unterscheidet die Hamas – im Gegensatz zur israelischen Armee – in ihren Aktionen nicht zwischen militärischen Zielen und Zivilisten. Erklärtes Ziel der Hamas ist vielmehr die „Vernichtung Israels“. Dazu bedient sie sich terroristischer Mittel, etwa durch das Verüben von Anschlägen, wahllosen Raketenbeschuss und ähnliches.

Gleiches gilt für Mitglieder des „Islamischen Dschihad“, die an dem Hamas-Angriff beteiligt sind.

((Glossar Berichterstattung Nahostkonflikt (zur internen Nutzung)))

Radikaler Islam, Islamismus, militanter Islamismus

Die Hamas ist klar islamistisch ausgerichtet – ihr Ziel ist die Errichtung eines islamischen Staates.

Dieses Ziel teilen aber auch islamistische Organisationen, die nicht auf Terror setzen – etwa die Muslimbrüder in Ägypten oder die Ennahda-Partei in Tunesien. Die Hamas dagegen will dieses Ziel mit Gewalt durchsetzen. Wir empfehlen daher die Begriffe „militant-islamistisch“ oder „militante Islamisten“. Den Begriff Islamisten solo zu setzen, ist aber nicht falsch.

Bitte die „Gewaltspirale“ vermeiden

Die Floskel sagt wenig aus und geht in der Regel an den Realitäten vorbei. Im aktuellen Fall hat die Hamas Israel überraschend angegriffen – wir sollten daher auch vom „Hamas-Angriff auf Israel“ oder vom „Angriff auf Israel“ sprechen und schreiben.

Aktion und Reaktion

Mit der mutmaßlichen harten Reaktion der israelischen Armee wird sich in den kommenden Tagen der Fokus und damit auch unsere Berichterstattung auf den Gazastreifen und das Leid der dortigen Bevölkerung verschieben. Wir sollten dabei aber nicht ausblenden, dass die Hamas den aktuellen Konflikt begonnen hat.

Wer greift was an?

Die israelische Armee fliegt als Reaktion Angriffe im Gaza-Streifen. Ziele waren in der Vergangenheit stets militärische Einrichtungen der Hamas. Oft sterben dabei viele Zivilisten – die Hamas nutzt diese oft als menschliche Schutzschilde. Dennoch sollten wir stets klarmachen, dass es sich in der Regel um Angriffe auf militärische Ziele handelt.

In diesem Zusammenhang sollten wir auch auf die immer wieder auftauchenden euphemistischen „Luftschläge“ verzichten. Es handelt sich um Angriffe mit Raketen und Kampfjets.

*Albrecht Müller ist ein deutscher Volkswirt, Publizist und ehemaliger Politiker (SPD).

Der Beitrag ist der kritischen Website „Nachdenkseiten“ entnommen: https://www.nachdenkseiten.de/?p=105894

Zusatzbemerkung von Ex-ORF-Redakteur Udo Bachmair, hauptverantwortlich für die Vereinigung für Medienkultur:

Ob es eine interne schriftliche Sprachregelung auch für (laut Redaktionsstatut) „eigenverantwortliche“ ORF-Redakteure gibt, ist nicht bekannt. Das wäre wahrscheinlich nicht nötig, denn viele ORF-JournalistInnen scheinen ohnehin im Sinne des Mainstreams in der Nahost- und auch der Ukrainekriegsberichterstattung zu „funktionieren“…

Keiner wird gewinnen

Die ORF2-Sendung ECO hat sich kritisch mit illegalem Online-Glücksspiel und dem Abzocken von Spielern befasst. Aber auch der ORF selbst fördert mit Sendungen, wie etwa mit „Euro-Millionen“, indirekt die Spielsucht.

Wolfgang Koppler *

Egoismus und Gewinnstreben sind ja das antreibende Element unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft. Wer`s nicht glaubt möge beim Säulenheiligen der amerikanischen Nationalökonomie Adam Smith nachsehen. Oder bei Max Weber: Die puritanische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Die Auswüchse dieser durch den Neoliberalismus der letzten Jahrzehnte und die immer größeren technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten verschärften Ideologie sehen wir in Umwelt, Politik und – zerstörten Existenzen.

Im jüngsten ORF-Eco Spezial ein interessanter Beitrag zum Thema „Illegales Online-Glücksspiel-Wie Spieler abgezockt werden und der Staat zuschaut“. Es geht um Online-Glücksspielanbieter mit einer Lizenz im EU-Ausland, die in Österreich keine Berechtigung zum Angebot von Glücksspielen besitzen. Sie bieten trotzdem im Internet Glücksspiele an – von Sportwetten bis zu Online-Casinos. Rund zwei Drittel aller Spielverluste gehen auf das Konto illegaler Anbieter. Und unzählige Folgen von Spielsucht. Nicht nur hohe Verschuldung, auch Persönlichkeitsveränderungen, Depressionen bis zu Suizidgefahr sind die Folgen.

