Archiv für den Monat: September 2025

Sichtbar und ansprechbar

Kürzlich fiel mir eine ein paar Wochen alte Ausgabe des „Spiegel“ in die Hand. Es war überraschend, wie einfühlsam und gleichzeitig zeitkritisch etliche der Artikel waren.

Wolfgang Koppler*

Einer der Artikel handelte von der Neuaufstellung des „Bündnis Sahra Wagenknecht“ nach dessen knappem Scheitern bei der letzten Bundestagswahl. Die Partei hat ihre Büros in Berlin zwar geräumt, doch in Ostdeutschland ist sie nicht nur in einigen Landtagen vertreten, sondern versucht dort einen Neubeginn. In Form einer Politik zum Anfassen, wie sie auch die KPÖ durchaus erfolgreich in Salzburg und Graz betreibt. Politiker des BSW nehmen sich der Sorgen der Menschen an, veranstalten gutbesuchte Treffen in kleineren Lokalen, in denen sich „Basispolitiker“ ihrer Sorgen annehmen. Bei ein paar Bierflaschen geht es genauso etwa um einen kaputten Heizkessel wie auch um Wangenknechts Friedenskurs, der angesichts des allgemeinen Aufrüstungsgetöses bei den von Zukunftssorgen geplagten Menschen in Ostdeutschland gut ankommt. „Sichtbar und ansprechbar sein“, nennt das Landtagsabgeordneter Henschel-Thöricht, der selbst solche Runden veranstaltet.

Kein Wunder, dass ein ehemaliger SPD-ler, der an einer solchen Runde teilnahm, sich die Bemerkung nicht verkneifen konnte, dass es ein bisschen wie bei den alten Sozialdemokraten sei.
Und ebenfalls kein Wunder, dass das BSW in Sachsen seit Jahresbeginn seine Mitgliederzahl verdoppeln konnte. Und dass sich auch schon Menschen finden, die in Sahras Fußstapfen treten wollen, wie etwa eine 41-jährige Historikerin an der Universität Halle, die meint, die Idee BSW, hätte es verdient, „dass wir weitermachen“. Und es wäre die Aufgabe der Medien, ihr Gehör zu verschaffen. Die gegenwärtigen Krisen böten dazu eine gute Gelegenheit. Wo man doch angesichts vieler nicht gerade überzeugender Spitzenpolitiker und der angeblichen „Zeitenwende“ sowieso nicht weiß, wohin man sich wenden soll (um mit Herrn Karl zu sprechen). Da kann man sich doch ausnahmsweise einmal auf sein Rückgrat besinnen.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler lebt als Journalist und Jurist in Wien

Nötiges Umdenken

Kann eine KI-generierte Gesellschaft mithilfe einer neuen Verteilungsordnung der Ergebnisse unseres Wirtschaftens auf den richtigen Weg gebracht werden? Dieser Frage hat sich der Romancier Peter Rosei in einem vom STANDARD veröffentlichten Essay gewidmet.*

Ilse Kleinschuster

Künstliche Intelligenz als „ein Werkzeug, das uns zum Umdenken zwingt“ wird hier nicht nur als ein vom Autor angedachtes Tool für eine Wohlfahrts-Gesellschaft propagiert. Auch die Standard-Redaktion vermittelt lobenswerterweise durch die Veröffentlichung dieses Essays Möglichkeiten über einen notwendigen gesellschaftlichen Wandel öffentlich nachzudenken: in dem Sinne als „dieses Umdenken in Richtung einer umfassenden Befreiung von geisttötender Arbeit, nicht aber zu der Errichtung eines Reichs der Faulheit und Geistlosigkeit führen könnte, – wenn wir es nur anders wollten.“

Immer wieder in der Geschichte sind neue Denkräume entstanden, haben sich Denkschulen gebildet, die wieder anders oder ausgeweitet wurden, bald kulturell, bald sozial, bald ökonomisch – und meist ging das nicht ohne ideologische Konflikte ab. Heute sei der ideologische Raum, in dem die KI auftaucht und eingesetzt wird, der Kapitalismus, ist Peter Rosei überzeugt. Und weil hier grundlegend die Parameter profitabel oder nicht profitabel gelten, sollten wir gewarnt sein: Die Arbeitswelt werde durch den massenhaften, ungelenkten Einsatz der KI zu einem Raum, in dem Menschen, die keinen Mehrwert schaffen, den Boden unter den Füßen verlieren.

Als wichtigen Schritt zur Veränderung sieht der Autor ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) als Baustein im Transformationsprozess mit dem Ziel, ein „Gutes Leben für Alle“ zu schaffen. Es ist hier und jetzt nicht mein Anliegen, ein Plädoyer für das BGE zu lancieren, ich wollte lediglich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, dass ein so kluger Mensch wie Peter Rosei sich Gedanken über das Dilemma macht, dass durch einen ungelenkten KI-Wahn bald nicht mehr einzubremsen sein wird. – Rosei fragt: „Wäre es nicht denkbar, das unter Einsatz der KI erwirtschaftete Ergebnis, um nicht zu sagen: unseren Reichtum, anders einzusetzen als bisher? Schon die Bewohner von Thomas Morus’ Utopia ließen sich in der Hinsicht einiges einfallen. Die Vorstellung, eine durch Maschinenarbeit begünstigte Menschheit könnte bei weitem kürzere Arbeitszeit das gleiche ökonomische Ergebnis erwirtschaften wie im alten und früheren Zustand, findet sich zum Beispiel auch bei John Maynard Keynes – auch dort übrigens aufgefasst als Vision einer Befreiung des Menschen.“

Es geht Rosei aber nicht nur um Jobverlust, sondern er weiß offensichtlich auch um die Problematik des enormen Energieverbrauchs, den der rasante Ausbau der Digitalisierung und da gehört KI dazu, mit sich bringt und er verweist auf die Wiederkehr der Atomkraftanlagen, deren fragewürdige Betriebssicherheit und die ungeklärte Endlagerung der Abfälle.
Nicht zuletzt verweist er auch auf die unseriöse Methode der Datenspeicherung, der wir uns alle ausgesetzt sehen: „Bis dato gibt es keine internationale Konvention, die die Urheber schützen, ihnen ein Entgelt für die von ihnen geleistete Arbeit sichern würde – auch in weitere Zukunft ist nichts dergleichen in Aussicht.“
Noch immer liegen, um Bert Brecht zu paraphrasieren, die Mühen der Ebene in weiter Ferne, die Mühen der Berge türmen sich vor uns auf.

* https://www.derstandard.at/story/3000000284581/die-ki-als-neues-werkzeug-das-zum-umdenken-zwingt.