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Wahlkampf mit Gewalt in der Sprache

Der Wahlkampf für die Nationalratswahl am 29. September 2019 war erwartungsgemäß reich an Verbalradikalität, vielfach arm hingegen in Bezug auf Inhalt und Niveau. Gewalttätige Sprache war glücklicherweise nicht generell dominant. Die blieb größtenteils FPÖ-Hardliner Kickl vorbehalten.

Dazu mein nun in der Tageszeitung „Die Presse“ veröffentlichter Gastkommentar :

Udo Bachmair

Den Linken gebühre „eine Gerade oder ein rechter Haken“. Oder: „Man sollte sie gemeinsam mit Afghanen in ein Loch sperren“. Oder : „Ich beiße zu, wenn sie mir einen Maulkorb umzuhängen versuchen. Kann euch nur sagen, das tut dann weh“. Oder Flüchtlinge, die zu wertloser Ware werden : „Nicht bestellt-Lieferung zurück“.

Einige der Gewaltbotschaften und menschenverachtenden jüngsten Äußerungen eines Ex-Innenministers der Republik. Undenkbar etwa in Deutschland. Ähnliches ist öffentlich bisher nicht einmal von der rechtsextremen AfD zu vernehmen gewesen. Doch Österreich ist anders. Empörung und Protest halten sich in Grenzen.

Verbale Gewaltbotschaften gehen einher mit Hass, Hetze und Schüren von Ängsten. Vor allem auf lokalpolitischer Ebene benützen vorwiegend FPÖ-Mandatare gerne eine gewaltbetont feindliche Sprache gegenüber politisch Andersdenkenden und Fremden. Beispiel etwa der Aufruf zur Jagd auf Nordafrikaner in Innsbruck.

Der erwähnte Ex-Minister, immerhin amtierender FPÖ-Fraktionschef im Parlament, scheint sich selbst im verbalen Gewaltrausch zu gefallen, indem er vor einer johlenden aufgehetzten Menschenmenge dazu aufrief: „Panieren wir die Roten und Schwarzen her!“ Was heißt das wohl im Klartext ? Es ist ein blanker Gewaltaufruf.

Bedenklich erscheint zudem, dass der oftmals als „Wolf im Schafspelz“ charakterisierte FPÖ-Chef Norbert Hofer eine klare Distanzierung von den verbalen Gewaltausritten seines Mitkämpfers Herbert Kickl vermissen lässt. Auch der künftige neue alte Kanzler Kurz drückt wieder einmal mindestens ein Auge zu.

Dabei wäre zunehmender Gewalt in der Sprache konsequent zu begegnen. Auch und gerade in Wahlkampfzeiten wie jetzt. Die Geschichte hat immer wieder dramatisch vor Augen geführt, dass gewaltverherrlichen Worten letztlich reelle Taten folgen können. Lehren der Geschichte, die sträflich missachtet werden.

Jemand, der ungestraft Haken austeilen möchte, jemand, dem die Menschenwürde von Ausländern sowie die Menschenrechtskonvention ziemlich egal zu sein scheinen, ist wohl als Regierungspartner untragbar. Doch der Chef der türkisen (früher christlich-sozialen) ÖVP sieht das möglicherweise anders.
Udo Bachmair ist Journalist (früher ORF) und Präsident der Vereinigung für Medien

Ängste und Feindbilder als Strategie

Das Schüren von Ängsten gilt als wesentliche Strategie rechtspopulistischer Polemik und Politik.

Udo Bachmair

Ängste und Emotionen entfachen, Hass und Hetze gegen soziale, ethnische oder religiöse Minderheiten provozieren, unermüdlich an Feindbildern arbeiten. Das und mehr sind Ingredienzien rechtspopulistischer Politik und Medien, die auch im anlaufenden EU-Wahlkampf eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen werden.

Die menschenrechtlich und demokratiepolitisch höchst bedenkliche Entwicklung war eines der Themen auch in der jüngsten von der Vereinigung für Medienkultur veranstalteten Podiumsdiskussion „EU-Wahlkampf zwischen Fake und Fakten“. Vor allem die Ängste werden von Politik und Medien mitunter weidlich missbraucht.

Zum Thema Angst hat uns Tobias Waltjen, einer der Besucher der Veranstaltung im Presseclub Concordia, die folgenden nachdenkenswerten Reflexionen übermittelt:

„Man sollte glauben, zuerst erfahre ich von einer Gefahr, dann bekomme ich Angst. Vielleicht ist es aber umgekehrt: ich bringe die Angst schon mit, ohne mir darüber im Klaren zu sein, weshalb und wovor. Dann bekomme ich (eventuell von interessierter Seite) eine Theorie, einen Deutungsvorschlag, ein Bedrohungsbild angeboten, das meine Angst erklärt und vor allem rechtfertigt. Wenn ich das Angebot annehme, bekommt meine Angst einen Namen, wird mitteilbar, bringt mich in Gesellschaft (mit gleichgesinnten Angsthasen). Das funktioniert besonders gut mit Angstgründen, die mich in Wirklichkeit nicht betreffen: Antisemitismus ohne Juden, Migrationsängste ohne Migranten, denn konkrete Furcht vor etwas lässt sich nicht so leicht umdefinieren, wie diffuse Ängste.

Angst braucht keine Gründe, „Angst hat immer Recht“ (Lacan), aber wir brauchen Rechtfertigungen. Das System von Rechtfertigungen hat keine rationale Verbindung zum Zustand der Angst, sondern schwebt quasi unverbunden darüber.

Es bleibt also unsere individuelle Verantwortung, aber auch die der Parteien mit Führungsanspruch, den Haushalt der Vorstellungen, warum und wovor wir Angst haben sollten, aktiv so zu pflegen, dass wir (die Gesellschaft) sich dennoch weiter als handlungsfähig erleben, denn nur das baut Angst ab.“

( Dr. Tobias Waltjen )