Tausende Klagen auf Rückzahlung der Verluste sind anhängig. Die Judikatur ist eindeutig und demgemäß sind bereits zahlreiche rechtskräftige Urteile österreichsicher Gerichte gegen die Anbieter ergangen. Sie müssten nach EU-Recht auch im Ausland vollstreckt werden. Etwa in Malta, einem Kleinstaat, in dem zahlreiche dieser Anbieter sitzen und rund 10 % seiner Einnahmen aus dem Glücksspiel rekrutiert. Malta hat trotzdem hochoffiziell die Vollstreckung dieser Urteile ausgesetzt. Wohl in dem Wissen, dass unsere Regierung niemals ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten wird.

Diese unternimmt nämlich auch im Inland nichts gegen diese illegalen Anbieter, obwohl einzig und allein die österreichische win2day (eine Tochter der Casinos Austria) eine diesbezügliche Lizenz besitzt. Finanzminister Brunner verweist – es wirkt fast höhnisch – darauf, dass man ja die illegalen Anbieter melden könne (zumal der größte Teil in Österreich nicht einmal Steuern zahlt). Österreich könnte aber sehr wohl Internetadressen sperren oder ein Werbeverbot einführen. Deutschland hat bereits Maßnahmen ergriffen – Österreich nicht. Brunner meint in einer Aussendung, man müsse abwägen und erwähnt dabei auch das Wort „Wettbewerb“ (auf Teufel komm raus ?). Obwohl selbst im Regierungsprogramm noch solche Maßnahmen angedacht waren.

Ein Verein, der – hochoffiziell – die Interessen dieser illegalen Anbieter vertritt, beruft sich auf die Dienstleistungsfreiheit. Die hier nicht greift. Aber greifen tut offenbar etwas anderes: Der Vertreter der Glücksspielanbieter erklärte, wenn man die Tätigkeit dieser Anbieter erschwere, dann könnten sie nicht mehr den Sport unterstützen.

Seltsam, dass sich – abgesehen von ein paar Stimmen in dem hervorragend gemachten Beitrag – so gar kein Protest erhebt. Weder aus Sportlerkreisen noch aus seriösen Kreisen der Wirtschaft (die es vielleicht auch noch gibt), von Juristen oder der Kirche. Eines von vielen Zeichen der Bankrotterklärung unserer Gesellschaft.

Eine kleine Kritik am ORF und anderen Fernsehanstalten muss ich trotzdem anbringen: Millionenshow und Euro-Millionen fördern leider auch die Geldreligion und Spielsucht. Früher galten große Gewinne im Fernsehen als unmoralisch (weshalb man bei Sendungen wir EWG maximal 8000 Mark (!) gewinnen konnte). Vielleicht sollte man zu diesen Grundsätzen wieder zurückkehren.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Jurist und Journalist und lebt in Wien

Das Ende der Menschenrechte?

Die ORF-Sendereihe PUNKT EINS des renommierten Radiosenders Ö1 ist zum Fixpunkt interessanten und spannenden Hörerlebnisses geworden. Thema der jüngsten Sendung waren die Menschenrechte.

*Ilse Kleinschuster

Nun, der Zeitpunkt für eine Suche nach den Menschenrechten war schon besser – aber, die Hoffnung stirbt zuletzt! Nach einer „Gemeinsamen Sicherheit“ wird immerhin noch gesucht!
Ist es denn wirklich nicht möglich, aus den UNO-Berichten der 1980-er Jahre, insbesondere dem Bericht der Palme-Kommission, auch für die gegenwärtige Lage Anhaltspunkte für das angemessene Herangehen an die existentiellen Menschheitsprobleme des 21.Jhts. zu finden? Wenn nun die Politik der Weltmächte zunehmend versagt, dann muss heute doch der Druck zur Umsteuerung von unten, aus den Völkern bzw. den Zivilgesellschaften kommen.

Auch wenn der Palme-Bericht II aus dem Jahr 2022 einen konkret formulierten Appell an die Weltgemeinschaft enthält, „die internationale Ordnung in den Griff zu bekommen, um Kriege zu verhindern, die globale Erwärmung aufzuhalten, Pandemien zu bekämpfen und globale Herausforderungen zu bewältigen“, so ist das zwar löblich, aber ohne einen sanktionsfähigen Internationalen Gerichtshof offensichtlich nicht möglich.

