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Durch Mainstream reduzierter Diskurs?

Die jüngste ORF-Diskussion „Im Zentrum“ trug den Titel: Verwirrt, frustriert, resigniert – Warum noch wählen?

Wolfgang Koppler *

Ein bisschen beklemmend wirkte der zugeschaltete Beitrag zu Beginn der Sendung, in dem man unsere Spitzenpolitiker von Maurer über Edtstadler bis Nehammer auf TikTok in den dort üblichen Posen und mit kurzen Slogans bewundern konnte. Diskussionsteilnehmer Prof. Filzmaier erklärte das schlüssig damit, dass man zunächst mit den potentiellen Wählern (in diesem Fall Jugendliche) dort Kontakt aufnehmen müsste, wo sie sich meist aufhalten bzw. erreichbar sind. Das könne aber nur ein erster Schritt sein. Dann müssten weitere folgen, um Inhalte nahezubringen und einen Diskurs zu führen, Interesse zu wecken.

Die anwesenden Jugendpolitiker sahen das naturgemäß etwas weniger realistisch. Sie beklagten etwa den durch den Mainstream eingeschränkten Diskurs (was interessanterweise von manchen Populisten brachial ausgenutzt wird, indem diese nur mehr auf Emotionen und nicht auf Sachargumente setzen, sodass allzu viel political correctness zum Gegenteil dessen führt, was sie beabsichtigt),sie beklagten aber auch die eingeschränkten Möglichkeiten der Politik durch vorgegebene rechtliche und wirtschaftliche Erfordernisse.

Und hier hätte es interessant werden können. In der unmittelbar vorangegangenen ZiB2 kam zumindest im Rahmen eines kurzen Straßeninterviews der EU-Spitzenkandidat der KPÖ, Hopfgartner, zu Wort. Neben dem Einsatz für eine Verhandlungslösung im Ukrainekrieg will sich die KPÖ ja auch für leistbares Wohnen auch auf EU–Ebene einsetzen. Und da stellte er einen interessanten Vergleich an: Während die Wirtschaft jederzeit gegen Wettbewerbshindernisse vorgehe, also ihre „Rechte“ problemlos durchsetzen kann, stehen Grundrechte des Einzelnen meist nur auf dem Papier. Wie etwa das Recht auf Wohnen (auch wenn es sich nur in der UN-Menschenrechtsdeklaration vom 1948 findet).

Menschenwürde ist in unseren Gesellschaften offenbar ein Lippenbekenntnis und Menschenrechte werde oft als weit weniger bedeutsam erachtet als der freie Wettbewerb und das Recht auf weitgehend schrankenlosen Gewinn. Auch wenn das vielen Leuten vielleicht nicht so ganz bewusst ist. Ob es den Mangel an leistbarem Wohnraum (bei leerstehenden Bürobauten und Luxuseigentumswohnungen), die zugrunde gehenden Kleinunternehmer, den Klimawandel oder unseren Dreck an afrikanischen Küsten betrifft. An dem angeblich nur der Konsument schuld ist. Und nicht primär die schrankenlose und umweltschädigende Überproduktion. Sowie die ständige Expansion von Großunternehmen.

Und Menschen, die Derartiges hinterfragen, sind meist Miesmacher oder gefährliche Radikale. Oder werden zumindest schnell vom dringend erforderlichen Diskurs über unsere Werte ausgeschlossen.

Was vielleicht auch ein Grund für die vielen Nicht- und Protestwähler ist.

Und unsere Medien: Die beschäftigen sich mit so wichtigen Dingen, wie dem Schutz von Wölfen, die längst keine gefährdete Tierart mehr sind. Wie die Coverstory des jüngsten Profil. Kein Wunder, wenn sich viele von Politik und Medien abwenden. Mit einer gesunden und freien Diskussionskultur könnte man vielleicht den einen oder die andere wiedergewinnen.

* Gastautor Mag. Wolfgang Koppler ist Journalist und Jurist und lebt in Wien

Pilz will Liste des „radikalen Pragmatismus“ auch in der Ausländerpolitik

Hans H ö g l

Peter Pilz, Grün-Urgestein, wurde von seiner Partei verstoßen -trotz seiner großen Verdienste. Bei der Nationalratswahl im Herbst kandidiert er nicht mehr für die Grünen, sondern mit eigener Liste. Er unterlag bei einer basisdemokratischen Kampf-Abstimmung.

Zur Person: Peter Pilz zog 1986 für die Grünen in den Nationalrat, entdeckte Van der Bellen, gilt als Aufdecker (Eurofighter Ausschüsse,  Affären um „Noricum“ und „Lucona“). Er wurde 1954 im steirischen Industrieort Kapfenberg geboren, studierte Volkswirtschaft und lebt heute weiterhin in einer Wiener Gemeindewohnung („Sozialbau“). Dies als Hinweis, dass er durch  Wohnort und Herkunft nahe an den kleinen Leuten ist.

Ein Interview in der „Kleinen Zeitung“ (30.6.17) ist aufschlussreich für seine Positionen. Seine Liste richtet sich an Nicht–und Protestwähler, das ist „weit weg vom grünen Milieu“. „Es wird eine Liste des radikalen Pragmatismus.“ Sie richtet sich an Menschen, die versus Politik konkrete Fragen haben: Zum Beispiel: „Was tut ihr gegen Machtmissbrauch? Wie macht ihr eine andere Ausländerpolitik? Wie schafft ihr Sicherheit?“ „Mit diesen Fragen haben sich die Grünen nicht beschäftigt, aber sie beschäftigen die Menschen.“

„Ich weiß, wie eine pragmatische, durch Menschenrecht begründete Sicherheitspolitik aussehen muss. Und wie man unsere Heimat Europa vor dem politischen Islam schützen kann. Wir können dies besser als FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, weil wir im Gegensatz zu ihm ebenso harte wie menschliche Lösungen suchen. Es muss um Schutz, Sicherheit und Integration gehen und nicht darum, eine Gruppe gegen die andere auszuspielen“.

Frage der Kleinen Zeitung: Warum sind sie damit nicht in ihrer Partei durchgekommen? „Ich habe diese neuen Wege stets eingefordert und bin damit gescheitert“. Ursprünglich waren die Grünen risikofreudig. „Dann sind wir erfolgreich und damit vorsichtig geworden“. Die Grünen teilen das Schicksal von Nokia: Die Fehlervermeidung trat an Stelle der Risikobereitschaft.

Für den Eurofighter Untersuchungsausschuss tat sich Pilz zusammen mit der Strache-FPÖ. Dazu Pilz: „Die Grünen müssen dringend diese Fixierung auf die FPÖ aufgeben…Mir ist die FPÖ wurscht. Ich suche schlicht nach pragmatischen Lösungen und mache die Blauen (FPÖ)  damit überflüssig.“