Wie wäre es die UNO zu stärken (finanziell z.B. durch Abgaben der großen Konzerne auf die Gemeingüter an die Staaten (Staatendividende) – oder, eine UN-Sonderversammlung zu den Themen Abrüstung, Entspannung und Sicherheit damit zu beauftragen, eine jährliche Senkung der Militärausgaben verbindlich festzulegen, um die freiwerdenden Mittel für die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung des Übergangs zu klimafreundlicherem Wirtschaften und der generellen Friedenskonsolidierung zu verwenden?

Ich finde, Europa als Wiege der Aufklärung und der „UN-Menschenrechtserklärung“ käme dabei eine besondere Rolle zu, ich höre aber zumeist nur Kriegsgeschrei, umso mehr möchte ich hier und jetzt auf die Rolle einer starken Friedensallianz aufmerksam machen, der Sie auch beitreten können: www.abfang.org

*Gastautorin Ilse Kleinschuster ist aktives Mitglied der Zivilgesellschaft. Die von ihr erwähnte Ö1-Sendung zum Thema Menschenrechte können Sie unter folgendem Link nachhören:

www.oe1.orf.at/programm/20231103#739105/Das-Ende-der-Menschenrechte

Krone zum Fall Riedl

Der Fall des Gemeindebundpräsidenten und ÖVP-Bürgermeisters Alfred Riedl, dem manche Medien indirekt Korruption unterstellt haben, hat die Öffentlichkeit ausführlich beschäftigt. Nun ist die Causa seitens der Kronenzeitung mit neuen Aspekten abermals aufgerollt worden.

Wolfgang Koppler *

Man sollte eigentlich nicht zwischen Boulevardmedien und Qualitätsmedien, sondern nur zwischen gutem und schlechtem Journalismus unterscheiden. Gerade die Krone liefert immer wieder – trotz mancher reißerischer Schlagzeile und dem einen oder anderen Ausreißer – Beispiele von echtem Qualitätsjournalismus (der ja auch unterhaltsam sein darf). Der Fall Riedl selbst wurde ja schon in den Medien ausführlich dargestellt, sodass man die Vorgänge als bekannt voraussetzen darf.

Während etwa die meisten Medien angesichts von Riedls Unerschütterlichkeit bereits resigniert haben, nutzt die Krone (die den Fall durch Recherchen in Zusammenarbeit mit dem Nachrichtenmagazin Profil vor zwei Jahren ins Rollen gebracht hat), nunmehr Riedls Selbstdarstellungsbedürfnis, um ihn sich selbst entlarven zu lassen. Oder vielleicht zur Einsicht zu bringen… Unter dem unter Anführungszeichen gesetzten Titel „Mikl befeuerte Hasskampagne“ liefert Riedl nicht nur ein Sittenbild von sich selbst, sondern von weiten Teilen unserer Gesellschaft. Einige Beispiele daraus will ich den Lesern nicht vorenthalten:

„Herr Riedl, vor rund zwei Jahren haben die „Krone“ und das „Profil“ über Grundstücksgeschäfte berichtet, von denen Sie finanziell privat profitiert haben. Würden Sie alles wieder genauso machen ?“

Alfred Riedl: „Wenn man bedenkt, was aus der ganzen Geschichte entstanden ist, dann hätte ich vorher den Grund bereits den Kindern geschenkt. Aber ich will nichts verstecken. Das habe ich nicht notwendig. Ja, ich habe dort Familiengrund, wie alle anderen Grundeigentümer auch, um € 19 pro Quadratmeter verkauft. Dazu stehe ich.“

Und schließlich nach ein paar weiteren Details die nicht ganz unwesentliche Frage:
„Und darin sehen Sie keine falsche Optik ? Zumal es andere Projektvarianten gegeben hätte, die keine ihrer Flächen umfasst hätten.“
„Ich war immer fleißig und engagiert. Wesentlich ist, dass in meinem Fall alle Vorgänge transparent…“

Dass in der Folge dann auch noch Mikl-Leitner attackiert wird und Riedl sich als Opfer einer Hasskampagne sieht, versteht sich fast von selbst.

Es gibt sicher Fälle, wo – wie etwa im Fall der sogar wiederholten Veröffentlichung auch rechtlich irrelevanter Chats oder gar Gesprächsaufzeichnungen – die Medien hier und da zu weit gehen. Im Fall der – eher vorsichtigen – Berichterstattung zum Fall Riedl kann man dies wohl nicht sagen. Da fehlt es eher an Einsicht auf der anderen Seite.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Bruno Kreisky aktuell

Bruno Kreiskys Idee eines Marshallplans für die Dritte Welt erscheint aktueller denn je. Unser Gastautor hat sich dieser komplexen Thematik angenommen:

Wolfgang Koppler *

Zufällig überflog ich die Beiträge der Vereinigung für Medienkultur aus den letzten Wochen, als mir der Artikel „BRICS-Staaten für globale Entwicklungsbank“ vom 19.9. ins Auge stach. Hans Högl nimmt darin dankenswerter Weise Bezug auf einen Aufsatz von Thomas Roithner in der Furche zum von unseren Medien – insbesondere im Ukrainekrieg – stark vernachlässigten Thema Geoökonomie und erwähnt den Plan der BRICS-Staaten zur Schaffung einer „New Development Bank“ als Gegengewicht zu den von den USA nach wie vor forcierten Brettonwoods-Institutionen Weltbank und IWF zur Finanzierung von Entwicklungs- und Infrastrukturprojekten in den so genannten „ärmeren Ländern“.

Nur wenigen Journalisten dürfte bekannt sein, dass schon seit mehr als 60 Jahren die Idee eines Marshallplans für die Dritte Welt (wie man den globalen Süden damals nannte) existiert. Sie stammt von Bruno Kreisky, weshalb der Plan 1984 nach ihm benannt wurde. Sein diesbezügliches Engagement wurde schon in seiner Jugendzeit geweckt im Zuge der damals aktuellen antikolonialen Bewegung und später verstärkt durch seine Begegnung mit Nehru. Anfang der 60-er Jahre kam es auf seine Initiative zu einer Konferenz für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft und in der Folge zur Gründung des bis heute existierenden Wiener Instituts für Entwicklungsfragen.

Kreisky war der Ansicht, dass der ERP-Fonds aus dem Marshallplan, der (West-)Europa wirtschaftlich wieder auf die Beine geholfen hatte (und der durch Kreditrückzahlungen bis heute immer wieder aufgefüllt wird) zumindest teilweise umgewidmet werden sollte, um die Finanzierung von Infrastrukturprojekten in Entwicklungsländern zu ermöglichen. Wobei Kreisky dabei Summen in Höhe von mehreren Hundert Milliarden Dollar vorschwebten, die von Europa als Ganzes aufgebracht werden sollten (vielleicht etwas sinnvoller als der Ukrainekrieg). Dazu konnten die USA und Europa sich bis heute nicht entschließen. Statt dessen führen die oft für wenig zweckmäßige Projekte verwendeten Kredite der Weltbank (Stichwort: Festhalten an Brettonwoods) zu immer weiterer Verschuldung des globalen Südens. Der Zinsanstieg der letzten Jahre verstärkt diese Armutsfalle. Kein Wunder, dass die BRiCS-Staaten nach Auswegen aus dem Finanzsystem des Westens suchen (wobei Staaten wie China und Russland natürlich ihre eigenen Interessen verfolgen, was aber nichts an der Problematik von Brettonwoods für den globalen Süden ändert):

Zum Schluss einige Sätze aus Kreiskys Biographie „Im Strom der Politik“ (S 261 ff.), die nach wie vor hochaktuell erscheinen:

„Die Welt ist so klein geworden, dass politische Grenzen der Solidarität von Mensch zu Mensch nicht Einhalt gebieten können…Ich war der Ansicht, dass man den Entwicklungsländern, je nach ihrem Reifegrad mit einer multilateralen Vereinbarung helfen müsse, die ihnen angemessene Infrastruktur zu schaffen…Dass ich mit meiner Empfehlung den Ausbau des Eisenbahnnetzes voranzutreiben, zuletzt nicht falsch lag, geht daraus hervor, dass die Schulden der Länder der Dritten Welt zum großen Teil auf die während vieler Jahre sehr hohen Ölpreise zurückzuführen sind…“

Und vielleicht noch etwas von Kreisky zum Thema Visionen:
„Aber eines hat die Imagination dem Kleinmut des Krämers voraus: Sie schafft langfristige Perspektiven, für die es sich einzusetzen lohnt.“

Wer Visionen hat, braucht also nicht unbedingt einen Arzt.

Abgesehen von einigen zeitbezogenen Stellen sind Kreiskys Ausführungen nach wie vor sehr aktuell. Vielleicht sollten einige Journalisten und Politiker -unabhängig von ihrer politischen Einstellung – vielleicht weniger Kreisky-Bashing betreiben und statt dessen einmal seine Biographie zur Hand nehmen. Es kann nicht schaden, wieder ein gutes Buch zu lesen. Es beißt nicht.

* Mag. Wolfgang Koppler lebt als Jurist und freier Journalist in Wien